Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unruhe!)

lauteten die Schlagwörter „Politik der ruhigen Hand“, New Economy, Schröder-Blair-Papier. Immer wieder versuchte der linke Flügel der SPD, wenn es um mehr Flexibilität und um mehr Öffnung ging, die Regierung und ihre zaghaften Ansätze abzubremsen.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Die Blockierer!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,das alles wurde von erlesenen französischen Weinen, von hochpreisigen kubanischen Havannazigarren,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

exklusiven Anzügen von Armani und Brioni begleitet. – Das ist das Einzige, was Ihre bisherige Wirtschaftspolitik ausgezeichnet hat. Leere Hülsen und nichts anderes.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind die wandelnde leere Hülse! – Weitere Zurufe der Abg. Martin Häusling und Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Al-Wazir, heute Morgen lesen wir, dass der Bundeskanzler nunmehr vorgeschlagen hat, einen Superkommissar für Industriepolitik bei der EU zu institutionalisieren. Das soll ein Deutscher sein – eine nächste Versprechung, auch die wird schief gehen.

(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Lachen der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihre persönliche Handlungsunfähigkeit liegt darin,dass es in ebenfalls links regierten europäischen Ländern offenbar anders und besser geht. Es geht besser als in Deutschland im Labour-regierten Großbritannien. Dort hat man für das Jahr 2004 ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 2,5 %, die Arbeitslosigkeit befand sich im Jahr 2003 auf einem Rekordtief von 5 %. Im Vergleich dazu: Das Hoch der Arbeitslosigkeit lag in Großbritannien in den Neunzigerjahren bei 10 %.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Worüber reden Sie eigentlich? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hessen!)

Dänemark ist ebenfalls von Sozialdemokraten regiert. Dort gibt es ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Glück hören viele hessische Arbeitslose nicht, was Sie hier sagen!)

hören Sie es sich nur an – von 2,6 %. Die Arbeitslosigkeit, die in den Neunzigerjahren bei knapp 10 % lag, ist mittlerweile auf 5,6 % gesunken. Das seit Jahrzehnten von Sozialdemokraten regierte Schweden hat ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 2,8 %. Die Arbeitslosenquote liegt 2003 bei schlappen 5,6 %. Im Vergleich dazu war das Hoch der Arbeitslosigkeit in Schweden in den Neunzigerjahren auch bei 9,9 %, also 10 %.

Eine ähnliche Situation gibt es in Belgien, in den Niederlanden und in Irland. Die Arbeitslosigkeit konnte in all diesen Ländern mit sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung deutlich gesenkt werden – ganz im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland.

In Deutschland beträgt die Arbeitslosigkeit nach der europäischen Vergleichstabelle im Jahr 2003 immer noch 9,3 %, bei steigender Tendenz, während es in Europa mit der Arbeitslosigkeit abwärts geht.

(Hildegard Pfaff (SPD): Wie sieht es denn in Hessen aus? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hessen!)

Die Arbeitslosigkeit sinkt also, und in manchen europäischen Ländern besteht mittlerweile Vollbeschäftigung. Während Deutschland in den Neunzigerjahren unter Helmut Kohl die Wachstumslokomotive der Europäischen Gemeinschaft gewesen ist, haben wir mittlerweile die rote Laterne bekommen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir reihen uns ein nach Portugal und streiten uns darum, wer nun der Letzte ist. Dies ist eine Schmäh und Schande, insbesondere auch für den deutschen Arbeitnehmer, der in den letzten 50 Jahren mit dafür gesorgt hat, wo wir heute stehen und wo wir in der Bundesrepublik eigentlich unseren Platz haben müssten.

Herr Kollege, Sie müssten langsam zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren,ich komme zum Schluss.– Das DIW-Institut hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum bereits von 1,7 % auf 1,5 % zurückgeschraubt, und zwar nur deshalb, weil wir im Jahr 2004 vier Feiertage weniger haben, Weihnachten auf ein Wochenende fällt und der 29. Februar als zusätzlicher Arbeitstag dazu kommt. Dabei handelt es sich um einen Anteil von mindestens 0,5 %.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist auch bewiesen, dass mehr Arbeit auch zu mehr Wachstum führt und nicht unbedingt immer nur mehr Wachstum mehr Arbeit bedeutet. Beide Gleichungen sind richtig.

Wir werden in Hessen auf dem begonnenen Weg mit Roland Koch und mit unserem Wirtschaftsminister weiter fortschreiten. Wir werden Hessen weiter zu einem Land machen, in dem neue Technologien unvoreingenommen ihren Platz haben. Unternehmen, die sich in diesem Land gründen wollen und die sich fortentwickeln wollen, werden wir nach allen Kräften unterstützen. – Arbeiten für unser Hessen, klarer Kurs auf festem Grund, mit dieser Landesregierung, mit Roland Koch und mit unserem Wirtschaftsminister, Dr.Alois Rhiel. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Reif. – Das Wort hat der Wirtschaftsminister, Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte am heutigen Tag – es liegen immerhin vier Anträge zugrunde – ist,was die Initiativen angeht,der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik Deutschland angemessen.Das,was wir in der Debatte insbesondere seitens der Opposition erlebt haben,war wenig dazu angetan, einen ernsthaften Beitrag zu leisten.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es geht Ihnen bei diesem Thema offenbar bereits die Puste aus. Ich habe inzwischen auch gelernt, dass Sie dann, wenn Sie inhaltlich wenig zu sagen haben, persönlich werden.Aber das trifft mich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Die Mitglieder dieser Landesregierung, und somit auch ich, haben den festen Willen und beweisen es tagtäglich in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich, dass sie ihren

Beitrag erbringen, um das Land Hessen im Interesse der Menschen nach vorne zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere Sie von Rot-Grün, es war heute Morgen so deutlich zu spüren wie noch nie bei diesem Thema, dass Ihnen die Luft ausgeht. Das war unter zweierlei Aspekten zu bemerken. Zum einen, weil Sie spüren und erleben und jeden Morgen in den Zeitungen nachlesen können, wie die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung inzwischen an den Rand gerät.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Wir alle konnten erleben, wie Sie sich unter dem Absingen alter sozialistischer Thesen in die Wärmestuben begeben haben, um zum Rückzug zu blasen, damit Sie sich nach dem Ende der Übernahme der Regierungsverantwortung in Berlin dort wieder wärmen können. Denn mit dem, was wir an kraftvoller Wirtschaftspolitik in diesem Land zu erwarten hatten, ist es nichts mehr.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie reden von Hessen?)

Das personifizierte Symbol dafür ist Wirtschaftsminister Clement. Bleibt er, oder bleibt er nicht?

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem alles, was er an sinnvollen Vorschlägen gemacht hat, inzwischen abgewürgt ist, weil die Bundesregierung alle Reformanstrengungen abgeblasen hat, die notwendig wären, fühlen sich die Menschen in diesem Lande von Ihnen nicht mehr vertreten. Das sind die Fakten. Wenn wir heute Morgen in der Zeitung lesen, dass ein bedeutendes Werk wie die Schott Glaswerke in Mainz erklärt, es werde in den Standort Deutschland nicht mehr investieren, sondern die Produktion nach Tschechien verlagern, dann ist das ein Beispiel von vielen, ein Beispiel dafür, dass der Exodus der Wirtschaftsunternehmen aus unserem Land anhält und dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, diese Entwicklung zu stoppen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Das hat in der Tat Konsequenzen für ganz Deutschland und damit natürlich auch für das Bundesland Hessen. Deswegen ist es gut, dass wir heute darüber sprechen, obwohl das nicht in Ihrem Sinne ist, denn Sie müssen einen Bumerangeffekt befürchten.

(Zuruf von der SPD:Aber nicht von Ihnen!)

Es ist wichtig, deutlich zu machen, wo die Ursachen liegen. Sie liegen nicht nur in der Vergangenheit, nicht allein in den letzten vier Jahren. Das haben wir hinter uns, aber die Konsequenzen haben wir zu tragen. Die Bundesregierung hat daraus nichts gelernt. Das Schlimme ist, dass sie jetzt neue Folterinstrumente auspackt, um die Wirtschaft zu verschrecken und vor den Kopf zu stoßen. Die Ausbildungsplatzabgabe – ein neues Bürokratiemonster – wird z. B. dafür sorgen, dass nicht mehr, sondern weniger Ausbildung stattfindet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Die Erbschaftsteuer wird wieder ins Gespräch gebracht und als Zielsetzung formuliert. In vielen mittelständischen Unternehmen fragt man sich – das wissen wir aus Gesprächen vor Ort, insbesondere mit Vertretern des Handwerks –: Was hat das für Konsequenzen für die Be

triebsübergänge? – Die Unternehmer resignieren und schaffen keine Arbeitsplätze mehr.

Ein anderes Beispiel: Schauen wir uns das an, was wir aus dem Verantwortungsbereich von Herrn Trittin hören. Der Crashkurs der vergangenen Jahre wird fortgesetzt – mit all den negativen Konsequenzen für die Wirtschaft.

So kommt es nicht von ungefähr, dass die Verunsicherung dazu führt, dass sowohl bei den Investitionen in die Wirtschaft als auch beim privaten Konsum beinahe Stillstand herrscht. Keine andere Branche spürt das derzeit so schmerzhaft wie die Automobilindustrie. Die Auftragsbestände sind auf einem Niedrigstniveau. Das Durchschnittsalter der PKW ist so hoch, wie es in der Bundesrepublik noch nie der Fall war.

Was wäre in Hessen möglich, wenn es diese Bundesregierung nicht gäbe. Könnte unsere Wirtschaft nach wie vor prosperieren? Das erleben wir ganz unmittelbar bei den Aufgaben, in denen das Land vom Bund Verantwortung übertragen bekommen hat und diese Verantwortung gerne wahrnimmt. Herr Reif hat eben darauf hingewiesen, was das Mautdebakel bedeutet. Wir führen ständig Gespräche mit den Kommunen und mit weiteren Interessierten darüber, wie die Bundesstraßen und die Bundesautobahnen in Hessen vorangebracht werden können. Wir können aber die Wünsche deshalb nicht erfüllen, weil im Bundeshaushalt die Mittel so zusammengestrichen worden sind, dass noch nicht einmal die dringend notwendigen Maßnahmen durchgeführt werden können, wie ich bereits gestern sagte. Diese Problematik führen Sie in anderen Bereichen fort.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pfaff von der SPD-Fraktion?

Ich möchte jetzt erst einmal weiter vortragen. Vielleicht können Sie die Frage am Ende stellen, wenn die Zeit noch reicht.