Protokoll der Sitzung vom 15.10.2003

Aber die Tatsache, dass ich das Missvergnügen hatte – ich drücke es einmal so aus –, den Redebeitrag des Kollegen Hahn im Büro sitzend am Lautsprecher mitzuverfolgen, hat mich hier noch einmal nach vorne getrieben.

(Günter Rudolph (SPD): Das war schlimm genug! – Volker Hoff (CDU): Ein Getriebener seiner selbst, davon haben wir genug!)

Herr Kollege Hahn, ich versuche es einmal in aller Ruhe. Wer einem anderen Kollegen hier ernsthaft vorwirft, die Tatsache, dass er einen solchen Gesetzentwurf eingebracht und begründet hat, sei „ungezogen“, der ist seinerseits mehr als ungezogen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da haben Sie nicht zugehört!)

Ich habe sehr genau zugehört, sehr genau. – Zweitens.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): „Als Bittsteller abqualifiziert“!)

Genau, das mit dem „Bittsteller“. Herr Hahn, das ist genau der Grund, warum ich mich noch einmal gemeldet habe.

(Günter Rudolph (SPD): Ja! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Trotzdem ist das immer noch erstens! – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt hat er den Faden verloren!)

Ich habe keinen Faden verloren, sondern ich habe gesagt, ich versuche es in aller Ruhe. Deswegen warte ich jetzt, bis Ruhe ist. – Danke.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Volker Hoff (CDU): Was für ein Widerling, ein richtiger Widerling! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Hahn, wer der Meinung ist, dass man es dem Kollegen Andreas Jürgens vorwerfen sollte,er würde einen Beitrag dazu leisten,

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

dass sich Behinderte zurückziehen, der hat nun wirklich überhaupt nichts verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie haben das falsch verstanden!)

Ich glaube, es gibt in diesem Plenarsaal und weit über ihn hinaus kaum jemanden, der so viel für Teilhabe und Selbstbestimmung von behinderten Menschen getan hat

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): „Selbstisolierung“ habe ich gesagt!)

wie der Kollege Andreas Jürgens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Na, da wollen wir einmal schauen!)

Herr Kollege Hahn,wenn man dazu noch der Meinung ist, das Stichwort „Bittsteller“ gebrauchen zu müssen, dann sage ich Ihnen: Diejenigen behinderten Menschen, die in einem Kommunalparlament sitzen,sind genau diejenigen, die sich nicht zurückziehen, weil sie sich in einer Liste haben aufstellen lassen und dann in ein Kommunalparlament gewählt worden sind.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Umso weniger unterstützen wir das Gesetz! Das ist eine reine Alibiveranstaltung der GRÜNEN!)

Herr Kollege Hahn, ich sage Ihnen: Ich weiß, dass Sie Vater eines behinderten Kindes sind. Aber das macht einen noch nicht zum Experten für die Selbstbestimmung behinderter Menschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Aber auch nicht im Rollstuhl Sitzende!)

Herr Kollege Hahn, was Sie hier erzählt haben, zeigt,

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

dass das vielleicht genau der Punkt ist, an dem Sie einmal nachdenken müssen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist ja wohl dreist!)

Ich bitte Sie, lesen Sie die Rede, die Sie hier gehalten haben, einmal nach.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es lohnt sich nicht, die noch einmal nachzulesen!)

Lesen Sie die noch einmal nach, und überlegen Sie sich dann vielleicht, ob Sie morgen oder übermorgen auf den Kollegen Dr. Jürgens zugehen und Teile von dem zurücknehmen, was Sie hier gesagt haben. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist wohl der Hammer!)

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit sind wir am Ende der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung, Drucks. 16/146, mit der Beschlussempfehlung Drucks. 16/ 706.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf. Ich bitte Sie um ein Handzeichen, wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen will. – Wer ist dagegen? – Keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren, mir ist durch die Landtagsverwaltung mitgeteilt worden, dass wir wegen der Teilnahme vieler Kolleginnen und Kollegen an den entsprechenden Demonstrationen, die heute angekündigt sind, bereits um 12.45 Uhr in die Mittagspause eintreten wollen.

Ich rufe Punkt 8 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Umsetzung des Modellversuchs zur Kommunalisierung der Förderung sozialer Hilfen ab 2004 – Drucks. 16/409 –

Ich darf fragen, wer für die FDP begründet. – Florian Rentsch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist eigentlich zu wichtig. Deshalb möchte ich Sie gerne bitten, den Saal nicht zu verlassen. Vielleicht schaffen wir es noch vor der Mittagspause, darüber eine Diskussion zu führen. Das hat das Thema auf jeden Fall verdient.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Jahren 2000 bis 2003 wurde im Landkreis Groß-Gerau und der Stadt Kassel ein Modellversuch zur Strukturierung sozialer Hilfen durchgeführt.Der Modellversuch basiert auf einer Vereinbarung, die im März 2000 zwischen dem Hessischen Sozialministerium, dem Hessischen Landkreistag, dem Hessischen Städtetag, dem Landkreis Groß-Gerau und der Stadt Kassel abgeschlossen worden ist. Im Jahre 2001 hat sich auch der Landwohlfahrtsverband dieser Vereinbarung angeschlossen. Die budgetierte Weitergabe der Landesmittel, verbunden mit der Forderung nach regionaler Planung, war zentraler Kern dieses Modellversuchs. Ich lese Ihnen einen Auszug aus der Vereinbarung und des Regelungszieles vor:

§ 1 Regelungsziel

Diese Vereinbarung strebt eine regionale Versorgungsplanung für bedarfsorientierte,flexibel gestaltete und leicht zugängliche soziale Hilfsangebote an.

Der Verzicht auf die Anwendung der bisher in diesem Bereich geltenden Landesrichtlinien und die gleichzeitige Stärkung der kommunalen Planung in Abstimmung mit dem fachlichen Beistand des Landes sollen eine mehr an den Bedürfnissen und Nachfragen Hilfe suchender Menschen orientierte und wirtschaftliche Gestaltung der Infrastruktur sozialer Maßnahmen ermöglichen.

Meine Damen und Herren, es bleibt in diesem Punkt festzuhalten,dass die beiden Modellversuche der Kommunen

Groß-Gerau und Kassel eine ganz hervorragende Arbeit gemacht haben.Ich möchte in diesem Zusammenhang ein großes Lob und Dankeschön an Frau Kramer aus GroßGerau, an den Sozialamtsleiter der Stadt Kassel und das Ministerium, Herrn Schlembach, an die Kolleginnen und Kollegen, die sich dort die Mühe gemacht haben, aussprechen. Es ist eine hervorragende Arbeit. Ich denke, das kann man fraktionsübergreifend sehen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Modellversuchsphase in Kassel und Groß-Gerau hat deutlich gemacht, dass das zentrale Anliegen, die Stärkung der kommunalen Steuerung der bedarfsgerechten Versorgung der Sozialinfrastruktur in den Kommunen, berechtigt und notwendig ist. Der Bericht fasst im letzten Satz eine Forderung auf, nämlich:

Für eine landesweite Umsetzung sind jedoch eine Reihe von weiteren Fragen zu klären, beispielsweise wie das Land seine notwendige Funktion definieren und wahrnehmen will.

Aus diesem Grund haben wir den vorliegenden Antrag gestellt, weil wir als FDP der Meinung sind – der Antrag ist ganz hervorragend –,die Modellversuche fortzuführen, auf das Land auszuweiten. Aber die Fragen, die auch die Projektgruppe gestellt hat,müssen vorher geklärt werden. Das sind:

Erstens. Es muss ein Rahmenkonzept geben, in dem ganz klar ist, was das Land macht und welche Aufgaben es übernimmt.

Zweitens. Wie kann man eine systematische Sozialplanung und damit eine systematische soziale Berichterstattung einführen, und wie soll dies erfolgen?