Wer entscheidet eigentlich an einer Universität darüber, welche Lehramtsstudienveranstaltungen angeboten werden? Mit welcher Verbindlichkeit erfolgt das – nicht nur unter dem Gesichtspunkt, was in den Fachbereichen für die Lehrerausbildung und im Hinblick auf die Zukunft von Schule tatsächlich gebraucht wird? Da hat die Kommission die richtigen Fragen gestellt. Diese Fragestellung bezieht sich auch auf die Erziehungswissenschaften selbst, nicht nur auf die anderen Fachbereiche.
Ich darf Ihnen zwei Beispiele dafür nennen, was an Universitäten heute noch examensrelevant sein kann. Es ist immer noch möglich, dass man im Rahmen eines Studiums mit dem Ziel erstes Staatsexamen für das Schulwesen ein Seminar mit dem Thema „Karl Marx: Das Kapital“ besuchen kann. Zweites Beispiel: „Politische Lyrik der ehemaligen DDR“. Erklären Sie mir den Zusammenhang mit der Lehrerbildung, erklären Sie mir den Zusammenhang mit der Zukunft von Schule. Mit solchen Angeboten muss Schluss sein.
Es gibt unterschiedliche Ausbildungsbedürfnisse. Kollege Herr hat darauf hingewiesen. Die Grundschullehrerinnen und -lehrer werden an den Universitäten nicht als Grund
schul- und Klassenlehrer ausgebildet. Maßstab der Ausbildung sind aber die Kinder. Es kommt darauf an, dass wir die künftigen Lehrerinnen und Lehrer auf die Erziehung und Bildung von Kindern hin ausbilden.Daran muss sich die Ausbildung ausrichten, nicht an anderen Interessen der Universitäten.
Einzelne Universitäten sind nicht schlecht, aber wo ist die landesweite Vergleichbarkeit? Welches sind die Standards, die wir an den Studienseminaren bereits zu erarbeiten beginnen?
Die Standards,die andere Universitäten aus eigener Kraft erarbeiten, werden wir jetzt in einem Gesetz verankern.
Interessiert sich an den Universitäten jemand für den Partnerort Schule? Wer stellt fest – diese Frage ist in der Debatte zu Recht gestellt worden –, ob ein Studierender tatsächlich für den Lehrerberuf geeignet ist? Oder bleibt es bei der rein fachlichen Prüfung der einzelnen Studenten, ob sie geeignet sind, später Lehrerin bzw. Lehrer zu sein? Wir brauchen Instrumentarien, damit die Eignung bereits früher festgestellt wird, nicht erst beim zweiten Staatsexamen, da den Betroffenen sonst nur die Erkenntnis bleibt, lange Zeit das völlig falsche Fach studiert zu haben oder letztlich möglicherweise im falschen Beruf gelandet zu sein.
Auf Fachdidaktikerkongressen habe ich schon oft die Klage gehört: Wir haben als Fachdidaktiker an den Universitäten keinen Platz. Man zollt uns keinen Respekt. Die Zahl unserer Stellen ist im Laufe der Jahre reduziert worden. – Auch dieses bedarf einer Antwort und der Entwicklung neuer Strukturen.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wissen Sie seit Jahren! Entscheiden Sie endlich!)
Ich habe zusammen mit dem Kollegen Corts entschieden, dass diese Strukturen zu verändern sind und wie das in den Strukturen der Universität durchzusetzen ist. – Auf diesem Weg müssen wir die Universitäten allerdings mitnehmen. Kollege Corts und ich haben uns der Sache wegen diesen Prozess gegönnt. Wir werden die Universitäten auf dem Weg zu einer größeren Verbindlichkeit mitnehmen. Veränderungen werden nicht nur versprochen, sondern auch strukturell umgesetzt. Das wird so geschehen.
Das Studium steht im Zusammenhang mit zwei weiteren Phasen der Lehrerbildung.Deswegen glaube ich,wir müssen diesen Verbund deutlich gestalten. Die Schulentwicklungsziele sind unauflösbar mit den Zielen der Lehrerbildungsreform verknüpft. Deswegen ist es für die Lehrerinnen und Lehrer lebenswichtig, dass sie mit dem Gefühl und dem Bewusstsein sowohl aus dem Studium als auch aus dem Referendariat kommen, dass sie eine gute Ausbildung hatten,dass sie für den Beruf qualifiziert sind,den
sie jetzt anpacken sollen, und dass sie die Chance haben, sich auch weiterhin berufsbegleitend zu qualifizieren.
Deswegen arbeiten wir gemeinsam mit den Studienseminaren nicht nur an Standards für die Ausbildung in der zweiten Phase, sondern wir haben bereits jetzt die Fortund Weiterbildung weniger zufällig gemacht. Schauen Sie sich die Stichworte an:Klippert-Fortbildung,SINUS-Fortbildung, Lehrplanfortbildung, Schulleitungsfortbildung, Fort- und Weiterbildung in den Fächern Musik, Religion und Ethik. Daran sehen Sie, dass die Fort- und Weiterbildung schon erheblich weniger zufällig ist,als sie das in vergangenen Jahren war.
Es braucht aber einen weiteren Schritt. Fort- und Weiterbildung sollen zu einem völlig selbstverständlichen Element werden, einem Element innerhalb des Schulprogramms. Dafür haben wir mit Blick auf das Fortbildungsbudget erste Schritte getan. Die Fortbildung muss zu einem Element der Qualitätsentwicklung der einzelnen Schule werden. Das bedarf einer größeren Verbindlichkeit, als wir sie im Moment haben.
Die Probleme müssen erneut beschrieben werden, auch wenn sich vieles über Jahre hinweg angedeutet hat. Die Problembeschreibung ist inzwischen bei den Universitäten und den Lehrerausbildungseinrichtungen angekommen. Die Probleme sind Schritt für Schritt zu lösen. Die Entscheidungen sind gefallen. Wir werden in der Tat alsbald die Gelegenheit haben, ein ordentlich dickes Papier miteinander zu diskutieren, dazu Anhörungen zu veranstalten,Anregungen aufzunehmen und dann eine Lehrerbildung aus einem Guss zu gestalten.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich darf Frau Sorge für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen. Sie haben fünf Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wolff, was Sie eben vorgetragen haben, ist fast goldig zu nennen. Wir hatten vor ungefähr zwei Jahren genau die gleiche Diskussion. Sie haben diese Diskussion wahrscheinlich auch schon zuvor geführt.
Die Probleme, die an den Hochschulen und in der Lehrerausbildung anzutreffen sind, sind schon seit Jahren bekannt.All das, was Sie hier benannt haben, haben wir vor zwei Jahren in der Plenardebatte angesprochen, als es um Ihren Aufruf ging, es lohne sich wieder, in Hessen auf das Lehramt zu studieren,und die Lehramtsstudiengänge,insbesondere in Frankfurt, absolut überfüllt waren, sodass die sowieso schon bestehende Misere eklatant sichtbar wurde.
Insbesondere die Vorlesungen in den Grundwissenschaften, den Erziehungswissenschaften, der pädagogischen Psychologie und auch der Politologie, sind absolut überfüllt, teilweise zu über 200 % ausgelastet. Die Lehramtsstudierenden fühlen sich nicht eingebunden. Sie fühlen sich in den Veranstaltungen der Fachbereiche als fünftes Rad am Wagen, als Studierende zweiter Klasse.
Dass daran etwas geändert werden muss, ist seit Jahren bekannt. Es fehlt der Praxisbezug, es fehlen auch Prakti
kumsplätze, und insbesondere fehlen in dieser Situation der überfüllten Studiengänge Prüferinnen und Prüfer für die Studierenden.
Die Probleme haben sich durch Ihre Lehrerkampagne wirklich noch einmal verstärkt. Sie haben einen wahren Run auf die Lehramtsstudiengänge ausgelöst. Sie sagen zwar immer, Sie hätten es differenziert – das Problem sei, dass das bei den Studierenden nicht angekommen sei. Wenn es aber bei den Studierenden nicht angekommen ist, dann ist es auch Ihre Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen, wie Sie das besser rüberbringen können.
Die damalige Kultusministerin Frau Wolff und die damalige Wissenschaftsministerin Frau Wagner haben sich damals schon weggeduckt, statt bei der Lösung dieser Probleme zu helfen. Aber was Herr Koch jetzt getan hat, das ist wirklich noch eine Nummer härter. Die Misere wurde teilweise vom Land selbst produziert, die Hilferufe der Universitäten wurden seit Jahren ignoriert. Die Hochschule ist jetzt selbst initiativ geworden und will selbst untersuchen, was sie verbessern muss, um besser zu werden – und da hauen Sie jetzt drauf. Herr Ministerpräsident, dadurch wollen Sie von Ihrer eigenen Unfähigkeit ablenken.
Herr Koch, das ist wirklich billig und unlauter. Denn Autonomie kann nicht bedeuten, dass ein Ministerpräsident jahrelang die Hände in den Schoß legt und sämtliche Warnungen ignoriert – dann aber eines Morgens aufwacht und Professorenschelte betreibt. Wenn die Hochschulen ihre Schwächen erkunden, um zu Verbesserungen zu kommen, und Sie dann draufhauen, statt Hilfen zu Verbesserungen zu geben, dann brauchen Sie sich wirklich nicht zu wundern, wenn in Zukunft sämtliche Schwächen unter dem Teppich gehalten werden.
Schauen wir uns das Ergebnis der Evaluation doch einmal genauer an. Die Lehramtsstudierenden fühlen sich als Studierende zweiter Klasse – Frau Wolff hat das eben hervorragend beschrieben, darauf brauche ich nicht mehr näher einzugehen.
Die Lehrveranstaltungen sind nicht gut aufeinander abgestimmt, es fehlt ein verbindliches und gut integriertes Curriculum. Das Zentrum für Lehrerbildung, das im Entstehen ist und auch wirklich schon gute Arbeit leistet, ist nur ein Einstieg. Das muss dringend weiter verbessert, gestärkt und weitergedacht werden.
Aber dieses Gutachten fordert auch klare Standards, um die im Studium erworbenen Kompetenzen festzulegen und die erste und zweite Studienphase stärker miteinander zu verbinden. Meine Damen und Herren, diese Forderungen im Evaluationsbericht gehen auch ganz klar an die Adresse des Landes.
Sie hat gewürdigt, dass die Universitätsleitung sich bemüht und tätig geworden ist und diese Verbesserungen – wenn auch nur in kleinen Schritten – angeht, nach dem Motto: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.
Die Politik hat viel zu lange weggesehen – das sagen auch Sie, Herr Koch.Aber Sie sind es doch, der geschlafen hat. Sie wachen jetzt auf und schlagen um sich.
Wir brauchen dringend ein Gesetz zur Reform.Wir brauchen aber auch dringend, insbesondere in Frankfurt, ein aktuelles Maßnahmenbündel, um die Situation zu verbessern. Wir GRÜNE haben Ideen, Frau Hinz hat es vorhin schon ausgeführt. Sie aber haben hier die Verantwortung. Ich fordere Sie auf, sich ihr endlich zu stellen. – Vielen Dank.
Wir hatten eine verbundene Debatte der Anträge unter Tagesordnungspunkt 14 und Tagesordnungspunkt 24. Beide Anträge sollen im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, federführend, und im Kulturpolitischen Ausschuss, beteiligt, weiter beraten werden. – Damit ist diese Überweisung beschlossen.Vielen Dank.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Betreuungsrecht – Drucks. 16/907 zu Drucks. 16/677 –