Protokoll der Sitzung vom 25.11.2003

Das Grundproblem der Juristenausbildung ist der immense Stoffkanon, der in zwei Prüfungen bis ins Detail hinein beherrscht werden soll. Nicht umsonst bezeichnete der Richter am Bundesverfassungsgericht Hoffmann

Riem dies als „Breitbandnarkotikum für geistige Regungen“.

Angesichts der neu einzuführenden Schlüsselqualifikationen, wie z. B.Verhandlungsmanagement, Mediation, Rhetorik,Vernehmungslehre etc., wird sich daran kaum etwas ändern. Auch wenn diese Qualifikationen richtigerweise im Mittelpunkt stehen sollen, fragt man sich doch, wie das alles neben dem eigentlichen materiellen Recht noch vermittelt werden soll.

Der Einheitsjurist früherer Jahre hat für viele noch einen Charme. Denn immer noch stehen wir auf dem Standpunkt, dass ein halbwegs guter deutscher Jurist sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in ein ihm unbekanntes Rechtsgebiet einarbeiten können muss. Diese Fähigkeit wird auch im Ausland hoch geschätzt. Doch nun müssen endlich Schwerpunkte gesetzt werden, weil zum einen niemand alles wissen kann und zum Zweiten nur etwa 10 % aller Abgänger überhaupt in den Staatsdienst, sei es als Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte, gehen.

Da ich selbst neben meinem Abgeordnetenmandat noch als Anwalt praktiziere, kann ich die neue Schwerpunktsetzung im Referendariat auf Anwaltsausbildung nur begrüßen. Die bisherige Zeit – das kann ich aus meinen eigenen Erfahrungen als Ausbilder von Referendaren sagen – war für eine adäquate Ausbildung viel zu kurz. Ebenso ist es richtig, den Universitäten mehr Freiräume für eigene Gewichte und die Optimierung der Studienbedingungen zu geben und den Bezug der Ausbildung zu ausländischen Rechtsordnungen, insbesondere über eine forcierte Sprachausbildung, auszubauen.

Gleichwohl ergeben sich Fragen, z. B.: Die Eingangsstation im Referendariat ist nach wie vor die Zivilstation beim Richter, die ich mit vier Monaten Dauer für außerordentlich knapp bemessen halte. Hier werden die Grundlagen für das Verständnis des deutschen Zivilprozesses gelegt, die später nur schwer nachzuholen sind.

Insgesamt begrüße ich für meine Fraktion, dass Bewegung in die Juristenausbildung gekommen ist. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt konsequent die bundesrechtliche Lage um. Gleichwohl ist bereits jetzt absehbar: Die Reform der Reform wird sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Den Dringlichen Antrag der FDP-Fraktion werden wir sicherlich im Ausschuss behandeln.

(Nicola Beer (FDP): Das wäre nett!)

Ich darf hierzu nur ganz kurze Punkte anführen. Er hat mit dem Gesetz,das wir heute beraten,nichts zu tun.Es ist nicht Sinn des Referendariats, weiter universitär zu beschulen, sondern es ist Sinn des Referendariats, in die Praxis zu gehen. Er verstößt gegen den Sinn des § 5 des Deutschen Richtergesetzes. Ein Ausbildungshandbuch, wie wir von dem Herrn Minister gehört haben, ist heute schon auf der Homepage des Justizministeriums zu bekommen.

(Roland von Hunnius (FDP):Was für eines?)

Eine Freistellung, wie sie hier gefordert ist, erfordert fast 100 zusätzliche Richterstellen, die derzeit nicht finanzierbar sind. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich stelle fest, dass die erste Lesung des

Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der Reform der Juristenausbildung, Drucks. 16/872, stattgefunden hat, in verbundener Debatte mit dem Dringlichen Antrag der Fraktion der FDP, Drucks. 16/1195.

Gehe ich recht in der Annahme, dass beides an den Rechtsausschuss überwiesen wird? – Das ist so. Dann verfahren wir auch so.

Es sind zwei weitere Dringliche Anträge eingegangen: der Dringliche Antrag der Abg. Frankenberger, SchäferGümbel, Klemm, Pfaff, Riege, Tesch (SPD) und Fraktion betreffend volles Informationsrecht für Wirtschaftsminister Rhiel und den Hessischen Landtag, Drucks. 16/1196, und der Dringliche Antrag der Abg. Fuhrmann, SchäferGümbel, Eckhardt, Habermann, Dr. Pauly-Bender, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend eine gute Zukunft durch Ausbildung für alle, Drucks. 16/1197. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann werden diese beiden Anträge Tagesordnungspunkt 65 und 66.

Zur Geschäftsordnung, bitte, Herr Kahl.

(Volker Hoff (CDU): Jetzt und gleich aufrufen!)

Herr Präsident, ich bitte, die beiden Tagesordnungspunkte mit den Tagesordnungspunkten 30 und 32 zusammen aufzurufen.

Dem wird nicht widersprochen. Dann wird das so gemacht,wie der Antragsteller gerade gewünscht hat.Vielen Dank.

Absprachegemäß kommen wir nun zu Tagesordnungspunkt 6:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2003 (Nachtragshaushaltsgesetz 2003) – Drucks. 16/1167 zu Drucks. 16/810 –

Der Berichterstatter hat zunächst das Wort. Bitte schön, Herr Kaufmann.

(Volker Hoff (CDU):Frank-Peter,machs sachlich!)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege Hoff! Der Gesetzentwurf war dem Haushaltsausschuss in der 18. Plenarsitzung am 4. November nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden. Die Änderungsanträge wurden dem Haushaltsausschuss am 17. November 2003 vom Präsidenten überwiesen.

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf und die Änderungsanträge in seiner Sitzung am 19. November 2003 behandelt und mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD,des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP folgende Beschlussempfehlung gefasst:

Erstens. Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

Zweitens. Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum, zu den Einzelplänen folgende Beschlüsse zu fassen. Zu Einzelplan 01: Drucks. 16/923 soll angenommen werden. Zu Einzelplan 17: Drucks. 16/924 soll ebenfalls angenommen werden. Die erste Empfehlung erging einstimmig, die zweite Empfehlung mit den Stimmen der CDU und der FDP bei Enthaltung der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuss empfohlen, folgende Ermächtigung des Ministers der Finanzen mit zu beschließen: „Der Minister der Finanzen wird ermächtigt, gegebenenfalls noch auftretende offenkundige Unstimmigkeiten, Rechtschreib- und Rechenfehler zu bereinigen.“ Dieser Beschluss erging mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kaufmann. – Wir haben uns verständigt, dass pro Fraktion 15 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. Wie die Fraktionen intern die Redezeit verteilen, ist selbstverständlich ihnen überlassen. Aber die Einzelpläne werden nicht extra aufgerufen.Ich weise jetzt schon darauf hin, dass am Schluss der Debatte eine Abstimmung über die Einzelpläne stattfinden soll, weil einmal im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens über die Einzelpläne abgestimmt werden müsste – so jedenfalls die Auskunft der Landtagsverwaltung.

(Gerhard Bökel (SPD): Gutachten anfertigen!)

Ich darf damit zunächst Herrn Schmitt für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Volker Hoff (CDU): Da hat er schon geschwindelt!)

Der Nachtragshaushalt 2003 ist ein besonders krasses Dokument der Unfähigkeit der Landesregierung zu solider Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD – Frank Lortz (CDU): Na, na, na! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die klatschen schon bei dem Wort „Unfähigkeit“!)

Meine Damen und Herren, seit Jahresanfang weiß der Finanzminister – Sie wissen es wahrscheinlich auch –,

(Volker Hoff (CDU): Projekt 18!)

dass das Jahr 2003 ein finanziell sehr schwieriges Jahr sein wird. Aber der Finanzminister hat nicht danach gehandelt, er hat nicht die Zügel in die Hand genommen, sondern er hat das Gegenteil gemacht. Er hat eigentlich alles laufen lassen.Er ist wie ein Stück Kork auf den Wellen der Einnahmen und Ausgaben geschwommen.

(Volker Hoff (CDU): Lass dir etwas anderes aufschreiben!)

In einer für alle Länder finanziell schwierigen Situation – aber in anderen Ländern ist es eben zum Teil anders ge

handhabt worden als hier durch den hessischen Finanzminister –

(Frank Lortz (CDU): Schlechter ist es gehandhabt worden!)

hat er keine Gestaltungskraft, keinen Gestaltungswillen gezeigt. Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch: ein Haushalt, der verfassungswidrig ist und der nur in die Nettoneuverschuldung geht.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie langweilen Ihre eigene Truppe! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Milde, Sie wissen es ja. Deswegen ist es kein Wunder, dass der Ministerpräsident nach dieser Nichtleistung – anders kann man es nicht bezeichnen –, nach dem Unvermögen des Finanzministers ihm die Aufstellung des Haushalts 2004 völlig aus der Hand genommen hat. Den klaren Beweis,dass dieser Herr es nicht kann,hat doch Ihr eigener Ministerpräsident gezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das weiß doch jeder, das ist doch genau die Argumentation des Ministerpräsidenten gewesen. Als aus den Chefgesprächen herauskam, dass der Haushalt 2004 wiederum verfassungswidrig sein wird, nicht mit der Verfassung übereinstimmen wird, hat der Ministerpräsident das Heft in die Hand genommen. Das Schlimme ist – das sehen wir,das werden wir auch morgen noch diskutieren –,dass auch der Haushalt 2004 gerade im sozialpolitischen Bereich,aber auch in anderen Bereichen die Handlungsunfähigkeit und die mangelnde Kompetenz unter Beweis stellt. Aber dass der Finanzminister es aus der Hand genommen bekam, das hat auch etwas mit diesem Nachtragshaushalt 2003 zu tun, über den wir heute hier reden.

(Beifall bei der SPD – Frank Lortz (CDU): Eichel muss weg!)