Wollen Sie weniger Gymnasiasten? Mit welchen Mitteln wollen Sie weniger Gymnasiasten? Wollen Sie am Schluss weniger Abiturienten? Nennen Sie die Anforderung, was Sie an dieser Stelle wollen.
Aber erzählen Sie nichts von einer Quasi Einheitsschule Gymnasium, wenn dies den Tatsachen nicht entspricht. Wenn Sie gleichermaßen die Instrumentarien Beratung und Querversetzung nicht abschaffen wollen, dann reden Sie nicht so einen Unsinn.
Der Kollege Reißer hat darauf hingewiesen, dass Sie an der Stelle, was Darmstadt angeht, die Unwahrheit gesagt haben. Meine Damen und Herren, natürlich kam der Schulentwicklungsplan aus der Stadt Darmstadt und nicht deswegen, weil es einen § 44 im Hessischen Schulgesetz gegeben hätte. Bereits die grüne Dezernentin hat über Jahre zu verantworten gehabt, dass an dieser Schule keine Hauptschulklassen zustande gekommen sind – punktuell, Jahr für Jahr oder auch Jahre hintereinander. Da sollten Sie zu Ihrer Verantwortung stehen, Herr Kollege Wagner, und die ist grün.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben gesagt, es gäbe keine Gutachten. Natürlich gibt es Gutachten. Natürlich gibt es Stellungnahmen. Es gibt aus dem ganzen Bereich der Wirtschaft positive Stellungnahmen etwa zu den Landesprüfungen, zur Entwicklung der Schulpolitik, zur Leistungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Bundesländern. Es gibt ein Mittelstandsbarometer von Ernst & Young, wo das Land Hessen unter den Ländern auf Platz zwei steht. Darüber brauchen wir uns nicht zu beklagen. Das ist eine Zusammenfassung der Leistungen der Hessen in den letzten Jahren,eingeleitet durch die Bildungspolitik, die wir in den letzten Jahren gemacht haben.
Dann kommen Sie auf die verschiedenen Punkte, die Diskussionen auslösen.Es scheint Aufgabe der Opposition zu sein, auf Punkte zu kommen, zu denen Diskussionen geführt werden. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir in Hessen über G 8 eine Diskussion haben, die nicht weniger lebendig als in anderen Bundesländern ist.
Aber der Kollege Irmer hat mit vollem Recht darauf hingewiesen: Wir sind erstens nicht die Ersten, die es eingeführt haben, sondern die Dreizehnten.Wir haben es zweitens mit einer Sensibilität in der Frage der Staffelung eingeführt, an die kein anderes Bundesland herankommt. Wir haben,wie in allen anderen Bereichen dessen,was wir in den letzten achteinhalb Jahren gemacht haben, die Dinge erst erprobt und dann gemacht.
Wir haben natürlich die Lehrpläne entschlackt. Wir führen eine Diskussion, ob das hinreicht. Natürlich haben wir die Stunden nicht nur auf die Sekundarstufe I verteilt, sondern auch auf die Sekundarstufe II und auf die Grundschule. Die Frage ist: Reicht das hin? Wird eine Kürzung den Menschen reichen, die sich jetzt über eine Stundenbelastung beschweren, oder ist der Wechsel von der Grundschule zur weiterführenden Schule möglicherweise ein Schritt, der insgesamt durchaus schwieriger ist?
Meine Damen und Herren, diese Dinge werden wir diskutieren. Nachdem wir einvernehmlich mit dem Landeselternbeirat über Stundentafeln und Lehrpläne gesprochen haben, werden wir genauso einvernehmlich mit dem
Landeselternbeirat darüber sprechen, wie diese Dinge evaluiert werden können, wie nicht nur über die Frage geredet wird,welche Einstiegs- und Überstiegsschwierigkeiten es ganz natürlicherweise in einer Zeit gibt, in der wir wissen, dass verbindliche Lehrpläne zu Landesprüfungen hinführen, aber in der wir auch zu Konsequenzen bereit sind, sowohl was die Lehrpläne angeht als auch innerhalb der KMK, was die Stundentafel angeht.
Nur, für eines können Sie mich nicht haben: dass wir eine Diskussion über andere Schulformen oder über die Senkung des Anspruchs insgesamt führen.Wir brauchen vielmehr eine Verständigung in Deutschland über die Standards, die das Abitur bedeuten. Wir brauchen gleichmäßige Standards, und wir brauchen nicht eine Aufweichung dieser Standards. Aber über die Durchführung brauchen wir und werden wir eine Verständigung bekommen.
Wir werden uns aber nicht auf die Geisterfahrt begeben. Weder werden wir uns als einziges Land wieder vollkommen auf die 13 Jahre umstellen – Rheinland-Pfalz hat zwölfeinhalb Jahre, alle anderen sind bei G 8 gelandet –, noch werden wir eine Schulform herausnehmen und einen Flickenteppich in Hessen haben und werden in Hessen kooperativen Gesamtschulen, die allein für die Eltern erreichbar sind, die Wahl acht oder neun Jahre und damit Eltern keine Wahlmöglichkeit geben.
Das ist nur eine verkappte Wahlmöglichkeit. Wenn wir den kooperativen Gesamtschulen eine solche Wahlmöglichkeit geben wollten, würden wir auf der anderen Seite in Hessen einen Flickenteppich unter demografischen Gesichtspunkten haben, der in dieser Weise nicht zumutbar ist.
Ich glaube,dass die hessische SPD,die gesagt hat,sie wolle ganz zurückdrehen, was G 8 an Verkürzung bietet, bei den Menschen draußen aufläuft, da diejenigen, die mit mir über die Frage diskutieren, ob G 8 in dieser Form zu anstrengend ist, nicht über die Frage diskutieren:Wollen wir grundsätzlich G 8, oder wollen wir zu G 9 zurückkehren? – Nein, sie wollen ganz bewusst, dass wir bei der Schulzeitverkürzung bleiben. Sie wollen bewusst, dass das Leben als mehr betrachtet wird als eine abgeschlossene Schulausbildung mit dem Gymnasium. Sie wissen darum, dass das lebensbegleitende Lernen viel bedeutender geworden ist, als das in der Vergangenheit deutlich war, und dass deswegen die normale Schulzeit mittlerweile in einem sehr viel größeren Rahmen als lebensbegleitendes Lernen steht.
Deswegen ist es kein Zufall, dass sich Ihr Kandidat nicht von G 8 distanziert, nur die SPD. Aber dies wird zu keinem Widerhall bei den Menschen führen.
Ich will durchaus noch ergänzen, weil das vorher bei Frau Henzler falsch benannt gewesen ist. Ich habe von Anfang an die Entscheidung getroffen, dass die IZBB-Mittel auch G-8-Schulen zur Verfügung gestellt werden, selbst wenn sie nicht im Programm des Ganztagsangebots sind. Wir haben ganz bewusst das Investitionsprogramm in diesem Jahr aufgelegt,in dem 100 Millionen c für die Mensen,für G-8-Schulen zur Verfügung stehen.Wir haben – das haben Sie zugegeben, es kann in der Dimension wiederholt werden – 25 Millionen c auf fünf Jahre bereitgestellt und vorher schon die Möglichkeit gegeben,Zusatzanträge für Bücher zu stellen. Natürlich können sich auch diese Schulen entsprechend Bücher anschaffen.
Deswegen sage ich: Grundsätzlich kann man sagen, das Programm G 8 ist in Hessen umsichtig, langsam und vergleichsweise spät eingeführt worden, wie in keinem anderen Bundesland, und wir werden bereit sein, im Bereich der Lehrpläne und auch der Stundentafeln dieses in Gemeinschaft mit dem Landeselternbeirat weiter zu überprüfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann wird natürlich dasselbe wieder aufgeführt und noch einmal im Topf herumgerührt, was schon am Dienstag in der Fragestunde eine Rolle gespielt hat: die Frage der Einheitsschule. Natürlich habe ich in den vergangenen Monaten etliche integrierte Gesamtschulen sogar genehmigt – nicht, weil ich der Überzeugung wäre, dass das die bessere Schulform ist. Dieser Überzeugung bin ich nicht. Aber dort, wo der Bedarf vorhanden ist, dort, wo die Schülerzahl vorhanden ist, wo das gymnasiale Potenzial vorhanden ist, das dafür die Voraussetzung ist, dass man tatsächlich alle Bildungsgänge integriert aufweisen kann, dort habe ich sie genehmigt.Dort haben die Schulträger – egal, ob es Offenbach,Frankfurt oder andere waren – diese Genehmigung entsprechend umsetzen können.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dann führen Sie sie auch nicht! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die können Sie führen. In dem Augenblick, wenn die Sozialdemokraten glauben, sie müssten wiederum diese Formulierung in ein Programm hineinschreiben, die der Kollege Weinmeister eben vorgelesen hat, werden wir allerdings in diese Diskussion einsteigen.
Herr Kollege Wagner, wenn Sie vorhin geglaubt haben, Sie müssten die Sozialdemokraten in Schutz davor nehmen, dass auch sie eine Wahlfreiheit wollten, dann sage ich: Sie müssen sich entscheiden – entweder Sie nehmen nach den Zitaten zur Kenntnis, dass die SPD das nicht will, oder Sie begeben sich in das gleiche Boot Ihres künftigen – hoffentlich nicht – Koalitionspartners.
Meine Damen und Herren, das Zitat von Herrn Dinges, das Kollege Irmer vorhin vorgelesen hat, endet mit einem Satz, der für mich in dieser Frage sehr entscheidend ist:
Da mögen Sozialdemokraten und GRÜNE noch so oft beteuern, dass sie nicht die bildungspolitischen Schlachten der Siebzigerjahre noch einmal schlagen wollen, in denen es vor allem anderen um die Schulorganisation ging. Nur darum geht es.
Nur darum geht es den Sozialdemokraten, dass sie dieses nach wie vor wollen, dass sie dieses auf zwei Wegen verfolgen, indem sie Dinge wie Lehrpläne in ihrer differenzierten Form abschaffen wollen.Auf der anderen Seite sagen Sie: Es gibt Vergünstigungen nur für den Bereich, der sich von allein umwandelt. Nur die Schulen, die von sich
aus beschließen, dass sie sich umwandeln wollen, werden Vergünstigungen kleinerer Klassen bekommen, wie dies in dem Programm gefordert wird.
Meine Damen und Herren, davon kommen Sie mir nicht weg, indem Sie sagen: Es gibt jetzt schon unterschiedliche Schulgrößen.– Natürlich gibt es in der Fläche und im städtischen Gebiet unterschiedliche Schulgrößen. Aber das System ist ein anderes.
Sie sagen der tendenziell stärksten Schulform mit den stärksten Klassen, dass Sie bereit sind, die Klassen dort grundsätzlich auf 25 abzusenken, wenn sie sich umwandeln – nur wenn sie sich umwandeln. Das ist eine sehr klare Aussage, die manchen in den letzten Wochen zum Nachdenken gebracht hat. Die sind sehr nachdenklich darüber geworden, ob sie auf dieser Basis den Versprechungen glauben, die Sie machen, den Versprechungen, die Sie im Wahlkampf für mehr Geld für kleinere Klassen machen, die aber eine Bedingung haben, die ein Danaergeschenk sind, weil die Menschen wissen müssen: Dafür müssen wir unsere eigene Schule preisgeben, dafür müssen wir unser Profil preisgeben, dafür müssen wir die Möglichkeit preisgeben, eigenständig zu entscheiden.
Was bleibt denn den Gymnasien letztlich anderes übrig, als zur Einheitsschule zu werden, falls die SPD an die Regierung kommen sollte, wenn – wie es im SPD-Wahlprogramm ausdrücklich heißt – eine Einheitslehrerausbildung etabliert wird und es keine eigens ausgebildeten Gymnasiallehrer mehr gibt? Wenn die gymnasialen Lehrpläne und Stundentafeln abgeschafft werden und durch Einheitslehrpläne ersetzt werden, dann werden die Gymnasien systematisch ausgetrocknet und ausgehungert. Wenn, wie Frau Ypsilanti angekündigt hat, nur diejenigen Schulen, die sich zu Einheitsschulen umwandeln, mehr Lehrer erhalten und zu Ganztagsschulen werden können, dann werden die Gymnasien zunehmend gezielt benachteiligt und können nicht weiter bestehen. Nur wer sich umwandelt, wird belohnt. Der Rest wird kalt abgewickelt. Ich gewinne den Eindruck, die SPD gaukelt den Lehrern Freiwilligkeit vor, und die Pläne zum Übergang aller Schulen zur Gesamtschule liegen längst in Ypsilantis Schublade bereit.
Dann will ich noch eines in Bezug auf die Unterrichtsgarantie plus und die verlässliche Schule sagen: Wer es insbesondere mit Schülerinnen und Schülern, die sozialer Förderung bedürfen, ernst meint, muss es auch ernst damit meinen, dass dort eine klare Struktur – mit verlässlich angebotenen Stunden – geschaffen wird.
Wer also Schülerinnen und Schüler ganz bewusst erzieht, ihnen mit viel Mühe verständlich macht, dass Pünktlichkeit und Präsenz in der Schule eine wesentliche Voraussetzung für das Lernen und für den Erfolg sind und dass auch Disziplin in einer gewissen Größenordnung dafür sorgt, dass sie erfolgreich sind, der darf ihnen nicht signalisieren, dass sie bei einem Unterrichtsstundenausfall nach Hause gehen können oder sich selbst überlassen bleiben.
Wer die Vertretungskräfte, obwohl er wissen könnte, wie viele qualifizierte Kräfte es dort gibt, seien es Lehrkräfte, Lehramtsstudenten oder Menschen, die etwas gelernt haben, was dem in der Qualifikation nahekommt, sodass sie eine wertvolle Unterrichtsstunde halten können, immer wieder in dieser Weise desavouiert, hat sich an diesen Schülerinnen und Schülern vergangen.
(Beifall bei der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das darf doch wohl nicht wahr sein! Was sind denn das für Begriffe?)
Frau Ministerin,nur ein kurzer Hinweis:Die Redezeit,die für die Fraktionen vereinbart wurde, ist abgelaufen.
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, Sie werden eines nicht schaffen – auch wenn die Frage, wie denn eine neue Schule aussehen könnte, einen großen Teil der Wortbeiträge der Redner von Rot und Grün umfasst –: Es wird nur dann gelingen, eine neue Schule zu schaffen, wenn man sich um die Schülerinnen und Schüler kümmert.
Alle Schulen in unserem mehrgliedrigen Schulsystem kümmern sich um die Schüler. Sie machen das auf der Basis begabungsgerechter Lehrpläne. Sie machen das, indem sie neue Anforderungen in Form von Prüfungen stellen. Sie machen das, indem sie für ein erfolgreiches soziales Lernen sorgen, sowohl für Hochbegabte als auch für Schüler, die die SchuB-Klassen besuchen. Sie haben mittlerweile werthaltige Abschlüsse geschaffen, die es in der Vergangenheit in dieser Form nicht gegeben hat.
Wir werden nicht zulassen, dass diese Inhalte, diese Erfolge in der Diskussion ausgespart werden. Wir werden das in den Auseinandersetzungen der nächsten Monate dem gegenüberstellen,dass Sie sich einseitig auf eine Umwandlung des Systems fokussieren. Das werden wir nicht mitmachen.