Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

Die gesetzliche Rente verkommt damit unter Rot-Grün mehr und mehr zu einer Leistung, die je nach Kassenlage des Bundeshaushalts gewährt wird.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wozu reden Sie hier eigentlich?)

Rot-Grün steht nach fünf Jahren verfehlter Politik vor einem rentenpolitischen Scherbenhaufen. Niemand weiß inzwischen mehr, wohin die Reise mit dieser Bundesregierung in der Rentenpolitik geht.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und niemand weiß,wozu Sie hier eigentlich reden!)

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich frage Sie: Ist das soziale Gesellschaftspolitik?

Wachstum ist die Voraussetzung für Wohlstand. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist die Voraussetzung für Wachstum.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb sollen wir die Renten erhöhen?)

Deshalb haben wir in der Krankenversicherung mit unserem Prämienmodell die richtige Lösung gefunden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD):Was hat das jetzt miteinander zu tun?)

Eine Entscheidung ist doch zwischen Rot-Grün und uns längst gefallen. Wir brauchen uns nicht mehr darüber zu unterhalten, ob wir bei Gesundheit und Pflege langfristig im System bleiben wollen. Ob wir das wollen, ist nicht mehr die Frage. Wir diskutieren nur noch über das Wie: Bürgerversicherung oder Prämienmodell? Dazu sage ich Ihnen: Die Bürgerversicherung ist der falsche Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir wollen keine Einheitskasse ohne Wettbewerb. Sie lösen mit Ihrer Bürgerversicherung nicht das Kernproblem, Sie haben keine Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung sagt, im Vergleich zu heute bedeutet das über 1 Million weniger Arbeitsplätze.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Hört, hört!)

Frau Oppermann, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abg. Schulz-Asche?

(Anne Oppermann (CDU): Nein, schönen Dank! – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte schön.

Meine Damen und Herren, daran können Sie nicht vorbeischauen. Nun kommt die Diskussion – Frau Kollegin, Sie haben sie eben aufgebracht; ich sage es jetzt einmal aus unserem Bereich –: Die Krankenschwester bezahlt dann so viel wie der Chefarzt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass im Durchschnitt für die Behandlung eines Einzelnen ungefähr 180 c anfallen. Zu diesen 180 c wollen wir einen Vorsorgebeitrag von 20 c einführen, um einen Kapitalstock für jeden Versicherten aufzubauen, damit die steigenden Krankheitskosten im Alter nicht zu massiven Beitragssteigerungen oder zu schlechterer Versorgung führen.

Nun wissen wir, dass nicht jeder diese 200 c aufbringen kann.Wir brauchen also einen sozialen Ausgleich. Krankheit ist ein Risiko, das jeden treffen kann. Das muss dann auch von allen Teilen der Gesellschaft getragen werden, entsprechend der Leistungsfähigkeit eines jeden Einzelnen. Das geschieht am besten über das Steuersystem.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Dr. Thomas Spies (SPD): Ich denke, Sie wollen Steuern senken?)

Hier werden neben den Lohneinkünften auch die Kapitaleinkünfte berücksichtigt. Wo liegt nun also der Vorteil dieser neuen Form des sozialen Ausgleichs? – Er ermöglicht mehr Solidarität. Der Solidarausgleich spielt sich heute nur zwischen den gesetzlich Versicherten ab, und das auch nur bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze.

Nun frage ich die Kritiker: Ist es gerecht, ist es sozial, dass der freiwillig in der GKV versicherte Chefarzt, der vielleicht auch noch eine nicht erwerbstätige Ehefrau und drei Kinder kostenlos mitversichert hat, trotz eines hohen Einkommens nur bis zur Grenze von 3.700 c zur Solidarität beiträgt?

(Dr. Thomas Spies (SPD): Deshalb heben wir die doch auf! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hört doch erst einmal zu, bevor ihr euch aufregt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Chefarzt, der freiwillig in der GKV ist, den zeigen Sie mir einmal! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kollegen, das Wort hat Frau Abg. Oppermann.

Ist es gerecht, dass privat Versicherte keinen einzigen Cent in den sozialen Ausgleich zahlen? – Nein, das ist weder sozial noch gerecht. Deshalb ist der steuerfinanzierte Ausgleich der Weg, der ein Mehr an Gerechtigkeit ermöglicht.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ein Unsinn!)

Frau Kollegin, Herr Kollege Dr. Jürgens möchte Ihnen jetzt eine Zwischenfrage stellen.

Darauf möchte ich dankend verzichten. – Wir wollen eine Entkoppelung von den Arbeitskosten. Der Arbeitgeberbeitrag wird festgeschrieben, direkt ausgezahlt und bleibt damit Bestandteil des Nettolohns. Wenn einer mehr leistet und entsprechend höheren Lohn bekommt, dann treibt es nicht mehr automatisch die Beiträge mit in die Höhe. Das hilft den Arbeitnehmern und den Unternehmen.

Außerdem gibt es in Zukunft keinen Anreiz mehr, wegen der Krankenversicherungsbeiträge schwarzzuarbeiten. Genau aus diesen Gründen kommt der Sachverständigenrat Ihrer Bundesregierung zu der Überzeugung, dass das Prämienmodell mehr als 1 Million Arbeitsplätze zusätzlich schaffen könnte.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Dr.Thomas Spies (SPD): Das ist nicht das erste Mal, dass die irren!)

Ein weiterer Vorteil ist, dass ein Ausgleich über das Steuersystem die Familien fördert. Die Prämie für die Kinder wird in Zukunft von der Kindergeldkasse automatisch an die jeweilige Krankenkasse überwiesen. Die Kinder sind im Prämienmodell, wie im bisherigen System, für die Eltern beitragsfrei mitversichert.

Heute aber wird der soziale Ausgleich aus den lohnbezogenen Beiträgen der Arbeitnehmer bezahlt. Bei der Beitragshöhe wird also keine Rücksicht darauf genommen, ob der Beitragszahler Kinder hat oder nicht. Beim sozialen Ausgleich über Steuern zahlt derjenige, der Kinder hat, aufgrund der Kinderfreibeträge weniger als ein Kinderloser mit gleichem Einkommen. Das ist solidarisch und auch gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Das Prämiensystem schafft also einen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken. Es schafft einen Ausgleich zwischen Jung und Alt sowie einen Ausgleich zwischen Kinderreichen und Kinderlosen.

Zum Schluss bleibt die Frage,wie der Solidarausgleich bezahlt werden soll.Der größte Teil des Sozialausgleichs von ca. 28 Milliarden c ergibt sich aus der Versteuerung des Arbeitgeberanteils. Wenn der Sachverständigenrat Recht hat, werden wir einen Wachstumsimpuls bekommen.

(Zuruf von der SPD:Wer soll das bezahlen?)

Zum Schluss noch ein paar Sätze zu Ihrer so genannten „Kahlschlagtheorie“.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist keine Theorie, sondern Praxis!)

Ich verhehle überhaupt nicht,dass uns die Kürzungen und Einsparungen im Sozialbereich schwer gefallen sind.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Das merkt man aber nicht! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur, ich kann es nicht mehr hören, dass Sie angeblich die Guten sind, während wir die Schlechten sind, die alles kürzen und wegstreichen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich das mit einigen schlichten Zahlen belegen. Sie hatten in Ihrem Doppelhaushalt 1998/1999 – in Euro umgerechnet – 53 Millionen c im Sozialbudget. Fälschlicherweise haben Sie noch 10 Millionen c aus dem Kommunalen Finanzausgleich eingerechnet und kamen auf die Summe von 63 Millionen c. Lassen wir den KFA weg; denn das war nicht seriös gerechnet. Gehen wir also von 53 Millionen c aus. Wir haben heute im Haushalt über 54 Millionen c dafür stehen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zu dem Umgang mit den Trägern sagen. – Der Finanzminister ist jetzt leider nicht anwesend. Aber vielleicht hört er mich ja. – Vor ca. drei Jahren hat der Finanzminister zu einem Gespräch mit den Vertretern der Liga der Freien Wohlfahrtspflege geladen. Er hat ihnen damals den Vorschlag gemacht, die Liga möge eine Art Kataster für Hessen erstellen und darlegen, wie die Grundversorgung mit Sozialeinrichtungen aussehen könnte. Dahinter stand die Vorstellung, dass sich der eine Träger beispielsweise mit der Erziehungsberatung beschäftigt, der andere mit der Drogenberatung.

Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, allen voran Herr Manderscheid – der Name müsste Ihnen ein Begriff sein –, hat sich aber nicht in der Lage gesehen, das umzusetzen, weil sie nicht den schwarzen Peter zugeschoben bekommen wollte.

(Norbert Schmitt (SPD): Der schwarze Roland ist aber noch viel schlimmer!)

Frau Oppermann, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.