Protokoll der Sitzung vom 25.03.2004

Meine Damen und Herren, das sind wir den jungen Menschen einfach schuldig. Hier so verlogen gegen die Ausbildungsplatzumlage zu argumentieren, aber keinen einzi

gen Alternativvorschlag zu machen, ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Das Wort hat der Kollege Posch, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Frau Kollegin Fuhrmann, wir sind uns einig, wenn Sie sagen, dass eine gute Ausbildung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die gesellschaftliche Integration junger Menschen in unser System ist.Ich glaube,mich richtig zu erinnern:Wir haben hier im Hessischen Landtag viele Diskussionen zur Ausbildungssituation geführt. Dabei waren wir uns in dieser Zielsetzung immer einig. Das haben wir alle immer betont, unabhängig davon, ob wir in der Regierung oder in der Opposition waren.

Die Frage, auf welchem Weg wir dieses Ziel erreichen, um die es hier geht, beantworte ich Ihnen sehr deutlich: Eine Zwangsabgabe zulasten der Wirtschaft ist eben nicht der richtige Weg, weil Sie damit der Wirtschaft zusätzliche Belastungen auferlegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Sozialdemokraten stecken zugegebenermaßen in einem Dilemma. Sie machen in dieser Situation etwas, was ich zwar verstehen kann, was aber der falsche Weg ist: Sie führen eine Pseudo-Gerechtigkeitsdiskussion.

(Michael Siebel (SPD): Sie wissen gar nicht, was Gerechtigkeit ist!)

Sie sagen: Wer nicht ausbildet, soll zahlen. Bei demjenigen,von dem man vermutet,dass er nicht willig ist,zu zahlen, soll abkassiert werden. Wer nicht ausbildet, soll bestraft werden. – Das ist Ihre Denkweise. Damit erreichen Sie aber in Wahrheit nicht mehr Gerechtigkeit für die jungen Menschen, denn sie bekommen damit keine zusätzlichen Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Das Ziel, junge Menschen in unser System zu integrieren, damit sie sich mit der sozialen Marktwirtschaft identifizieren, wird durch ein solches Instrument genau nicht erreicht. Sie führen eine Debatte zur Befriedung innerparteilicher Probleme, aber nicht zugunsten der jungen Menschen in unserem Lande.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir sind der Überzeugung, in der gegenwärtigen Situation ist jede zusätzliche Abgabe, jede zusätzliche Belastung der Wirtschaft ein Fehler. Sie erhöht die Insolvenzquote und treibt die Unternehmen ins Ausland.

(Beifall bei der FDP)

Anschließend sagen die Sozialdemokraten, dass die Unternehmen, die im Ausland investieren, vaterlandslose Gesellen seien. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Es ist unglaublich,was sich der Bundeskanzler hier geleistet hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir waren uns in diesem Lande immer einig, dass wir die mittelständischen Unternehmen veranlassen müssen, auch im europäischen und außereuropäischen Ausland zu investieren.Aber Herr Benneter von den Sozialdemokraten hat nichts anderes zu tun, als viele mittelständische Unternehmen in Misskredit zu bringen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Es sind nämlich die mittelständischen Unternehmen, die in der Tat gestärkt werden müssen, um Ausbildungsplätze zu schaffen.

Frau Fuhrmann, Sie haben gesagt, wir gäben keine Antwort. Doch, wir geben sehr wohl eine Antwort. Aber zunächst müssen wir Ihnen sagen, wo Ihr Denkfehler liegt. Sie leugnen den Zusammenhang von Ausbildungsmarkt und Arbeitsmarkt. Die Unternehmen müssen entlastet werden, damit sie investieren. Investitionen sind die Voraussetzung für die Schaffung neuer Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Seitdem diese Bundesregierung im Amt ist, reduziert sich die Investitionsquote jährlich, monatlich, ja täglich. Das ist die Ursache dafür, dass die Unternehmen in diesem Lande nicht mehr ausbilden und keine Ausbildungsplätze schaffen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Mit der Ausbildungsplatzabgabe koppeln Sie den Ausbildungsmarkt vom Arbeitsmarkt ab. Sie gefährden etwas, worum uns andere Länder beneiden, nämlich das duale Ausbildungssystem. Sie werden damit die Jugendarbeitslosigkeit letztlich nicht reduzieren, sondern erhöhen.

Sie setzen auf eine zentralistische Lösung. Die Ministerpräsidenten der sozialdemokratisch regierten Länder sagen: Wir brauchen Ausnahmeregelungen. – Wenn man aber Ausnahmeregelungen braucht – Herr Gotthardt hat Beispiele dafür genannt –, dann entsteht Bürokratie. Mit der Ausbildungsplatzabgabe schaffen Sie ein System, das sich finanziell selbst auffrisst und sein Ziel letztlich nicht erreicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie schaffen ein bürokratisches Monstrum. Last, but not least belasten Sie in unerträglicher Weise die Kassen der öffentlichen Hand. Die Kammern haben Ihnen vorgerechnet,was das für Berlin,für Leipzig und für Mainz kostet. Jetzt können Sie zwar sagen: „Die öffentliche Hand soll eben auch ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen“,

(Zurufe von der SPD)

wir wissen aber sehr wohl, in welcher Weise dieses Land Möglichkeiten hat, zukunftsorientierte Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Die sind beim Land nicht in Hülle und Fülle gegeben.Wir haben in der Vergangenheit deswegen versucht, zu erreichen, dass Unternehmen anstelle des Landes ausbilden, um zukunftsorientierte Ausbildungsberufe zur Verfügung zu stellen.

Herr Kollege Posch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Last, but not least habe ich den Eindruck, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass auf der Grundlage unterschiedlicher Zahlen diskutiert wird, dass ein Popanz zur Befriedigung innerparteilicher Interessen aufgebaut wird, aber nicht zur Lösung der Probleme unserer jungen Menschen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Lautenschläger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Lehrstellenmangel werden wir durch die Zwangsabgabe, die Sie einführen wollen, nicht bekämpfen können. Das wird an vielen Stellen deutlich, auch in den Redebeiträgen von Abgeordneten der CDU und der FDP, die hier im Parlament auch in der Vergangenheit schon mehrfach Ausführungen dazu gemacht haben. Sie machen das duale Ausbildungssystem mit einer Zwangsabgabe kaputt.

(Beifall bei der CDU)

Das duale Ausbildungssystem lebt davon, dass die Betriebe ein eigenes Interesse an Ausbildung haben. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage ist es dem Handwerk auch im vergangenen Jahr durch verschiedene Kampagnen und durch eigene Anstrengungen gelungen, in Hessen mehr Ausbildungsverträge zu schließen. Es verdient Beachtung, dass es dabei insbesondere um die Aufrechterhaltung der dualen Ausbildung ging und hierzu gemeinsam mit der Landesregierung Anstrengungen vor Ort unternommen wurden.

Sie setzen weiterhin auf ein zentralistisches System, das schon allein administrativ nicht handhabbar und sogar in Ihren eigenen Reihen total umstritten ist. Kollege Schartau und einige Ministerpräsidenten SPD-geführter Länder haben deutlich gemacht, dass eine Zwangsabgabe das Problem genau nicht löst, sondern dazu führt, dass wir eine verstaatlichte Ausbildung haben, kein eigenes Interesse der Unternehmen an Ausbildung mehr besteht und die Ausbildungsentscheidung der Unternehmen – das ist das Dramatische – zu einem rein betriebswirtschaftlichen Kalkül verkommt.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es geht eben nicht mehr darum, Ausbildung im eigenen Unternehmen für die Zukunft zu betreiben.Sie wollen die Ausbildung verstaatlichen. Damit tragen Sie gerade nicht dazu bei, jungen Menschen Zukunftschancen zu eröffnen.

Lassen Sie mich auf das hinweisen, was wir in Hessen gemacht haben. Mit unseren Ausbildungsprogrammen, mit der START-Garantie, mit der Modellfirma „Unternehmen Hessen“ haben wir Möglichkeiten geschaffen, die insbesondere schwer vermittelbaren jungen Menschen die Chance gegeben haben, sinnvollen Tätigkeiten nachzugehen.

(Zurufe von der SPD)

Ich will sehr deutlich machen: Es geht nicht darum, dass Ausbildungsplätze grundsätzlich in Praktikantenplätze umgewandelt werden, sondern es geht darum, dass für junge Menschen Möglichkeiten geschaffen werden, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Genau dort sind Sie mit Ihren Argumenten stecken geblieben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Die brauchen Ausbildungsplätze!)

Sie reden über eine Umlage. Ob es die IG BAU ist, ob es die IG BCE ist – es sind Gewerkschaften, die inzwischen deutlich machen, dass eine Umlage nicht funktioniert.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

Die sagen, wir müssen zu Veränderungen kommen.

(Zurufe der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

Schauen Sie es sich selbst an, tarifliche Vereinbarungen und Zwangsumlage, welches dort der Unterschied ist.

(Widerspruch bei der SPD)

Regen Sie sich doch nicht so auf,hören Sie doch erst einmal zu. Wir haben z. B. in der Bauwirtschaft seit vielen Jahren eine Umlagefinanzierung, die aber tariflich vereinbart ist.