Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Stimmen Sie unserem Antrag zu, und zeigen Sie, dass es nicht nur auf der Ebene der beiden Ministerpräsidenten, sondern auch im Landtag in dieser pragmatischen Frage einen breiten Konsens gibt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Kollege Williges. – Nächste Wortmeldung, Kollege Pighetti, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag begrüßt das Zustandekommen eines parteiübergreifenden Konsenses der Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Hessens zum Abbau von Subventionen im Bundeshaushalt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zwei Parteien übergreifend!)

Wir sind zwar nicht der Auffassung, dass Subventionen grundsätzlich zu verteufeln wären, schließlich bieten sie dem Staat eine geeignete Möglichkeit, wirtschaftspolitisch gestaltend zu wirken.Es kann andererseits aber auch nicht übersehen werden, auf welchen Umfang der Subventionsblock der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland angewachsen ist.

(Beifall bei der SPD)

Besonders problematisch sind dabei ineffiziente Subventionen,solche,die zu Fehlanreizen und Mitnahmeeffekten führen oder einen notwendigen Strukturwandel verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Zahlreiche dieser unsinnigen Sonderleistungen existieren ohnehin nur noch, weil es einer geschickten Lobby gelingt, den Blick der Öffentlichkeit an den entsprechenden Tatbeständen vorbeizulenken.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere ist dabei bei den Steuervergünstigungen ein Dickicht entstanden, welches weder Überschaubarkeit noch Transparenz bietet.Aber auch im Bereich der direkten Finanzhilfen wären Fehlallokationen aufzuzählen, die immer noch existieren, weil lautstarke und gut organisierte Interessengruppen sie zu verteidigen wissen.

All diese Argumente sprechen also dafür, staatliche Subventionen von Zeit zu Zeit einer kritischen Überprüfung und Bewertung zu unterziehen.

(Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Wenn man eine solche Überprüfung vornimmt,kann es sicherlich auch dazu kommen, dass bestimmte Bereiche von Kürzungen ausgenommen werden.Wer die einzelnen Tatbestände ernsthaft bewertet, kann nicht zu dem Ergebnis kommen, dass sie alle gleichwertig sind. Wer das tut, hat schon vorher den Verstand aus- und den Rasenmäher eingeschaltet.

(Beifall bei der SPD)

Mit minus 4 % alles über einen Kamm zu scheren, heißt nämlich, sich vor der nötigen Bewertung zu drücken und die eigentliche politische Aufgabe, eine Wertentscheidung zu treffen, gar nicht wahrzunehmen, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Herr Ministerpräsident, dafür gibt es keinen Grund,sich ohne Anfang und ohne Ende zu feiern. Ein wenig mehr Bescheidenheit beim Verteilen von Selbstlob wäre angemessen.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten gar nicht, dass sich der Ministerpräsident brutalstmöglich zurückhält, aber ein paar Weihrauchgranaten weniger würden auch Ihnen die klare Sicht erleichtern.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wenn sich der Nebel senkt,dann wird die Sicht klarer.Insbesondere fällt dann auch ein klareres Licht auf den selbst ernannten Subventionsabbauer Koch.

(Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

So schön es auch sein mag, das größte Programm zum Subventionsabbau in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands zu verkünden, so wenig schön war die Rolle des Hessischen Ministerpräsidenten, als es um das Steuerabbauvergünstigungsgesetz ging.

(Beifall bei der SPD)

Warum hat denn der Ministerpräsident monatelang einen wirklichen Subventionsabbau blockiert? Ging es darum, zu verhindern, dass tatsächlich in den Subventionsabbau eingestiegen wird – und zwar ganz gezielt und nicht nach dem Rasenmäherprinzip? Musste der mutige Abbau von Steuervergünstigungen durch Bundesfinanzminister Hans Eichel blockiert werden, um den Erfolg der rot-grünen Regierung in Berlin zu vermeiden? Oder ging es da

rum, ein wirklich großes Paket zum Subventionsabbau zu verhindern, um dann ein paar Monate später ein viel kleineres zum größten Paket in der Geschichte des Landes erklären zu können?

(Beifall bei der SPD)

Nein, Herr Ministerpräsident, auch wenn im Himmel bekanntlich mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte herrscht, Ihnen nehmen wir die Wandlung vom Saulus zum Paulus nicht ab.

(Beifall bei der SPD)

Es mag für den Ministerpräsidenten und seinen klammen Finanzminister schön sein – er ist ja noch da –, sich auf 100 Millionen c aus dem Koch-Steinbrück-Subventionsabbau zu freuen. Viel mehr könnten wir uns alle freuen – und viel besser wäre es auch für diesen katastrophalen Haushalt –,wenn uns über 300 Millionen c zur Verfügung stünden. Genau das wäre nämlich das Volumen gewesen, das aus dem Steuerabbauvergünstigungsgesetz für unser Bundesland resultiert hätte. Das hat der Ministerpräsident mit seiner Blockadepolitik ausgeschlagen, und deshalb gibt es hier keinen Grund, sich zu feiern.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es auch ein Schritt in die richtige Richtung ist, muss festgehalten werden, dass es zuvor drei Schritte in die falsche Richtung gewesen sind.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht könnte uns der Herr Ministerpräsident einmal erklären, warum eine an der Vernunft orientierte und unaufgeregte Debatte über den Unsinn der Eigenheimzulage nicht möglich ist. Das ist eine Subvention von über 9 Milliarden c – eine, bei der Fachleute darauf hinweisen, dass sie zu einer hohen Fehlallokation führt, eine, die angesichts der demographischen Entwicklung immer weniger Sinn macht. Es sind nämlich die Wohnungsleerstände der Jahre 2030 und 2040, die wir mit heute längst nicht mehr vorhandenen Mitteln fördern. Dafür wird mit dieser Blockadepolitik Sorge getragen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Da gibt es ebenfalls keinen Grund, sich zu feiern.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Glauben Sie doch bloß nicht, dass Sie mich mit diesem Geschreie aus dem Konzept bringen. – Vielleicht sollte der Ministerpräsident auch einmal erklären, warum es bei der Umsatzsteuerbefreiung für grenzüberschreitende Personenbeförderung im Luftverkehr bleiben soll. Welchen Sinn hat denn die fortdauernde steuerliche Benachteiligung der Schiene gegenüber dem Luftraum?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Bis heute bezahlt die Bahn im Fernverkehr nicht nur die Mineralölsteuer, sondern auch den vollen Mehrwertsteuersatz. Warum wird mit aller Gewalt verhindert, dass die Bahn gegenüber dem Luftverkehr konkurrenzfähig wird?

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Der Ministerpräsident muss dann auch erklären, warum deutsche Kapitalgeber in Film- und Medienfonds einzahlen – und damit maßgeblich an der Finanzierung von Filmen mitwirken, die für die Oscar-Verleihung in Holly

wood nominiert werden –, über damit verbundene Verlustzuweisungen aber ihre Steuerschuld in der Bundesrepublik Deutschland verkürzen können. Dadurch wird kein einziger wirtschaftlicher Effekt in der Bundesrepublik Deutschland ausgelöst.Solche Subventionen gehören vom Tisch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wirklich große Schritte wären nötig und möglich gewesen. Sie haben sie verhindert. Damit wurde eine Chance verpasst, aus taktischen und aus machtpolitischen Gründen. Es zeugt von wenig Verantwortungsgefühl, sich dafür weiterhin zu feiern.

Dann wollen wir noch einen Blick auf das Koch-Steinbrück-Papier werfen. Da fällt zum einen auf, dass ein Subventionsbegriff gewählt wurde, der durchaus zweifelhaft ist. Warum werden zahlreiche Tatbestände als Subventionen klassifiziert, während andere, durchaus vergleichbare Leistungen nicht als Subventionen erscheinen?

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Frage!)

Warum ist für den Verkehrsträger Straße kein Subventionsabbau vorgesehen? Warum ist der Luftverkehr – abgesehen von einer geringfügigen Absenkung der Fördermittel in der Luftfahrttechnik – nicht betroffen? Worin besteht der Sinn, wenn gleichzeitig beim öffentlichen Personennahverkehr gekürzt wird, beim Schienenverkehr, bei den Verkehrsunternehmen, bei der Erstattung von Fahrgeldausfällen oder beim Jobticket? Soll der öffentliche Nahverkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr tatsächlich noch weiter ins Hintertreffen geraten? Wenn das die Bewertungen sind, die bei der Auswahl des Subventionsbegriffs maßgebend waren, dann muss man schon zweifeln.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich jetzt dafür feiern, dass wir durch den vorgeschlagenen Abbau von Steuervergünstigungen jährlich 5,9 Milliarden c mehr haben, dann müssen Sie sich auch fragen lassen, warum während der Diskussionen um das Steuervergünstigungsabbaugesetz jeder dort geplante Abbau einer jeden Steuervergünstigung von Ihnen lauthals mit „Steuererhöhung“ gebrandmarkt wurde.

(Beifall bei der SPD)