Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Da muss man schlicht und ergreifend feststellen, dass nach eigener Aussage des Finanzministers dieses Projekt einmal 50 Millionen c kosten sollte. Mittlerweile sind wir bei 250 Millionen c, und jetzt stellen wir fest,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

dass nach einer Verfünffachung des geplanten Betrags die Firma SAP sagt, sie möchte das Produkt R/3 nicht fortführen.

Da fragen wir natürlich: Was bedeutet das für dieses Projekt? Was kommt eventuell an zusätzlichen Kosten auf uns zu, wenn wir eine Migration von R/3 auf mySAP machen müssen? Das fragen wir hier, und diese Fragen wollen wir natürlich hier und jetzt beantwortet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch ein Wahnsinn, dass in dieses Projekt 250 Millionen c gesteckt werden, 666 Stellen mit der Schulung von Beamten beschäftigt sind und wir jetzt erfahren, dass dieses System in kurzer Zeit vielleicht nicht mehr aktuell ist, es dann durch mySAP ersetzt wird. Dann ist die Frage: Was für Schulungskosten haben wir dann? Hat es dann überhaupt einen Sinn, die Landesbeamten auf das System R/3 zu schulen, wenn nach absehbarer Zeit ein anderes System eingeführt wird?

(Zurufe von der CDU)

Warum kommt die Landesregierung nicht von sich aus, wenn das absehbar ist, und informiert den Landtag über eine so wesentliche Änderung des Projektes?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das sind die Fragen,die wir hier stellen.Es hätte doch Gelegenheit dazu im Haushaltsausschuss gegeben. Kein Problem, wir hätten in aller Ruhe darüber reden können. Oder ist es etwa so, dass der hessische Finanzminister als federführender Minister für dieses Projekt darüber überhaupt nichts wusste? Dann fragen wir uns natürlich: Was ist es für ein Umgang mit einem solchen Projekt,wenn der Finanzminister überhaupt nicht weiß, wie dieses Projekt weiterentwickelt werden soll, wenn er gar nicht weiß, dass die Firma SAP, die im Moment sehr viel Geld vom Land Hessen für dieses Programm bekommt, beabsichtigt, dieses Programm ganz anders weiterzuentwickeln?

Alle diese Fragen wollen wir heute klären.Wir können sie sehr ruhig klären. Es bleibt dennoch sehr komisch, dass beim Thema SAP der Finanzminister immer getrieben werden muss, dass es immer die Opposition sein muss, die ganz banale Sachverhalte erfragen muss, und dass der Finanzminister es nicht für nötig hält, das Parlament von sich aus zu informieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wo ist er denn?)

Wir haben seit Beginn der Legislaturperiode noch einmal zusätzlich einen eigenen Staatssekretär dafür, weil es der Finanzminister nicht im Griff hatte.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Die Informationspolitik ist leider nicht besser geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist besonders ärgerlich, weil SAP genau dem Zweck dienen sollte, die Informationspolitik zu verbessern. Wir sind sehr gespannt, wie die Migration von R/3 auf mySAP aussehen könnte. Vielleicht ist es ja so, dass am Ende mySAP für den Finanzminister „My Fiasko“ bedeutet. Wir hoffen, dass wir dazu Auskunft bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Wagner. – Herr Staatssekretär Lemke wurde angesprochen, er wird für die Regierung antworten. Herr Lemke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was ist eigentlich passiert?

(Zurufe von der SPD: Das fragen wir uns auch!)

Dieses Land hat sich entschieden, eine industriell genutzte Standardsoftware SAP einzuführen, und zwar in der Version 3. Wie der Name es schon sagt, hatte diese Standardsoftware eine Version 1, sie hat irgendwann eine Version 2 bekommen und dann eine Version 3,die wir zurzeit einführen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Weiter zählen!)

Ich glaube nicht, dass wir so vermessen sein sollten, dass nur, weil Hessen jetzt SAP einführt, die Firma SAP die Weiterentwicklung dieses Produktes einstellt,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Mehrkosten liegen bei 25 %!)

sondern dass es üblicherweise auch eine Version 4, eine Version 5 usw. gibt. Das ist der übliche Lauf der Dinge in der EDV.

Nunmehr haben wir es mit einem Partner zu tun, der zumindest so fair ist – das ist übrigens ein Novum in der allgemeinen Softwareindustrie –, vier Jahre vor dem Termin seine Kunden rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass es eine

neue Version geben wird und dass man sich rechtzeitig darauf einrichten muss.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist ein ganz normales Verfahren. Für eine Firma wie SAP mit ca.100.000 Kunden stellt sich natürlich die Frage, wie man 100.000 Kunden informiert. Dabei ist natürlich der Weg über die Wirtschaftspresse zunächst einmal nichts Unübliches.

(Hildegard Pfaff (SPD): Na ja!)

Wartungs- und Migrationskosten für solche Systeme werden also in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren immer anfallen. Das haben wir auch eingeplant, und das ist in den Kostenkalkulationen enthalten. Das ist ein ganz üblicher Weg bei jeder Software.

Wir haben es hier mit einem Vorgang zu tun, den wir bei Word, bei Windows, bei Unix und bei Oracle haben.Auch SAP wird an dieser Stelle keine Ausnahme machen. Ich kann hier erklären, auch wir als Kunden – wir sind weiß Gott nicht der größte Kunde der SAP – haben dies, wie alle anderen auch, heute aus der Wirtschaftspresse erfahren. Ich habe am Freitag einen Termin mit dem SAP-Vorstand zu dieser Fragestellung, bei dem die weiteren Dinge geklärt werden. Es ist die natürlichste Sache der Welt und aus Sicht der Regierung keine Aufregung wert. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Ich darf Herrn Kahl für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Kahl, das würde ich nicht machen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal kann ich nur sagen: „Finanzminister Lemke“. Anders kann ich es nicht ausdrücken. – Der Finanzminister ist aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen. Was ist das, wenn der Finanzminister selbst im Hause anwesend ist, dass er seinen Staatssekretär vorschickt, hier diese Fragen zu beantworten?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Öh!)

Das ist schon eigenartig, das hatten wir in diesem Parlament noch nicht. Das ist zumindest neu, dass ein Staatssekretär antwortet, wenn ein Minister anwesend ist.

(Zurufe von der CDU)

Zweiter Punkt. Dass die Einführung von SAP hier im Lande Hessen alles andere als ein Glanzstück dieser Landesregierung ist,hat sich über Monate und Jahre schon gezeigt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Sie wollen von der Tatsache ablenken, dass sich hier eine Kostenexplosion entwickelt hat. Sie wollen davon ablenken, dass Sie keinerlei Wirtschaftlichkeitsberechnung gemacht haben.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Damen und Herren, Sie wollen ablenken – –

(Zurufe von der CDU)

Darf ich die Herren von der Mehrheitsfraktion bitten, etwas weniger zum Lärmpegel beizutragen?

Eines könnten Sie zumindest vom Staatssekretär lernen: Wenn das alles so klar ist, dann verstehe ich Ihre Aufregung nicht, dann könnten Sie viel ruhiger sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Das scheint nicht der Fall zu sein. – Meine Damen und Herren, Sie hatten einen Plan, bis zum Jahr 2008 SAP in der gesamten Landesverwaltung einzuführen. Seit dem Jahr 2000 steht fest, dass SAP schon eine Nachfolgesoftware entwickelt hat.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))