Protokoll der Sitzung vom 13.06.2004

(Beifall bei der FDP)

Es gibt einfach eine Rückbesinnung. Das sage ich – gemeinsam mit Ruth Wagner – sowohl für die FDP in diesem Hause als auch für die FDP in diesem Lande sehr ernst von dieser Stelle aus: Herr Koch, Herr Dr. Jung, meine Damen und Herren von der Union, besinnen Sie sich wieder auf die drei Schwerpunkte, die das Markenzeichen der Regierung von CDU und FDP von 1999 bis 2003 waren.Verzetteln Sie sich nicht, sondern wenden Sie sich wieder diesen Schwerpunkten zu. Aber setzen Sie diese Schwerpunkte auch um.

(Beifall bei der FDP)

Diese drei Schwerpunkte heißen erstens innere Sicherheit, zweitens Wirtschafts- und Verkehrspolitik und drittens Bildung. Mit den Entscheidungen, die Sie in den letzten Wochen getroffen haben – ich komme gleich darauf zurück –, haben Sie sich von allen drei Schwerpunktthemen, deren Behandlung die Qualität und den Erfolg der Regierung unter Roland Koch und Ruth Wagner ausgemacht hat, verabschiedet.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben keine vernünftige Politik der inneren Sicherheit mehr.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Gehen Sie hinaus, und sprechen Sie mit den Polizeipräsidenten, mit den Gewerkschaftsführern sowie mit den Männern und Frauen, die die Polizeiarbeit machen.Allein die Umsetzung der „Operation sichere Zukunft“, wie sie von der Propagandaabteilung der Staatskanzlei dauernd verkündet wird, ist so dilettantisch gehandhabt worden, dass wir einen riesigen Frust in der Truppe haben. Die innere Sicherheit steht auf der Agenda der Union eben nicht mehr ganz oben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zur Wirtschaftspolitik. Das war ein Schwung in unserem Land, als wir 1999 gemeinsam angetreten sind,

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

als wir den Straßenbau nach vorne gebracht und uns die Entrümpelung der Gesetze und Verordnungen vorgenommen haben. Dieter Posch gab ein Beispiel dafür, dass man Wirtschaftspolitik mit Augenmaß sowie mit Sachverstand und Fingerspitzengefühl machen kann. Ich be

dauere sehr,dass dieses Markenzeichen der gemeinsamen bürgerlich-liberalen Politik in den Jahren von 1999 bis 2003 nicht mehr das Markenzeichen der konservativen Politik der Union in diesem Lande ist.

(Beifall bei der FDP)

Gerade was den dritten Schwerpunkt, nämlich die Bildung, anbetrifft, waren die Ausführungen des Kollegen Dr. Jung für jeden Zuhörer sehr erkenntnisreich: Herr Kollege Dr. Jung, als wir im Jahr 1999 gemeinsam angetreten sind – darauf bezog sich der Zwischenruf von Ruth Wagner –, befanden wir uns in der Situation, dass aufgrund der Politik von Rot-Grün 100.000 Unterrichtsstunden nicht abgedeckt waren. Wir haben uns an die Arbeit gemacht und die Ärmel hochgekrempelt.Wir haben es gemeinsam geschafft – unter der Verantwortung von Union und FDP –, dass es keinen Unterrichtsausfall in diesem Land mehr gab.

Was machen Sie heute? Mein Sohn und seine Schulkameraden freuen sich. Ich aber finde es sehr ärgerlich, dass wieder Unterrichtsstunden ausfallen und dass der Fachunterricht zurzeit nicht richtig erteilt werden kann, weil Sie bei der Umsetzung Ihres Vorhabens, also bei der Verlängerung der Arbeitszeit, sehr dilettantisch vorgegangen sind. Auch indem Sie den Hochschulpakt aufgekündigt haben – das haben Sie doch –, haben Sie sich von dem Schwerpunkt Bildung verabschiedet.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, das ist das Problem in diesem Land. Ganz offensichtlich handelt es sich dabei auch um ein Problem des Verstehens. Für die Arbeit einer Verkaufsabteilung finde ich es wichtig, dass man immer wieder sagt, man sei gut. Das kann man ja auch sagen, weil es ein subjektives Gefühl ist. Aber ich halte es für ein bisschen dreist, wenn Sie immer wieder erklären, Ihre Politik sei alternativlos. Sie ist es nicht.

Die FDP hat entsprechende Vorschläge unterbreitet. Wir haben sie in unserem Antrag kurz zusammengefasst, damit dokumentiert wird, dass es eine Alternative zu dieser Regierungsarbeit gibt, eine Alternative, die ich mit den Worten „Eine bürgerlich-liberale Politik für ein tolerantes Land – ohne Schulden in die Zukunft“ umschreiben möchte. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Der wichtigste Teil – um alles wieder auf die Reihe zu bekommen – ist der Haushalt. Tun Sie mir bitte den Gefallen, den Bürgern in diesem Lande nicht mehr zu erzählen, dass Sie eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik mit dem Ziel machen, dass unsere Kinder und Enkel künftig weniger Schulden zahlen müssen. Sie sind diejenigen, die mit einer Mehrheit von 56 Stimmen in diesem Hause einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt haben. Sie leben auf Kosten unserer Kinder und Enkel.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie haben es zu verantworten, dass in diesem Jahr – mit dem Haushalt 2004 und dem Nachtragshaushalt 2003 – knapp 2 Milliarden c Schulden mehr aufgenommen werden müssen. Herr Boddenberg, das, was die CDU an dieser Stelle macht,ist unverantwortlich.Das müssen Sie sich auch sagen lassen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Dabei könnten Sie andere Konzepte haben. Sie könnten das fortsetzen, was wir in unserer gemeinsamen Regierungszeit begonnen haben, nämlich den Aufbau einer effektiven Verwaltung.

Aufgabenkritik ist nun einmal der Schlüssel für die Aufstellung eines soliden Haushalts. Aufgabenkritik ist die Grundlage dafür.Deshalb ist es falsch,wie Sie an die Festlegung der einzusparenden Stellen herangegangen sind. Sie haben doch nicht pro Ressort eine Aufgabenkritik gemacht, um dann auf dieser Grundlage festzustellen, dass in einem Ressort – ich nenne einmal eine fiktive Zahl – 1.200 Stellen abgebaut werden müssen. Vielmehr haben Sie ein Zahlenspiel organisiert und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass 1.200 Stellen abgebaut werden müssen. Erst dann – wenn überhaupt – begann in den einzelnen Ministerien die Aufgabenkritik.

So macht man keine vernünftige Politik. So haben wir in den gemeinsamen Jahren unserer Regierungsarbeit keine Politik gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberalen fordern Sie auf, unverzüglich ein mittelfristiges Konzept zur Haushaltssanierung vorzulegen,

(Beifall bei der FDP)

ein Konzept, das sich nicht mit den Worten „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ umschreiben lässt, sondern in dem im Anschluss an die Aufgabenkritik steht, wie Sie zu einer strukturellen Gesundung der Finanzen unseres Landes kommen wollen.

Dazu gehören ein Behördenkataster, ein Beteiligungskonzept und der Verkauf von Landesanteilen. All diese Maßnahmen dürfen nicht sprunghaft erfolgen, sondern das muss auf der Grundlage eines Konzepts geschehen.

Meine Damen und Herren, unser Haushalt ist an die Wand gefahren worden. Sie haben es zu verantworten, dass er bereits bei der Aufstellung verfassungswidrig war. Deshalb können Sie nicht so tun,als ob Sie dort nicht handeln müssten. Aber bitte handeln Sie nicht nach dem Motto „Ein bisschen hier, ein bisschen dort“, sondern auf der Grundlage eines Konzepts. Wir müssen im Haushalt dieses Landes mittelfristig mehrere Milliarden c einsparen. Das kann man nicht, indem man z. B. den durch den Verkauf des Gebäudes des Polizeipräsidiums in Frankfurt erzielten Erlös jedes Jahr wieder als Einnahmeposition in den Haushalt schreibt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das haben Sie auch gemacht! Sie haben vier Jahre lang mitgemacht! Jetzt wird es arg!)

Nein, dazu gibt es Alternativen. Zum Beispiel kann eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft werden. Alle Klugen in diesem Saal – mit „klug“ meine ich diejenigen, die sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt haben; das sollte keine Abwertung sein – wissen, dass es ein entsprechendes Angebot und Interessenten gibt, die die Wohnungsbaugesellschaft übernehmen wollen, und zwar zu angemessenen Beträgen.

Zum Verkauf der Anteile an der Messe Frankfurt. Es hat mich – das gebe ich offen zu – schon während unserer Regierungszeit geärgert, dass die Frankfurter hierbei immer blockiert haben.

(Beifall bei der FDP – Nicola Beer (FDP): Frau Roth hat blockiert!)

Alle, die an den Montagabenden dabei waren, wissen, dass ich immer wieder gefragt habe:Warum lassen wir uns von den Frankfurtern in manchen Bereichen immer wieder abzocken, statt auf der anderen Seite Gegengeschäfte zu machen? Ein Gegengeschäft wäre gewesen, dass sich die Stadt Frankfurt bereit erklärt hätte, das Land Hessen aus der Anteilseignerschaft der Gesellschafterstellung der Messe Frankfurt zu entlassen. Jetzt, da wir über Sparkassen und andere Themen in Frankfurt diskutieren, ist es an der Zeit.

Kollege Jung hatte Recht, als er mir gestern über seinen Ärger bei der Vorstellung der Eintracht Frankfurt berichtete.Am Montagabend – in der Börse war es wohl – wurde über all das berichtet, was die Stadt Frankfurt für die Eintracht und für das neue Stadion macht.

Nur: Dass das Land Hessen 20 Millionen c zur Verfügung stellt, wurde geflissentlich vergessen. So gehen offensichtlich die Frankfurter – und zwar über alle Parteigrenzen hinweg – in gemeinsamer Frontlage mit uns um. „So sind sie“, hat eben jemand gerufen.

(Heiterkeit)

So gehen sie mit uns um. Wir müssen uns das aber nicht gefallen lassen. Das gehört zu dem umfassenden und strukturierten Konzept, das wir von dieser Landesregierung erwarten.

Es muss eine Mittelstandsoffensive her. Die Entrümpelung von Gesetzen und Verordnungen, mit der Dieter Posch in der letzten Legislaturperiode begonnen hat, muss intensiv weitergeführt werden. Wir müssen für den Mittelstand Freiräume schaffen. Dazu gehört z. B., den Umfang der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen zurückzudrängen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hat hierzu einen Gesetzentwurf eingebracht. Er hat die Unterstützung der Kammern bekommen. Wir haben ihn aber gegen den Willen der Kommunalen Spitzenverbände eingebracht. Das will ich hier gar nicht verheimlichen. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt worden. Nun erkenne ich in dem Referentenentwurf, den uns das Innenministerium zur Verfügung gestellt hat, dass Sie einen Großteil der Ideen der FDP jetzt selbst einbringen und umsetzen wollen. Gehen wir daran, dem Mittelstand die Fesseln abzunehmen,damit er wieder in der Lage ist,trotz der grottenschlechten Finanz- und Wirtschaftspolitik, die in Berlin gemacht wird, hier in Hessen Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu erhalten. Vor Jahren hätte ich noch gesagt: Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen. Nein, das wird der Mittelstand zurzeit nicht leisten können, weil die grottenschlechte Finanzpolitik, die in Berlin gemacht wird, eine ganz, ganz große Belastung ist.

Ein weiteres Stichwort: Flughafenausbau. Die Liberalen waren die Ersten, die als Partei einen Flughafenausbau gefordert haben. Dieter Posch war der erste Abgeordnete des Hessischen Landtags, der von diesem Pult aus den Ausbau des Frankfurter Flughafens thematisiert hat. – Herr Rhiel, der hessische Wirtschaftsminister ist gut beraten, während meiner Rede nicht zu telefonieren, sondern auch einmal einem Redner der Opposition zuzuhören. Herr Rhiel, was Sie im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren getan haben, war höchst dilettantisch. Ich hoffe, dass es keine rechtlichen Auswirkungen auf den Ausbau hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Minister Dr.Alois Rhiel: Das werden wir am Ende sehen!)

Herr Kollege Hahn, die Redezeit ist zu Ende.

Das war höchst dilettantisch. Herr Rhiel, ich hoffe, dass die Bewertung dieses Vorgangs, die alle ernst zu nehmenden Juristen der Ministerien teilen,am Ende falsch ist und Ihre Bemerkung nicht dazu führt, dass dem für die Genehmigung zuständigen Minister Parteilichkeit unterstellt wird.Wir Liberale wollen den Ausbau des Flughafens.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Deshalb sage ich Ihnen: Handeln Sie bitte mit der notwendigen Gelassenheit, die Ihnen offensichtlich im Augenblick fehlt. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist die wichtigste politische Aufgabe, die dieses Haus in den nächsten Jahren zu bewältigen hat.