Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

Richtig, Herr Kollege Arnold, Trittin macht sich überhaupt keine Gedanken. – Auf eine weitere Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hat Herr Trittin erklärt, er wolle die Richtlinie der EU zur Endlagerung erst im Jahre 2030 – erst im Jahre 2030! – umsetzen. Die Mehrheit der EU

Länder hat sich ein Zeitfenster zwischen 2013 und 2018 gegeben. Bloß hier in Deutschland macht Herr Trittin, weil er der grünen Klientel vorgaukeln will, Castortransporte seien nicht notwendig, eine Zeitschiene bis 2030. Aus diesem Grund hat Herr Trittin auch die Untersuchungen in Gorleben gestoppt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, weil es ein transparentes Verfahren geben soll!)

Dafür hat er einen Arbeitskreis eingesetzt. Das erinnert mich immer an den Spruch: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. – Die Ergebnisse liegen vor, aber sie werden nicht bewertet, und es wird nicht danach gehandelt. Dieser Tatsache müssen Sie ins Auge sehen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lassen Sie mich einen Satz dazu sagen, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Ich habe den Antrag drei- oder viermal gelesen und habe gedacht: Haben die sich vertan? Soll der wirklich im Hessischen Landtag behandelt werden? Der Antrag muss doch nach Berlin gehen. Das kann doch gar nicht anders sein. Hier steht: Es soll ein Endlager herbei. Es soll ein Sicherheitskonzept herbei. Der Standort Gorleben soll geprüft werden. – All das muss Herr Trittin machen. Das ist doch keine Aufgabe der Hessischen Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr.Walter Ar- nold (CDU): Er kann es nicht!)

Ich habe das Gefühl, er will es nicht tun. Er spielt lieber mit dem Risiko, an allen Standorten in Deutschland oberirdische Zwischenlager mit der Sicherheitslage einer Fertiggarage einzurichten. Das ist die „Sicherheitspolitik“ von Herrn Trittin in Sachen Atomenergie.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist doch Augenwischerei, das ist Scheinheiligkeit. Meine Damen und Herren, so kann das doch nicht sein. Hier müssen Konzepte her. Die Bundesregierung muss die Endlagerprüfung vornehmen. Sie muss auch eine Entscheidung treffen. Das möchte schon die EU, das habe ich Ihnen eben an den Zahlen deutlich gemacht.

Was aber kann der Hessische Landtag, was kann die Hessische Landesregierung hier tun?

Ich meine, deshalb ist es richtig, dass wir heute unseren Antrag verabschieden und die Landesregierung auffordern, aktiv zu werden und auf die Bundesregierung und auf Minister Trittin Druck auszuüben, damit sie letztendlich handeln. Denn Handlungszwang ist gegeben. Ich glaube, es ist uns allen bewusst, dass an dieser Stelle gehandelt werden muss.

Die Bundesrepublik Deutschland kann nicht auf der einen Seite manchmal im vorauseilenden Gehorsam – wie bei Frau Künast – EU-Richtlinien übernehmen und auf der anderen Seite hier so tun, als ginge sie die EU nichts an. Daher fordern wir die GRÜNEN auf: Stellen Sie diesen Antrag im Deutschen Bundestag, zwingen Sie Ihren Umweltminister dazu, dass er jetzt endlich Gorleben prüft.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Er will nicht!)

Er hat aus ideologischen Gründen die Untersuchungen eingestellt, er hat sie abgebrochen. Das war niemand anders, das war Trittin.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auf die Frage nach der Eignungsmöglichkeit von Gorleben erklärt er, dass die Eignungsmöglichkeit bisher nicht widerlegt wurde, bedeute im Umkehrschluss nicht, dass die Eignung gegeben ist.

Meine Damen und Herren, wenn sie nicht widerlegt worden ist, dann muss er entweder sagen, ich prüfe, bis ich hundertprozentig sicher bin – oder aber ich widerlege, dass es genutzt werden kann, und dann muss ich mich nach anderen Endlagern umschauen. – So kann es doch nicht gehen. Sie können doch nicht erwarten, dass die Menschen an der Bergstraße es jetzt hinnehmen, dass 135 Castoren bei ihnen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gelagert werden und keiner weiß, wann sie dort wegkommen: nur, weil der Bundesumweltminister meint, er müsse seiner Klientel sagen, wir brauchen keine Atomtransporte. Dabei hat er welche durchgeführt. Das kann doch keine verantwortungsvolle Politik sein.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Walter Ar- nold (CDU))

Wir reden in diesem Hause sehr oft über Politikverdrossenheit. Das hängt mit solchen Sachverhalten zusammen. Worauf sollen sich denn die Menschen verlassen? Man sagt ihnen, wir stellen das einmal dort hin, und sie bekommen vorgegaukelt, das sei genauso sicher – aber gleichzeitig wird bei den Castortransporten ein Aufwand getrieben, der seinesgleichen sucht. Das ist unverständlich. Das nehmen uns die Menschen nicht ab.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Hier besteht zwingender Handlungsbedarf. Deshalb meine ich, wir sollten diesen Antrag beschließen und zum Zweiten eine Aufforderung an die Fraktion der GRÜNEN aussprechen: Marschieren Sie mit Ihrem Antrag nach Berlin.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gehen Sie nach Berlin, kümmern Sie sich drum. Dann werden Sie auch vielleicht etwas dazu erfahren, was Sie hier in Ihrem dritten Punkt schreiben – ich weiß nicht,woher Sie das haben –: dass Gorleben nicht geeignet sei. Bisher hat das Bundesministerium, wie ich Ihnen bewiesen habe, nicht ausgeschlossen, dass Gorleben als Endlager zu nutzen wäre.

Alles zusammenfassend will ich sagen:Wir als Hessischer Landtag müssen erwarten, dass dieses Zwischenlager – gegen das wir uns nicht wehren können, das uns aufgedrückt wird – schnellstmöglich geräumt wird und dass der Bundesumweltminister dafür Sorge trägt, dass das Endlager in absehbarer Zeit geschaffen wird, nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Des Weiteren müssen wir erwarten,dass diese Planungssicherheit umgehend hergestellt wird, damit wir den Menschen in der Region sagen können, welches der Zeitraum ist, in dem der Abtransport erfolgen wird. Von der Bundesregierung ist bisher nichts, aber auch gar nichts in diesem Sinne geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg. Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, was Heidel gesagt hat!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Heidel, im Jahre 2001 haben wir diese Diskussion schon einmal geführt. Sie haben eigentlich einen lauen Aufguss dessen, was Sie im Jahr 2001 dazu vorgebracht haben, uns heute noch einmal serviert. Ich bin schon etwas enttäuscht. Mit mehr Verve, mit mehr Inhalt hätte Ihre Fraktion vielleicht mehr bringen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Meine Damen und Herren, wir müssen doch feststellen, dass Sie mit Ihrem Antrag beweisen, dass Sie in der Energiepolitik überhaupt keine schlüssigen Konzepte haben. Auf der einen Seite wollen Sie – wie die CDU – weiter die Kernkraft unterstützen und betreiben. Auf der anderen Seite haben Sie dicke Krokodilstränen in den Augen, wenn es darum geht, diese gefährlichen Hinterlassenschaften später zu entsorgen.

Meine Damen und Herren, vielleicht wird es dazu kommen,dass Sie sich künftig an das Zwischenlager anketten? Wir hatten ja vorhin die Diskussion um Sit-ins in den Bäckereien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Was Sie hier vollführen, das führt dazu, dass Ihnen die Menschen nicht mehr glauben. Mit Ihrer Politik erzeugen Sie Politikverdrossenheit – das kann man wirklich sehr deutlich darstellen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Oh ja,der glaubhafte Herr Fischer!)

Ich will es auch deutlich machen. Noch bis vor kurzer Zeit waren Sie hier im Land Hessen in der Regierungsverantwortung. Der Erörterungstermin um die Zwischenlager, die Interimslager,war im Jahr 2001,also zur Zeit Ihrer Regierungsverantwortung. Was aber müssen wir feststellen? Diese Landesregierung und diese tragenden Fraktionen haben immer wieder Protest gegen diese Zwischenlager geäußert, aber sie haben überhaupt keine Einwendungen dagegen erhoben, als der Erörterungstermin durchgeführt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ist das nicht eine unglaubwürdige Politik? Selbst Herr Minister Dietzel hat in einer Plenarsitzung auf unsere Fragen gesagt: Soweit ich mich erinnern kann, haben wir dazu keine Einwendungen gemacht. – Das ist doch ein Offenbarungseid.

Meine Damen und Herren, es wird doch ganz deutlich, dass Sie wirklich keine Lösungsvorschläge bringen, sondern hier leider reine Polemik betreiben. Herr Abg. Heidel sprach vorhin von zahlreichen Anfragen, die die FDP auf Bundesebene gestellt hat. Herr Kollege Heidel, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sie intensiv gelesen. Dann wäre manches, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben,

überflüssig geworden. Das ist doch die Sachlage. Die Antwort der Bundesregierung war in vielen Dingen absolut eindeutig, auch für Sie erkennbar. Sie wissen ganz genau, dass die Zwischenlagerkapazitäten, was Gorleben und Ahaus angeht, nicht ausreichen.Auch dieses Zahlenmaterial haben wir im Jahr 2001 von diesem Pult aus dargelegt. Das heißt, Sie haben diese Zeit einfach nicht genutzt, um sich zu informieren. Deshalb spreche ich Ihnen an dieser Stelle die fachliche Kompetenz ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP und der CDU)

Sie wollen nicht wirklich erkennen, dass die Kapazitäten von Gorleben und Ahaus auch nach der Konzeption von CDU und FDP – damals in der Regierungsverantwortung – niemals als ausreichend angesehen wurden. Es war immer nur klar, dass Zwischenlagerkapazitäten notwendig sind, und dies wegen eines physikalischen Problems, wegen der Restwärme dieser Brennelemente.

(Zurufe von der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich zitiere jetzt keinen grünen Abgeordneten. Ich zitiere jemanden, der Vizepräsident des Bundesamtes für Strahlenschutz ist, eine Person, die Ihnen auch geläufig ist. Er ist seit 15 Jahren in diesem Bereich tätig. Ich nenne den Vizepräsidenten, Herrn Henning Rösel.Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, einmal nachzuschauen, was er im Clausthaler Kolloquium dazu gesagt hat, dann hätten Sie feststellen müssen, dass er sich sehr wohl um dieses Problem der Zwischenlager und der Notwendigkeit der Zwischenlager über viele Jahrzehnte bewusst war. Ich nenne es Ihnen auch. Ich habe mir das Papier noch einmal angesehen, um es Ihnen deutlich zu machen.

Im Februar 1997 wurde ein Papier bekannt mit dem Titel „Entwurf der Arbeitsgruppe für eine Verständigung vom 01.02.1997“. Ausgehend von den Gesprächen zwischen CDU/CSU und SPD... Unter „Entsorgung“ wurde eine Strategie für das weitere Vorgehen bei den Endlagerprojekten Konrad und Gorleben sowie den Betrieb des Endlagers Morsleben entwickelt.

Jetzt kommen wir zu dem, was Sie kritisiert haben.

Für die direkte Endlagerung abgebrannter Brennelemente

also hoch radioaktive Abfälle –

ist wegen der erforderlichen Abklingzeit von rund 40 Jahren ein Endlager nicht vor 2035 erforderlich.