Die CDU-Fraktion ist der Landesregierung ausgesprochen dankbar dafür, dass die Integration von Kindern mit Behinderungen ein Kernstück ihrer Sozialpolitik ist. Dabei ist insbesondere zu betonen, dass die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kindergärten nicht mehr die Ausnahme, sondern nunmehr flächendeckend Normalität geworden ist.
Das kann ich ganz persönlich sagen. Vor zwei Jahren ist mein eigener Sohn noch in einem integrativen Kindergarten gewesen. Es war schon bemerkenswert und teilweise auch rührend, wie die Kinder miteinander umgegangen sind, sich gegenseitig geholfen und aufeinander Rücksicht genommen haben. Das zu sehen war ganz bemerkenswert. Dort wurde die gegenseitige Rücksichtnahme von den Kindern von Anfang an gelernt und eingeübt. Sie gehörte zum ganz normalen Miteinander. Das halte ich für ausgesprochen wichtig und für eine hervorragende Tendenz.
Ich darf auch noch einmal darauf hinweisen, dass der Betreuungsschlüssel in diesem Bereich geändert wurde. Das heißt, die Landesregierung hat in der letzten Legislaturperiode den Betreuungsschlüssel auf 25 : 1,5 Betreuer und Erzieherinnen verändert, und je nach der Zahl der Behinderten innerhalb der Gruppe wurde dieser Betreuungsschlüssel angehoben. Dies ist ebenfalls zu begrüßen. In Hessen steht mittlerweile für jedes behinderte Kind ein Integrationsplatz im Regelkindergarten zur Verfügung. Derzeit werden ungefähr 4.300 Kinder mit Behinderung im Regelkindergarten intensiv betreut.Das bedeutet,dass alle Kinder,die nicht aus medizinischen Gründen eine stationäre Behandlung benötigen, einen Integrationsplatz erhalten. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.
Daher begrüßen wir als CDU-Fraktion auch das Qualitätsentwicklungsprojekt QUINT, das zurzeit kurz vor der Veröffentlichung seiner Ergebnisse steht. Die Ergebnisse
werden im Februar mitgeteilt. Wir werden also unmittelbar von den Ergebnissen erfahren. Dies stellt eine qualitative Weiterentwicklung dar. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da wir in diesem Bereich eine Weiterentwicklung brauchen, wie pädagogisch mit diesem Bereich umgegangen werden muss. Deswegen unterstützt die CDU-Fraktion ausdrücklich die Regierung und die Sozialministerin in dieser Frage tatkräftig, da es hier um die Kinder in Hessen geht. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Allen Menschen mit Behinderung eine größtmögliche Teilhabe an möglichst allen Bereichen des Lebens zu verschaffen war und ist unser Ziel in der Sozialpolitik.
Das gilt auch für Kinder im Vorschulalter. Deshalb ist die Integration von möglichst vielen Kindern mit Behinderung in den Regelkindergarten natürlich unbedingt anzustreben. Größtmögliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung setzt aber voraus, dass bei den Menschen ihres jeweiligen Umfeldes Akzeptanz vorhanden ist und dass die Bereitschaft vorhanden ist, das Kind oder den Erwachsenen mit Behinderung trotz der Beeinträchtigung als gleichberechtigten Partner anzunehmen. Es ist in den meisten Fällen keine grundsätzliche Ablehnung, die Menschen mit Behinderung erfahren, sondern es sind eher diese diffusen Ängste, Berührungsängste, Vorurteile, oft aber auch Unsicherheiten. Das schafft Distanz und macht ein unbefangenes Miteinander schwer.
Da hilft natürlich nicht allein die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung. Da helfen keine moralischen Appelle, Menschen mit Behinderung als gleichberechtigt zu akzeptieren. Das schaffen in der Tat am besten Begegnungen, das Zusammensein und das gemeinsame Spielen und Lernen, sodass diese Berührungsängste, Vorurteile und Unsicherheiten abgebaut werden können. Berichte aus Kindergärten und sonstigen Einrichtungen machen deutlich, dass gerade Kinder viel schneller und leichter als die meisten Erwachsenen in der Lage sind, solche Berührungsängste abzubauen und die Besonderheit eines Kindes mit Behinderung als normal anzusehen.
Insofern ist für uns das Konzept der integrativen Förderung im Primarbereich genauso wie das der integrativen Beschulung etwas, was dem Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Gleichstellung entspricht.
So ist es vordergründig – die Gründe hat Herr Rentsch eben eigentlich schon ganz deutlich genannt – natürlich erst einmal erfreulich, wenn die Zahl der Kinder, die in den Regelkindergarten integriert werden, steigt. Aber da muss man in der Tat einmal ganz genau hinsehen.Ich weiß von Berichten aus Fachabteilungen, dass es durchaus Mitnahmeeffekte gibt.
Die Zahl steigt also. Das sagte ich gerade. Vordergründig ist das erst einmal zu begrüßen. Das ist eine erfreuliche
Sache.Aber das ist eigentlich beinahe schon alles an Positivem, was an dieser Rahmenvereinbarung zur Einzelintegration zu verzeichnen ist. Denn gleichrangig ist auch der Anspruch des Kindes und der Eltern auf eine optimale Förderung zu werten.
Gerade in diesen frühen Phasen der kindlichen Entwicklung sind die Chancen am größten, dass die Förderung greift und dass pädagogisch-therapeutisches Handeln einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, die Schwere der Behinderung im positiven Sinne zu beeinflussen. Da muss man natürlich die Frage stellen, inwieweit die Integration von Kindern mit Behinderung in wohnortnahen Regelkindergärten unter den im Moment herrschenden Bedingungen diesem Anspruch überhaupt gerecht wird. Für mich stellt sich auch die Frage, inwieweit die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindergärten, die eine ganz normale Erzieherausbildung durchlaufen haben, diese Aufgabe leisten können.
Ich werde keinem Erzieher und keiner Erzieherin das erforderliche Engagement absprechen. Aber sie sind durch ihre Ausbildung auf diese Arbeit nicht ausreichend vorbereitet. Welche Erzieherin kann denn z. B. über basale Stimulation reden oder sie anwenden? – Davon hat eine Erzieherin in der Regelausbildung wahrscheinlich nichts gehört. Dies sollte eigentlich durch die Neueinstellung von Integrationsfachkräften kompensiert werden. Aber für die Maßnahme sind in der Regel nur 15 Stunden vorgesehen. Das macht die Suche nach Fachkräften recht schwer. Denn eine 15-Stunden-Stelle ist durchaus unattraktiv. Es bewerben sich häufig Berufsanfängerinnen.
Mit dem Anspruch, behinderte Kinder in ihrem Umfeld, d. h. in wohnortnahen Einrichtungen, zu integrieren, entsteht das Problem, in den Regeleinrichtungen die erforderlichen Rahmenbedingungen und die erforderliche Qualität überhaupt zu schaffen. Derzeit ist die Trägerlandschaft von der optimalen Versorgung in den Regeleinrichtungen weit entfernt.
Mit der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen und den vorgegebenen 15 Stunden für die Integrationskraft sind häufig noch nicht die Bedingungen geschaffen, die eine erfolgreiche Integration versprechen.
Ich berichte nun aus einem Artikel von Dr.Wolfgang Werner. Er ist Geschäftsführer einer großen Behinderteneinrichtung bei uns im Landkreis. Er vermutete nämlich schon im Vorfeld der Umsetzung der Rahmenvereinbarung, dass am Ende nur noch Aufbewahren statt Fördern übrig bleibt. Ich will dieser These nicht unbedingt voll und ganz zustimmen, aber Berichte aus Kindergärten zeigen, dass eine reine Aufbewahrung leider kein Einzelfall ist.
Ich möchte hier keine Horrorszenarien aufzeigen oder aus irgendwelchen dramaturgischen Gründen schamlos übertreiben. Aber es gibt behinderte Kinder, meist schwerst- und mehrfach behinderte Kinder, die tatsächlich nur aufbewahrt werden – wenn auch sehr liebevoll.
In der Präambel der Rahmenvereinbarung steht, dass die bisher erzielte Qualität in der Betreuung von Kindern mit Behinderung erhalten werden soll, gleichzeitig aber auch finanzielle Einsparungen bei den Kostenträgern erzielt werden sollen. So ist der Beweis der Auflösung dieses offensichtlichen Widerspruchs, bisher jedenfalls, noch nicht gelungen. Im Rahmen der Diskussion um die schulische Integration ist immer wieder vor der Annahme gewarnt worden, es gebe Integration zum Nulltarif. Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass gemeinsamer Unterricht kostenintensiver sein wird als eine Förderung in der Sonderschule.
Im Vorschulbereich soll jetzt allen Ernstes der Eindruck erweckt werden,dass die Integration von Kindern mit Behinderung nicht nur kostenneutral sei, nein, man könne vielleicht sogar hier und da noch etwas einsparen. Nach allen mir vorliegenden Informationen hat es in nicht wenigen Fällen eine qualitative Verschlechterung gegeben.
Damit komme ich zur Qualitätsentwicklung Integrationsplatz, kurz QUINT. QUINT ist mit Sicherheit, Frau Ministerin,eine notwendige Initiative des Ministeriums,aber es wäre eine Voraussetzung, es wäre der erste zu machende Schritt gewesen, bevor man die Integration in den Regelkindergärten installiert. Wenn erst die Einzelintegration geschaffen wird und das Personal nachträglich qualifiziert wird, dann heißt das doch, dass Kindern mit Behinderung für eine nicht gerade sehr kurze Zeit, manchmal vielleicht für eine entscheidende Zeit, eine adäquate Förderung vorenthalten wird. Das heißt, dass Versäumnisse in Kauf genommen werden, die möglicherweise nie mehr nachzubessern sind, und das heißt im Ergebnis, dass ohnehin schon benachteiligten Kindern Entwicklungschancen genommen werden. Das Ministerium sollte deshalb auch den Mut haben zuzugeben, dass eine Qualitätssteigerung nur schrittweise über einen längeren Zeitpunkt erreicht werden kann.
Für dringend notwendig halte ich es, Fortbildung im Bereich von Integration verbindlich zu machen. Auch da gebe ich Herrn Rentsch Recht.
Hier wird durch die Rahmenvereinbarung eine Verpflichtung für die Träger festgeschrieben. Bisher ist sie nicht festgeschrieben. Es heißt dort unter dem Stichwort Fortbildung, dass die Träger der Einrichtungen für Kinder verpflichtet sind, allen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Gelegenheit zu geben, sich beruflich fortzubilden. Dann heißt es am Ende, die Fortbildung wird „dringend erwünscht“.
Das ist ein sehr elastischer Begriff. Wenn man dann noch die Maßnahmenpauschale dazunimmt, kann es in der Tat ein weiterer Punkt sein, an dem eine Kommune, die vielleicht klamme Kassen hat, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht so sehr antreibt, sich fortzubilden.
Ganz nebenbei gesagt gehe ich davon aus – ich habe keine genauen Prozentzahlen –, dass es sich hauptsächlich, zu weit über 90 %, um Frauen handelt, die in diesem Beruf arbeiten. Die werden dann, bitte schön, angehalten, die Fortbildung hauptsächlich in ihrer Freizeit zu machen. Das spricht wieder einmal für sich.
Das tue ich, Herr Präsident. – Grundsätzlich halte ich es für problematisch, dass aus den Rahmenvereinbarungen heraus auch die Wahlmöglichkeit für die Eltern sehr stark eingeschränkt wird. Es ist schwierig, wenn sich die Eltern für etwas anderes entscheiden. Dann bekommen sie beispielsweise die Beförderungskosten nicht ersetzt.
So positiv wir Integration bewerten, dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass die Einzelintegration im Regelkindergarten nicht für alle Kinder mit Behinderung die beste Fördermöglichkeit ist. Gezielte intensive Förderung auf sehr hohem fachlichen Niveau kann geeignet sein, bei einem Kind mit Behinderung solche Voraussetzungen zu schaffen, die eine anschließende Einzelintegration sinnvoll erscheinen lassen. Manchmal ist Schonraumpädagogik eine Notwendigkeit, um ein Kind fit für die Integration zu machen. Auch Eltern brauchen bei den oft belasteten Familiensituationen einen Schonraum, ein Umfeld von Menschen mit gleichen Problemen.
In der Gesamtbeurteilung ist für uns die gegenwärtige Situation der Einzelintegration von Kindern mit Behinderung in Regelkindergärten trotz aller positiven Ansätze nicht befriedigend. Bisher haben wir, wie so oft, eine schöne große Leuchtüberschrift. Der nachfolgende Text ist lücken- und fehlerhaft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Geschichte der Integration behinderter Kinder in Regelkindergärten gehört in Hessen zu den Erfolgsgeschichten. Allerdings begann die Welt nicht erst 1999, Herr Reißer, sondern bereits 1984 wurde erstmals die Finanzierung von Integrationsplätzen durch das Land eingeführt und damit eine Entwicklung in Gang gesetzt, die schrittweise voranging und dazu führte, dass immer mehr Sonderkindergärten zurückgeführt bzw. in Regelkindergärten umgewandelt werden konnten. Den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung haben wir im Dezember einer Pressemitteilung der Ministerin entnehmen können, in der die Schlagzeile zu lesen war: „Hessen bietet jedem Kind mit Behinderung Platz im Regelkindergarten“.
Das war die beste Nachricht im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung 2003, die Hessen behindertenpolitisch zu bieten hatte.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben gut vorgearbeitet!)
Offenbar wollte die Ministerin die einzige behindertenpolitische Tat davor, die Kürzung des Landesblindengeldes, nicht als letzte behindertenpolitische Schlagzeile stehen lassen. Das ist auch völlig in Ordnung.
Nimmt man allerdings ihre Antwort auf die Große Anfrage der FDP ernst, dann hat sie mit dieser Aufgabe relativ wenig zu tun. Sie schreibt in der Vorbemerkung:
Die Regelungskompetenz im Bereich der Integration von Kindern mit Behinderung in Tageseinrichtungen liegt ausschließlich bei den örtlichen Trägern der Sozialhilfe...
Herr Rentsch hat zu Recht darauf hingewiesen – ich werde es auch noch einmal tun –, dass dies so nicht zutreffend ist. Gleichviel, wer sich mit wessen Federn schmückt,auf jeden Fall zählt das Ergebnis,und das ist positiv. Sie werden verstehen, dass meine Fraktion das mit großer Genugtuung zur Kenntnis nimmt. Immerhin haben auch die grünen Vorgängerinnen der heutigen Ministerin in erheblichem Umfang und mit unglaublichem Engagement dafür gekämpft, dass die Teilhabe behinderter Kinder im Kindergarten tatsächlich in die Tat umgesetzt wird.