Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

(Heiterkeit)

Ich bitte darum, dass wir wieder etwas friedlicher werden und dass das in einem sportlichen Verfahren gemacht wird. Herr Kollege Hoff, lesen Sie jetzt bitte den Pressespiegel. – Es geht weiter.

(Heiterkeit – Volker Hoff (CDU):Das ist besser,als der Dame zuzuhören!)

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns:Versprochen hatte der Ministerpräsident, 10.000 Ausbildungsplätze zu schaffen oder einzuwerben. Herr Koch ist auf ganzer Linie gescheitert. Er ist bei dem Thema noch nicht einmal hier im Raum.

(Zurufe von der CDU und der Regierungsbank)

Er ist doch da,da hinten,in Ordnung.Aber keine Zurufe von der Regierungsbank, jetzt reicht es.

(Zurufe von der CDU)

Wir sind doch heute nicht im Karneval.Was ist denn mit Ihnen los?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weder gibt es 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze, noch sind 1.000 Hessenpraktikanten im Landesdienst eingestellt worden oder 1.000 Praktikumsplätze in Betrieben entstanden.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie denken, Sie bringen mich mit diesen Blödeleien aus dem Thema, dann haben Sie sich geirrt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie stehen mit leeren Händen da, und die Jugendlichen in Hessen stehen im Regen. Meine Damen und Herren, Ihre Hotline, Ihr Bürgertelefon – alles eine gigantische PRShow aus der Trickkiste von Herrn Metz. Das muss man ihm lassen. Aber wir lassen Ihnen heute die Luft aus den Sprechblasen und reden über die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Von den versprochenen 1.000 Praktikumsplätzen sind – Stand letzte Woche – gerade einmal 158 besetzt, und das in ganz Hessen – nicht in Wiesbaden, nicht in Darmstadt, sondern in ganz Hessen.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Das ist nicht nur ein Flop, das ist ein Megaflop.

(Beifall bei der SPD)

Wir verstehen deshalb auch, dass wir von dieser gigantischen PR-Show nach dem Start im August nie mehr etwas gehört haben. Wir verstehen auch, dass Sie für die Presse auf Anfrage keine Hessenpraktikanten finden. Sie würden gerne den Mantel des Schweigens über die Aktion legen.Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD)

Die jungen Leute verhalten sich ausgesprochen zielführend und rational.Entweder wollen sie ein konkretes Stellenangebot, oder sie wollen einen Ausbildungsplatz oder zumindest die Chance auf einen Ausbildungsplatz, oder sie gehen in die weitere schulische Ausbildung.Was sollen sie auch mit einem Praktikumsplatz,bei dem sie Geld mitbringen müssen? Denn um nichts anderes handelt es sich.

Meine Damen und Herren, es ist ein Praktikumsplatz, der ihnen keine berufliche Zukunft eröffnet, der ihnen nicht einmal eine Verkürzung der Ausbildung bringt, der ihnen keine Übernahmechance eröffnet, weder bei der Verwaltung noch in den Betrieben. Für dieses zehnmonatige Praktikum, für diese Verpflichtung erhalten sie gerade einmal 100 c Taschengeld pro Monat.Wir wissen, was das Leben so kostet. Das reicht nicht einmal für die Monatskarte oder für das Mittagessen.

Nach diesem Praktikum erhalten sie eine zeugnisähnliche Beurteilung – so heißt das –, die nur eines beweist: dass sie da waren, dass sie pünktlich waren und dass sie gekommen sind. – Nun gut, das ist etwas, aber es ist viel zu wenig.

Ein Zivildienstleistender erhält z. B. in der zweiten Stufe 550 c im Monat. Darin inbegriffen sind ein Kleidungszuschuss, ein Essenszuschuss und ein Fahrtkostenzuschuss. Anders kann man es wohl auch nicht machen. Auch im Freiwilligen Sozialen Jahr gibt es eine Vergütung, die erheblich höher liegt als die 100 c. Deswegen muss man es sich offensichtlich leisten können, ein „Hessenpraktikum“ zu machen. Man muss nämlich Geld mitbringen. Deswegen ist es ein Megaflop.

Meine Damen und Herren, Sie sind auch von den Handelskammern und Handwerkskammern gewarnt worden, dass das Angebot unsinnig ist. Die VhU wollte es gerne machen und hat es am Anfang sehr positiv begleitet. Nach meinen Informationen gibt es jedoch noch nicht einmal 100 Praktikumsplätze.

Frau Kollegin Fuhrmann, Sie müssten jetzt langsam zum Ende kommen.

Ich hatte so viele Unterbrechungen, Herr Präsident, noch eine Minute.

Wir stellen heute fest: Das Programm war nie eine Alternative. Das wussten Sie auch, oder Sie hätten es wissen müssen, weil es nie eine echte Chance geboten hat. Es ist gestartet worden, um von Ihrer eigenen Unfähigkeit,Ausbildungsplätze in der Landesverwaltung zu besorgen, abzulenken.Es ist gestartet worden,um von der Unfähigkeit abzulenken, die Wirtschaft zu verbindlichen Ausbildungsgarantien zu bringen.Es ist gestartet worden,um Ihre Unwilligkeit zu verdecken, durch Ausbildungsplatzumlagen eine Chance für junge Menschen zu eröffnen.

Deswegen ist es nicht nur ein Flop, sondern ein Megaflop und Ausdruck Ihres zynischen Umgangs mit den existenziellen Problemen von jungen Menschen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Boddenberg, CDU-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben uns in diesen Tagen mit der Frage zu beschäftigen, warum die angebotenen Praktikumsplätze nicht allesamt nachgefragt worden sind bzw. am Ende angetreten wurden. Nach der Rede von Frau Fuhrmann ist für mich ein weiterer Punkt bei der Begründung hinzugekommen. Denn wenn Erwachsene, wie Sie es eben getan haben, Frau Fuhrmann, so zu Jugendlichen sprechen, dann brauche ich mich nicht zu wundern, dass Jugendliche von vornherein ein solches Weltbild haben,dass sie sich bietende Chancen nicht ergreifen und in der larmoyanten Art,wie Sie es vorgetragen haben, solche Fragen aufwerfen – das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen – und mit 16 oder 17 Jahren das monatliche Einkommen über die Perspektive stellen, die sich aus einem solchen Praktikum ergibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, das Thema ist uns auch nicht unangenehm. Im Gegenteil, ich bin Ihnen fast dankbar, dass Sie das Thema mit Ihrer Aktuellen Stunde aufgerufen haben. Denn es hat noch keine Landesregierung gegeben, die sich so aktiv und offensiv mit dieser Thematik beschäftigt hat.

(Beifall des Abg. Rüdiger Hermanns (CDU) – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,sie hat sich nicht nur damit beschäftigt,sondern sie hat auch konkret gehandelt.Wenn in diesen Tagen – da dürfen Sie ruhig weiter lachen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD –, nachdem Sie im letzten Jahr versucht haben, das Handwerk in einer Art und Weise zu demotivieren, wie das in der Nachkriegsgeschichte noch nie passiert ist, das hessische Handwerk im gleichen Zeitraum feststellen kann, dass 2,5 % mehr Lehrstellen im Jahre 2003 verabredet und vertraglich vereinbart waren als 2002, dann hat das sehr viel mit dem Handeln dieser Landesregierung zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht reden Sie öfter einmal darüber und erkennen das an, was dort geleistet worden ist. Ich sage ausdrücklich: von der Wirtschaft geleistet worden ist. Es ist aber deswegen von der Wirtschaft geleistet worden, weil sie die Rückendeckung dieser Landesregierung erfahren hat.

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs angedeutet. Frau Fuhrmann stellt sich hierhin und redet fünf Minuten lang über die Frage: Ist es zumutbar, dass ein junger Mensch einen Praktikumsplatz antritt, der ihm vonseiten der Landesregierung bzw. der Landesverwaltung angeboten wird?

(Petra Fuhrmann (SPD): Zu dem er Geld mitbringen muss! Wer kann sich das leisten?)

Dieser junge Mensch, diese junge Frau oder dieser junge Mann, kommt gerade aus der Schule – Frau Fuhrmann, ich weiß nicht,ob es schon dafür Geld gibt,dass man in die Schule geht, meines Wissens nicht – und bekommt die Chance geboten, sich einige Monate intensiv mit einzelnen Abläufen der Administration, einer Landesverwaltung zu beschäftigen. Er lernt dabei, wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben, nicht nur einen Arbeitsplatz kennen, sondern er lernt auch Menschen kennen. Er lernt Menschen kennen, die sich in dieser Verwaltung beruflich engagieren. Er knüpft Kontakte.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich gehe davon aus, das ist die Erfahrung, die wir machen – übrigens hat die Landespartei der hessischen CDU ständig Praktikanten im Hause –, dass diese Menschen diese Kontakte auch dafür nutzen, um sich daraus Chancen und Angebote für Ausbildungsplätze oder für spätere Tätigkeiten zu erarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Frau Fuhrmann, wenn das alles „Unsinn“ ist, wie Sie hier vorgetragen haben,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

dann reden die CDU und die SPD beim Thema Ausbildung über zwei völlig unterschiedliche Welten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wir wollen Ausbildungsplätze!)

Ich will noch einmal auf die wahren Ursachen des Problems eingehen. Das sagen Ihnen alle Betroffenen. Nehmen Sie einmal die Vertreter der IHKs: 15 % der jungen Menschen sind entweder nicht ausbildungsfähig oder,und das ist schlimm, nicht ausbildungswillig. An letzter Baustelle haben wir ziemlich klare Verantwortlichkeiten in dieser Gesellschaft. Da rede ich über die Verantwortlichkeit der Eltern.Wenn ich sehe, dass die IHK Frankfurt im November letzten Jahres die 207 gemeldeten Lehrstellen suchenden jungen Menschen anschreibt und zu einer Ausbildungsplatzbörse bittet und von diesen 207 jungen Men

schen nur 15 zu dieser Veranstaltung kommen, dann reden wir hier über das klare erkennbare Problem, dass die Eltern sich offensichtlich nicht mehr um die Belange ihrer Kinder kümmern –