Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind ja ein richtiger Verschwörungstheoretiker! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen doch nicht zu glauben, dass wir so naiv sind, wie wir manchmal tun.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das glaube ich Ihnen gerne!)

Sie sehen, es ist mir gelungen, wieder ein bisschen Adventstimmung hereinzubringen.

Wir können uns die Zeitabläufe schon vorstellen. Teilweise beeinflussen wir sie ganz gerne selber.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht macht ihr das so!)

Lieber Kollege Tarek Al-Wazir, so naiv, wie Sie gerade tun, sind Sie wirklich nicht.

Ich habe sogar die Befürchtung, dass auch einige hessische Politiker der GRÜNEN bereits vor dem Parteitag wussten, um was es geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht im Sicherheitskabinett vorher über die Entscheidung gesprochen worden ist und dass die Sitzung des Sicherheitskabinetts nicht von mindestens einem Staatssekretär der GRÜNEN vorbereitet worden ist, der aus Hessen stammt. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass man nicht auch mit der Landesvorsitzenden und mit dem Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN bereits im Vorfeld darüber gesprochen hat. Es ist doch in einer Partei nicht üblich, dass man einen derartigen Deal macht und die kleinen Dummen in Hessen einfach dumm sterben lässt,sondern man macht es so,dass man die eine oder andere Führungsperson einweiht. Ich unterstelle, dass Tarek Al-Wazir und Evelin Schönhut-Keil bereits vorher wussten, um was es geht. Dann sind Ihre Tränen noch unlauterer, die Sie hier verdrücken.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, mein Mitleid ist begrenzt, wenn es um Sie geht. Es ist schon schwer, wenn man von einer Ideologie Abstand nehmen muss, die einen groß gemacht hat.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin bisher selten der gleichen Auffassung wie Jutta Ditfurth gewesen.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jetzt zitiert er schon die Ditfurth! Wie tief sind Sie gesunken!)

Ich gebe zu,dass ich mich in einer Reihe von Debatten genussvoll mit Jutta Ditfurth in der Regionalen Planungsversammlung Südhessen gekabbelt habe.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es macht euch ein bisschen nervös, wenn es an euer Eingemachtes geht. Es macht euch ein bisschen hektisch.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie einmal zu, was Jutta Ditfurth in der Serie „Zahltag, Junker Joschka“ geschrieben hat:

Erst im Oktober 1982 wurde ein gescheiterter Sponti namens Joseph Fischer bei den GRÜNEN aktiv. Noch 1978 hatte Fischer verächtlich gesagt: „Seien wir doch einmal ehrlich. Wer von uns interessiert sich denn für die Wassernotstände im Vogelsberg, für Stadtautobahnen in Frankfurt, für Atomkraftwerke irgendwo, weil er sich persönlich betroffen fühlt?“

1978 war Joseph Fischer die Atomenergie scheißegal. Im Jahre 1991 hat er sie hier in Hessen verboten. Im Jahre 2003 ist sie ihm wieder egal. Er will die Hanauer Anlage nach China exportieren.Das ist der Charakter des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland und des Leitfisches der GRÜNEN in diesem Lande.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe das Gefühl – damit möchte ich zum Schluss kommen –, dass Joseph Martin Fischer nicht nur häufig sein Körpergewicht und seine Kleidung, sondern ebenso häufig seine politischen Inhalte wechselt – Hauptsache, er steht im Rampenlicht und hat etwas zu sagen. Das ist eine verheerende Politik und der Tod der GRÜNEN.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort hat der Wirtschaftsminister, Herr Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte, die wir gerade führen, ist nicht in den letzten Wochen entstanden,sondern sie macht den ganzen Widerspruch der rot-grünen Energiepolitik deutlich. Der Widerspruch besteht zwischen der Politik von Rot-Grün damals und heute hier im Hessischen Landtag und der Po

litik von Rot-Grün in Berlin und formell scheinbar auch hier in Wiesbaden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihnen gerade den letzten Punkt so abzunehmen fällt uns nicht leicht. Besser gesagt, können wir das nicht so hinnehmen und glauben. Denn die gesamte Debatte hat nicht nur eine wirtschaftspolitische, energiepolitische und technologiepolitische Dimension, sondern in der Tat vor allem auch eine sicherheitsrelevante Dimension.

Die Absicht der Bundesregierung, diese MOX-Anlage zu verkaufen,ist letztlich von einer doppelten Moral und von Doppelzüngigkeit geprägt. Die Daten liegen klar auf dem Tisch. Bereits im Frühjahr hat die Firma Siemens beim Bundesumweltministerium hinsichtlich der konkreten Situation des Exports dieser Anlage angefragt.

(Zuruf von der CDU:Aha!)

Herr Hahn hat eben gesagt,aufgrund der bekannten Connections zwischen Hessen und dem Bundesumweltministerium könne er nicht annehmen, dass die hiesigen GRÜNEN und die hiesige SPD nichts davon gewusst haben sollten.Auch ich muss das sehr in Zweifel ziehen.

Schließlich wurde auch das hessische Umweltministerium – ich spreche hier für den Kollegen Dietzel – bereits im Oktober in dieser Angelegenheit konsultiert. Damit war bereits im Oktober, lange vor der Reise des Bundeskanzlers in die Volksrepublik China, dieses Thema in den Behörden und damit auch in der Politik bekannt und in der Diskussion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hauptfrage, die sich hier immer wieder stellt und was die Öffentlichkeit immer wieder kopfschüttelnd macht, ist die Frage: Ist eine Anlage, die von der Politik für dieses Land als sicherheitstechnologisch nicht beherrschbar bezeichnet wird, in anderen Ländern – zumal in China – beherrschbar?

Diese Frage muss von der Bundesregierung geklärt werden. Die SPD und die GRÜNEN hier im Landtag können nicht so tun, als ob sie das nichts angehe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir hat eben noch einmal die frühere Position zitiert und gesagt, das Sicherheitsinteresse geht vor dem Betreiberinteresse. Bei Ihren Worten hier und bei dem Verhalten der Bundesregierung, den Verantwortlichen von Rot-Grün, fühle ich mich sehr stark an die Aussagen von Bert Brecht erinnert: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur technologischen Frage ist hier von den Vorrednern von CDU und FDP sehr deutlich gemacht worden, dass diese Debatte ein interessantes Licht auf den Umgang mit der Frage wirft, wie wir es in Deutschland mit der Zukunftstechnologie halten.

In der Tat ist es so,dass auch in diesem Fall in Deutschland Technologie erfunden wird, dann von den Verantwortlichen von Rot-Grün hier verhindert und stattdessen als exportfähig bezeichnet wird.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das Gleiche gilt für den Transrapid, und wir erleben das auch bei der Gentechnologie und bei der forschenden pharmazeutischen Industrie, die sukzessive aus unserem Land verdrängt wird, mit zahlreichen Verlusten an Arbeitsplätzen.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dafür ist Hanau in der Tat ein Beispiel. Dort sind über 2.000 qualifizierte Arbeitsplätze und damit Beschäftigungsmöglichkeiten vernichtet worden. Auch andere Bereiche lassen sich hier anfführen.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind im Jahre 2003!)

Sie müssen sich an diesem Beispiel letztlich entscheiden und erkennen, dass dies kein Thema für sich allein ist, sondern dass sich das wie ein roter Faden durch das Thema Standortpolitik und Technologiepolitik für unser Land hindurchzieht. Sie müssen sich fragen, ob wir im Interesse der arbeitenden Menschen und derer, die Arbeitsplätze suchen, an Zukunftstechnologien festhalten wollen,die in diesem Land erfunden und getestet wurden und die dann in unserem Land auch zu Einsatz und Verwendung kommen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie die MOX-Anlage hier wieder aufmachen?)

In diesem Zusammenhang komme ich noch zu einem dritten Aspekt. Indem wir solche Technologien – Stichwort: Atomausstieg bei der Energieerzeugung – hier nicht mehr zulassen, fördern wir auf der anderen Seite die zunehmende Tendenz, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts zu minimieren.

Das wird gerade an der aktuellen Diskussion um die Strompreise sehr deutlich. Unser Haus, das Wirtschaftsministerium, ist derzeit dabei, die Prüf- und Genehmigungsanträge der Energieversorger zu prüfen und zu bescheiden. Sämtliche Energieverteiler in Hessen haben Anträge vorgelegt, ihre Strompreise um bis zu 1 Cent pro Kilowattstunde zu erhöhen. In diesem Zusammenhang ist für mich nicht die Tatsache entscheidend, dass sie global darauf verweisen,dass sich die Preise an der Energiebörse erhöht haben. Entscheidend ist vielmehr, dass sie als maßgeblichen Grund den Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung aus der Atomkraft nennen, weshalb sie nun Ersatzenergie produzieren müssen und geeignete Investitionen vorbereiten und durchführen müssen. Aus diesem Grund müssen sie die Energiepreise in Deutschland verteuern.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erwähne dies, um zu belegen, dass wir bei dieser Politik nicht so tun dürfen,

(Norbert Schmitt (SPD):Ausreden!)

als ob wir auf einer wirtschaftlichen Insel leben. Wir sind in die globale wirtschaftliche Vernetzung eingebunden – wie übrigens auch in die sicherheitsrelevante internationale Vernetzung.