Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Die Bagatellisierung von Herrn Scharping!)

Die Ministerin hat vergangenen Donnerstag im Ausschuss mehrere exemplarische Fälle vorgestellt, bei denen in der Vergangenheit Personen in Dopingaktivitäten verstrickt waren, darunter einen Fall, der damals nicht unter dem Dopinggesichtspunkt überprüft worden ist, aber der aus dem heutigen Wissensstand heraus möglicherweise eine neue Überprüfung rechtfertigt.

Meine Damen und Herren, darum muss es uns auch gehen. Wir haben Unterlagen zugespielt bekommen. Ich sage hier ganz bewusst:Das ist alles im anonymen Bereich gewesen. Man muss deshalb auch sehr vorsichtig sein mit dem, was man hier sagt. Aber wir haben als Legislative auch die Pflicht, diese Informationen weiterzugeben. Das haben wir getan, und wir erwarten, dass die Exekutive überprüft, ob an der Sache etwas dran ist oder nicht.

(Beifall bei der FDP)

Denn, meine Damen und Herren, wichtig ist für uns, dass alle alten Fälle, die man damals unter anderen Gesichtspunkten überprüft hat, noch einmal auch unter dem Dopinggesichtspunkt überprüft werden. Wir erwarten – da gehen wir auch davon aus, dass das Sozialministerium das macht –,dass hier schnell überprüft wird,damit auch mögliche Verdachtsmomente ausgeschlossen werden können. Es kann auch sein, dass in dem Fall, um den es bei uns ging, alles legal ist, aber trotzdem möglicherweise Mittel geliefert werden, die im Dopingbereich eingesetzt werden. Das ist das, was mich so nachdenklich macht. Es kann sein, dass es legal ist; aber auf der anderen Seite kann es trotzdem sein, dass diese Mittel im Dopingbereich eingesetzt werden.

(Beifall bei der FDP)

Dieser Missbrauch ist wirklich das Perfide an der Geschichte. Es sind Ärzte, die das Ganze verschreiben, und gibt es Arzneimittellieferanten, die die Dopingmittel liefern. Wenn das Ganze möglicherweise noch über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden sollte, wäre das ein noch größerer Skandal. Es ist nicht ausgeschlossen, dass, wie gesagt, alles legal ist. Aber wir kommen möglicherweise nicht dahinter.

Deshalb haben wir als FDP gefragt: Was kann man denn tun, um hier Transparenz hineinzubekommen? Diese Transparenz ist unserer Meinung nach durch eine Dokumentationspflicht zu schaffen. Eine solche Dokumentationspflicht für Mittel, die für Leistungssteigerungen gebraucht werden können, gibt es im Tierbereich.Wir haben hier im hessischen Parlament auch Landwirte, die wissen, dass man es dokumentieren muss, wenn man Mittel, die zur Leistungssteigerung verwendet werden können, an Tiere abgibt.

Warum ist das nicht im humanmedizinischen Bereich ebenso? Ich weiß, das erfordert einen gewissen Aufwand; das will ich nicht bestreiten. Aber wir müssen doch überlegen, wie wir Transparenz in diesem Bereich erzielen, um auch Verdachtsmomente endgültig ausschließen zu kön

nen. Deshalb ist die Dokumentationspflicht für uns sehr wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will abschließend sagen: Es wurde gesagt – das ist auch in der Unterlage der Fall, die wir der Ministerin übergeben haben –: 20.000 Einheiten Epo sind nicht viel oder sind viel. Das wurde unterschiedlich bewertet. Die Apothekerkammer sagt das eine; Ärzte sagen das andere.

Unsere Recherchen haben ergeben, dass eine Uniklinik im Schnitt 5.000 Einheiten verbraucht. Insofern zeigt das, dass 20.000 Einheiten sicherlich nicht wenig sind.Auf der anderen Seite ist diese Zahl aber auch kein Beweis dafür, dass dort etwas nicht richtig läuft. Deshalb noch einmal unsere Bitte als FDP: Wir müssen erreichen, dass wir Transparenz im Arzneimittelsektor erhalten. Wir müssen wissen, wohin die Medikamente gehen, an wen sie geliefert werden,um solche Verdachtsmomente auch endgültig ausschließen zu können.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend verlangen wir von der Exekutive, vom Ministerium, eine erhöhte Sensibilität in diesem Bereich; denn heute haben wir einen anderen Wissensstand als vor vier oder fünf Jahren. Diese Sensibilität ist uns im Ausschuss zugesichert worden. Das finde ich sehr gut. Die Ministerin hat aus unserer Sicht bisher sehr gut recherchiert. Wir hoffen, dass diese Recherchen bald zu Ergebnissen in die eine oder andere Richtung führen, ohne hier jemanden verurteilen zu wollen.

Wenn das legal ist,ist nichts dran.Dann heißt es trotzdem, dass wir mehr Transparenz brauchen. Wenn es nicht legal ist, müssen die Maßnahmen getroffen werden, die der Rechtsstaat bietet. Das ist auch eine Möglichkeit. Dafür plädieren wir und bitten Sie herzlich um Unterstützung unseres Antrages. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Herr Klee, ich darf Ihnen für die CDU-Fraktion das Wort erteilen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Horst Klee bringt auch ohne Doping Höchstleistungen!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Tagespresse verfolgt, weiß, dass uns das Thema Doping in den letzten Wochen begleitet hat, aber voraussichtlich auch in den nächsten Monaten ununterbrochen begleiten wird. Heute findet man Nachrichten wie „Dopinggesetz passiert den Sportausschuss“, „Rheinland-Pfalz-Rundfahrt 2008 – Land Rheinland-Pfalz streicht die 250.000 c für die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt“. Zur Radweltmeisterschaft im September in Stuttgart heißt es: Von 10.000 Tribünenplätzen im Zielbereich sind bis jetzt nur 874 verkauft. – Das ist genau die Antwort, die ich erwarte. So reagiert die Öffentlichkeit auf diesen Zauber, den uns der Radsport seit Jahrzehnten vorführt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Rolf Mül- ler (Gelnhausen) (CDU) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich denke, wenn die Öffentlichkeit so sensibel auf diese Dinge reagiert, ist dies die richtige Antwort und gleichzeitig auch der richtige Auftrag für Sportverbände, für Fachverbände, für die Sportler selbst und auch für die Medienöffentlichkeit, entsprechend zu reagieren.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, Doping ist schließlich nicht in den letzten Wochen vom Himmel gefallen.Wir kennen die Dinge schon seit der Antike. Es gibt Überlieferungen, dass man leistungsfördernde Mittel gesucht hat.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Was haben die denn gemacht?)

Man hat vor Wettkämpfen gewisse Speisen eingenommen. Es gibt, häufig zitiert, aber nie bewiesen, die Behauptung, dass Stierhoden bei Verzehr leistungsfördernd gewirkt haben. – Das muss jetzt nicht ausprobiert werden.

Es gibt auch die Überlieferung von den Inkas, dass das Kauen von Kokablättern dazu geführt hat, dass man die großen Entfernungen, die man zu Fuß überwinden musste, damit leichter überwinden konnte.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Kann man die auch für Landtagsreden nehmen?)

Die totalitären Staaten haben im 20. Jahrhundert auch ihren Beitrag dazu geleistet, dass das Thema Doping immer wieder in aller Munde war.Wer will ausschließen, dass die Olympischen Spiele in Peking von China zur Darstellung eines vermeintlich überlegenen politischen Systems missbraucht werden, koste es, was es wolle?

Liebe Freunde, bei den Olympioniken in der Antike konnte Doping sicher nicht bewiesen werden.Es gab auch keine Agenturen, die nachgucken konnten, was Sache war. Aber aus dieser Entwicklung heraus ist letztendlich die Entwicklung im 20. Jahrhundert zu sehen.Wir kennen aus früheren Jahrzehnten das Wort von der schnellen Pulle im Radsport. Dort hat man versucht, mit Substanzen,aber auch Alkohol,kurzfristig Leistungssteigerung zu bringen.

Das hat sich dann erweitert, und die ersten Dopingtoten sind im Radsport aufgetreten. Es gibt eine riesenlange Liste, die mir hier vorliegt.Alle die Papiere, die ich mitgebracht habe, sind Material, das man dazu verwenden kann, den Nachweis zu erbringen, dass dieses Thema seit Jahrzehnten relevant ist.

Meine Damen und Herren, man muss bei solchen Dingen natürlich hinterfragen, wo das überhaupt herkommt. Woher kommt es, dass man diese Mittel sucht, dass man diese Leistungssteigerung überall erwartet? Zum einen kommt es natürlich daher, dass ein Sportler nicht auf Platz 134 über die Pyrenäen fahren will, sondern, wenn möglich, in der Spitzengruppe.Auf der anderen Seite leisten auch die Medien täglich ihren Beitrag.

Ich denke daran, dass vor Olympischen Spielen gewisse Medien schon hochrechnen, wie viele Medaillen aufgrund von Plätzen, die unsere Sportler im Vorfeld erreicht haben, erreicht werden müssten: 48 Goldmedaillen, 34 Silber- und 62 Bronzemedaillen. Damit entsteht eine Erwartungshaltung, und wenn sie das nicht erreichen, kommen die Sportler in einen Verriss der besonderen Prägung. Dann heißt es: deutsche Sportler im hinteren Feld. In den bestimmten Zeitungen werden die Leute in der Headline niedergemacht.

Das führt natürlich auch dazu, dass die Hemmschwelle, sich für leistungsfördernde Mittel zu öffnen, abgebaut wird. Der öffentliche Druck führt dazu, dass ein Sportler, der in seinem Umfeld spürt, dass solche Mittel eingenommen werden, gegebenenfalls mitmacht. Ich muss sagen, ich stimme Heinrich Heidel nicht ganz zu. Erich Zabel hat bei mir einen relativ glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Er hat sich sicherlich innerlich sehr lange gewehrt, etwas zu nehmen,aber unter dem Druck,dass alle in seinem Umfeld es getan haben und es auch von seinem Team – Bjarne Riis – praktisch vorgegeben war, hat er sich in diese Geschichte eingeklinkt, weil er als Sprinter immer nur ganz kurz da vorne gefordert war und diese Leistung vielleicht nur durch diese Mittel erbringen konnte.

Erinnern wir uns an die Tour de France, wo Floyd Landis gewonnen hat. An einem Tag war er völlig zusammengebrochen im hinteren Feld angekommen. Am nächsten fährt er an allererster Stelle über die Berge. Da braucht niemand Nachhilfe, da braucht niemand medizinisches Wissen, man muss einfach sagen: Das geht nicht mit rechten Dingen zu.

Die Öffentlichkeit hat dabei ein ungutes Gefühl, und das zieht den Sport in Gänze hinunter. Es gibt Studien und Untersuchungen, dass es nicht nur im Spitzen- und Leistungssport zu solchen Dingen kommt, sondern dass schon in der Breite versucht wird, mit der einen oder anderen Kiste nachzuhelfen. Dabei finde ich es ganz schlimm, dass Ärzte sich hergeben, um solche Dinge zu sanktionieren und ihr Geschäft damit zu machen.

(Beifall bei der CDU, der FDP sowie des Abg. Jür- gen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Daher ist es richtig – die Freien Demokraten haben ihren Setzpunkt generalstabsmäßig vorbereitet mit den Anfragen in den Ausschüssen und auch mit Pressekonferenzen –, dass wir dieses Thema in die Mitte des Landtags stellen.Ich habe vorhin gehört,dass der Antrag an den zuständigen Innenausschuss überwiesen werden soll. Dort können wir nacharbeiten. Ich behaupte, das wird für uns ein Dauerthema sein, weil ich nicht glaube, dass alle schon so bereit sind,wirklich mit letzter Konsequenz das Doping zu bekämpfen.

Ich möchte ausdrücklich der Landesregierung Dank sagen, weil ich denke, sie ist auf einem guten Weg mit den Antworten auf die gestellten Anfragen. Ich beziehe mich hierbei mehr auf den Innenausschuss als auf den Sozialpolitischen Ausschuss; denn der Sport ist im Innenausschuss aufgehoben. Ich finde es gut, dass z. B. der Landessportbund und das hessische Innenministerium gemeinsam eine Erklärung abgegeben haben, die vieles von dem beinhaltet, was die Kollegen von den Freien Demokraten hier vorgetragen haben.Wir sollten in dieser Richtung auf diesem Weg gemeinsam weitermachen.

Dieses Thema eignet sich überhaupt nicht für eine politische Auseinandersetzung. Hier sind wir alle in Gänze gefordert, um den Sport vor solchen Machenschaften zu schützen, sodass der Sport auch in Zukunft Bestand hat und für unsere junge Generation als eine Sache gilt,an der zu beteiligen es sich lohnt, und zwar sauber zu beteiligen, sodass wirklich die von ihren Anlagen und von ihrem Trainingsfleiß her Besten sich bewähren.Wenn wir auf diesem Weg weitermachen, sind wir auf einem guten Weg. Ich freue mich auf die Nachbetrachtung im Innenausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der FDP sowie des Abg. Jür- gen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Klee. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Hartmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einzelne Dopingfälle in den unterschiedlichen Sportarten haben in der Vergangenheit immer wieder zu punktueller Aufregung beigetragen. Im Moment ist die Aufregung etwas stärker geworden. Aber in der Vergangenheit hat diese Aufregung leider nicht zu wirkungsvollen Konsequenzen im Kampf gegen Doping geführt.

Die SPD, insbesondere die SPD-Bundestagsfraktion, hat sich seit Längerem für eine schärfere staatliche Antidopingpolitik und ein Antidopinggesetz ausgesprochen. Doch leider waren die Bemühungen von den anderen Parteien und dem organisierten Sport eher ablehnend kommentiert worden. Es ist bedauerlich, dass es erst der Skandale der zurückliegenden Monate bedurfte, um in der Politik eine breite Mehrheit für einen Maßnahmenkatalog zu finden, der sich mit der Dopingbekämpfung auseinandersetzt.

Der Gesetzentwurf, der jetzt auf Bundesebene diskutiert wird, ist aus meiner Sicht sicherlich ein wichtiger Schritt, aber – ich glaube, da sind sich alle Parteien einig – nicht ausreichend, um eine effektive Dopingbekämpfung vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, wenn wir wirklich effektive Maßnahmen gegen Doping umsetzen wollen, dann brauchen wir eine abgestimmte Strategie von Sport, Politik und der nationalen Antidopingagentur. Wir brauchen aber auch einen gesellschaftlichen Grundkonsens, dass Doping kein hinnehmbares Kavaliersdelikt ist, wie das meine Vorredner schon zum Ausdruck gebracht haben, sondern dass es eine kriminelle Machenschaft ist, die sowohl dem Sport als auch der Gesellschaft schadet.

Deshalb bedarf es neben präventiver und restriktiver Maßnahmen auch eines Bewusstseinswandels bei Sportlern und Bevölkerung. Wissen Sie, was mich bei all den Dopingskandalen am meisten erschüttert hat? – Das war dieses Selbstverständnis, mit dem Sportler ohne jegliches Schuldbewusstsein Doping eingeräumt haben.

(Zuruf von der SPD: Stimmt!)

Es war die Selbstverständlichkeit, mit der in vielen Medien und auch in der Bevölkerung die Dopinggeständnisse aufgenommen wurden. Am schlimmsten finde ich die Selbstverständlichkeit, mit der man diesen Dopingsündern jetzt wieder zujubelt. Es bedarf eines Unrechtsbewusstseins dahingehend, dass Doping Betrug am Sport, an den Zuschauern und an der Fairness ist. Dieses Unrechtsbewusstsein muss deutlich gemacht werden.

Das bedeutet aber auch, dass alle am Sport Beteiligten ihrer moralischen Verpflichtung nachkommen müssen, einen aktiven Beitrag zur Dopingbekämpfung zu leisten. Dies bedeutet nicht nur eine theoretische Ächtung des Dopings,sondern auch eine Ächtung der Athleten,die dopen. Dazu gehört auch, dass man deutlich macht, dass Sportler und Sportlerinnen, die dopen, in der Regel genau wissen, was sie tun, und deshalb nicht Opfer, sondern Mittäter und Profiteure des Betrugs sind.

Unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung des Sports und der unmittelbaren Verantwortung von Sport