Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Herr Milde, das finde ich auch im Umgang miteinander eine erbärmliche Geschichte,aber es macht wieder einmal deutlich:An einem soliden Haushalt haben Sie überhaupt kein Interesse.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): Sie können sich setzen, wir haben Sie verstanden!)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass die erste Debatte über den Haushaltsplan für das Jahr 2008 beendet ist.Alle Redewünsche sind befriedigt.

Ich halte fest, dass die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008) und die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Finanzausgleichsänderungsgesetz 2008 stattgefunden haben. Mitberaten wurden der Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2007 bis 2011 und der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Zukunftshaushalt für Hessen – Schuldenbremse für nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik.

Die beiden Gesetzentwürfe und die beiden Anträge sollen zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir sind am Ende der heutigen Vormittagssitzung. Wir treten in die Mittagspause ein und treffen uns in einer Stunde, um 14 Uhr, wieder.

(Unterbrechung von 13.00 bis 14.02 Uhr)

Ich eröffne die Sitzung wieder und heiße Sie willkommen.

Es ist noch eingegangen und inzwischen verteilt worden zu Tagesordnungspunkt 55 ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/7862, zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Hessischen Rechnungshof, Drucks. 16/7413.

Als Tagesordnungspunkt 76 wurde noch in den Nachtrag zur Tagesordnung aufgenommen: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Landesregierung betreffend Verzicht des Landes Hessen auf die Rückübertragung der kreiseigenen Liegenschaft Darmstädter Straße 269 in Bensheim-Auerbach; hier: Zustimmung des Hessischen Landtags nach § 64 Landeshaushaltsordnung. Diese Beschlussempfehlung wurde am Dienstagabend gedruckt und entsprechend verteilt. Nach einer Vereinbarung der Geschäftsführer soll dieser Tagesordnungspunkt am morgigen Donnerstag zum Ende der Sitzung aufgerufen und abgestimmt werden. Brauchen wir dazu eine Redezeit? – Einvernehmlich fünf Minuten.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Erbschaft- und Schenkungsteuer – Drucks. 16/7676 –

mit dem Tagesordnungspunkt 27:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Reform der Erbschaftsteuer endlich durchsetzen – Drucks. 16/7502 –

Redezeit: 15 Minuten je Fraktion. Es beginnt der Kollege von Hunnius, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geschichte der Großen Koalition mit Steuererhöhungen und Steuerreformen ist eine Geschichte der Irrungen und Verwirrungen. Ich darf daran erinnern, dass einer der beiden Partner, die SPD-Fraktion, gar keine Mehrwertsteuererhöhung haben wollte. Die CDU wollte

2 % haben. Man hat sich dann auf 3 % geeinigt und daraus zugleich die größte Steuererhöhung der Nachkriegsgeschichte gemacht.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hört, hört!)

Die Behauptung, dass die Mehrwertsteuererhöhung keinen Einfluss auf den Konsum habe, ist zumindest sehr unvorsichtig, denn wie das Konsumklima ist, das sehen wir alle. Das hätte sich jeder auf der IAA von den Automobilherstellern bestätigen lassen können.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es ging weiter über die Unternehmensteuerreform, von der man sagen kann:Auf jeden Fall ist es gelungen, einmal den Tarifsatz zu reduzieren.Aber das wurde mit ganz gravierenden Nachteilen und Komplizierungen erkauft, wie die Zinsschranke, die problematische Funktionsverlagerung, Wegfall der degressiven AfA, Festhalten an der überholten Gewerbesteuer und die Besteuerung von einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen von Personengesellschaften und die Einbeziehung der Veräußerungsgewinne in die Abgeltungssteuer, und, und, und. Hier gab es große Nachteile, und insbesondere ist der Mittelstand von dieser Reform überhaupt nicht begeistert.

(Beifall bei der FDP)

Es geht jetzt weiter mit der Erbschaftsteuer, wobei der Anlass für eine Neufassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer unbestritten ist. Aber die ganze Steuer muss man bei der Gelegenheit hinterfragen. Da möchte ich auf einen Kollegen von der Bergstraße zurückkommen, Herrn Dr. Michael Meister, bekanntlich finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Herr Dr. Meister hat es gewagt, zu sagen, dass man die Erbschaftsteuer abschaffen sollte.

(Beifall bei der FDP – Nicola Beer (FDP): Mutiger Mann!)

Diese Behauptung durfte er genau einen Tag aufrechterhalten. Dann wurde er von den Oberen der CDU/CSU zurückgepfiffen,

(Reinhard Kahl (SPD): Das war ein Tag zu viel!)

weil es nicht in das Bild der CDU/CSU hineinpasste, die sich so sozial wie der Kollege Kahl gibt, der sicherlich auch für die Erbschaftsteuer und sogar für eine drastische Erhöhung sein wird.

(Reinhard Kahl (SPD): Selbstverständlich!)

Man musste nicht lange überlegen, um das zu wissen,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Für Neidsteuer ist der Kahl immer zu haben!)

und dann war es wieder vom Tisch. Die Erbschaftsteuer sollte gänzlich abgeschafft werden, war seine Meinung. Aber die Gutmenschen, die Pseudogerechtigkeitsfanatiker, die Umverteilungsfreunde in seiner Partei waren komplett anderer Meinung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was Juristen dazu sagen, ist gewagt!)

Man versucht also, den Oldtimer Erbschaftsteuer mit Farbe, Leukoplast und Tesafilm zu einem modernen Rennauto zu machen. Der Versuch ist ehrenwert, aber dieser Versuch wird scheitern.

(Beifall bei der FDP)

Ausgangspunkt des Koalitionsgezerres ist der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, eine Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu verabschieden. Da dabei zu erwarten wäre, dass Betriebsvermögen und Grundvermögen stärker als bisher besteuert werden, versucht man genau diesen Effekt durch eine entsprechende Regelung zu vermeiden. Die diskutierten Modelle – ich zitiere einmal die „Wirtschaftswoche“ vom 24.09. – sind „ein Sammelsurium aus persönlichen, sachlichen und besonderen Freibeträgen, aus Normal- und Schonvermögen, Risikoabschlägen und Abschmelzungen“.

Es sollen Ehegatten und Kinder besser gestellt werden. Geschwister, Nichten und Neffen trifft es dagegen deutlich schlechter. Die angestrebte Entlastung der Familienunternehmen in Höhe von 100 %, die einmal – natürlich konditioniert – vorgesehen war, ist längst nach einem Freibetrag von 275.000 c auf 70 % abgeschmolzen, und das unter den Voraussetzungen, dass erstens das Unternehmen in den folgenden sieben Jahren fortgeführt wird und zweitens die Lohnsumme in jedem Jahr mindestens 70 % des vorigen Durchschnitts beträgt.

Nun kann man sagen: Guter Versuch, die Familienunternehmen davon auszunehmen. Der Kollege Boddenberg wird für den Fall, dass er zuhört, das auch sagen.

(Michael Boddenberg (CDU): Können Sie es noch einmal wiederholen?)

Herr Kollege, nein, nicht für Sie. Lesen Sie es bitte im Protokoll nach. – Letztlich muss man sagen, der badenwürttembergische Finanzminister Stratthaus, der bekanntlich der CDU angehört, hat mit Recht erkannt, eine besondere Logik gibt es nicht. Recht hat Herr Stratthaus. Es macht wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn, was man hier beabsichtigt, denn es gibt keinen vernünftigen ökonomischen Grund, zwischen gutem und schlechtem, produktivem und unproduktivem oder in- und ausländischem Vermögen zu unterscheiden und daraus unterschiedliche Steuerregeln abzuleiten.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es reine politische Willkür, wenn der Staat bei Familienbetrieben Betriebsvermögen oder Immobilienvermögen bei der Besteuerung gegenüber anderen Vermögensformen bevorzugt. Das hat kein geringerer als Thomas Straubhaar festgestellt, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs. Ich meine, damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.

Am Ende des koalitionsinternen Streits wird eine Regelung stehen, die – so viel lässt sich schon heute sagen – eine Art Anti-Merz ist, genau das Gegenteil, weil es eine sehr viel kompliziertere Regelung sein wird, als er sie sich jemals vorgestellt hat, wie wohl sich ohnehin die Große Koalition darin gefällt, das Steuerrecht noch viel komplizierter zu machen, die Finanzbeamten damit zu beschäftigen, Regelungen zu erkennen, statt Steuern zu erheben.

Aber komplizierter wird es. Es wird schwieriger zu kontrollieren und zu überwachen. Es wird wesentlich bürokratischer. Es wird keineswegs gerechter. Dies alles, weil sich weder CDU/CSU noch gar die SPD trauen, die meistersche Frage zu stellen, nämlich die Grundfrage von Dr. Meister, ob man überhaupt eine Erbschaftsteuer braucht.

(Beifall bei der FDP)

Sie entfaltet mehr negative als positive gesamtwirtschaftliche Wirkungen.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Dr. Meister ist mit seiner Forderung weit gekommen!)

Bemessungsgrundlage ist der Vermögensübergang von Todes wegen oder durch Schenkung. Egal, ob die Erbschaft- oder Schenkungsteuer als Erbennachlasssteuer oder als Erbenfallsteuer ausgestattet wird, ist sie faktisch eine Vermögensteuer. Das macht auch den Charme für die SPD aus, die sie immer haben wollte.

(Beifall bei der FDP)

Die Bemessungsgrundlage ist, bevor sie von der Erbschaftsteuer erfasst wird, schon x-mal als Einkommen oder Ertrag steuerlich belastet worden.