Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abg. Kahl, Sie haben vollkommen Recht. Ich habe als Mitglied der Enquetekommission deutlich darauf hingewiesen,dass das Fragerecht des Parlamentes ein hohes Recht ist. Da gibt es bei mir auch keinen Bewusstseinswandel. Alle, quer durch die verschiedenen Fraktionen, haben die Erfahrung gemacht, dass die Beantwortung nicht immer fristgerecht erfolgen kann. Ich habe dann den Verfahrensvorschlag gemacht, dass man dies zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte machen können sollte. Das bezog sich aber auf den jeweiligen Inhalt der Fragestellung und nicht auf eine pauschale Beurteilung. Dazu stehe ich nach wie vor. Ich habe den Vorschlag unterbreitet, dies in der Geschäftsordnung entsprechend zu verankern. So fand das dann auch Eingang in den Schlussbericht der Enquetekommission. – Ich wollte das nur sagen, damit man das weiß. Dazu stehe ich auch nach wie vor.
Der Antrag ist ein Stück weit ein Ritual. Es geht dabei nämlich auch um die Richtung, aus der man das jeweils sieht. Es ist schon viele Jahre her, dass auch die CDUFraktion sich in der Situation befand,in der Opposition zu sein. Damals hat sie diese Debatte auch geführt. Damals trat der Chef der Staatskanzlei einer anderen Regierung hierhin und sagte: Man muss bei solchen Fragestellungen richtig recherchieren. – Ich habe deshalb auch recherchiert und nehme das für mich jetzt genauso in Anspruch.
Ja,das ist so.– Die Großen Anfragen zur Kofinanzierung der Europäischen Strukturfonds und zu den ständischen Versorgungswerken in Hessen wurden beantwortet. Diese beiden wurden beantwortet. Dies entspricht einer Quote von 29 %. Im gleichen Zeitraum der letzten Regierung, die in der Verantwortung der SPD stand, wurde von den fünf Großen Anfragen der CDU-Fraktion eine beantwortet. Dies sind nur 20 %.
Insofern stehen wir schon einmal um fast 10 Prozentpunkte besser da als die SPD-geführte Landesregierung in der Zeit, als sie die Fragen beantworten musste.
Bei den Kleinen Anfragen fängt es an,ein Stück weit ernster zu werden.Das will ich dann auch sagen.Da ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild. Hier hat die SPD-Fraktion, und zwar insbesondere die SPD-Fraktion, jeweils dutzendfach wortgleiche Kleine Anfragen zu verschiedenen Sparmaßnahmen der Landesregierung gestellt.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war nur die SPD-Fraktion! – Nicola Beer (FDP): Ja, das war nur die SPD-Fraktion!)
Diese Kleinen Anfragen erfordern ausnahmslos umfangreiche und langwierige Erhebungen und Bearbeitungen. Ich möchte ein Beispiel erwähnen.
Es gibt 58 wortgleiche Kleine Anfragen zu angeblichen Beeinträchtigungen der Rechtspflege durch die Sparmaßnahmen der Landesregierung. Sie weisen jeweils 44 Fragen auf,die sich auf die jeweiligen Amtsgerichte in Hessen beziehen. Summa summarum ergeben sich durch diese 58 Kleinen Anfragen 2.552 Fragen für den Justizbereich. Da Sie diese Fragen gestellt haben, werden wir sie auch gewissenhaft beantworten. Darauf haben Sie ein Recht. Aber das braucht seine Zeit. Denn man kann nicht Antworten auf 2.552 Fragen aus der Hand schütteln.Das muss dann nämlich auch ordentlich recherchiert werden.
Dutzendweise wurden auch so genannte Kleine Anfragen von Abgeordneten der SPD zu möglichen Auswirkungen der Einsparmaßnahmen in der Forstverwaltung gestellt. Dort sind es 25 wortgleiche Kleine Anfragen. Dabei geht es um 15 Fragen, die sich jeweils auf verschiedene Forstämter beziehen. Da sind es also 375 Fragen.
Zum Stellenabbau bei Schulen gibt es 15 wortgleiche Kleine Anfragen, die sich auf verschiedene Landkreise beziehen. Ebenso wurden auch Kleine Anfragen zu fast allen Bereichen der Landesverwaltung gestellt.
An dieser Stelle will ich beispielhaft auf eine Kleine Anfrage eingehen. Ich sage das nur, damit man weiß, was das im Grund genommen bedeutet. Ich möchte dabei auf die Kleine Anfrage der Abg. Faeser, Frankenberger, Hofmann und Dr. Reuter (SPD) betreffend Situation juristischer Berufe eingehen. In dieser so genannten Kleinen Anfrage werden der Landesregierung insgesamt 31 Fragen gestellt.
Wie viele Personen mit einer juristischen Ausbildung werden in der freien – sonstigen – Wirtschaft in Hessen (so z. B. Versicherungen, Banken, Ver- bände, Industriebetriebe etc.) beschäftigt?
Ich komme jetzt auf die Frage 10 a der Kleinen Anfrage der Abg.Faeser,Frankenberger,Hofmann und Dr.Reuter zu sprechen. Mit der Frage 10 a wird die Landesregierung gefragt:
Wie viele Personen mit einer juristischen Ausbildung werden vom Bund (so z. B. Bundesbank, KfW, andere Bundesämter) in Hessen beschäftigt?
Liegt der Landesregierung eine Schätzung oder eine Statistik vor, wie hoch der mit ihrer Tätigkeit verbundene Anteil am Bruttosozialprodukt des Landes Hessen ist?
Insofern bestreite ich überhaupt nicht das Fragerecht der Abgeordneten. Sie haben ein Recht auf eine ordentliche Antwort.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da muss man nur mit Ja oder Nein antworten! – Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))
Aber Sie müssen auch verstehen, dass manche Kleine Anfrage nicht innerhalb einer entsprechenden Frist beantwortet werden kann.
Die spannendste Frage ist natürlich, dass mir immer noch niemand erklären kann, wie eine Regierung diese 31 Fragen in der von der Geschäftsordnung vorgesehenen Frist von sechs Wochen überhaupt beantworten soll, wie das überhaupt möglich ist. Dabei haben wir uns noch nicht einmal darauf verständigt, was wir unter „juristische Berufe“ verstehen. Ist damit der Volljurist gemeint? Oder ist
auch derjenige gemeint, der möglicherweise nur das erste Staatsexamen hat und dann in einem juristischen Beruf, z. B. als Prokurist, in der freien Wirtschaft oder sonstigen Wirtschaft arbeitet. Wir haben auch ein Problem, zu definieren, was „sonstige Wirtschaft“ ist. Das bedarf entsprechender Nachfragen und Erhebungen. Aber das ist die Qualität der Kleinen Anfragen, deren Beantwortung die SPD-Fraktion anfordert.
Sie sollen... so gehalten sein, dass sie von der Landesregierung in kurzer Form beantwortet werden können.
Ich habe aus diesem Grunde bereits vor einiger Zeit den Präsidenten des Hessischen Landtags angeschrieben und darauf hingewiesen. Der Präsident hat mir mit Schreiben vom 22. Januar 2004 geantwortet. Er hat gesagt, dass er im Hinblick auf die Anzahl der Kleinen Anfragen bereits in einer Geschäftsführerbesprechung eine entsprechende Anmerkung gemacht habe und er sich an die Fraktionen im Hinblick auf die Tatsache gewandt habe, dass Kleine Anfragen in einer großen Menge mit gleicher Fragestellung für alle Landkreise in Hessen auf die Landtagsverwaltung zukämen, was eine erhebliche Erschwernis in der Bearbeitung vor dem Hintergrund der sehr dünnen Personaldecke der Landtagsverwaltung sei.
Ich kann nur sagen: Es ist genauso schwer, diese Fragen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung beantworten zu lassen, weil Sie schließlich ein Anrecht auf gewissenhafte Antworten haben.
Insofern liegt es mir wirklich fern, die legitimen Auskunftsrechte der Abgeordneten des Hessischen Landtags in irgendeiner Form infrage zu stellen, aber sie korrespondieren nach meiner Auffassung auch mit der Pflicht der Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktion und Arbeitsfähigkeit der Landesregierung.
Dies ist auch gängige Rechtsprechung. Vor dem Hintergrund werden wir dort, wo wir nicht fristgerecht antworten können, entsprechend Fristverlängerung beantragen.
Aber ich meine, es tut manchmal ganz gut – ich erinnere an die 2.552 Fragen zum Justizbereich –, vielleicht auch zu überlegen, ob es tatsächlich Auskunftswünsche sind oder ob mit solchen Fragen andere Intentionen verbunden sind. Dann müssen wir auf einer anderen Ebene diskutieren, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Parlamentsrechte. – Vielen Dank.
(Volker Hoff (CDU): Jetzt kommt der Lordsiegelbewahrer der chemischen Industrie mit einer Kleinen Anfrage!)