Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Die vom Westen kommenden Maschinen fliegen – man höre und staune – 400 bis 600 m seitlich des Kerns der Produktionsanlagen in einer Höhe von 75 bis 85 m in die neue Landebahn ein. Es sind also Vorbeiflüge und nicht, wie zurzeit, Überflüge.

(Alfons Gerling (CDU): Hört, hört!)

Beim Landeanflug handelt es sich um Flüge mit weniger Treibstoff als beim Start.

(Beifall des Abg.Alfons Gerling (CDU))

Ich schließe daraus, dass das Risiko im Bereich der Chemieanlage im Ausbaufall niedriger ist als im Istfall.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, das ist falsch! – Jürgen Walter (SPD): Das ist ein typischer Vorbeiflug am Thema!)

Ich muss sagen, dass es sich bei der zukünftigen Betrachtung auch noch um Präzisionsanflüge handeln muss, Herr Walter. Dies wurde uns von den Gutachtern im Ausschuss dargelegt. Was schließe ich daraus? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, die, die das Thema Schadenersatz usw. in die Diskussion gebracht haben, müssten bei Betrachtung des Risikos – wenn es Ihnen denn um das Risiko geht – heute schon handeln und heute schon dieses Unternehmen in einen Zustand bringen, bei dem dieses erhöhte Risiko des Überfliegens mit vollen Tanks von Flugzeugen in nahezu jeder Situation abgestellt wird.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wie peinlich!)

Das Werk Ticona müsste doch heute schon zu dem Ergebnis kommen,wenn es um das Risiko geht und nicht um Geld,dass heute schon eingebunkert und eingehaust wird, dass heute schon Aufbauten abgebaut werden, dass heute schon Hochregallager infrage gestellt werden, dass heute schon die Schornsteine infrage gestellt werden, dass heute schon Antennen nicht mehr da stehen dürfen, wo sie stehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht vermuten, aber ich will es zumindest in die Diskussion bringen, dass von interessierter Seite aus dem Unternehmen durchaus auch der Eindruck erweckt werden kann, dass hier von Sicherheit gesprochen wird, aber in Wirklichkeit Geld und Entschädigung gemeint werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren,das können wir Ticona so nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen:Wir stellen wie am Anfang fest, dass die zentralen Fragen bezüglich der Hindernisfreiheit und der Sicherheit mit wissenschaftlicher und sachkundiger Kenntnis bearbeitet und in Form von Gutachten, insbesondere der Gutachten des RWTÜV und des TÜV Rheinland-Pfalz, dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr vorgestellt wurden. Das war eindrucksvoll.

Wir sind der Auffassung, dass alle vier Gutachten einheitliche Wege aufgezeigt haben und dass sie – wenn man so will – die Nordwest-Landebahn mit dem Unternehmensstandort Ticona prinzipiell für vereinbar halten; denn das zukünftige Risiko ist weniger hoch als das derzeit bestehende.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist eine Lüge!)

Wenn Ticona das will, kann es mit den Genehmigungsbehörden zu einem Einvernehmen kommen.

Wir begrüßen, dass das bisherige Verfahren mit großer Transparenz und unter Beteiligung der Öffentlichkeit abgewickelt wurde.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Wir fordern von der Landesregierung, auf dem Wege der Transparenz und der Offenheit weiterzugehen, um den notwendigen Ausbau des Flughafens – in diesem Fall den Bau der Nordwest-Bahn – konsequent und nachhaltig voranzutreiben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Posch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausbau des Frankfurter Flughafens war im Hessischen Landtag immer wieder Gegenstand der Diskussion. Wir waren uns in der Vergangenheit eigentlich

darüber im Klaren, dass dieses Genehmigungsverfahren für den Ausbau des Frankfurter Flughafens die größte Herausforderung des Rechtsstaats ist, die wir in Hessen zu bestehen haben. Es gibt keine vergleichbare Situation in Hessen. Es gibt in ganz Deutschland, ja sogar in ganz Europa nicht die Situation, dass ein solches Großprojekt in einem derart sensiblen Umfeld realisiert werden soll.

Die ökonomische Bedeutung des Ausbaus des Frankfurter Flughafens, die Bedeutung der Arbeitsplätze für die Wirtschaftsregion Hessen und die wirtschaftliche Bedeutung für ganz Deutschland waren in der Vergangenheit unter den drei Fraktionen dieses Hauses unstreitig.

Herr Kollege Kaufmann, deswegen sage ich als Erstes: Wer das Ob des Ausbaus des Frankfurter Flughafens infrage stellt, ist nicht legitimiert, zu fragen, ob das Wie rechtsstaatlich durchgeführt wird oder nicht.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Das ist eine Unverschämtheit!)

Sie sind derjenige, der das Gutachten, nachdem es dem Ausschuss übersandt worden ist, in wesentlichen Teilen veröffentlicht und – darin hat der Kollege Reif völlig Recht – gleich seine Schlussfolgerungen daraus gezogen hat. Ihnen ist jedes Mittel recht, wenn es Ihnen in den politischen Kram passt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil ich in der Vergangenheit die Auffassung vertreten habe, dass es hier gar nicht mehr so sehr darum geht, zu sagen, der Ausbau sei wegen der wirtschaftlichen Bedeutung notwendig,sondern darum, wie dieses Verfahren durchgeführt wird. Wir alle sind immer der Versuchung ausgesetzt, politische Erklärungen und genehmigungsrechtliche Fragen zu vermischen. Das ist das Problem.

Wir haben es damit zu tun, dass die politische Diskussion und die Diskussion über das Genehmigungsrecht nebeneinander herlaufen. Das birgt eine unglaubliche Gefahr in sich; denn der Bürger im Land differenziert nicht nach dem Motto: Es gibt einen Genehmigungsminister, der hierfür entscheidend ist, und es gibt eine politische Diskussion im Hessischen Landtag.

Deshalb war ich immer der Auffassung, dass sich die Politik, wenn es darum geht, auf genehmigungsrechtliche Fragen Antworten zu geben, zurückhalten möge, weil sie der Versuchung ausgesetzt ist, Aussagen zu Sachverhalten zu machen, die in Wahrheit zunächst im Genehmigungsverfahren geprüft werden müssen, bevor zum Schluss über sie entschieden werden kann.

Meine Damen und Herren, ich habe das nicht zu kommentieren. Das wird an anderer Stelle geprüft werden müssen. Aber es geht dabei nicht um Vorfestlegungen oder um irgendeinen formalrechtlichen Akt. Es geht auch nicht um die Frage, ob das als minimal zu beurteilen ist.

Die Regelungen, die eine Genehmigungsbehörde verpflichten, sich während eines laufenden Verfahrens einer abschließenden Stellungnahme zu enthalten, haben einen Sinn. Sie haben nämlich den Sinn, dass der Bürger darauf vertrauen kann, dass ein transparentes und offenes Verfahren durchgeführt wird und dass die Entscheidung in der Tat erst am Schluss getroffen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der demokratische Staat ist so strukturiert, dass man auf der einen Seite das politische Wollen definiert und auf der anderen Seite ein rechtsstaatliches Verfahren zur Entscheidungsfindung anstrengt. Deswegen nehme ich die Diskussion, die sich aufgrund der Ticona-Problematik ergeben hat, noch einmal zum Anlass, um Ihnen zu versichern: Es muss in Zukunft gewährleistet sein, dass nicht einmal der Verdacht entsteht, es sei bereits eine Entscheidung getroffen.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich gibt es die politische Erklärung:Wir wollen erst einmal das Mediationsergebnis umsetzen. – Aber davor steht immer noch dieses Genehmigungsverfahren. Ich sage ganz deutlich:Wenn wir bei den Bürgern, die uns immer mehr misstrauen,Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen wir sicherstellen, dass nicht schon zwischendurch endgültige Lösungen genannt werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Mich treibt in der Tat die Sorge um, dass dies möglicherweise nicht gewährleistet ist, wenn die Differenzierung zwischen einer politischen Erklärung und einer genehmigungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nicht aufrechterhalten wird.

Wir haben in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht, dass es jetzt darum geht, zwei Verfahren abzuwickeln.Wir haben immer nur über das Planfeststellungsverfahren diskutiert.Ein genauso wichtiges – in der Situation,in der wir uns jetzt befinden, vielleicht sogar noch wichtigeres – Verfahren ist das Änderungsverfahren zum Landesentwicklungsplan.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Um die Regionalversammlung zu knüppeln!)

Das hat doch damit nichts zu tun. Herr Kaufmann, ich will Ihnen einmal etwas sagen: Das gehört in den Landesentwicklungsplan, weil der Flughafen Bedeutung für ganz Hessen hat, nicht nur für Südhessen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der SPD)

Tun Sie doch nicht so, als ob das nur ein taktisches Spielchen wäre. Die Landesregierung hat den Auftrag, dies im Landesentwicklungsplan zu klären. Man hätte das nicht machen müssen. Herr Kaufmann, das wissen Sie auch. Man hätte genauso gut sagen können: Im Planfeststellungsverfahren hat der Antragsteller Vorsorge zu treffen, dass dieses Problem mit Ticona gelöst wird.

Nein, die Landesregierung hat gesagt: Hier ist das Land über seinen Landesentwicklungsplan im Obligo. – Deswegen muss diese Frage mit der jetzt vorgegebenen Untersuchungstiefe durch eine entsprechende Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs bald abgearbeitet werden.

Herr Posch, kommen Sie bitte zum Ende.

Letzter Satz. – Wir sind bei unseren Bemühungen, diese Dinge auf den Weg zu bringen, zeitlich im Verzug. Deswegen appelliere ich noch einmal an Sie: Üben Sie ein klein wenig mehr Zurückhaltung in der politischen Be

wertung, und vertrauen Sie darauf, dass ein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Überhaupt kein Vertrauen!)

Als nächster Redner spricht Herr Wirtschaftsminister Rhiel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn der Debatte deutliche Worte sagen. Es geht um eine nüchterne Abwägung. Es geht nicht darum, Fiktionen aufzubauen und ihnen nachzujagen.

Es ist die oberste Priorität der Landesregierung, dass das Verfahren zum Ausbau des Flughafens offen, transparent und für alle nachvollziehbar durchgeführt wird. Das habe ich wiederholt erklärt. All das, was wir tun, beweist, dass diese Grundsätze eingehalten werden. Es gilt, dass es in Sicherheitsfragen keinen Rabatt gibt.

(Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)