Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

als ob wir auf einer wirtschaftlichen Insel leben. Wir sind in die globale wirtschaftliche Vernetzung eingebunden – wie übrigens auch in die sicherheitsrelevante internationale Vernetzung.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Es nützt überhaupt nichts,hier eine Ideologie zu vertreten und nach ihr zu handeln, die in ihrer Konsequenz mögli

cherweise zwar hier zum Ziel führen kann, damit aber Schaden anrichtet,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

wenn der Einsatz in den Nachbarländern und weltweit den Wirtschaftsstandort Deutschland – und damit auch den Wirtschaftsstandort Hessen – zunehmend schädigt und so den Mangel bei Wachstum und Beschäftigung verstärkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genau der falsche Weg. Das ist die Sackgasse. Sie sind mit Ihrer Politik in dieser Sackgasse gelandet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Haben Sie den Mut, dies zu erkennen, zu erklären und zuzugeben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Wort hat der Kollege Walter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist dies ein sehr schwieriges und problematisches Thema für die GRÜNEN und auch für die Sozialdemokraten.

Es ist öfter angesprochen worden: Wenn wir – was Sie fälschlicherweise unterstellen – im Frühjahr oder Sommer, wann auch immer, von irgendeiner Parteiführung oder von irgendwelchen Ministerien gefragt worden wären: „Was haltet ihr denn von der Idee, diese Anlage aus Hanau nach China zu exportieren?“, dann hätten sicherlich alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die infrage kämen, gesagt: Davon halten wir nichts, das ist eine ganz schlechte Idee.

(Zurufe von der CDU)

Sie stellen diese Frage.Was mich bewogen hat, hier an das Rednerpult zu treten, das ist – Herr Minister, Herr Reif und auch Herr Hahn – Ihr Vorwurf der Heuchelei.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Darüber muss ich nachdenken. Herr Minister, Sie stellen zu Recht die Frage: In Deutschland habt ihr gesagt, diese Technologie ist – was die Sicherheit angeht – nicht tragbar.Wie kann es dann sein, dass man so etwas in ein Land – noch dazu China – exportiert?

Das ist eine Frage, die es wert ist, sich darüber Gedanken zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, um auf das Thema Heuchelei zu kommen: Wenn ich mir den eigentlichen Anlass der Debatte anschaue – nämlich den Antrag der CDU –,dann hat die CDU diese Frage für sich geklärt. Die CDU sagt nämlich:

Der Landtag stellt fest,dass der Verkauf der Anlage einer Verschrottung vorzuziehen ist.

Der Landtag unterstützt die Bestrebungen der Bundesregierung, den Export der Hanauer MOXBrennelementeanlage nach China zuzulassen.

(Zurufe von der CDU)

Das heißt, Sie stellen sich diese Frage doch überhaupt nicht. Sie haben diese Frage doch für sich beantwortet. Im Prinzip werfen Sie der Bundesregierung – dies wird in dieser Debatte nicht ganz deutlich – etwas vor,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das hast du nicht verstanden!)

was Sie selbst wollen. Herr Reif, Sie werfen der Bundesregierung vor, etwas zu tun, was Sie selbst unterstützen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben es nicht verstanden, Herr Walter! Das ist das Problem!)

Langsam. An der Stelle ist mir der Zwischenruf sehr wichtig. Ich habe Ihren Antrag hier. Sie unterstützen die Bundesregierung. Sie werfen uns etwas vor, was durchaus in Ihrem eigenen Interesse ist.

(Dr. Norbert Herr (CDU): Heuchelei!)

Sie werfen uns vor, dass die Bundesregierung eine Entscheidung trifft, die Sie selbst wollen. Das beschränkt ein Stück weit die Handlungsalternativen. Wenn wir das tun würden, was Sie wollen, dass wir den Verkauf der Brennelementeanlage auch unterstützten, dann würden Sie uns dafür kritisieren, dass wir nicht gegen den Verkauf sind. Es gibt an der Stelle nichts, wie man es Ihnen Recht machen kann.

(Volker Hoff (CDU): Rabulistik und nichts anderes!)

Das, was Sie uns vorwerfen, was Sie der Regierung vorwerfen, ist etwas, was Sie eigentlich wollen. Nur ist Ihr Problem ein anderes: Sie haben mittlerweile gemerkt, dass Sie mit Ihrer Auffassung relativ allein dastehen.Auch in der Bevölkerung ist es so, dass ein Großteil diesen Export aus diesen Argumenten – den Sicherheitsargumenten, die benannt worden sind – ablehnt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was ist mit Ihrem Parteifreund Kaminsky?)

Jetzt kommen wir auf den Kern der Debatte zurück. Es ist nun einmal so, dass wir in Deutschland ein Außenwirtschaftsgesetz haben, auf das sich Firmen berufen können. Genau dies macht die Firma Siemens. 50 Millionen € haben und nicht haben, ist ein Unterschied von 50 Millionen €.

(Frank Gotthardt (CDU), lachend: Das sind 100 Millionen!)

Diese Rechtsfrage kann niemand hier beurteilen. Wenn die Firma Siemens sagt: „Wir wollen diese Anlage verkaufen“, dann kann ich das aus Sicht der Firma nachvollziehen. Wenn die Einschätzung derjenigen, die dies nach dem Gesetz zu überprüfen haben, ist, es gibt keine Möglichkeiten, diesen Verkauf zu verhindern, dann kann ich politisch sagen: Ich will dies nicht.

(Clemens Reif (CDU): Und Herr Schröder hat es verkauft!)

Aber dann habe ich natürlich das Problem, dass ich dies rechtlich umzusetzen habe.Ich kann – weil Sie diese Frage stellen – für die Sozialdemokraten im Landtag relativ klar sagen: Wir wollen das politisch nicht. Wir halten diese Technologie für keine Zukunftstechnologie.

Weil der Herr Minister über Zukunftstechnologie gesprochen hat: Grundsätzlich haben Sie ja Recht. Es ist für die Bundesrepublik Deutschland die Zukunftsfrage schlechthin, eine Schicksalsfrage, ob wir es weiterhin schaffen, an der Spitze der Nationen zu stehen, ob wir in unserem

Land die besten Innovationen, die besten Produkte, die neuesten Produkte entwickeln können.

Herr Minister, allerdings gehört auch die Frage dazu, was zukunftsfähig ist. Wenn ich es richtig beurteile, ist die gesamte Atomindustrie eine, die niemals in Deutschland Gewinne gemacht hat. Die gesamte Atomindustrie ist eine, die ausschließlich auf Subventionen beruht hat. Die Atomindustrie in Deutschland hat nie Gewinne machen können. Es war die am höchsten subventionierte Technik in unserem Land.

(Zurufe von der CDU)

An dieser Stelle noch die Behauptung aufzustellen, es wäre sozusagen Zukunftstechnologie, ist eine ausgesprochen gewagte These, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es nicht Aufgabe der Politik, der Wirtschaft vorzuschreiben: „Das ist eine gute Technologie, das ist eine schlechte Technologie“. Was ein Staat machen kann und machen muss, ist, zu sagen: Das ist eine gefährliche Technologie, das ist eine Technologie, die wir aus Sicherheitsgründen nicht wollen.

Das trifft bei der Atomenergie relativ offensichtlich zu. Aber etwas Weiteres trifft auch noch zu. Ein Staat muss auch sagen, welche Technologie er subventionieren, fördern will.Wir reden alle über Subventionsabbau.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Steinbrück und die Steinkohle!)

Eine Technologie weiterzuverfolgen, die sich so eindeutig als nicht gewinnträchtig, als nicht lebensfähig ohne Subventionen gezeigt hat, ist ein völlig unsinniger Ansatz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn wir schon Subventionen in der Energieerzeugung einsetzen wollen, dann doch in Zukunftstechnologien. Da stehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht allein, wenn wir sagen: Es ist nicht die Atomtechnologie, die zukunftsfähig ist, es sind erneuerbare Energien, in die wir investieren müssen, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen,weil diesen Technologien die Zukunft gehört.

Wenn wir über Subventionen reden, dann nicht nur in dem einen Bereich, sondern auch in dem anderen Bereich. Aber Ihr Problem von der Union ist doch, dass Sie die letzten Mohikaner in dieser Frage sind. Selbst die Atomwirtschaft in Deutschland würde einen Wiedereinstieg in die Atomtechnik in Deutschland nicht mehr finanzieren wollen. Es sind doch nur noch die Union und die FDP, die aus ideologischen Gründen an dieser veralteten Technik festhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP und der CDU)

Sie stehen mit Ihrer Position völlig allein.Ein Großteil der Menschen in unserem Land will diese Technologie nicht. Ein Großteil der Menschen ist froh, dass Rot-Grün den Ausstieg aus der Kernenergie hinbekommen hat.