Dass Sie das jetzt zu einem Problem machen, ist sehr entlarvend.Aber es dient nicht zur Lösung der Aufgaben, die wir haben.
Wenn man sich das Verfahren ansieht, stellt man fest, wie absurd es ist. Die Ausbildungsplatzabgabe wurde am Sonntag auf dem SPD-Bundesparteitag einstimmig beschlossen. Inzwischen sind jedoch alle dagegen. Die Vertreter der 16 Bundesländer im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung haben sich gegen eine Ausbildungsplatzabgabe ausgesprochen.Sogar die zurzeit führenden SPD-Politiker sprechen sich dagegen aus.
Unsere gemeinsamen Anstrengungen im Ausbildungsbündnis dürfen nicht durch staatliche Zwangsabgaben zunichte gemacht werden. Sie ist ein etatistischer, bürokratischer Reflex auf ein unzweifelhaft drängendes gesellschaftliches Problem.
Herr Schartau sagt am 21. Februar im „Spiegel“: „So werden wir die Probleme nicht lösen.“ Heide Simonis sagt in der „Bild“-Zeitung vom 18. Februar: „Ich halte es für kontraproduktiv,eine Zwangsabgabe einzuführen.“ Wolfgang Clement sagt am 16.Februar im „Spiegel“:„Ich halte es für kontraproduktiv. Ich vertrete eine andere Auffassung.“ Nicht zuletzt heißt es von Ministerpräsident Steinbrück im „Neuen Westfälischen Kurier“ von heute, dass das bürokratische Vorgehen alle seine Befürchtungen bestätige.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn alle dagegen sind, warum machen Sie es dann? Lassen Sie doch die Finger davon.
Es würde nämlich bedeuten, dass man die Wirtschaft in der jetzigen Situation mit einer zusätzlichen Zahlung von 2,7 Milliarden c belastet. Für die Bundesregierung würde das nach dem Dosenpfandchaos und dem Mautdebakel
auch noch eine Ausbildungspleite bedeuten. Selbst als CDU-Mann muss man sich fast schützend vor die Regierung stellen.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn das Chaos ausgelöst? Reden Sie doch nicht so viel Weißblech!)
Herr Al-Wazir, wann bildet ein Betrieb aus? Wann schafft er Ausbildungsplätze? Das tut er in der Regel, wenn er eine positive Zukunftserwartung hat und weiß, dass er in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Arbeiter benötigt. Ehrlich gesagt, unter dieser Bundesregierung hat niemand eine positive Zukunftserwartung, und dann braucht man sich auch nicht zu wundern, dass es auf dem Lehrstellenmarkt im Moment etwas schwierig ist. Dass es in Deutschland 40.000 Insolvenzen gibt, bedeutet eben auch, dass 40.000 Betriebe nicht mehr ausbilden können. Sie sind daran schuld. Hören Sie deshalb auf, Krokodilstränen zu vergießen.
Was bedeutet die Ausbildungsplatzabgabe in der Praxis? Ich werde Ihnen vier Beispiele nennen. Erstes Beispiel. Ein Handwerker schafft einen Ausbildungsplatz, um den sich aber niemand bewirbt. Muss dieser Handwerker jetzt die Ausbildungsplatzabgabe zahlen, oder braucht er sie nicht zu zahlen?
Zweites Beispiel. Ein Handwerker schafft einen Ausbildungsplatz, und es bewirbt sich einer der 100.000 jungen Menschen, die auch nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit nicht ausbildungsfähig sind. Muss der Handwerker eine Abgabe zahlen, oder braucht er keine zu zahlen?
Drittes Beispiel. Ein Handwerker schafft einen Ausbildungsplatz und meldet ihn auch der Bundesagentur für Arbeit. Es gibt verschiedene Bewerber, von denen der Handwerker jedoch keinen einstellt. Muss der Handwerker die Ausbildungsplatzabgabe zahlen, oder braucht er sie nicht zu zahlen?
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Viertes Beispiel. Ein Handwerker schafft einen Ausbildungsplatz. Er stellt auch einen Auszubildenden ein, kümmert sich jedoch nicht um ihn, weil er den Auszubildenden nur genommen hat, um der Zahlung der Ausbildungsplatzabgabe zu entgehen. Das kann doch nicht das Ziel der Politik sein.
Das Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe dient überhaupt nicht der Problemlösung in Berlin. Vielmehr dient das Gesetz nur dazu, den parteiinternen Streit in der SPD beizulegen, indem den Parteilinken etwas hingeworfen wird. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie die Finger davon. Gesetze sind nicht dazu da, die Probleme der Parteien zu bewältigen, sondern dazu, die Probleme des Staates zu lösen. Hören Sie bitte auf, den Staat durch Ihre Gesetze zu ruinieren, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Gotthardt, Sie ruinieren hier gerade das Land Hessen. Deswegen sollten Sie in dieser Frage den Mund vielleicht nicht ganz so voll nehmen.
Zunächst will ich etwas zur allgemeinen Situation sagen. Wir haben 150.000 Jugendliche, die so genannten Altbewerber, die seit Jahren einen Ausbildungsplatz suchen, aber bisher noch keinen gefunden haben. Über 520.000 junge Menschen unter 25 Jahren sind arbeitslos. Die meisten von ihnen haben keine Ausbildung. Das heißt, man kann die Prognose stellen, dass sie – jedenfalls ein großer Teil – auch in Zukunft arbeitslos bleiben.
In Deutschland bilden nur noch knapp 30 % der Betriebe aus, obwohl 56 % der Betriebe eine Ausbildungsberechtigung haben. Wer meint, das sei eine Situation, die man einfach hinnehmen könne, der irrt.
Die rot-grüne Bundesregierung hat durch eine Vielzahl von Maßnahmen dazu beigetragen, dass sich für die jungen Menschen die Situation auf dem Ausbildungs- und auf dem Arbeitsmarkt verbessert – Stichwort: Jump und Jump Plus. Da Kollege Gotthardt die Zahlen ein bisschen verdreht hat,möchte ich Ihnen mitteilen,dass sich die Anstrengungen der rot-grünen Bundesregierung in diesem Fall außerordentlich gelohnt haben.
1998, als noch Bundeskanzler Kohl regierte, waren 9,4 % der jungen Menschen arbeitslos. Im Jahr 2003 waren es 5,1 %, und in diesem Jahr sind es 3,9 %. Diese Statistik sollten Sie sich einmal zu Gemüte führen. Diese Bundesregierung hat bisher richtig gehandelt.
Aber wir wollen heute im Hessischen Landtag auch über Hessen reden. In Hessen suchten im Jahr 2003 mehr als 4.000 Jugendliche vergeblich eine Lehrstelle. Die Bilanz des Landesarbeitsamts vom Dezember 2003 wies über 4.000 nicht vermittelte Bewerber aus, denen lediglich 1.200 offene Stellen gegenüberstanden. Das zeigt, dass die Politik dieser Landesregierung eindeutig gescheitert ist.
Der Ministerpräsident hat, wie so oft, auch in diesem Jahr zu einem der beliebten runden Tische eingeladen. Erinnern wir uns: Im vergangenen Jahr hat er das Thema Ausbildungsplatzsicherung zur Chefsache erklärt und versprochen, 10.000 Ausbildungsplätze notfalls persönlich einzuwerben. Was ist passiert? Im Herbst hat er sein Scheitern eingestehen müssen; wir hatten nämlich die größte Zahl unversorgter Jugendlicher,die es in Hessen je gab. Das kann so nicht weitergehen. Zwar ist Herr Koch gescheitert, aber das Schlimme daran ist, dass auch die jungen Menschen scheitern werden.
Flugs wurde damals die Notlösung „Hessenpraktikum“ aus dem Hut gezogen.Auch das war ein Flop, wie wir uns erinnern. 1.000 Plätze sollten angeboten werden. 137 junge Menschen haben dieses völlig unattraktive Angebot angenommen. Auch die Wirtschaft hat keine 100 Praktikumsplätze – geschweige denn Ausbildungsplätze – geschaffen.
Aber die wirklich spannende Frage ist doch, was diese Ausbildungsplatznot für die jungen Menschen bedeutet. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist mit das Grausamste, was eine Gesellschaft tun kann, wenn sie den jungen Menschen signalisiert:Wir brauchen und wollen euch nicht.
Deshalb sage ich für die SPD hier ganz deutlich:Eine Ausbildung ist die wichtigste Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und gehört für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten untrennbar zur Würde des Menschen.
Wir wollen, wie es Armin Clauss immer schön plastisch formuliert hat,„keinen jungen Menschen am Wasserhäuschen stehen lassen“. Das muss uns aller Anstrengungen wert sein. Außerdem ist eine fehlende Ausbildung praktisch die Garantie dafür, dass später Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug drohen.
Herr Kollege Gotthardt, ich sage Ihnen deutlich: Machen Sie doch einmal andere Vorschläge.Es ist zu wenig,immer nur das abzulehnen, was in der Diskussion ist.
Herr Kollege Boddenberg, machen Sie doch wenigstens einmal taugliche Vorschläge. Stattdessen gibt es jedes Jahr mehr junge Menschen, die keine Ausbildungsstelle bekommen.
Die Ausbildungsplatzumlage ist – anders, als behauptet wird – kein Problem für die Unternehmen, denn sie wird denen helfen, die sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung stellen, und die etwas kosten, die sich dieser Verpflichtung bisher entziehen. Ich möchte hier ausdrücklich den Betrieben ein Dankeschön sagen, die ausbilden. Das Handwerk bildet aus, große Teile des Mittelstands bilden aus. Wer sich seinen Verpflichtungen entzieht, muss künftig zahlen.
Meine Damen und Herren, das sind wir den jungen Menschen einfach schuldig. Hier so verlogen gegen die Ausbildungsplatzumlage zu argumentieren, aber keinen einzi