Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages. Unbeschadet dieser Verpflichtung bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat grundsätzlich zulässig.

Meine Damen und Herren, das ist genau der Punkt.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Diese Mittelpunktsaussage steht interessanterweise bei Ihnen nicht im Gesetzentwurf. Ich gebe zu, in unserem auch nicht.Vielleicht kann man sich gemeinsam darauf einigen, das noch hineinzuschreiben. Denn in der Tat ist es unser politischer Ansatz, zu sagen: Auch angesichts dessen, wie wir unsere Arbeit hier durch die sogenannten Diäten honoriert sehen, ist es eine volle Berufstätigkeit.Von dem Umfang her, den sie annimmt, und dem, was wir jetzt zu leisten haben, ist das auch richtig. Das heißt, das ist die – wenn Sie so wollen, in Anführungszeiten – Hauptarbeit, und alles,was darüber hinaus gemacht wird,ist die Nebentätigkeit – in dieser Hierarchie. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht, wenn ich es richtig verstanden habe, auch keine unterschiedlichen Auffassungen. Die Mittelpunktstheorie haben alle akzeptiert. Auf der Basis wären dann auch alle Nebentätigkeiten anzugeben.

Meine Damen und Herren,ich will aber noch zwei Punkte sagen. Herr Kollege Wintermeyer, in Ihrem Gesetzentwurf stecken unstrittig einige gute Sachen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Kollege Reif freut sich darüber. – Der erste positive Punkt ist, dass Sie den „Widerstreit der Interessen“ aus den Verhaltensregeln auf die Gesetzesebene heben. Wir haben die Regelung auch bisher schon. Das ist in Ordnung. Das machen wir sofort mit. Das ist richtig.

(Axel Wintermeyer (CDU): Gut!)

Zweiter Punkt. Es ist auch richtig, dass Sie die Sanktionen hineingeschrieben haben. Ich sage ganz offen: Wir hatten damals nicht damit gerechnet, dass es dafür eine Zustimmung geben könnte.Wir freuen uns umso mehr, wenn die sich abzeichnet. Dann machen wir das.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie haben uns nie gefragt!)

Dritter Punkt. Sie sagen: präzise Angabe der Einnahmen und nicht in Blöcken. – Ich unterstelle Ihnen zurzeit – nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich tue es trotzdem, auch wenn die Uhrzeit weit fortgeschritten ist –, dass das, was Sie zur Angabe fordern, in aller Regel null ist. Denn solche Tätigkeiten, die mit dem Land zu tun haben, werden die seltene Ausnahme sein. Die müssen eh schon angezeigt werden. Es ist also egal, ob man die veröffentlicht oder nicht. Wir sind dafür, nicht dass ein Missverständnis entsteht. Aber das ist nicht der Punkt. Deswegen können Sie auch sagen: Okay, wir machen dann eine präzise Angabe. – Wir möchten Sie gerne noch dazu bringen, alle Nebentätigkeiten neben dem Mandat anzugeben. Da erschien uns eine Angabe in Kategorien sinnvoller als eine präzise Angabe.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Wir haben aber – damit kein Irrtum entsteht – auch nichts dagegen, wenn man sie präzise angibt. Deswegen trifft der Vorschlag des Bundes der Steuerzahler, sich zu einigen, bei uns auf jeden Fall auf positive Resonanz. Sinnvollerweise wollen wir etwas gemeinsam machen.

Zu der Kritik, die Sie am Anfang brachten, Herr Wintermeyer, „so schnell noch vor Ende der Legislaturperiode“: Ich sage, es ist richtig, jetzt noch Klarheit für die Kolleginnen und Kollegen zu schaffen, die in der 17. Legislaturperiode hier sein werden, damit die von Anfang an wissen, was die Regel sein soll.

(Michael Boddenberg (CDU):Was ein Zufall! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sind alle aufgestellt! – Axel Wintermeyer (CDU): Sie haben keine Chance mehr!)

Sie können noch bis nächste Woche Donnerstag zurücktreten. Sie wissen, es ist alles noch möglich.

In Ihrem Vorblatt zum Gesetzentwurf steht der schöne Satz:

Es entspricht einem Grundanliegen demokratischer Willensbildung,Abgeordnete zu verpflichten, Angaben über solche Nebentätigkeiten zu machen, die auf Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten hindeuten können Ö

(Nicola Beer (FDP): Genau!)

Genau das wollen wir auch. Aber wirtschaftliche Abhängigkeiten kann es zugestandenermaßen auch in einer angegebenen Berufstätigkeit geben. Insoweit gehört das dazu. Das heißt, wenn wir uns auf der Basis dieses Satzes einigen können, dann kommen wir zusammen. Ich hoffe darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kaufmann. Das war wieder einmal eine Punktlandung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Aber nur von der Zeit her!)

Natürlich nur von der Zeit her. – Jetzt kommt Frau Beer für die FDP-Fraktion.

Sehr verehrte Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kaufmann, wir sind uns darin einig, dass die Bundesregelung – über die diskutieren wir hier nicht mit unserem Gesetzentwurf – nicht verfassungswidrig ist. Aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat auch nicht ausgesagt, dass sie verfassungsrechtlich geboten wäre.Von daher sind wir in Hessen frei,

(Beifall bei der FDP)

eine andere, in unseren Augen politisch oder auch verfassungsrechtlich gebotenere Regelung zu treffen.

Ich bin sehr froh, dass Sie heute hier zum ersten Mal ein bisschen die Beweggründe der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeführt haben, weswegen Sie diesen Gesetzentwurf einbringen. Denn wenn man nach Ihrem Vorblatt geht, dann kommt dort mit Referenz auf die Namen Laurenz Meyer und die SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen, die hier Probleme hatten, nämlich nur der

Punkt der gegenleistungslosen Alimentierung. Aber genau diesen Punkt, nämlich den der gegenleistungslosen Alimentierung, greifen Sie in Ihrem Gesetzentwurf selbst nicht auf.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Das brauchen Sie auch nicht, weil er in Hessen schon seit Jahren geregelt ist, sowohl in § 4a Abs. 2 Nr. 4 des Abgeordnetengesetzes als auch in Punkt 5 unserer Verhaltensregeln. Deswegen war es etwas erstaunlich, dass das der einzige Begründungspunkt in Ihrem Gesetzentwurf war, mit dem Sie diesen Gesetzentwurf hier eingebracht haben.

Heute haben Sie zum ersten Mal ausgeführt, dass Ihre Fraktion dadurch motiviert worden ist, dass sie glaubt, solch einen Gesetzentwurf zu benötigen, um eine eventuelle Vernachlässigung des Mandats durch einen Abgeordneten aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit oder sonstiger Nebentätigkeit offenzulegen.

Herr Kaufmann, da kann ich Ihnen nur entgegenhalten, dass die Summe der Einnahmen wirklich kaum Rückschlüsse ziehen lässt auf das zeitliche Engagement,das ein Abgeordneter für diese Einnahmen aufgebracht hat.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Das kann man ganz deutlich gerade für Freiberufler sagen. Ich weiß selbst als Anwältin, dass mir Fälle, die zum Regelstreitwert im öffentlichen Recht abgerechnet wurden – Herr Kollege Dr. Jürgens wird das wissen –, weit mehr Arbeit und Ärger bereitet haben, sodass unter dem Strich letztlich nichts übrig geblieben ist,

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

als ein interessanter Fall aus dem Immobilienrecht, wo es alleine aufgrund des Werts der Immobilie zu angemessenen Streitwerten und damit auch zu einem interessanten Honorar kommt. Der zeitliche Einsatz und die ausgezahlten Einkünfte aus diesem Bereich korrelieren also nicht miteinander. Von daher sind ein solcher Gesetzentwurf und damit auch Ihre Begründung an dieser Stelle untauglich.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, es kann uns doch nur darum gehen, potenzielle Interessenkonflikte offenzulegen, und zwar in einer Art und Weise, die keine Datenwüste irgendwo im Internet ablegt – Herr Kollege Wintermeyer hat die Beispiele aus dem Deutschen Bundestag erläutert –, die keinen inhaltlichen Nährwert für den einzelnen Bürger hat, der sich das anschaut, sondern es geht um Angaben, die das Brennglas auf die Tätigkeiten eines Abgeordneten außerhalb seines Mandats legen, die mit einem entsprechenden Interessenkonflikt zwischen wirtschaftlicher Betätigung und politischer Betätigung im Rahmen des Mandats einhergehen können. Genau diesen Versuch unternehmen FDP und CDU mit ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Kahl, dann ist es so – das ist anders, als Sie den Gesetzentwurf verstanden haben –:Es ist egal,zu welchem Zeitpunkt dieser Beruf aufgenommen worden ist. Es geht nach der Formulierung unseres Gesetzentwurfs darum, dass der Beruf, der im Handbuch angegeben ist –

durch die Internetveröffentlichung ist das eine tagesaktuelle Angabe –, ausgenommen ist, dass die Nebentätigkeiten, weil sie konfliktbeladener sind, in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden,es sei denn – da kommen wir zu dem Beispiel Kirch und zu anderen, die ich hier angeben kann –, es wird eine Tätigkeit für oder gegen das Land Hessen ausgeübt.Da müssen Sie auch zu dem Beruf, der im Handbuch angegeben ist, entsprechende Veröffentlichungen machen.

(Beifall bei der FDP)

Da ist es mit Blick auf den potenziellen Interessenkonflikt ein Unterschied, Herr Kollege Kaufmann, ob die Beratung von Herrn Kirch oder irgendeines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit in Hessen steht oder nicht. Ich sage als Beispiel: Wenn ein Abgeordneter ein Energieunternehmen über eine Strategie der Einführung von Kraftwerken im asiatischen Bereich berät, dann hat das mit der Tätigkeit in Hessen als Mandatsträger überhaupt nichts zu tun.Würde er aber dasselbe Energieunternehmen in Hinblick auf die Errichtung eines neuen Kraftwerks in Hessen beraten,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Staudinger!)

was die Genehmigungstätigkeit gegenüber der Landesbehörde betrifft oder auch das Thema, das hier schon angesprochen worden ist im Hinblick auf einen Gesetzentwurf zur Erdverkabelung, dann müsste er dies angeben, weil es offensichtlich ist, dass ein potenzieller Interessenkonflikt gegeben ist. Diese Information wäre für Bürgerinnen und Bürger auch wesentlich wertvoller, weil genau auf diesen potenziellen Interessenkonflikt fokussiert wird.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Sie wäre auch wertvoller, weil in Euro und Cent eine Angabe gemacht werden müsste und nicht in irgendwelchen nivellierenden und im Endeffekt aussagelosen Gehaltsstufen. Sie wäre für den Bürger auch wesentlich wichtiger – das ist sogar von den GRÜNEN zugestanden worden –, weil eine entsprechende Sanktionierung durch den Landtagspräsidenten möglich gewesen wäre.

Einen Punkt lassen Sie mich noch zum Abschluss aufführen, weil das vom Kollegen Kaufmann quasi als Argumentation gegen den Gesetzentwurf von FDP und CDU in den Raum gestellt worden ist. Sie haben gesagt, das sei nichts weiter als Freiberuflerschutzgesetz.

Herr Kollege Kaufmann, da rufe ich Ihnen zu: Es geht auch um den Schutz solcher Berufsgruppen im Hessischen Landtag. Es ist natürlich klar, dass jemand, der vorher Richter war und diesen Richterberuf aufgrund des Beamtenverhältnisses während seiner Mandatstätigkeit nicht ausüben kann, mit einem Gesetzentwurf, wie auch immer er gestrickt ist, überhaupt keine Probleme hat. Aber ich möchte, dass zukünftig auch noch Freiberufler, Gewerbetreibende und Unternehmer in diesem Landtag sitzen, weil sie unsere Arbeit, unsere Beratungen, unsere Diskussionen bereichern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)