Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Ich habe da eine andere Einschätzung. Das ist kein Vorwurf gegenüber Abgeordneten. Aber auch sie haben regionale und sonstige Verpflichtungen. Es ist natürlich nur eine Vermutung, dass ein mit Abgeordneten besetztes

Gremium nicht das richtige Instrument wäre. Ich glaube, diese Stiftung bräuchte Gremien, die eine größere Distanz dazu haben und nicht dem Versuch erliegen, Probleme irgendwie mit Proporzdenken zu lösen. Als Beispiel will ich nur die Überlegung einer gleichmäßigen Verteilung nennen. Womöglich würde das dann auch noch nach der Finanzkraft der Länder,der Einwohnerzahl,dem Ausländeranteil, dem Anteil der unehelichen Kinder oder was auch immer erfolgen.

(Heiterkeit des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Grunde genommen brauchen wir eine Deutsche Kulturstiftung, mit der diese Nation endlich den Mut zeigt, sich dazu zu bekennen, dass die Unterstützung der Kultur nicht Gegenstand eines Kleinkrieges zwischen Bund und Ländern sein darf, sondern einer gemeinsamen Anstrengung bedarf, die Bund und Länder einigt.Wenn der Bund endlich bereit ist, eine solch große Summe zur Verfügung zu stellen, dann sollten die Länder nicht durch einen Kleinkrieg das zu konterkarieren versuchen. Vielmehr sollte man Lösungen finden,mit denen wir gemeinsam auf den verschiedenen Ebenen, auf denen wir tätig sind, unserer Verantwortung gerecht werden. Denn ansonsten wird der Schaden, der am Ende angerichtet sein wird, auch durch das Führen der Entflechtungsdebatte nicht wieder geheilt werden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kollege Holzapfel, vielen Dank. – Das Wort hat der Wissenschaftsminister, Herr Staatsminister Corts.

Herr Präsident – es ist mir immer ein Vergnügen,unter Ihrer Aufsicht sprechen zu dürfen, anscheinend ist das immer der Fall, wenn ich hier stehe –, meine sehr verehrten Damen,meine Herren! Ich habe diese Diskussion sehr genau verfolgt. Ich freue mich darüber, dass im Großen und Ganzen eigentlich Einigkeit darüber herrscht,wie mit diesem Thema umgegangen werden könnte.Dabei muss man allerdings ein bisschen von der bayerischen Politik absehen, die Frau Sorge in die Diskussion eingebracht hat. Ich möchte nur ein Stichwort dazu nennen. Dann sollten wir die Problematik um Herrn Stoiber und Bayern beiseite lassen.Wie Sie wissen, ist der Einfluss, den Herr Koch auf Herrn Stoiber hat, doch recht groß. Wir werden da Einfluss nehmen.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Kartmann (CDU) und bei Abgeordneten der SPD – Norbert Kartmann (CDU): Das ist eine völlig neue Debatte!)

Ich komme jetzt zum Thema zurück. – Das Thema hat sich ein wenig überholt. Ich will meine Rede deshalb relativ kurz halten. Am 18. und 19. September 2003 wird die Konferenz der Chefs der Staatskanzleien, die Amtschefkonferenz, stattfinden.Auf deren Tagesordnung steht dieses Thema.Wenn man sich die hier jetzt zu behandelnden Anträge anschaut, sieht man, dass sie alle aus dem Juli 2003 stammen. Inzwischen ist Zeit vergangen.

Vielleicht sollten wir einige Punkte festhalten. Frau Wagner, wir sind uns darin einig, dass es da keinerlei Abweichungen geben darf.Darin sind wir uns vollkommen einig. Da werden wir Kontinuität haben. Ich sehe es genauso,

wie Sie es sehen. Der ursprüngliche Fehler besteht darin, dass eine zweite Stiftung gegründet wurde. Wir sind genauso wie Sie der Auffassung, dass keine neuen Bürokratien geschaffen werden dürfen.Als ich mich das erste Mal etwas näher damit befasste, dachte ich mir, das darf und sollte eigentlich nicht so ein.Wir werden versuchen, da etwas zu erreichen. Herr Grüttner ist bereits unterwegs. Ich bin mir sicher, dass wir vor diesem Wochenende keine Lösung finden werden. Der Grund dafür ist bekannt. Davon kann man also ausgehen. Zum Schluss wird man aber einen Weg finden.

Ich möchte einen Punkt aufgreifen, den Herr Holzapfel angesprochen hat. Den finde ich ganz wichtig. Er sprach die Diskussion an,die es darüber gibt,wie eine solche Stiftung heißen soll. Da sollten wir alle gemeinsam für einen Namen eintreten. Das wäre dann auch ein Beitrag dazu, dass dieses Land zusammenwächst. Ich hielte die Bezeichnung „Deutsche Kulturstiftung“ für vernünftig. Bei allen anderen Namen würde sich wieder die reine Bürokratie durchsetzen. Das wären dann Namen, in denen sich jeder wieder finden will. Ich werde die Benennung in „Deutsche Kulturstiftung“ nachdrücklich unterstützen. Da bin ich auf Ihrer Seite.

Ich komme zu der Frage des Vetorechts. Sie brachten da als Beispiel die Vorschläge der Länder Bayern und Bremen.Ich kann Ihnen dazu mitteilen,dass in der Zwischenzeit ein bisschen Bewegung in die Geschichte gekommen ist. Da wird sich noch ein bisschen was ändern.

Ich denke, es ist vernünftig, den Fortgang abzuwarten. Jetzt wird erst einmal die Konferenz der Amtschefs stattfinden. Dann wird es weitere Diskussionen geben. Ich könnte mir vorstellen, dass wir im späten Herbst dieses Thema wieder auf die Tagesordnung nehmen sollten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Herr Minister, vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/248, den Änderungsantrag Drucks. 16/302 und den Antrag der Fraktion der FDP, Drucks. 16/310, dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zu überweisen. Besteht Einvernehmen darüber? – Das ist der Fall.

Wir sind am Ende der Vormittagssitzung angekommen. Heute Nachmittag wird es mit der Wahl des Datenschutzbeauftragten weitergehen.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass jetzt der Innenausschuss zu einer Sitzung im Sitzungssaal 119 M zusammentritt.

Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause bis 14 Uhr.

(Unterbrechung von 12.50 bis 14.03 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Nachmittagssitzung eröffnen und um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 3 auf:

Wahl des Hessischen Datenschutzbeauftragten

Bevor wir diesen Tagesordnungspunkt in Angriff nehmen, darf ich zunächst ganz herzlich bei uns den Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen, Herrn Prof. Dr. von Zezschwitz, begrüßen. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Bevor Herr Prof. von Zezschwitz zu uns sprechen wird und bevor wir in den Wahlgang zur Wahl des Nachfolgers eintreten, darf ich noch einige Worte an ihn richten.

Lieber Herr Prof. von Zezschwitz, am 29. Juni 1999 wurden Sie auf Vorschlag der Hessischen Landesregierung vom Landtag in das Amt des Hessischen Datenschutzbeauftragten gewählt. Mit der Annahme dieser Wahl haben Sie ein Amt übernommen, das seit der Verabschiedung des weltweit ersten Datenschutzgesetzes im Oktober 1970 und der Wahl des ersten Hessischen Datenschutzbeauftragten 1971 zu den allseits anerkannten Institutionen unseres Landes zählt. Die Notwendigkeit präziser Regelungen im Datenschutz und die ständige Überprüfung ihrer Einhaltung sind seitdem fester Bestandteil im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geworden.Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund einer mit zunehmender Geschwindigkeit fortschreitenden technologischen Entwicklung.

In der letzten Woche konnten wir gemeinsam in diesem Plenarsaal das schon traditionelle Wiesbadener Forum Datenschutz eröffnen. Das diesjährige Thema „Sicherheit im Bereich der mobilen Kommunikation“ traf auf äußerst reges Interesse bei den zahlreich anwesenden Fachleuten. Dabei wurde deutlich, dass es erheblicher Anstrengungen bedarf, um den Sicherheitsstandard, den wir im Festnetz erreicht haben,auch auf die mobilen Netze zu übertragen.

Lieber Herr Prof. von Zezschwitz, Sie haben in Ihrer Amtszeit den hervorragenden Ruf des Wiesbadener Forums Datenschutz durch die Auswahl der Themen und die Gewinnung von jeweils erstklassigen Referentinnen und Referenten gemehrt.Die jüngste Erinnerung an das letzte Forum belegt dies ausdrücklich.

In Ihrer Amtszeit haben Sie den Vorsitz des Arbeitskreises Steuerverwaltung innerhalb der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder übernommen. Datenschutzrechtliche Fragestellungen im Bereich der Steuergesetzgebung haben Sie mit ganz besonderem Interesse verfolgt und den Weg zum „gläsernen Unternehmer“ und „gläsernen Steuerbürger“ beklagt.

Auch erinnere ich daran,dass in Ihrer Amtszeit eine ganze Reihe von neuen und auch strittigen Fragen im Bereich des hessischen Datenschutzes die öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Es sei hier nur an die Durchführung der Rasterfahndung oder an die Grenzen des Rechts auf Akteneinsicht erinnert. Doch es gehört zum Amt des Datenschutzbeauftragten, auch umstrittene Themen aufzugreifen.

Ihr besonderes Augenmerk galt auch der Entwicklung im Gesundheitsbereich. Hier seien nur die Stichworte Patientenchipkarten und zentraler Datenpool der gesetzlichen Krankenversicherungen genannt.

Aber all dies war nur ein kleiner Ausschnitt Ihrer Arbeit, die Sie, Herr Prof. von Zezschwitz, in den vergangen Jahren als Hessischer Datenschutzbeauftragter in sinnvoller Anbindung an das Parlament, aber auch unter Wahrung der gebotenen Distanz als Garant des Rechts auf infor

mationelle Selbstbestimmung geleistet haben. Dafür und für die gute Zusammenarbeit zwischen Ihrer Behörde und dem Parlament danke ich Ihnen ganz herzlich.Ich bin sicher, das tue ich auch im Namen aller Fraktionen dieses Hauses.

(Allgemeiner Beifall)

Dies gibt mir die Gelegenheit, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Datenschutzbehörde Dank auszusprechen, weil sich das, was ich über den Datenschutzbeauftragten sage, letztlich in den ausführenden Personen widerspiegelt.

Herr Prof. von Zezschwitz, für die Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute, Kraft, Gesundheit und Erfolg bei den Dingen, die Sie sich vorgenommen haben, ohne dass ich weiß, was Sie sich vorgenommen haben.

Ich darf Sie nun bitten, zu uns zu sprechen.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Zunächst sehr herzlichen Dank für die freundlichen Worte, die Sie über mich gefunden haben. Das tut einem gut, wenngleich es einen immer peinlich berührt, wenn man so sehr gelobt wird.

Das ist aber nicht der Grund, warum ich zu Ihnen sprechen will, sondern es ist der Datenschutz in seiner heutigen Situation. Wir stehen heute vor dem Phänomen, dass wir eine Vielzahl neuer Speichermedien und neuer Datenspeicher haben, jeder einzelne für sich unproblematisch erscheint, aber die Vielzahl und die Vernetzung unter ihnen das eigentliche Problem darstellen. Physikalisch gesprochen kann man davon ausgehen, dass die kritische Masse der Persönlichkeitsgefährdung erreicht ist und dass wir aus diesem Feld heraus auch in Zukunft großes Augenmerk im öffentlichen wie im privaten Bereich darauf richten müssen, dass der Mensch keine zweite Abbildung in der elektronischen Welt erfahren wird, eine Abbildung, die dann möglicherweise allseitig verfügbar und abrufbar ist.

Das Internet und die über seine Kanäle organisierte Informationsgesellschaft bringen zweifelsfrei eine Vielzahl von Segnungen. Aber wir müssen klar sehen, dass nicht nur Sachinformationen über diese Kanäle laufen, sondern zunehmend auch Personeninformationen, weil letztlich der gesamte Austausch von Informationen, ob das über E-Mail oder andere Formen der elektronischen Medien stattfindet, immer in Form der Nutzung des Internets stattfindet und die Folge davon ist, dass man erstens eine Vielzahl verfügbarer Daten dort schützen und zweitens auch die Kanäle, auf denen das stattfindet, extrem abschirmen muss.

Wir sind gegenwärtig in einer Entwicklung, wo das eher aufgebrochen wird, insbesondere auf Verlangen des Bundes, der im Rahmen seiner Terrorismusgesetzgebung eine weitgehende Speicherung der Daten von Kommunikationsverbindungen verlangt und diese langfristig speichern möchte, um später die jeweiligen Aktivitäten der Einzelnen ablesen zu können.

Jedenfalls kann man sagen: Als wir vor 20 Jahren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Persönlichkeitsrechte im Datenschutz verkündet bekommen haben, hat keiner – die Juristen unter Ihnen werden es alle noch in Erinnerung haben – auch nur entfernt geahnt, dass sich

die harten Sätze der Magna Charta des Datenschutzes,die dort niedergelegt sind, in der Zukunft so wenig würden realisieren lassen. Das heißt, der Umfang der Speicherungen, den man damals eindämmen wollte, ist im Gegenteil seitdem permanent gewachsen.

Was ist also die Rolle des Datenschutzes dabei? Ist er der Ritter von der traurigen Gestalt, der mosert, aber nichts erreichen kann? Oder ist er der Erzengel, der mit flammendem Schwert durch die Lande zieht und den Datenschutz bei den Behörden einfordert?

Ich glaube, beides ist falsch. Ich habe mich nie als Don Quichotte begriffen, der den Datenschutz mit seiner Lanze durch die Lande trägt, aber im Wesentlichen gegen Windmühlen kämpft. Ich habe mich auch nicht als Erzengel gesehen, der den Datenschutz mit flammendem Schwert gegen alles verteidigt, was sonst an staatlichen Bedürfnissen aufgetreten ist.

Wir müssen aber klar sehen: In diesem schwierigen Spannungsfeld, die übrigen Staatsaufgaben mit dem Datenschutz zu vereinen, bewegt sich die gesamte Tätigkeit, nicht nur die der Landesverwaltung zuzüglich des Innenministers, sondern auch die des Datenschutzes. Hier ein Verfahren zu finden, das nicht einen faulen Kompromiss, sondern eine sinnvolle Optimierung der Arbeit beider Seiten darstellt,ist sicher sehr,sehr schwierig und stellt die eigentliche Aufgabe der Zukunft dar.

Als ich vor vier Jahren hier vor Ihnen stand, habe ich meine Aufgabe dahin gehend beschrieben, dass ich Bürgeranwalt sein wolle. Ich glaube, ich habe die Intention, die ich damals formuliert habe, uneingeschränkt verwirklicht. Allerdings sind die Formen, in denen ich sie verwirklicht habe, völlig andere geworden, als es sich in meiner damaligen Vorstellungswelt darstellte. Ich glaubte damals, dass es im Wesentlichen um einzelfallbezogene Beanstandungsverfahren gehe, darum, jeweils das Fehlverhalten der Behörden aufspießen und einen datenschutzrechtlich besseren Zustand herzustellen.

In Wahrheit war das allenfalls ein Drittel meiner Tätigkeit. Die Masse der Tätigkeiten wurde in den Gesetzesberatungen geleistet, um zu versuchen, den Datenschutz präventiv zu realisieren.Das ist hier im Landtag,vor allem im Innenausschuss, zutage getreten, aber es ist auch sehr stark über Einflußnahmen auf die Bundesgesetzgebung geschehen, die ich zum Teil direkt, zum Teil auch über die Bundesbeauftragten für das Steuerwesen, das Gesundheitswesen,die Wissenschaft,die Terrorismusbekämpfung – im weitesten Sinne also der Bereich der Strafprozessordnung – in die Welt zu bringen versucht habe.

Das hat mich möglicherweise manchem lästig erscheinen lassen, aber ich hoffe, dass die Rationalität gesetzgeberischer Entscheidungen, die im Landtag konzipiert worden sind, aber auch von Entscheidungen, die im Bund immer wieder ansteht, gefördert worden ist. Selbst wenn ich nämlich keine bestimmende Gewalt in dem Sinne habe, dass ich anordnen könnte, was in den Gesetzgebungsgang eingeht oder dem Landtag zumindest unterbreitet wird, so glaube ich doch, dass das gegenseitige Austauschen divergenter Argumentationen für alle hilfreich war, sowohl für mich als auch für die die Gesetze beratenden Organe hier im Landtag und an anderer Stelle.