Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

dass man sagen kann, es spricht so im Ministerpräsidenten. Da ist doch etwas, was dahinter steht. Er hat es doch nicht aus Zufall getan. Er hat das getan, weil dies sein Staatsverständnis ist – ein Staatsverständnis, das nicht auf Kooperation aus ist, sondern das auf Konfrontation, auf Befehl und Gehorsam aus ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Das ist der falsche Weg für dieses Land,zumindest der falsche Weg,wenn man in diesem Land einen modernen Weg gehen will.

Wir nehmen also zur Kenntnis, dass Koch die absolute Mehrheit ein bisschen zu Kopf gestiegen ist. Es ist schwer, politische Fehler, die an diesem Punkt gegenüber den Hochschulen gemacht worden sind, einzugestehen. Aber, um in Zukunft weiter einen konstruktiven Weg begehen zu können, ist diese Entschuldigung hier und heute notwendig, und sie muss ausgesprochen werden. Sonst vergibt man sich etwas, um wieder dorthin zu kommen, dass Hessen Bildungsland wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Was ist denn mit Ihrer Entschuldigung zu Ihrer Aussage mir gegenüber während des Wahlkampfs? Darauf warte ich auch noch!)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Beer für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kollege Klee, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen der Regierung ganz dringend Einhalt gebieten: Einhalt gebieten, dass sie die in der letzten Legislaturperiode unter der Verantwortung der damaligen Wissenschaftsministerin Ruth Wagner eingeführte Autonomie der hessischen Hochschulen wieder sukzessive zurückdrängt und die hessischen Hochschulen sowie ihre Leitungen an das Gängelband der Politik legt. Dies wurde mit den Drohungen, die Kollege Siebel eben noch einmal sehr deutlich dargestellt und ausgelegt hat, des Ministerpräsidenten gegenüber dem Präsidenten der Universität Kassel allzu deutlich, als er dort anmahnte und drohte, er werde die Mittel kürzen, wenn sich die Universitätspräsidenten nicht wohlgefällig bei Hofe verhalten würden. Meine Damen und Herren, diese eine Aussage ist ja nur symptomatisch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben innerhalb der letzten Monate feststellen müssen, dass sich der Umgangston erheblich verändert hat. Manch einer spricht von Kasernenhofton, manch einer spricht von feudalherrschaftlichen Strukturen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Deswegen wollen sie das Schloss kaufen!)

Letzteres passt vielleicht auch besser zum geplanten Erwerb des Erbacher Schlosses. Nichtsdestotrotz, beides zeigt deutlich, dass wir hier einen sehr erschreckenden Paradigmenwechsel erleben.Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, eine Bemerkung in Ihre Richtung kann ich mir nicht verkneifen:War doch der Umgang mit den hessischen Hochschulen während der Zeiten von Rot-Grün in diesem Hause auch sehr staatlich geprägt. – Von daher kann man nur feststellen,dass sich hier die Etatisten von rechts und links nicht sehr unterscheiden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Paradigmenwechsel ist auch erheblich: Die Autonomie der Hochschulen – man könnte auch sagen: Freiheit und Verantwortung für die Hochschulen – war das Leitprinzip der gemeinsamen FDP/CDU-Regierung in der Hochschulpolitik der letzten Legislaturperiode. Herr Kollege Jung, das war das Markenzeichen der Hochschulpolitik der 15. Legislaturperiode. Damals unter Ruth Wagner als Wissenschaftsministerin ging es um eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Hochschulen, um Selbstverantwortung der Hochschulen. Diese Zeit der letzten Legislaturperiode war von einem gegenseitigen Vertrauen geprägt.

(Beifall bei der FDP)

Beispiele hierfür sind die Novellierungen des Hessischen Hochschulgesetzes, das Uniklinik-Gesetz, aber vor allem und gerade der Hochschulpakt, so wie er unter Ruth Wagner verhandelt und nachher abgeschlossen wurde, mit den dazugehörigen Zielvereinbarungen und der leistungsorientierten Mittelzuweisung.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, ich finde es sehr deprimierend, wie es die CDU-Alleinregierung innerhalb eines Dreivierteljahres geschafft hat, durch Unprofessionalität und Drohungen dieses Vertrauen der Hochschulen in die Landesregierung zu verspielen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist nicht im Interesse des Landes. Die begonnenen Reformen an den Hochschulen können nur gemeinsam und nicht im Gegeneinander erfolgreich weitergeführt werden.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion möchte gerne, deswegen hat sie es auch beantragt, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, zu dem partnerschaftlichen Umgang mit den Hochschulen zurückzukehren, so wie er in der letzten Legislaturperiode praktiziert wurde. Herr Siebel hat auch schon darauf hingewiesen: Als ersten Schritt sehen wir es als notwendig an, dass der Ministerpräsident – denn er ist Chef der Landesregierung, und er hat auch die Äußerungen in diesem Hause getan – hierzu unverzüglich einen Krisengipfel mit den zwölf Hochschulpräsidenten einberuft, um dieses Vertrauen wieder herzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Siebel, mit der Entschuldigung, die Sie für die SPD-Fraktion fordern, ist nicht sehr viel geholfen, auch wenn sie ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre. Deswegen werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten. Meines Erachtens ist es aber wichtig, dass dieses Vertrauen, das kennzeichnend war für das Verhältnis zwischen Hochschulen und Land, das wir in der letzten Legislaturperiode hatten, wieder erarbeitet werden muss. Dazu bedarf es eines Sinnes- und auch eines Verhaltenswandels bei der CDU.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das möchten wir mit unserem Antrag in diesem Haus erreichen, und deswegen bitten wir um Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Nicht, weil wir nicht auch für einen partnerschaftlichen Umgang mit den Hochschulen und deren Präsidenten wären, sondern weil wir keineswegs diese nur lobenden Worte für die Wissenschaftspolitik der letzten Legislaturperiode finden können.

(Nicola Beer (FDP): Unverständlich!)

Da ist auch noch einiges im Argen gewesen, insbesondere was mit Demokratie in den Hochschulen und mit der Weiterleitung der Autonomie in den Hochschulen zu tun hatte. Daher hier ein deutliches Nein zu Ihrem Antrag.

Zur Sache an sich: Diese Drohung der Mittelkürzung an den Präsidenten der Universität Kassel war eine wirkliche Unverschämtheit und an Dreistigkeit nicht zu überbieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Schön, was Sie da erzählen!)

Meine Damen und Herren, dass aber der Ministerpräsident sich nicht zu schade ist,einige Tage später über „dpa“ zu vermelden, er habe überhaupt nicht gedroht, das ist wirklich ein dickes Ding.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Sie haben nicht zugehört!)

Aber dass hier von einem solchen Ministerpräsidenten eine Lüge statt einer Entschuldigung kommt, das war nun wirklich nicht anders zu erwarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Regierung zeigt langsam Nerven. Das merken wir auch bei zahlreichen Diskussionen der letzten Zeit in den Hochschulen. Wir haben es vorhin schon beim Zukunftssicherungsgesetz besprochen, Herr Siebel hat es schon gesagt: Wir hatten in den Hochschulen wirklich zahlreiche Diskussionen, bei denen nie ein Vertreter oder eine Vertreterin der CDU-Fraktion dabei war. – Das Wegducken bei einem solchen Gesetz, das solche Auswirkungen auf

die Studierenden und auf die Hochschullandschaft hat, ist wirklich eine Unverschämtheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg.Nicola Beer (FDP) und Michael Siebel (SPD))

Da, wo Sie sich nicht wegducken können, nämlich hier im Parlament bei den Plenarsitzungen, aber auch bei der Anhörung, lassen Sie sich dann mit einem absolut extrem übertriebenen Polizeiaufgebot schützen. Auch das zeigt, dass hier ein Wechsel in der Denke zwischen der Regierung und dem Volk stattgefunden hat.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Beispiel Anhörung: In dieser Anhörung haben sich alle Präsidenten und Studierendenvertreterinnen und -vertreter inhaltlich gegen dieses Gesetz ausgesprochen. Alle hatten inhaltliche Kritik, und alle haben gesagt, dass dieses Gesetz technisch überhaupt nicht mehr umsetzbar ist. Auf der Tribüne – die war noch nicht einmal voll besetzt – haben ein paar Studierende gesessen, die interessiert und absolut ruhig zugesehen haben.

Wenn man sich dann vor der Tür ansieht, wie Sie sich verbunkern, kann man sich doch wirklich nur noch wundern. Ich möchte Ihnen einmal erzählen, wie es mir ergangen ist, als ich gestern in der Mittagspause versucht habe, ein paar Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ich bin durch die Läden und über den Weihnachtsmarkt gegangen, und alle – nicht nur die Studierenden, sondern auch Menschen aus Wiesbaden – haben gesagt: Die armen Polizisten kriegen ihr Weihnachtsgeld gekürzt, kriegen ihr Urlaubsgeld gekürzt, müssen mehr arbeiten, und für viele Tausend Euro müssen sie auch noch die Regierenden schützen, die diesen Mist verzapft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Selektive Wahrnehmung!)

Sie nehmen die zahlreichen Argumente gar nicht an. Sie setzen sich überhaupt nicht mit den Argumenten auseinander. Das hat auch das Auftreten von Herrn Corts an der TU Darmstadt gezeigt. Ich weiß davon nur aus den Zeitungen. Da hat er sich wenigstens einmal an einer Hochschule gezeigt. Sie gehen auf die Argumente nicht ein, sondern Sie ergehen sich in Sprechblasen, halten sich an Ihre Sprechzettel und lassen die Studierenden in ihren Ängsten und Sorgen allein. Das ist wirklich kein guter Umgang mit den hessischen Hochschulen und den Studierenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will die Torten- und Eierwürfe nicht gutheißen. Im Gegenteil,gerade wir GRÜNEN sind gegen Gewalt.Aber wundern kann man sich doch angesichts der Ohnmacht, die die Studierenden gegenüber der Arroganz der Macht verspüren, und angesichts der Tatsache, dass sie zu spüren bekommen, dass überhaupt kein Wille besteht, mit ihnen zu diskutieren und irgendetwas zu ändern, über das Stück Torte und das Ei nun wahrlich nicht mehr.

(Holger Bellino (CDU): Waren auch Sie eine Langzeitstudierende? – Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Herr Jung, ich habe gesagt, dass ich das nicht gutheißen will. Ich habe gesagt, dass ich das nicht rechtfertigen will. Aber ich sehe es durchaus so, dass man das nachvollziehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Proteste der Studierenden werden weitergehen, weil Ihre Kürzungen viele Studierende unnötig hart treffen. Bisher sind trotz einiger leerer Versprechungen – Frau Kühne-Hörmann hat es im Ausschuss angedeutet, auch Herr Corts hat es mehrfach angedeutet, und auch die Pressesprecherin des HMWK hat es angedeutet – bislang überhaupt keine Nachbesserungen in Aussicht gestellt worden.