Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

Sein Kollege Herr Prof. Prenzel sagt: „Die Debatte über die Gesamtschule drängte die Themen in den Hintergrund,über die nach PISA gesprochen werden muss – den Unterricht, die Lehrerbildung, die Leseförderung.“ – Alle diese Untersuchungen, von Fend – das liegt schon viele Jahre zurück – bis hin zum Max-Planck-Institut, sind übrigens über zehn Jahre lang unter Verschluss geblieben.Warum war das eigentlich so? – Weil sie manchen in Deutschland unangenehm waren. Diese Ergebnisse sind an Ihnen spurlos vorbeigegangen, denn Sie ziehen keine Konsequenzen.

Da lobe ich mir – durchaus immer einmal kritisch – den Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes, der aber nun in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift sagte: „Das Schulwesen“ – er meint damit das gegliederte Schulwesen – „und damit das Gymnasium abschaffen zugunsten der Einheitsschule bis Klasse 12 – heilige Einfalt.Alle empirischen Untersuchungen haben doch zutage gefördert, dass die Einheitsschule deutlich schlechtere Ergebnisse zeitigt als das begabungsgerechte gegliederte Schulwesen. Die Gesamtschulen entlassen junge Leute, deren Leistungen bis zu zwei Jahren hinter dem Stand herkömmlicher Schulen zurückbleiben. Nicht die Verteidiger des gegliederten Schulwesens und des leistungsorientierten und Leistung fordernden Gymnasiums sind rückwärtsgewandt, sondern die SPD.“

Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zu meiner Feststellung, die ich eingangs gemacht habe, zurück – dann war es das auch. Ich sage Ihnen: Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie wollen und können sich nicht von den ideologisch vorgefassten Vorstellungen der Siebzigerjahre lösen. Sie reden undeutlich daher. Sie blenden Finnland vor und meinen nur das, was Sie schon immer wollten, nämlich genau das Falsche: die Einheitsschule für jeden. – Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen, dass wir am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung der Hessischen Kultusministerin betreffend „Leistungsorientiert, sozial, verlässlich: Hessens Schulen holen auf“ angekommen sind. Die Aussprache hat stattgefunden und ist damit beendet.

Der Antrag der Fraktion der SPD betreffend mehr Schub für die Sekundarstufe der Zukunft – gemeinsam lernen und individuell fördern, Drucks. 16/7506, dazu der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und der Dringliche Antrag der Fraktion der FDP betreffend Qualität statt Ideologie – nicht die Schulformen,sondern der Erhalt der Bildungsgänge und qualifizierter Abschlüsse sind entscheidend für die Bildungsqualität in Hessen, Drucks. 16/7716, sollen an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen werden. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Dann darf ich uns alle in die Mittagspause entlassen; wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 13.10 bis 15.05 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder, heiße Sie alle willkommen und teile mit, dass noch ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kurhessenbahn sichern – Nahverkehrsstruktur in Nordhessen fördern, Drucks. 16/7727, eingegangen ist. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Ich sehe, das ist so. Damit wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 79. Die Redezeit soll wie üblich sein?

(Axel Wintermeyer (CDU): Fünf Minuten!)

Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Herr Kollege Kaufmann, ist das richtig? – Jawohl.

Noch eingegangen und verteilt ist der Dringliche Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Axel Wintermeyer (CDU): Es sind nur wenige da, wir hören dich!)

wer nicht da ist,ist selbst schuld – betreffend Ausbau des Frankfurter Flughafens – Mediationsergebnis verwirklichen, Drucks. 16/7728. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Damit wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 80.Wie lang soll die Redezeit sein?

(Nicola Beer (FDP): Er wird verbunden mit der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 48!)

Die Aussprache wird mit Tagesordnungspunkt 48 verbunden?

(Axel Wintermeyer (CDU) und Nicola Beer (FDP): Ja!)

Gut.Wir sind uns also einig. Dann machen wir das so.

Vereinbarungsgemäß rufe ich jetzt Punkt 12 der Tagesordnung auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen (Aufnahme von Rechten für Kinder und Jugend- liche) – Drucks. 16/7666 –

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drucks.16/7723 –

Als Redezeit sind 15 Minuten je Fraktion vereinbart. Es beginnt Herr Kollege Florian Rentsch für die FDP-Fraktion.

(Beifall der Abg.Nicola Beer und Roland von Hun- nius (FDP))

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der deutsprachige Philosoph Jeremias Gotthelf hat vor einiger Zeit einen Satz geprägt.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Herr Rentsch, das traut man Ihnen gar nicht zu! – Weitere Zurufe)

Ich freue mich,dass das auf so fruchtbarem Boden stößt. – Er sagte:

Ohne Kinder wäre die Welt eine Wüste.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Zurzeit ist eher der Plenarsaal des Hessischen Landtags eine Wüste, aber das wird sich hoffentlich gleich ändern.

Wenn man unsere Gesellschaft betrachtet, stellt man fest: Ja, Kinder spielen eine Rolle. Sie spielen in politischen Debatten eine Rolle.Wir haben im Hessischen Landtag in den vergangenen Monaten sehr häufig über die Frage diskutiert, wie wir die Eltern und die Familien bei der Kinderbetreuung unterstützen können.

Diese eher monetäre Betrachtungsweise stellt aber nur einen Teil der Debatte dar. Man muss diese Debatte auch anders führen.

Kinder spielen in unserer Gesellschaft immer weniger eine Rolle. Das liegt einfach daran – das hat auch unsere Enquetekommission „Demografischer Wandel“ festgestellt –, dass sie von der Zahl her immer weniger werden. Insofern tauchen sie im Alltagsgeschehen gar nicht mehr so häufig auf. Kinder spielen also im alltäglichen Leben immer mehr eine untergeordnete Rolle.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael Bod- denberg (CDU): Bei mir nicht!)

Nicht nur die Zahl der Geburten ist in Deutschland rückgängig. Auch anderes mischt sich in diese Gesamtsituation.

Eltern haben immer weniger Zeit für ihre Kinder. Es gibt viele Fälle physischer und psychischer Gewalt gegenüber Kindern. Das reicht bis hin zu Tötungsfällen.Wir mussten in den vergangenen Monaten wieder den Zeitungen und Medien entnehmen,zu welchen Fällen es kam.Ich glaube, solche Vorfälle müssten den Staat, aber auch die Gesellschaft und das Bürgertum zum Nachdenken hinsichtlich der Frage anregen:Was können wir dagegen tun?

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch die Situation, dass der Staat einiges dafür tut, dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr die Entwicklungschancen haben, die sie eigentlich haben müssten. Der Staat türmt immer mehr Schulden auf. Das ist so, obwohl der Finanzminister für das Jahr 2011 vorhergesagt hat, dass sich das umdrehen wird.

Wir haben das noch einmal recherchiert. Es gibt in Deutschland Bürgerinitiativen gegen Spiel- und Bolzplätze für Kinder. Kinder sollen leise sein. Kinder sollen sich besser benehmen. Natürlich, es ist unbestritten, dass gutes Benehmen ein Teil einer guten Gesellschaft ist. Kinder haben aber nun einmal andere Verhaltensweisen. Das muss diese Gesellschaft akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das ist unser Fazit: Kinder spielen im Leben in der Bundesrepublik Deutschland keine wesentliche Rolle mehr. Sie werden immer weniger. Menschen sind nicht mehr an spielende und lärmende Kinder gewöhnt. Dies alles führt zu einem bestimmten Phänomen.

Kinder sind eine Minderheit. Deshalb muss sich diese Gesellschaft in besonderer Weise um sie kümmern. Denn unsere Gesellschaft lebt von diesen Kindern.Sie sind die Zukunft unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir als Liberale tun das.Aber ich denke, das geht über die Parteigrenzen hinweg. Wir sollten uns als Hessischer Landtag dafür aussprechen, ein klares Bekenntnis für die Kinder in unserer Gesellschaft abzulegen. Wir sollten aber auch sagen: Wir wollen, dass die hessische Bevölkerung ein klares Bekenntnis zu Kindern ablegt und sagt: Kinder haben in Hessen eine herausgehobene Stellung. Sie sind etwas Besonderes. Sie sind nicht etwas Allgemeines. Vielmehr müssen sie besonders herausgehoben behandelt werden.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir wollen die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Hessischen Verfassung verankert sehen.Wir wollen, dass die Entfaltung und Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder garantiert wird. Das darf nicht nur im privaten und im staatlichen Bereich der Fall sein. Das reicht bis zur Bildung.

Wir wollen, dass der Gewalt gegen die Kinder, der Vernachlässigung, der Verwahrlosung und der Ausbeutung die Rote Karte gezeigt wird. Wir wollen, dass die Kinder keine Objekte, sondern Subjekte und Inhaber dieser Rechte sind. Deshalb schlagen wir Ihnen diese Verfassungsänderung vor.

(Beifall bei der FDP)

Diese Diskussion ist nicht neu. Das wurde nicht von der FDP erfunden. In Deutschland gibt es eine lang andauernde Diskussion hinsichtlich der Frage, wie man die Kinderrechte stärken kann. Das ist völlig richtig.

Auch in anderen Bundesländern gibt es diese Initiative. 1992 fand das mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland seinen Abschluss. Das war 1992. Damals regierte eine schwarz-gelbe Koalition. Sie wurde 1998 von einer rotgrünen Koalition abgelöst.