Protokoll der Sitzung vom 17.12.2003

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Spies!)

Das Geld ist nämlich damals den Hochschulen im Rahmen der Autonomie übergeben worden. Das heißt, der Schritt, den wir heute vollziehen, ist der folgerichtige Schritt.Wenn man zunächst das Geld gibt, ist es nicht einsehbar, warum die Hochschulen über Art und Höhe der Förderung von Nachwuchswissenschaftlern nicht in eigener Verantwortung entscheiden können sollen.

Die gezielte Förderung besonders begabter wissenschaftlicher Nachwuchskräfte ist ein äußerst wichtiger Beitrag zur Aufrechterhaltung eines hohen wissenschaftlichen Niveaus an hessischen Hochschulen. Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass es in der Vergangenheit ein Problem war, dass die Finanzierung durch Stipendien der hessischen Graduiertenförderung im Vergleich zu anderen Förderinstrumenten schlechter war. Im Vergleich zu Qualifikationsstellen der Universitäten nach BAT IIa, Promotionsstipendien aus den von Bund und Ländern finanzierten Sonderprogrammen und auch der Promotionsförderung durch die DFG hat die hessische Graduiertenförderung aufgrund der sehr niedrigen Dotierung der Stipendien nur eine geringe Attraktivität.

Die Universitäten streben an – diesem Wunsch tragen wir heute Rechnung –,die Stipendien zeitnah zu erhöhen,sich an den Richtlinien und Stipendiensätzen der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu orientieren und die Graduiertenförderung an die spezifischen Bedingungen der jeweiligen Universität anzupassen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Weg dorthin eröffnet. Ich freue mich darauf, dass die FDP dem Gesetzentwurf zustimmen will. Er ist eine logische Folge aus der Autonomie der Hochschulen. Deswegen bitte ich dafür um Unterstützung.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Kühne-Hörmann. – Frau Sorge, Sie haben das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zuerst ein kurzer Überblick über die aktuelle wissenschaftspolitische Situation des Landes: Der Hochschulpakt wurde gebrochen. Die Mittel für die Hochschulen wurden um 30 Millionen € gekürzt. Sie müssen bei steigenden Studierendenzahlen den enorm großen und damit auch teuren Verwaltungsaufwand, der mit dem so genannten Studienguthabengesetz entsteht, auch noch aus eigener Tasche tragen. Sie schränken die Autonomie der Hochschulen immer mehr ein und drohen den Präsidenten, die sich mit den streikenden Studierenden solidarisieren, und Sie führen Langzeitstudiengebühren ein, die unsoziale Auswirkungen haben, die die Situation an den hessischen Hochschulen um keinen Deut verbessern, sondern allein dazu dienen, Geld in den Landeshaushalt zu scheffeln.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Sie ziehen dieses Gesetz einfach durch, obwohl alle wissenschaftspolitischen Argumente dagegen sprechen und obwohl sich alle Fachleute, die Studierenden, die Präsidenten und sogar der RCDS sowie Teile der Jungen Union dagegen aussprechen.

Sie werden Studierende vom Studium ausschließen, weil Ihr Gesetz und die Verordnung insbesondere diejenigen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen, Studierende mit Kindern und ausländische Studierende hart treffen werden.

(Nicola Beer (FDP): Dieses Thema machen wir morgen!)

All dies, meine Damen und Herren, sind momentan keine guten Voraussetzungen, sich konstruktiv und kooperativ mit Ihren Gesetzesvorhaben auseinander zu setzen. Dennoch will ich dies bei dem vorliegenden Gesetzentwurf tun.

Gesetz zur Erhöhung der Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Hochschulen im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – dieser Titel klingt ganz so charmant wie der Minister selbst. Es lässt aber auch Großes erwarten, z. B. bahnbrechende Reformen zur Verbesserung der eher miserablen Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hessens Hochschulen.

Schaut man genauer hin, stößt die große Erwartung aber auf relativ wenig Inhalt. Mit dem Gesetz wird allein das Gesetz zur Graduiertenförderung aufgehoben und eine Übergangsregelung geschaffen. Künftig steht es den Hochschulen also frei, ihr Konzept für die Graduiertenförderung umzusetzen und die Höhe der Förderbeträge und Förderbudgets festzulegen. Das wollen die Hochschulen,und das wollen in ähnlicher Weise alle Fraktionen mit dem Konzept der neuen Hochschulsteuerung.

Die Frankfurter und Gießener Konzepte wurden mir vorgestellt, und ich bin wirklich gespannt, wie sie sich entwickeln. Die Aufhebung von Standards ist allerdings immer ambivalent. Werden die Hochschulen auf Dauer weiterhin Graduiertenförderung betreiben? Das ist eine spannende und leider eine offene Frage, zumal unter Sparzwängen. Dass zumindest die Gefahr besteht, dass die Stipendiatengelder in BAT-IIa-Stellen verschwinden, ist nicht zu leugnen. Da ohnehin immer mehr Stellen abgebaut werden, könnten die Hochschulen die Förderung des Nachwuchses quasi zum Erhalt heute bestehender Stellen einsetzen, also nicht zur zusätzlichen Förderung.

Aber wir Landespolitikerinnen und Landespolitiker können diese Frage erst einmal nicht beantworten, und das ist auch gut so; denn gerade dies macht die Autonomie aus, dass wir nicht vorherbestimmen können, wie sich die Hochschulen verhalten.

Wir GRÜNE sehen zwei Defizite. Ich denke, dass wir im Ausschuss darüber beraten sollten. Zum einen sollte dem Landtag in vier Jahren ein Bericht darüber vorgelegt werden, ob und wie sich die Aufgabe der Standards in diesem Bereich auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses quantitativ und auch qualitativ ausgewirkt hat. Zum anderen sollte die Anzahl der vergebenen Stipendien bzw. äquivalenter Stellen als Leistung der Hochschulen zur Information im Haushalt oder in einem Bericht dazu dargestellt werden. Meine Fraktion würde diesem Gesetz unter diesen Voraussetzungen zustimmen.

Kommen wir aber zurück zu den mit dem Gesetzestitel geweckten Erwartungen: Gesetz zur Erhöhung der Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Hochschulen im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Jahr für Jahr wandern Teile unseres wissenschaftlichen Nachwuchses ins Ausland ab, nicht für eine bestimmte Zeit, sondern dauerhaft. Jahr für Jahr werden Stellen an den hessischen Hochschulen eingespart. Der Nachwuchs ist meistens stark betroffen, und die Stellensituation spitzt sich immer mehr zu.

Zudem setzt die Landesregierung die fünfte Novelle des Hochschulrahmengesetzes mit der Einführung der Juniorprofessur immer noch nicht um. Das Resultat ist: Es gibt an Hessens Universitäten Juniorprofs, die statusrechtlich nicht zur Gruppe der Hochschullehrer, sondern zur Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter zählen. Die Folge: Die Hochschulen diskutieren, ob diese für die Lehre einen Lehrauftrag benötigen,ob sie überhaupt Prüfungen abnehmen dürfen oder ob sie Doktorandinnen und Doktoranden betreuen dürfen. Hier, meine Damen und Herren, liegen fundamentale Wettbewerbsnachteile der hessischen Hochschulen vor.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Danke, Herr Al-Wazir, sehr freundlich.

Ich zähle Ihnen noch ein paar weitere dieser Wettbewerbsnachteile auf: Ein Professor lässt eine Mitarbeiterin einen Aufsatz schreiben,den er dann unter seinem Namen veröffentlicht. Das rahmenrechtliche Verbot dieses Diebstahls ist in Hessen nicht umgesetzt. Eine Professorin lässt wissenschaftliche Mitarbeiter auf halben BAT-IIa-Stellen 50 Stunden pro Woche arbeiten. Ein Professor benötigt zwölf Monate für die Korrektur einer Arbeit. Eine Doktorandin bekommt von den beiden Korrektoren ihrer Arbeit unterschiedliche Forderungen zur Überarbeitung ihrer Arbeit, weil diese sich wissenschaftlich streiten, und kann so monatelang ihr Verfahren nicht weiter betreiben. Das alles sind fundamentale Wettbewerbsnachteile. Mir wird unwohl, wenn hier mehr Autonomie noch schlechtere Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs bedeuten würde.

Herr Corts, Sie fragen immer nach Vorschlägen. Wir als GRÜNE machen sie Ihnen gerne, wenn Ihrerseits – wir hatten in letzter Zeit leider nicht das Gefühl, dass es bei Ihnen so ist – die Bereitschaft besteht, sie auch aufzunehmen.

Wir sollten uns in dieser Legislaturperiode stärker der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses widmen. Ich möchte die heutige Beratung über dieses Gesetz zum Anlass nehmen, um fünf Thesen zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses aufzustellen.

Erstens. Der Landtag muss die Dienstrechtsreform, die W-Besoldung und den Status der Juniorprofessur schnellstmöglich in Landesrecht umsetzen. Dazu gehört auch die Tenure-Track-Option. Es kann nicht sein, dass eine Juniorprofessorin in Hessen schlechter gestellt ist als ein Juniorprofessor in Rheinland-Pfalz und dadurch im Ernstfall, nämlich dem Berufungsverfahren auf eine ordentliche Professur, schlechter vorbereitet ist. – Herr Corts, hier sind Sie gefordert. Für das Dienstrecht ist Herr Bouffier gefragt.

Zweitens. Der Landtag und die Landesregierung müssen mit den Hochschulen in einen ernsthaften Dialog über die Standards für wissenschaftliche Nachwuchsförderung ein

treten. Es geht darum, wie mit der Ressource Zeit umgegangen wird, wie der Nachwuchs gute Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten vorfindet und wie die wissenschaftliche Qualifizierungsphase unterstützt wird. Hier sollten Mindeststandards formuliert werden, auf deren Grundlage der Wettbewerb der Hochschulen stattfindet. Dazu gehört auch, dass Sanktionen daran geknüpft werden, wenn Aufsätze unter falschem Namen veröffentlicht werden oder wenn verlangt wird, dass unbezahlte Mehrarbeit in erheblichem Umfang erbracht wird.

Drittens. Wir benötigen beim Evaluations- und Berichtswesen eine eigene Sektion für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ombudsleute nach Frankfurter Vorbild können wir nicht anordnen, aber wir können sie empfehlen. Nur der regelmäßige Bericht über Qualifikationsdauer und Qualifikationsbedingungen wird eine Diskussion in den Hochschulen anregen, die zu fruchtbaren Verbesserungen führt.

Viertens. Der wissenschaftliche Nachwuchs benötigt transparente Perspektiven. Er muss das Gefühl haben, dass er hier in Hessen Zukunft hat und nicht nur im Ausland. Wir brauchen wieder stärkere Planungssicherheit bei Stellen und Wegen in der Wissenschaft. Wir brauchen den Tenure Track, aber auch Tenure-Track-Varianten unterhalb der Option auf die Professur. Außerdem benötigen wir mehr Transparenz und weniger Hinterzimmergeklüngel bei Berufungsverfahren.

Fünftens. Schließlich müssen wir in der Nachwuchsförderung das Gender Mainstreaming implementieren. Das bedeutet für alle Fächer eine Sensibilisierung für die Frage, warum das Fach von einem Geschlecht besonders nachgefragt ist und wie eine Nachwuchsförderung das unterrepräsentierte Geschlecht erreichen kann. Hier kommt Netzwerken wie dem Mentorennetzwerk Naturwissenschaften ein besonderes Gewicht zu.

Meine Damen und Herren, all diese Punkte sollten wir mit den Hochschulen besprechen. Stärkere Autonomie bedeutet im staatlichen Bereich, dass sich die erste Gewalt aus Detailregelungen zurückzieht, aber weiterhin Ziele und Standards vorgibt. Das kann sich nicht darin erschöpfen, ein Gesetz wie das zur Graduiertenförderung ersatzlos abzuschaffen.

Die Erhöhung der Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Hochschulen im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist mehr. Es ist eine Herkulesaufgabe mit Augenmaß. Wenn die Landesregierung und die CDU-Fraktion dieses Thema im oben genannten Sinne angehen möchten, dann hätten sie unsere Unterstützung. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Das war die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Erhöhung der Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Hochschulen im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Der Gesetzentwurf soll dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zur weiteren Beratung zugeleitet werden. – Dem wird nicht widersprochen, dann verfahren wir so.

Ich darf nun Tagesordnungspunkt 8 aufrufen:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU für ein Zweites Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung – Drucks. 16/1673 zu Drucks. 16/1182 und zu Drucks. 16/317 –

(Nicola Beer (FDP): Da fehlt doch etwas!)

Die anderen werden übersprungen. Die rufen wir verabredungsgemäß morgen früh auf.

Die Redezeit beträgt fünf Minuten, und die Berichterstatterin ist Frau Zeimetz-Lorz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in dritter Lesung anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Innenausschuss in der 22. Plenarsitzung am 27. November 2003 nach der zweiten Lesung zur Vorbereitung der dritten Lesung überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 10. Dezember 2003 behandelt und mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die eben wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich darf die Aussprache dazu eröffnen. Bisher liegt mir eine Wortmeldung vor, und zwar von Herrn Haselbach von der CDU. Bitte schön, Herr Haselbach. – Fünf Minuten Redezeit sind vorgesehen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Rudi, rede für uns alle!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der dritten Lesung gibt es nichts wesentlich Neues. CDU und FDP werden das zweite Beschleunigungsgesetz beschließen und damit insbesondere das Hessische Personalvertretungsgesetz auf einen Stand bringen,der die Modernisierung der hessischen Landesverwaltung ermöglichen wird.

(Beifall der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) und Clemens Reif (CDU))

SPD und GRÜNE bleiben bei ihrer Fundamentalopposition. Sie versuchen, einen Popanz aufzubauen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Wir haben noch ein paar Werte!)