Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Gerster mag es an Fingerspitzengefühl und Diplomatie gefehlt haben.Das mag auch ein Grund sein,warum er gescheitert ist. Insofern trägt er sicherlich auch selbst Schuld.Aber trotzdem muss man doch die Frage nach der Arbeitsfähigkeit der derzeitigen Struktur von Vorstand und Verwaltungsrat stellen, und das muss erlaubt sein.

Die „Wirtschaftswoche“ schreibt, dass Gerster auch an den verquasten Strukturen der BA gescheitert ist. Die BA wurde als Sinnbild der Bewegungsunfähigkeit des deutschen Kooperatismus beschrieben. In der Tat ist die Frage erlaubt, ob ein Verwaltungsrat, der aus sieben Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und der öffentlichen Hand besteht, nicht letztlich auch ein Blockadeinstrument sein kann.

(Zuruf des Abg. Michael Denzin (FDP))

Machen wir uns doch nichts vor. Natürlich sind die Vertreterinnen und Vertreter in diesem Gremium auch Lobbyisten in eigener Sache. Der Kollege Boddenberg hat eben die Zahlen genannt. Zum Beispiel laufen doch über die Bildungsinstitute 22 Milliarden c für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen über den Tisch. Wenn man also von mehr Evaluation und Controlling spricht und wenn man Steuerungsinstrumente für all diese Bereiche einführen will, kann man doch sicher sein, dass das bei den Betroffenen nicht nur zu Freude führt.

Auch bei den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern fehlt doch ein Konsens darüber, dass wir in unserem Lande tatsächlich etwas für die Betroffenen verändern wollen – und eben nicht nur für die Lobbyistenvertreter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dieser Verantwortung – das sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich – kann sich Frau Engelen-Kefer genauso wenig davonschleichen wie Herr Kannegiesser, Herr Klever oder wie sie alle heißen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen in diesem Land einen Konsens darüber, dass wir tatsächlich für die betroffenen Arbeitslosen etwas ändern wollen. Dass das gelingen kann, haben die Strukturveränderungen der letzten zehn Jahre in Holland und Dänemark gezeigt. Das würde ich mir wünschen. Ich habe den Eindruck, dass Einzelinteressen hier immer

noch über dem Gemeininteresse stehen. Das muss beendet werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reform der Bundesanstalt, heute Bundesagentur, ist ein dringend notwendiger Schritt. Darüber sind sich zumindest alle einig. Aber es war inzwischen natürlich auch ein überfälliger Schritt,aus der Selbstbeschäftigung der Bundesanstalt wieder herauszukommen, die in den letzten zwei Jahren stattgefunden hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Dazu möchte ich sehr deutlich sagen:Die so genannten BLänder haben dazu im Bundesrat dezidierte Vorschläge vorgelegt, wie sie sich eine Reform und eine Stärkung der Landesarbeitsämter vorstellen und wie wir tatsächlich damit die Probleme vor Ort besser lösen können. Aber ich habe noch nirgends gesehen, dass sich etwas getan hat, dass etwa in den letzten zwei Jahren die Vermittler vor Ort mehr geworden wären und die Vermittlung vor Ort gestärkt worden wäre. Nein, vielmehr haben wir erlebt, dass sich die Bundesagentur auch durch die hausgemachten Probleme in der Führung mit sich selbst beschäftigt hat und dadurch der Reformprozess noch schwieriger geworden ist, als er ohnehin durch das Bestehen der unterschiedlichen Lager schon war.

Deswegen denke ich, dass es jetzt an der Zeit ist, natürlich auch weiterhin dafür zu sorgen, dass die Landesarbeitsämter gestärkt werden.Sehr geehrter Herr Rentsch,wenn Sie heute von deren „Zerschlagung“ sprechen, dann ist das das eine. Aber ich erinnere mich an die Debatte, die noch kein halbes Jahr her ist. Damals hat noch die FDP die Zerschlagung der Landesarbeitsämter gefordert.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

An dieser Stelle bitte ich Sie, eine Entscheidung zu treffen. Denn wir brauchen hier gestärkte Funktionen vor Ort, um dann tatsächlich vernünftig arbeiten zu können. Sie haben die Stichworte „Jobcenter“ und „Vermittlung von Langzeitarbeitslosen“ genannt. Wir wollen gerade nicht eine Bundesagentur, die dann als „Bundessozialamt“ zuständig ist, sondern wir wollen eine Stärkung vor Ort, um dort die geeigneten Strukturen aufzubauen.

Selbstbeschäftigung ist der falsche Weg. Wir werden nun hoffentlich aus der Selbstbeschäftigung herauskommen. Ich bin gespannt, ob es gelingt, eine entsprechende Führungspersönlichkeit zu finden, die in der Lage ist, diese Selbstbeschäftigung abzustellen, damit es tatsächlich um Vermittlung geht. Ich kann aber hier klar sagen, dass sich das Land Hessen die ganze Zeit dafür eingesetzt hat, dass wir vor Ort bündeln, stärken und das Ganze umsetzen können, dass wir kein „Bundessozialamt“ bekommen und tatsächlich in den Regionen die Probleme lösen können. Dazu werden wir auch jetzt bereit sein. Dazu war es ein überfälliger Schritt, aus der Selbstbeschäftigung der letzten zwei Jahre herauszukommen und nun endlich die Reformen einzuleiten, die dringend überfällig sind.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war es schon! Ihr müsst klatschen! – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen zum Punkt 36.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Kochs Flop beim Hessenpraktikum) – Drucks. 16/1816 –

Das Wort hat Frau Kollegin Fuhrmann.

(Zurufe von der CDU: Oh! Buh! – Gegenruf von der SPD:Was heißt denn das?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können heute klar feststellen: Sie haben bei dem Thema Ausbildungslosigkeit junger Menschen total versagt.

(Beifall bei der SPD)

Noch immer fehlen nach Aussage von Berufsschullehrerinnen und -lehrern 5.000 bis 6.000 Ausbildungsplätze für junge Menschen. Das sind ungefähr 12 %, die, statt in eine duale Ausbildung zu gehen, in einen vollschulischen Bildungsgang, z. B. ins Berufsgrundbildungsjahr, ins Berufsvorbereitungsjahr, in die Höhere Handelsschule usw. ausweichen. Sie landen damit zusätzlich in den beruflichen Schulen, obwohl sie eigentlich einen Ausbildungsplatz gesucht haben.

Meine Damen und Herren, was hat diese Landesregierung getan? Diese Landesregierung, der Wirtschaftsminister – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wenn Sie aufhören würden, so dumm dazwischenzublöken, Herr Kollege, wäre es schön.

(Beifall bei der SPD – Volker Hoff (CDU): Davon versteht sie etwas, von beidem! „Dumm“ und „blöken“ hat sie gesagt!)

Der Wirtschaftsminister hat sich landesweit informiert. Die Sozialministerin hat resolutioniert und für ein paar Arbeitsplätzchen in der Altenpflege gesorgt. Der Innenminister hat 500 Polizistinnen und Polizisten weniger ausgebildet, und die Staatskanzlei hatte eine Idee: das Hessenpraktikum.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege, es ist einfach unpassend, was Sie hier tun. Es geht um ein ernstes Thema, nämlich um die Zukunft von jungen Menschen. Regen Sie sich über Ihren eigenen Schlips auf.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg.Volker Hoff (CDU) und Clemens Reif (CDU))

Ich weiß schon, dass Ihnen das Thema sehr unangenehm ist. Einen solchen Flop zu produzieren ist unangenehm.

Die Staatskanzlei hatte die Idee eines Hessenpraktikums. Wir erinnern uns, der Ministerpräsident hatte 10.000 Ausbildungsplätze in Hessen – –

(Fortgesetzte Zurufe des Abg.Volker Hoff (CDU))

Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, in der Aktuellen Stunde etwas friedlicher miteinander umzugehen.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Herr Kollege Hoff, hören Sie mir doch bitte zu.

(Zurufe der Abg.Volker Hoff (CDU) und Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege Hoff und Herr Kollege Reif – das geht nicht auf die Redezeit –, ich bitte doch, wieder friedlich zu sein. Da ich sowohl die Zwischenrufe des Kollegen Hoff und des Kollegen Reif kenne, da ich ab und zu neben ihnen sitze, müsste ich eigentlich etwas dazu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Volker Hoff (CDU) und Clemens Reif (CDU))

Aber da ich sie hier nicht verstehe, weiß ich nicht, was sie gesagt haben. Deshalb bitte ich um etwas Ruhe,Aufmerksamkeit und Frieden. Frau Kollegin Fuhrmann hat das Wort.

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns.Versprochen hatte der – –

(Fortgesetzte Zurufe der Abg. Volker Hoff (CDU) und Clemens Reif (CDU))

Es ist wirklich unerträglich heute.

Meine Damen und Herren, es langt doch heute schon mit dem Wetter.

(Heiterkeit)