Ich habe im Wahlprogramm der hessischen CDU gestöbert. Dort gibt es ein Kapitel: „Hessen – Vorreiter beim E-Government“.
Ich erinnere mich noch sehr gut an eine fürchterlich langweilige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, in der er sich ausführlich zu den Fortschritten der Landesre
gierung in diesem Bereich geäußert hat. Der Frust mit der LUSD lag damals noch in der Zukunft. Was sich hier in den vergangenen Monaten an den Schulen abgespielt hat, lässt die Überschrift im Regierungsprogramm eher als Drohung erscheinen.
Schüler müssen in endlosen Sitzungen am Computer aktiviert werden, habe ich mir berichten lassen. Diese Aktivierung findet nicht nur einmal statt. Vielmehr muss sie für alle Fächer erfolgen, in denen die Schüler unterrichtet werden.
Wenn das einmal erfolgreich gelungen und das System bis dahin nicht abgestürzt ist, dann muss man damit rechnen, dass die Daten beim nächsten Aufruf möglicherweise schon wieder verschwunden sind.Außerdem gibt es sogenannte Geisterschüler, die schon einmal 107 Jahre lang die Grundschule besucht haben.
Die Kultusministerin taucht im Ausschuss ob solcher Katastrophenmeldungen ab und schickt stattdessen ihren Staatssekretär. Dieser stellt sich mit breiter Heldenbrust vor seine Ministerin und erklärt lächelnd, man habe die Probleme erkannt und arbeite daran.Herr Staatssekretär, da freuen wir uns. Die Schulen würden sich wahrscheinlich noch mehr freuen, wenn diese Arbeit auch irgendwelche Erfolge zeitigen und zu einem funktionsfähigen System führen würde.
Jetzt ist Karin Wolff auch noch beleidigt und wirft der Opposition vor, sie schlachte den Frust mit der LUSD politisch aus.
Frau Kultusministerin, was denn sonst? Was hätten Sie denn an unserer Stelle gemacht? Frau Kultusministerin, wenn dies das einzige Fiasko wäre, das Sie in Ihrer Leistungsbilanz zu verbuchen hätten, wäre das Echo, das Ihnen nicht nur von den Mitgliedern der Opposition, sondern auch aus den Schulen entgegenschlägt, womöglich gemäßigter.
Die an den Schulen Arbeitenden wären wahrscheinlich auch geduldiger, wenn sie Arbeitsbedingungen hätten, die ihnen eine positive Schulentwicklung und eine bestmögliche Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler ermöglichen würden. Aber da besteht leider Fehlanzeige. Deswegen ist der Frust mit der LUSD das Tüpfelchen auf dem i, mit dem die Stimmung im Lande noch einmal zusätzlich angeheizt wurde.
Aber die LUSD ist nur ein Symptom in einer langen Reihe von Fehlentscheidungen. Es ist ein Debakel, dass Sie jetzt den Schulen erklären, sie müssten sich ein weiteres Jahr mit den Folgen dieser LUSD herumschlagen. Es ist auch überfällig – das will ich ganz deutlich sagen –, dass Sie endlich eine klare Aussage zu den Kosten machen, die durch die bereits jetzt angefallene Mehrarbeit entstanden sind, und zu dem Ausgleich, der den Schulträgern und den Schulen für die Mehrarbeit zur Verfügung zu stellen ist. Ich glaube, das ist das Mindeste, was man zu diesem Zeitpunkt tun muss.
Die Fristverlängerung bis zum 1. November 2007 zur Abgabe der Daten für die Schulstatistik ist schön und gut. Aber die Mehrarbeit, die sich daraus ergeben hat, muss rückvergütet werden. Das muss den Schulsekretärinnen und den Schulträgern zur Verfügung gestellt werden. Da erwarten wir, dass es zu einer Lösung kommt.
Mit der LUSD belasten Sie Lehrkräfte und Schulsekretärinnen, mit G 8 haben Sie dafür gesorgt, dass die Belastung und der Stress für die Kinder am Gymnasium und für deren Eltern unzumutbar gesteigert wurden. Bei der Lesung der Novelle des Schulgesetzes wurde hier ein Bündel von Unterschriften übergeben. Es waren 74.000 Unterschriften von Eltern,Lehrern und Schülern,die sich gegen die Einführung von G 8 ausgesprochen haben. Die Unterschriften wurden im Plenarsaal übergeben.
Herr Irmer – ich möchte ihn angucken, aber ich sehe ihn nicht. Das macht nichts. Herr Irmer vergisst immer, zu sagen, dass der Landeselternbeirat zwar der Stundentafel und den Lehrplänen zugestimmt hat, dass er aber das nur deswegen tat, weil er zu diesem Zeitpunkt absehen konnte, dass das Kultusministerium G 8 ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Rücksicht auf die Kritik der Gremien durchsetzen wollte, koste es, was es wolle. G 8 wird bis zum heutigen Zeitpunkt sowohl vom Landeselternbeirat als auch von den Schüler- und Lehrergremien abgelehnt.
Herr Irmer, das, was Sie sagen, ist nicht richtig. Sie behaupten, Ganztagsschulen seien das Gleiche wie das, was sich im Moment bei G 8 abspielt. Ich habe Sie immer für flexibel genug gehalten, dass Sie erkennen, dass es nicht um Zwangsganztagsschulen geht. Das hat keine der Parteien jemals in irgendeiner Form in ihrem Programm gehabt. Vielmehr geht es darum, dass die Ganztagsschulen ein pädagogisches Konzept haben, bei dem der Unterricht, die Förderung, die Freizeit und die Angebote der Vereine miteinander kombiniert und über den Tag ausgedehnt werden.
Das, was im Moment an den hessischen Schulen passiert, bedeutet 34 bis 36 Stunden Unterricht in der Woche. Es häufen sich die Berichte der Eltern,die sagen,dass das Familienleben unter dieser Anspannung leidet. Die Eltern haben Angst, dass ihr Kind nach einer Erkrankung in der Klasse den Anschluss verliert. Sie haben Angst, dass die gesellschaftlichen Kontakte der Kinder und die Kontakte zu Vereinen sowie die Freizeitaktivitäten viel zu kurz kommen, weil sich das gesamte Leben auf die Schule konzentrieren muss. So wollten wir lebenslanges Lernen eigentlich nicht verstanden haben. Kinder dieser Altersstufe sollten nicht bereits in dieser Art und Weise belastet werden.
Die Kritik ist jetzt auch im Kultusministerium angekommen. Plötzlich kündigt die Kultusministerin an, die Bestimmungen zum verkürzten Abitur würden überarbeitet. Zwei Jahre lang hat es Proteste gegeben. Zwei Jahre lang haben die Eltern, die Lehrer und auch die Schüler auf die Folgen von G 8 hingewiesen. Das ist alles verpufft. Aber jetzt werden Änderungen angekündigt. Von einer Evaluation der Lehrpläne ist die Rede, und außerdem vom Jahr 2009. Ich glaube, das wird niemanden beruhigen, dessen Kind im Moment eine gymnasiale Mittelstufe besucht.
Frau Kultusministerin, ich versichere Ihnen, die Eltern werden nicht bis zum Jahr 2009 warten. Es gibt nur eine Lösung für den Murks, den Sie angerichtet haben, das ist die Rücknahme der Verkürzung der Gymnasialzeit in der Mittelstufe. Das werden wir vornehmen. Denn es entspricht dem, was die Kinder in der Mittelstufe lernen sollen, besser, wenn sie dafür ein Jahr länger Zeit haben. Das entspricht auch unserer Forderung nach Durchlässigkeit des Schulsystems.
Die Verkürzung der Schulzeit ist nämlich kein Wert für sich. Sie lässt sich darüber hinaus auch für Kinder, die schneller lernen, umsetzen, ohne dass damit eine ganze Schülergeneration belastet wird. Der flexible Schuleingang oder eine flexible Oberstufe sind die Antworten auf unterschiedliche Ausgangslagen hinsichtlich des Lernens und unterschiedliche Begabungen.
Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schulsystems, die von Frau Wolff immer angeführt wird, steigert sich nicht dadurch, dass von den 45 % der am Gymnasium angemeldeten Schüler gerade noch gut 30 % am Ende der Oberstufe ankommen. Viele von ihnen haben bis zu diesem Zeitpunkt trotz oder gerade wegen der Schulzeitverkürzung immer noch 13 oder 14 Schuljahre auf dem Buckel, weil sie sitzen geblieben sind oder weil sie ein Jahr wiederholt haben. Schon jetzt wiederholen 6,5 % der Gymnasialschüler die Klasse 11. G 8 wird seinen Beitrag dazu leisten, dass diese Zahl nochmals steigen wird.
Ich möchte jetzt auf die Ignoranz zu sprechen kommen. Wir sprechen dabei aber nicht von der „Ignoranz des Elternwillens“, wie es im Titel des Antrags der GRÜNENFraktion heißt.Vielmehr reden wir über die Ignoranz der Kultusministerin, die sich nicht scheut, den Willen der Eltern,Schulen und Schulträger ad absurdum zu führen.Anträge auf Umwandlung in integrierte Gesamtschulen werden augenscheinlich mit fadenscheinigen, ausschließlich ideologisch begründeten Argumenten abgelehnt.
Ich will dazu zwei Beispiele anführen,die das deutlich machen. In Offenbach fordern wir seit Jahren die Einrichtung einer weiteren integrierten Gesamtschule. Zum letzten Schuljahr waren es 140 Eltern, deren Wunsch auf einen Platz für ihr Kind in einer integrierten Gesamtschule abgelehnt werden musste.
Die Frau Kultusministerin wird dabei nicht müde, zu betonen, dass sie bereits eine zweite integrierte Gesamtschule in Offenbach genehmigt habe. Frau Wolff, ich denke aber, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Bedarf in Offenbach das Angebot an Plätzen in integrierten Gesamtschulen offensichtlich weit übersteigt.
Dieser Wunsch wird nicht nur von den Eltern und dem Lehrerkollegium getragen. Er wird auch von der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung getragen.
Der Antrag auf Einrichtung einer integrierten Gesamtschule wird mit der Begründung abgelehnt, es gebe in Offenbach nicht genug für den gymnasialen Zweig geeignete Kinder.Diese Begründung ist natürlich entlarvend.Denn, Frau Kultusministerin, Sie wissen sehr wohl, dass es keine wie auch immer geartete Empfehlung der Grundschule bei Übergang auf die integrierte Gesamtschule gibt. Da entscheidet allein der Wunsch der Eltern.
Hier wird sich bewusst über den Wunsch der Eltern nach einem offenen Schulangebot hinweggesetzt. Meines Erachtens nach hat das rein ideologische Gründe. Ein Grund ist, dass Sie verhindern wollen, dass der Bedarf nach Plätzen in integrierten Gesamtschulen, der in Hessen steigend ist, auch erfüllt werden kann.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist ein sehr guter Landkreis! Da ist es sehr schön!)
Hier gibt es sogar eine einstimmige Entscheidung all derjenigen, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Ich habe jetzt gehört, dass die Mitglieder der CDU-Fraktion das seit Neustem doch etwas differenzierter sehen würden.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Frau Ravensburg ist in ihrer Auffassung eher gespalten!)
Ja,das habe ich mir auch sagen lassen.– Aber es gibt dort zumindest einen einstimmigen Beschluss, der zu einem Antrag an das Kultusministerium geführt hat. Diese Umwandlung einer kooperativen Gesamtschule in eine integrierte Gesamtschule wurde ebenfalls abgelehnt. Die Begründung ist in diesem Fall eine andere. Dieses Mal heißt es, durch die Umwandlung in eine integrierte Gesamtschule sei ein Haupt- und Realschulstandort in der Nähe gefährdet.
Ich komme zum Schluss meiner Rede, wenn ich das zusammengefasst habe, was ich eigentlich noch alles sagen wollte.
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Kultusministerin Richtwerte in das Schulgesetz aufgenommen hat und dass dann Schulstandorte aufgrund dieser Richtwerte geschlossen wurden.
Die gleiche Kultusministerin hat aufgefordert, vor Ort zu intelligenten Lösungen zu kommen. Die Schulträger sollten über Schülerlenkungen nachdenken. Frau Kultusministerin, wenn die vor Ort das jetzt haben wollen und ein Bildungsangebot für ihre Kinder in Form einer integrierten Gesamtschule haben wollen, die den Kindern möglichst lange den Weg offenhält, dann wird von Ihnen die Genehmigung dafür versagt. Das ist sehr erklärungsbedürftig, denn auch hier hat Sie Ihre eigene Ideologie wieder einmal überholt.
Wir werden noch mehr Gelegenheit haben, einen Radikalschlag über die gesamte Bildungspolitik zu fahren. Deshalb mache ich an dieser Stelle Schluss und erwarte von Ihnen einige Antworten, Frau Kultusministerin.
Vielen Dank, Frau Kollegin Habermann. – Nun hat Herr Kollege Boddenberg zu einer Kurzintervention das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet, und zwar aus zwei Gründen. Der eine Grund ist: Frau Habermann, Sie haben meine heftige Reaktion bemerkt. Es stört mich massiv, wie Sie seit Monaten gemeinsam mit
den GRÜNEN versuchen, die Menschen zu diskreditieren,die sich im Rahmen von U plus zur Verfügung gestellt haben.
Ich sage das in aller Ruhe, aber mit dem Verweis darauf, dass Sie sich anscheinend im Bereich der beruflichen Bildung nicht so gut auskennen. Sämtliche Kammern in diesem Bundesland, die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern, setzen bei ihren vielen Ausund Weiterbildungsangeboten sowie den Fortbildungsangeboten genau diese Leute ein. Die Kammern unterstützen uns in dieser Frage massiv. Ich fordere Sie auf, damit Schluss zu machen, Menschen zu diskreditieren, die mit guten Abschlüssen und hohen Qualifikationen – wir wissen, drei Viertel von ihnen haben einen pädagogischen Hintergrund – diese Aufgabe versehen. Hören Sie auf, diese Menschen zu diskreditieren.
Dass wir richtig liegen, zeigt eine Umfrage des „hr“. Ich will sie nur noch einmal in Erinnerung rufen.73 % der befragten 1.500 Schülervertreter, Elternvertreter und Schulleitungen haben gesagt,dass sie diesen Weg für richtig halten. Über die Umsetzung können wir uns gerne unterhalten. Dass ein so großes Projekt nicht innerhalb weniger Monate zum Funktionieren kommt, liegt in der Natur der Sache.
Ich will noch kurz eine zweite Bemerkung machen.Sie haben hier von der IGS gesprochen. Erklären Sie uns doch bitte einmal, warum Sie noch vor wenigen Jahren, im Jahre 2004, in diesem Hause folgenden Satz gesagt haben – ich zitiere wörtlich –: