Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

In Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege und den Trägern sozialer Einrichtungen herrscht absolute Eiszeit. Die Caritas wird als Handlanger der rot-grünen Opposition verunglimpft, wenn sie berechtigte Forderungen vorträgt. Ihre Reaktionen auf diese Forderungen zeigen, dass Sie im Übrigen in einer völlig anderen Welt leben.

Die von der Caritas, der Diakonie und von anderen Wohlfahrtsverbänden geschilderten Fälle sind harte Fakten und keine Fiktion. Eltern, die das Geld für das Mittagessen in Kindertagesstätten sowie Schulen nicht haben, gibt es zuhauf. Wir müssen ihnen schnell unter die Arme greifen, statt die Lösung des Problems zunächst auf den Bund zu schieben.

Die Regelsätze sind zu niedrig. Diese müssen regelmäßiger überprüft werden, damit die Menschen über die Runden kommen.

(Florian Rentsch (FDP): Die SPD hat doch das Gesetz auf den Weg gebracht!)

Wir brauchen auch dringend wieder Einmalbeihilfen.

(Florian Rentsch (FDP): Das waren doch Sie!)

Nach den Angaben der Bundesagentur leben in Hessen 130.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren von Hartz IV. Ihnen stehen für Nahrungsmittel gemäß dem Regelsatz nur 2,62 c pro Tag zur Verfügung. Das zeigt, dass bei einem Betrag von 3 c pro Tag für ein Essen in der Kita oder Schule kein Platz ist.An dieser Stelle kann sich die Hessische Landesregierung weder wegducken noch herausreden; und sie kann nicht sagen, dass dies ausschließlich die Sache des Bundes sei.

Liebe Frau Kollegin Oppermann,wo kämen wir hin,wenn man so, wie Sie das tun, alle Probleme in Schubladen schöbe,auf denen dann entweder „Bundeszuständigkeit“, „Landeszuständigkeit“ oder „kommunale Zuständigkeit“ stehen würde, sodass man die eine oder andere Schublade jeweils nach Lust und Laune öffnen könnte? Ich frage Sie: Wo kämen wir da hin?

Meine Damen und Herren, hier geht es um kleine Menschen, die Hilfe brauchen, und zwar jetzt und nicht erst dann,wenn irgendwann jemand eine Schublade öffnet.Im Übrigen wundere ich mich darüber, dass Sie diese fadenscheinige Begründung überhaupt angeführt haben, wobei Herr Koch doch so gerne Bundesratsinitiativen macht. Die Brötchentaste an Parkautomaten ist beispielsweise solch eine Bundesratsinitiative. Hierzu sage ich Ihnen: Das ist wohl in Ihren Augen ein Muss, während Sie den Kindern aus Landesmitteln nicht einmal ein trockenes Brötchen als Mittagessen zugestehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Es passt Ihnen ganz offensichtlich vor der nächsten Wahl so gar nicht in den Kram, dass andere die Wahrheit aussprechen und von Ihnen Lösungen erwartet hätten – Lösungen für Probleme, die Sie in den letzten Jahren verschlafen haben, die Sie zum Teil selbst geschaffen oder

ausgesessen haben, und zwar immer mit der Hoffnung: Es wird schon wieder alles gut werden.

Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert. Die Zeit ist dafür reif. Ich sage ganz deutlich in Richtung der FDP: Das ist auch eine Frage des Geldes. Öffentliche Kinderbetreuungsangebote, vor allem für Klein- und Schulkinder, Schulsozialarbeit, Schuldnerinnen- und Schuldnerberatung, Gesundheitsprävention für Kinder und Jugendliche oder auch das Programm „Soziale Stadt“ müssen ausgeweitet werden. Dafür brauchen wir ganz konkrete Mittel, wir brauchen ein Sozialbudget.

Die FDP ist viel mit wegweisenden Ideen befasst, wie z. B. dem grünen Punkt auf Brötchentüten sowie den blaugelben Taxis.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Neidisch, gell?)

Meine Damen und Herren, wenn wir in Hessen alle miteinander zu einer sozialen Politik zurück wollen, dann brauchen wir neue Ideen sowie neues Geld, um diese Ideen auch umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen dabei weder auf die Umverteilung zwischen Kommunen und dem Land, weder auf Ihre KFA-Tricks in Bezug auf die Programme BAMBINI und KNIRPS, noch schielen wir einzig auf die Zuwendungen des Bundes sowie der EU oder hoffen auf Lottomittel. Wir wollen in Hessen Planungssicherheit herstellen; und wir wollen mit einem Sozialbudget in Höhe von 35 Millionen c das soziale Netz neu knüpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen eine Sozialberichterstattung, einen hessischen Armuts- und Reichtumsbericht sowie die Mitfinanzierung von Beratungs- und Präventionsmaßnahmen und vieles andere mehr.Wir müssen das Problem wachsender Kinderarmut schnell in den Fokus nehmen. Ein erster Schritt dazu ist, dass wir an Kitas und Schulen ein kostenloses Mittagessen organisieren.Das wollen wir mit 8 Millionen c in den Haushalt einstellen.

Angenommen, der Bund würde sich in dieser Frage bewegen, frage ich Sie: Wo liegt da das Problem? Das wäre doch umso besser. Dann würde der Haushaltstitel eben nicht ausgeschöpft, sondern das Geld bliebe erhalten, und der Finanzminister würde sich freuen. Im Augenblick tut Hilfe aber not. – Herr Kollege, die Freude dessen, der dann dort sitzen wird, und dieser heißt: Reinhard Kahl.

(Beifall bei der SPD)

Sie glauben, Ihnen sei mit der Verpflichtung zur Vorsorgeuntersuchung der große Coup gelungen. Zwischen den Untersuchungen liegen aber teilweise Jahre. Es handelt sich um einen Pseudoschutz. Die Anhörung zum Gesundheitsschutz letzte Woche im Sozialpolitischen Ausschuss zeigte, dass aufsuchende Hilfen genau das Richtige sind, um der Kindesmisshandlung wirksamer vorzubeugen. Das haben alle Expertinnen und Experten bestätigt.

Daher ist das, was das Land derzeit leistet, nicht genug. Wenn das Land seine Schutzfunktion für Kinder in Hessen ernst nähme, müsste es einen flächendeckenden Einsatz aufsuchender Hilfen geben. Diesen beantragen wir. Sie haben den Haushaltsantrag vorliegen. Stimmen Sie dem Präventionsprogramm in Höhe von 10 Millionen c zu.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat sich immerhin drei Änderungsanträge zum Haushalt überlegt.

Das ist schon viel.Was Sie bei den verpflichtenden Transferleistungen für Flüchtlinge einsparen werden, geben Sie zur Förderung von ambulanten Versorgungskonzepten und -strukturen wieder aus.

(Minister Stefan Grüttner: Das ist gut, oder?)

Meine Damen und Herren, freiwillig tun Sie das nicht, sondern das ist im Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz enthalten. Sie müssen es also erhöhen.

Auch beim Krippenausbau wird das Land vom Bund profitieren, der Hessen im nächsten Jahr 28,9 Millionen c für Investitionen zur Verfügung stellt. Auch das ist kein Projekt der Hessischen Landesregierung, sondern eines des Bundes.Wir sind davon überzeugt, dass Herr Metz bereits an einem neuen Namen bastelt. Aber dazu wird es nach dem 27. Januar auch nicht mehr kommen.

(Minister Stefan Grüttner:Wieso? – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Hessen war einmal spitze bei der Kinderbetreuung.In rotgrünen Zeiten gab es 60.000 neue Plätze. Bei Ihnen: Kürzung um 50 Millionen c pro Jahr, und das Jahr für Jahr. Es sind inzwischen 450 Millionen c, die Sie den Kommunen für die Kinderbetreuung gestrichen haben.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Das ist ein sol- cher Quatsch!)

Beim Krippenausbau haben Sie ein Schneckentempo vorgelegt und mit Sprechblasen gearbeitet. – Frau Kollegin, wenn Sie „Quatsch“ rufen, dann kann ich nur sagen: Sie haben die Haushaltssystematik nach so vielen Jahren immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe des Ministers Stefan Grüttner und des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, Hessen war einmal Schrittmacherin in der Frauenpolitik. Davon ist nach neun Jahren Koch absolut nichts übrig geblieben. Hessen war einmal Vorbild in der Behindertenpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik,in der Jugendpolitik.Von all dem ist nach fast neun Jahren Koch leider absolut nichts mehr übrig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung ist ignorant und kaltherzig. Sie tun nichts gegen die wachsende Kinderarmut. Sie sind jahrelang tatenlos geblieben bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Jetzt gibt es etwas mehr im Etat des Wirtschaftsministeriums, was wir die ganzen Jahre beantragt hatten.Aber im Landesdienst haben Sie immer noch nicht die Quoten gesteigert. Um Ihre eifernde Rundreise bei den Optionskommunen,Frau Ministerin, ist es auch sehr ruhig geworden. Sie haben nach wie vor im Ausschuss – wir werden sie wohl auch bis zum 27. Januar nicht erhalten – keine vergleichbaren Zahlen vorgelegt,an denen Vor- oder Nachteile des jeweiligen Modells abgelesen werden können. Das Thema Arbeitsschutz kommt in Ihrem Vokabular überhaupt nicht mehr vor. Das Thema ist marginalisiert und auf den RP abgeschoben. Sie tun nichts gegen die Vererbung sozial benachteiligter Lebensumstände. Sie ignorieren die massive Zunahme prekärer Beschäftigung mit all ihren Folgen.Sie kämpfen gegen den Mindestlohn trotz der zunehmenden Zahl von Menschen,die ganztägig arbeiten und von ihrem Lohn nicht leben können und zusätzlich zum Sozialamt gehen müssen. Kurz: Sie sind verantwortlich für Perspektivlosigkeit und Desintegration. Wir wollen eine Sozialund Gesellschaftspolitik, die zur Integration aller Menschen in dieser Gesellschaft beiträgt.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, auch das sage ich Ihnen heute, Herr Reif, auch wenn Sie noch so blöken: Das packen wir nach dem 27. Januar an, und zwar schnell. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU):Haben Sie das bezahlt, oder haben Sie das nicht bezahlt? – Petra Fuhrmann (SPD): Sie sollten keine Lügen verbreiten, auch nicht im Parlament! Haben Sie die Zeitung gelesen? – Minister Stefan Grüttner: Das war eine wegweisende Rede! – Clemens Reif (CDU):Wir wollten wissen, ob Frau Fuhrmann bezahlt hat oder nicht bezahlt hat! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie kann man um die Uhrzeit noch solch einen Unsinn von sich geben?)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abg. Oppermann für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fuhrmann, Sie sollten wirklich einmal eine neue Haushaltsrede schreiben. Denn bis auf wenige Nuancen bieten Sie uns die gleiche Rede seit drei Jahren an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Reif, um Ihre Frage zu beantworten: Jeder spart eben anders. Die Frau Kollegin hat eine sehr persönliche Form der Einsparung gewählt und nicht nur hier, sondern anscheinend auch bei ihren Mitgliedsbeiträgen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist eine Unverschämtheit! – Reinhard Kahl (SPD): Jetzt reicht es langsam! – Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Frau Kollegin Fuhrmann, bevor ich zu dem komme, was Sie gesagt haben, wollte ich noch eines zum Kollegen Schmitt sagen. Er kommt gerade zur rechten Zeit in den Saal. Sie haben vorhin bei Ihren Ausführungen zu einem anderen Einzelplan gesagt, dass wir uns mit fremden Federn schmücken würden und BAMBINI und KNIRPS aus dem KFA finanzieren würden. Ich weiß nicht, wer bei Ihnen in der SPD die Haushaltsanträge schreibt.Aber Sie haben zwei Haushaltsanträge. In einem geht es um die Finanzierung von kostenfreien Mittagessen, und im zweiten geht es um die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans. Da machen Sie nichts anderes und nehmen Zuweisungen aus dem KFA vor. So viel zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Schmitt.

(Norbert Schmitt (SPD): Gucken Sie es sich einmal genau an!)

Mich hat ein weiterer Punkt bei Ihnen geärgert. Bei der Krankenhausfinanzierung haben Sie gesagt, die Regierung würde sich aus der Verantwortung schleichen. Herr Kollege Schmitt, den Haushalt lesen und den Haushalt verstehen sind anscheinend zwei Paar Schuhe. Die Gesamtausgaben – wenn ich Ihnen die Zahlen vorlesen darf – für alle Fördertatbestände für Zuweisungen nach dem Hessischen Krankenhausgesetz wurden von 175,75 Millionen c im Jahre 2007 auf 218,4 Millionen c im Jahr 2008 erhöht. Der Ansatz für das Krankenhausbauprogramm beträgt nunmehr 97,55 Millionen c gegenüber 55 Millionen c im Jahre 2007.

Eine letzte Zahl. Das Bewilligungsvolumen beträgt im Jahre 2008 150 Millionen c gegenüber 2007 mit 100 Millionen c. Dazu zu sagen, die Landesregierung würde sich hier aus der Verantwortung schleichen, entbehrt absolut jeder Grundlage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das müssen Sie an Ihren Parteifreund Herrn Kaiser vom Landkreistag weitergeben! Das war nämlich genau der Vorwurf!)

Meine Damen und Herren, Sozialpolitik ist und bleibt ein Schwerpunkt dieser Hessischen Landesregierung.