Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, an meinem Beispiel ist deutlich geworden, dass es zum einen aus ökologischer Sicht Unsinn ist, was gemacht werden soll, dass es zweitens aber ökonomisch ein genauso großer Unsinn ist. Deshalb muss jetzt die Chance genutzt werden, zu verhindern, dass das mit der fünften Novelle der Verpackungsverordnung so umgesetzt wird.

Bundeswirtschaftsminister Glos hat, um Umweltminister Gabriel entgegentreten zu können, schon ein Gutachten erstellen lassen, das zu genau demselben Ergebnis gekommen ist, wie ich es Ihnen eben vorgetragen habe. Es ist unrealistisch zu glauben, dass dadurch irgendetwas besser würde.

Die Bundestagsfraktion der FDP hat einen Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht, der sich im Sinne dessen bewegt, was heute die GRÜNEN als zusätzlichen Antrag vorgelegt haben, nämlich die Verpackungsverordnung grundsätzlich zu novellieren. Das wäre der richtigere Weg. Wir haben als FDP-Landtagsfraktion versucht, zunächst Schadensbegrenzung zu betreiben, und uns darauf bezogen, Brötchentüten nicht in die Verpackungsverordnung hineinzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Grünen Punkt noch eine Anmerkung machen. Dass die Regelungen zum Grünen Punkt novelliert werden müssen,wird an zwei Zahlen ganz deutlich. Mit einem Milliardenaufwand wird über den Grünen Punkt 1,4 % des Gesamtabfalls erreicht. Gleichzeitig haben wir noch das Problem, dass in manchen Bereichen zwischen 50 % und 60 % Fehlwürfe erfolgen.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir müssen wegkommen von dieser Getrenntsammelei vor der Haustür. Wir müssen dahin kommen, dass hinterher maschinell sortiert wird, weil wir damit wesentlich höhere Reinheitsgrade und eine wesentlich höhere Verwertungsquote erreichen können.

(Beifall bei der FDP)

Zum Abschluss will ich sagen: Wir wollen das verändern, was alle als falsch erkannt haben. Aber alle anderen sind anscheinend der Meinung, auch wenn es falsch ist, sollen alle für das Falsche bezahlen. Das wird in einem Presseartikel des Bundes der Streuerzahler vom November dieses Jahres dokumentiert.

Wir als FDP sagen: Weg mit der Brötchentütenverordnung, weg mit dem Grünen Punkt auf der Brötchentüte.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weg mit der FDP? – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sollen wir den Ältestenrat anrufen, oder was?)

Lassen Sie die Finger von dem, was noch als kleines Stück Freiheit geblieben ist. Die Brötchentüte muss auch in Zukunft ihren eigenen Weg gehen können.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Hammann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Heidel, Freiheit für die Brötchentüte – das konnte man heute von Ihnen vernehmen. Aber Sie backen wieder einmal zu kleine Brötchen; denn in der Verpackungsverordnung sind weitere Ungereimtheiten enthalten. Deshalb springen Sie unseres Erachtens zu kurz.

Meine Damen und Herren, in dieser Auseinandersetzung mit der Verpackungsverordnung sind einige Dinge entscheidend. Die muss man besonders betrachten. Das sind Dinge, die einzufordern sind. Zum einen: Entfaltet dieses System überhaupt eine Lenkungswirkung? Führen die unterschiedlichen Gebühren und Lizenzkosten dazu, dass die Abfall- und Reststoffmenge insgesamt reduziert wird oder zumindest ein Umstieg auf umweltverträgliche Verpackungen möglich ist?

Zweitens. Erfahren die unterschiedlich in den Verkehr gebrachten Verpackungen und sonstigen Wertstoffe eine Gleichbehandlung? Auch das ist natürlich zu überprüfen.

Als dritter Punkt ist für uns natürlich wichtig: Wirkt sich die oben angesprochene Lenkungswirkung, die notwendig ist, somit auf alle Verpackungen und im Umlauf befindlichen Wertstoffe aus?

Das sind Dinge, die bei einer Überprüfung natürlich eine große Rolle spielen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Getrennterfassung von Abfällen zu mehr Abfallbewusstsein innerhalb der Bevölkerung geführt hat.Auch darüber haben wir schon einmal im Parlament diskutiert. Wir stimmen nicht mit der FDP überein, dass alles in einer Tonne zusammengeschmissen werden soll. Die Problematik der anhaftenden Schmutzteile ist uns allen bekannt. Das heißt, die Wiederverwertbarkeit ist damit ein Problem.Wenn man das machen würde, würde es auch zu mehr Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen. Deshalb ist das nicht zielführend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, kommen wir kurz zu den Lizenzkosten von DSD. Zwar sind die Lizenzkosten beim Dualen System Deutschland je nach Wiederverwertbarkeit,Transport,Aufwand und Marktpreisen des Materials gestaffelt.So liegt das Lizenzentgelt für Papier,Pappe und Karton im Jahr 2007 bei 17,6 Cent/kg, bei Kunststoffen hingegen bei 129,6 Cent/kg und damit beim Siebenfachen. Nach Angaben vom DSD haben sich nach der Einführung des Grünen Punktes im Jahre 1991 Wirtschaftswachstum und Verpackungswachstum voneinander entkoppelt. Leider stellen wir momentan eine gegenteilige Entwicklung fest. Die jüngsten vom DSD präsentierten Zahlen bis zum Jahr 2000 zeigen, dass gerade in der jüngeren Zeit diese Entkoppelung wieder zurückgegangen ist.

Meine Damen und Herren, Verpackungen werden also weiterhin aufwendiger produziert, und es ist wieder mehr Verpackungsmüll vorhanden. Das ist eine Fehlentwicklung, die aus umweltökologischer Sicht nicht akzeptiert werden darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Lenkungswirkung durch unterschiedliche Lizenzierungsgebühren und die Getrennterfassung von Verpackungen und Restmüll reichen nicht aus, um das oberste Ziel des Abfallrechtes – das ist nun einmal die Abfallvermeidung – in einem Sinne zu erreichen, dass von Erfolgen gesprochen werden kann. Wer über die Verpackungsver

ordnung redet, sollte sich daher Gedanken darüber machen, wie wir die Entkoppelung von Wirtschafts- und Müllwachstum bewerkstelligen oder steigern können und wie wir unnötige Verpackungen erst gar nicht produzieren, damit Müll gar nicht erst entsteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heutige System erweist sich als unzureichend und bedarf – das ist in unseren Augen sehr wichtig – einer Veränderung. Wenn man merkt, dass das System nicht mehr das bringt, was man von politischer Seite anstrebt, dann gehört es auf den Prüfstand.

Meine Damen und Herren, neben der Frage der Lenkungswirkung ist die Frage der Gleichbehandlung im Zusammenhang mit der Verpackungsverordnung zu stellen. Denn die Gleichbehandlung der Verpackungen bei der Frage, wer wie viel für welche Art von Verpackung zu bezahlen hat, ist zu gewährleisten. Die heutige Situation der in ihrer ursprünglichen Form von einer schwarz-gelben Bundesregierung – die FDP war damals dabei – eingeführten Verpackungsverordnung stellt sich wie folgt dar: Die Mehrheit der Verpackungen ist mit einem Grünen Punkt versehen und wird über den gelben Sack oder die gelbe Tonne entsorgt. Die besten Beispiele hierfür sind Tetrapak oder die Chipstüte.

Zweitens sind Verpackungen mit einem Grünen Punkt versehen, die dennoch – das betrifft auch die Papiertüte – im Altpapier landen, also nicht die Brötchentüte, sondern z. B. die Kekspackung oder die Tiefkühlerbsenpackung. Das heißt, die Hersteller zahlen zwar Lizenzgebühren dafür,aber entsorgt wird das nicht über die gelbe Tonne,sondern – da sind die Verbraucher sehr umweltbewusst – gleich über die Papiertonne, und das ist auch gut so. Das heißt, hier wird die Dienstleistung des Dualen Systems erst gar nicht in Anspruch genommen, und es erfolgt in diesem Bereich überhaupt keine Verrechnung.

Drittens gibt es Verpackungen, die keinen Grünen Punkt tragen,aber von den Verbraucherinnen und Verbrauchern dennoch im gelben Sack entsorgt werden. Als Beispiel dienen hier die Folien, in die auf dem Markt Käse oder Wurst eingepackt werden. Das Duale System oder auch das Bundesumweltministerium sprechen hier von den sogenannten Trittbrettfahrern.

Viertens schauen wir auf die von Ihnen heute bereits angesprochene, viel diskutierte Brötchentüte, die bislang keinen Grünen Punkt trägt, aber auch auf keinen Fall über den gelben Sack entsorgt wird und auch nicht dort entsorgt werden soll.Vielmehr soll sie dort landen, wo sie schon die ganze Zeit gelandet ist, im Altpapier.

Die in der vergangenen Woche von der Bundesregierung vorgelegte fünfte Novellierung der Verpackungsverordnung – der Bundesrat muss ihr noch zustimmen – hat eine bedeutende Änderung für die beiden letztgenannten Verpackungstypen gebracht. Die sogenannten Serviceverpackungen, die eben angesprochenen Wursteinwickelfolie, die Brötchentüte oder auch der Eisbecher aus Verbundmaterial sollen ebenfalls mit Lizenzgebühren belegt werden und dem Diktat des Dualen Systems unterworfen werden.

Meine Damen und Herren, während diese Änderung bei der Wursteinwickelfolie oder dem Eisbecher irgendwie nachzuvollziehen ist,ergibt das bei den Brötchentüten absolut keinen Sinn, da diese nie einen Sammelbehälter oder eine Sortieranlage des DSD zu Gesicht bekommen werden. Es kann deshalb – hier sind wir mit der FDP einig

nicht sein, dass das Duale System seine Finanzprobleme auf dem Rücken des Bäckerhandwerks zu beheben versucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden dem Antrag der FDP dennoch nicht zustimmen können; denn kleine Brötchen zu backen bringt uns in diesem Fall wirklich nicht weiter. Wir fordern stattdessen, dass die Verpackungsverordnung nicht nur in diesem einen Detail zum Schutz bestimmter Klientelen in Wahlkampfzeiten geändert wird,sondern dass das dahinter stehende Konzept in Gänze einer Überprüfung unterzogen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns sind die Bestandteile einer neuen und fairen Verpackungs- und auch Wertstoffverordnung sehr klar. Es muss so sein, dass eine gerechte und an der Umweltbelastung orientierte Beteiligung der Verursacher an den Entsorgungskosten sowie – das ist der zweite Punkt – die Einbeziehung anderer Wertstoffe in das Entsorgungssystem stattfinden, sodass das Paradoxon aufgehoben wird, dass zwar die Plastikflasche einer Verwertung zugeführt wird, nicht aber die Plastikseifenschale, wenn sie entsorgt werden muss. Das heißt, wir wollen und wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Ressourcen geschont werden. Das bedeutet an erster Stelle die Vermeidung, aber dann muss eine sinnvolle Verwertung etabliert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung hat sich sehr wohl Gedanken gemacht. Sie hat auch einen neuen Vorschlag gebracht, die sogenannte gelbe Tonne plus – das ist nicht die Unterrichtsgarantie plus, sondern die gelbe Tonne plus.

Das zeigt, dass man in die richtige Richtung denkt. Aber generell müssen wir dieses System auf den Prüfstand stellen. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Deshalb liegt Ihnen unser Antrag vor. Wir wollen eben keine kleinen Brötchen backen; denn das ist nicht zielführend. Ich hoffe, dass wir Ihre Unterstützung für diesen weitergehenden Antrag bekommen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Dr. Rolf Müller, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur drei Anmerkungen zu dem FDP-Antrag machen, weil ich erstens meine großen Sympathiewerte nicht gefährden will, zweitens mit Blick auf die Zeit und weil wir drittens in der Tat sehr viel intensiver über die Verpackungsverordnung diskutieren müssen, als dies im Antrag der FDP deutlich wird.

Erstens.Ich glaube,bei aller bildlichen Darstellung,zu der der Kollege Heidel heute wieder fähig war, ist es ein großes Manko, dass Sie nur einen Teilaspekt dieser fünften Novellierung aufgegriffen haben, die in sich sehr viel mehr Risiken birgt, übrigens nicht nur rechtliche Risiken.

Kein Wort zu dem großen Problem der Verrechnung, die ein Ansatz war, um sogenannte Trittbrettfahrer erst ein

mal fernhalten zu können. Auch kein Wort zu dem, was uns beschäftigt, nachdem wir den Heldenkampf für den Apfelwein gekämpft haben: zur flächendeckenden Lizenzierung für Weinflaschen. Dort werden wir das nächste Problem haben.Auch kein Wort zu der Frage, wie man in das ganze System einen Vollständigkeitsnachweis einbringen kann. Ich will das nur ansprechen. Wie gesagt, drei Pinselstriche zu der ganzen Problematik.

Zweitens. Ich glaube in der Tat – da bin ich sehr nahe bei Frau Kollegin Hammann

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oh!)

es ist bald Weihnachten –, dass wir die fünfte Novellierung sehr viel grundsätzlicher diskutieren müssen. Denn noch nicht jedem ist deutlich geworden,