Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Herr Kollege Bökel, ob Herr Minister Grüttner da ist oder nicht: Was hilft Sachverstand, wenn man sich für „Augen zu und durch“ entschieden hat? Herr Grüttner hat in der letzten Wahlperiode als parlamentarischer Geschäftsführer im Untersuchungsausschuss gesagt: Mehrheit ist Wahrheit. – Die Mehrheit kann beschließen, dass die Sonne scheint und dass alles schön ist. Das kann man zwar beschließen, aber die Menschen in diesem Land haben gemerkt, dass sie von der Landesregierung getäuscht und gedemütigt worden sind. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf: Ändern Sie Ihre Personalpolitik, reden Sie mit den Menschen über die vorhandenen Einsparpotenziale. Dann werden auch unpopuläre Maßnahmen mitgetragen. Wir sind bereit, diesen Weg zu begleiten, und fordern Sie daher zur Umkehr auf.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Dr. Lennert für die CDUFraktion das Wort. – Wenn es der Wahrheitsfindung dient, gebe ich bekannt, dass zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Finanzminister Weimar sprechen wird.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem größten Sparpaket in der hessischen Geschichte ziehen die Hessische Landesregierung und die CDU-Fraktion die Konsequenzen aus dem seit drei Jahren anhaltenden Nullwachstum in Deutschland mit seinen dramatischen Folgen für die öffentlichen Haushalte und auf die Einnahmesituation des hessischen Etats.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wieder die alten Textbausteine!)

Herr Frömmrich,das tut Ihnen weh,weil es die Wahrheit ist. Ich muss es aber immer und immer wieder sagen, weil genau das der Grund ist, weshalb alle diese Maßnahmen durchgeführt werden müssen.

Während die Gehälter in den letzten Jahren stetig anstiegen,sind wir auf der Einnahmeseite um fünf Jahre zurückgeworfen worden. Wir haben daher Entscheidungen treffen müssen, die uns sehr schwer gefallen und für die Betroffenen schmerzlich sind, die aber im Sinne der Zukunft unserer Kinder,um sie nicht über Gebühr mit Schulden zu belasten, notwendig sind und nunmehr zügig umgesetzt

werden. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Perspektivlosigkeit und Verunsicherung durch die Politik von Rot-Grün in Berlin in Jahresfrist kaum eine Verbesserung zu erwarten ist.

Da nun einmal die Personalkosten der mit Abstand größte Posten im Haushalt sind, führt angesichts der angespannten Haushaltslage und der negativen Prognosen kein Weg daran vorbei, Personalkosten einzusparen.

Mit dem Zukunftssicherungsgesetz ist ein transparentes Verfahren eingeleitet worden, das die angestrebte Personalentwicklung in den einzelnen Bereichen sowie die erwartete Personalkosteneinsparung aufzeigt. Gleichzeitig werden dem Personalabbau entsprechende Aufgabenkürzungen gegenübergestellt.

Erforderlich ist eine konsequente Reduzierung auf die verbleibenden Kernaufgaben,damit diese von handlungsfähigen Einheiten erledigt werden können. Prioritäten müssen gesetzt werden:Welche Aufgaben müssen weiterhin erfüllt werden? Welche Aufgaben können eingeschränkt wahrgenommen werden? Welche Aufgaben können in Gänze wegfallen? Wo können Privatisierungen und Verlagerungen mit Synergieeffekten für die Landesregierung vorgenommen werden? Organisatorische Veränderungen sind unerlässlich.

Dabei gibt es keine Änderung mehr, von der man sagen könnte, sie sei zwecks Einsparung ohne weiteres durchführbar.Wir sind schon lange an dem Punkt angelangt, an dem Sparen wehtut und wir auch wünschenswerte und sogar wichtige Maßnahmen nicht mehr fördern bzw. als Dienstleistungen erbringen können.

Deshalb wäre es auch völlig unsinnig, einen Aufgabenkatalog der öffentlichen Hand in Hessen, wie ihn der Kollege Rudolph fordert, als Maßstab und Regelgröße für den Personalbedarf heranzuziehen. Das ist einfach nicht praktikabel. Herr Rudolph, es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass irgendjemand in irgendeiner Behörde des Landes plötzlich auf die Idee kommt, das, was er macht, sei zukünftig entbehrlich. Das gehört in die Welt der Märchen, und selbst da ist es sehr unwahrscheinlich.

Nein, meine Damen und Herren, die Berliner Misere unter dem abgehalfterten SPD-Vorsitzenden Schröder hat Deutschland, was die Wirtschaftsentwicklung in Europa betrifft, zum Schlusslicht degradiert.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Unter diesen falschen Rahmenbedingungen sind wir zu der Fragestellung gezwungen:Welche Personalressourcen können wir uns in Hessen überhaupt noch leisten,und wie setzen wir sie zur Bewältigung der notwendigen Hoheitsund Verwaltungsaufgaben sowie der Dienstleistungen der öffentlichen Hand optimal ein? Dabei hat die Landesregierung in Wahrnehmung der Verantwortung für das vorhandene Personal festgelegt, dass die notwendigen Reduzierungen der Personalausgaben grundsätzlich nicht etwa durch betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden sollen, sondern dadurch, dass frei werdende Stellen nicht mehr von außen, sondern durch verwaltungsinterne Personalumsetzungen wieder besetzt werden.

Wenn sich das Land die Wahrnehmung einer Aufgabe nicht mehr leisten kann, heißt dies auf keinen Fall, dass der bisher damit beauftragte Mitarbeiter überflüssig ist. Die Opposition würde das gern so beschreiben, und die Interessengruppen aus Opposition und Gewerkschaften unterstellen das der Landesregierung natürlich. Aber ge

rade weil wir auch künftig gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter brauchen, gehen alle Bemühungen dahin, sie zu halten und ihrem Persönlichkeits- und Leistungsprofil entsprechend im öffentlichen Dienst einzusetzen.Schließlich sind wir dies auch dem gebeutelten Steuerzahler schuldig,dessen Obolus in die Aus- und Weiterbildung unserer Bediensteten investiert wurde.

Die Personalvermittlungsstelle ist hierfür die richtige Lösung. Nur dadurch, dass das persönliche Profil eines Mitarbeiters mit den Anforderungen einer frei gewordenen Stelle verglichen werden kann, ist eine für beide Seiten, nämlich für die Arbeitgeber und für die Arbeitnehmer, befriedigende Weiterbeschäftigung möglich. Anonym ist eine passgenaue Vermittlung nun einmal nicht zu machen. Herr Kollege Rudolph, ich halte es nicht für richtig, wenn Sie das Wort „zynisch“ verwenden, um die dafür nötigen persönlichen Gespräche zu beschreiben.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mobbing!)

Sie argumentieren damit nämlich auch gegen die Mitarbeiter, die diese persönlichen Gespräche führen. Ich gehe davon aus, dass sich die Abteilungsleiter, die damit beauftragt sind, alle Mühe geben werden, mit den Mitarbeitern in einem vertraulichen und menschlichen Gespräch die Problematik zu erörtern und die Chancen für die Zukunft zu beschreiben.

Ich kann verstehen, wenn die Mitarbeiter verunsichert sind, insbesondere dann, wenn die Opposition und die Personalvertretung ihre Zukunft in düsteren Farben malen.Das haben wir in der Rede des Kollegen Rudolph vorhin sehr deutlich gehört. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Hessen können aber das Selbstbewusstsein haben, dass sie auch in Zukunft für ihren wichtigen und notwendigen Dienst gebraucht werden.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Was denn nun?)

Mit einem neuen Aufgabenfeld erwachsen aus der Veränderung auch Chancen. Über die Personalvermittlungsstelle wird ein umfassendes Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen bereitgestellt. Auch der Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung ist möglich. Insbesondere ist auch vorgesehen, Beschäftigte für die Ausbildungslehrgänge der Laufbahn des mittleren Dienstes zu gewinnen.

Alle Veränderungen werden von einer intensiven persönlichen Beratung begleitet. Schulungsmaßnahmen werden konkret mit den Betroffenen abgestimmt. An der Stelle wird erneut deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns hier um Menschen und deren Persönlichkeit kümmern. Pläne mit anonymen Stellen – wie das die Opposition immer fordert – reichen nicht aus. Nein, die Landesregierung bemüht sich um jeden einzelnen Bediensteten, um ihn auch in Zukunft als motivierten Mitarbeiter einsetzen zu können.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Kümmern“ nennen Sie das? kw-Vermerke auf die Stirn heißt „kümmern“?)

Dies ist alles andere als Mobbing. Im Gegenteil, eine verantwortliche Personalpolitik kümmert sich um jeden einzelnen Mitarbeiter und um jede einzelne Mitarbeiterin und fordert sie.

Ich kann verstehen, dass die Opposition die Chancen für die Betroffenen und das Land nicht sehen will. Es ist ihr gutes Recht, die Risiken zu überzeichnen. Es geht aber

nicht, zu behaupten – wie es in einer Pressemeldung der SPD-Fraktion geschehen ist –, die der PVS, also der Personalvermittlungsstelle, gemeldeten Personen trügen ein „Kainsmal“.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist es doch!)

Ich will Ihnen zugute halten, dass Sie nicht wissen, was ein Kainsmal ist. Dieser Begriff ist aus der Bibel entlehnt: Moses 4, 1 bis 16.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach, tatsächlich?)

Kain erschlug seinen Bruder Abel aus Neid auf seine bevorzugte Stellung beim Gottesopfer. Damit Kain nicht als Brudermörder selbst erschlagen werde, machte Gott ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlage, der ihn finde,und um ihm eine Chance auf ein gewaltfreies Leben zu geben. Das Kainsmal heißt also, dass man das Zeichen einer Schuld trägt.

Meine Damen und Herren, mit der Verwendung dieses Begriffs haben Sie die Situation völlig überzeichnet. Mobbing bedeutet, systematisch Terror gegenüber einem Mitarbeiter auszuüben. Aber in einer Diskussion den Ausdruck „Kainsmal“ zu verwenden überschreitet die Grenzen des Erträglichen. Ich halte das für einen ungeheuerlichen Vergleich, den Sie meines Erachtens schleunigst von Ihrer Homepage tilgen sollten.

(Beifall bei der CDU)

Ich fordere also die Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf:Kommen Sie wenigstens etwas auf den Boden einer sachlichen Diskussion zurück. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen gerade Sie sagen, Herr Kollege!)

Als nächster Redner hat Herr Abg. von Hunnius für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Lennert, ich brauche keine 15 Minuten, um die Position der FDP-Fraktion zur PVS darzustellen. Ich hoffe, das ist auch im Sinne der Frau Präsidentin, denn wir sind mit der Tagesordnung etwas in Verzug.

Die PVS ist eine untaugliche Strategie für ein Ziel,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nämlich für das Ziel, Personal abzubauen. Dieses Ziel ist unerlässlich, und wir tragen das mit. Mit der PVS aber geht das beim allerbesten Willen nicht.

Das wärs eigentlich schon, aber lassen Sie mich noch einige Worte dazu sagen.

(Lachen des Abg. Michael Denzin (FDP))

„Unglücklich macht meist nicht das Was, sondern das Wie“ – das ist der Titel eines Buches, das vom Finanzministerium zur Vorbereitung der Personalgespräche empfohlen wird.

In diesem Falle ist es ein bisschen anders. In diesem Fall macht auch das Was unglücklich.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es, sehr richtig!)

Lassen Sie mich dazu einige Punkte auflisten.

Es macht unglücklich, dass die Landesregierung die Personaleinsparungen ohne jeden Hauch einer sachlichen Begründung auf die Ressorts aufgeteilt hat.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Brigitte Hof- meyer (SPD) – Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Das ist doch falsch!)

Herr Kollege Klein, wir haben wiederholt gefragt, wie die Zahlen zustande kommen. Die Antwort war immer die gleiche:Es ist eine politische Setzung.– Eine politische Setzung ist keine Begründung, sondern das ist die Ausrede für eine nicht vorhandene Begründung.