Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

wegen gibt es keinen Grund, einen Gesetzentwurf einzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist – darauf legen wir Wert –, dass diese Dienstleistungen von den kommunalen Unternehmen und Einrichtungen örtlich erbracht und örtlich verantwortet werden,weil das eng zusammenhängt mit dem Status der jeweiligen Kommune. Über die grundsätzlichen Fragen bezüglich der Leistungserbringung über größere Investitionen,welche Leistungen welcher Qualität zu welchem Preis erbracht werden, darüber muss die kommunale Vertretungskörperschaft entscheiden. Das ist auch der richtige Ort, weil da die Kompetenz, aber auch die Verantwortung gegenüber dem Bürger angesiedelt ist. Auch dies muss so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Denn ich denke,das kommunale Selbstverantwortungsorgan weiß am besten, was die Interessen der jeweiligen Stadt oder Gemeinde sind. Unabhängig davon war und ist es bisher auch schon möglich, zu entscheiden, ob man Private mit einbindet. Public Private Partnership ist nur ein Beispiel. Es gibt gemeinwirtschaftliche Unternehmen, also auch Möglichkeiten, durch die schon bisher Private zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben eingebunden werden können. Das ist bisher gängige Praxis. Es gibt Bereiche, in denen das in den letzten Jahren ausgeweitet wurde.

Meine Damen und Herren, jetzt zu argumentieren, zukünftig soll es eine flächendeckende Privatisierung bei den Aufgaben geben, ist nach unserer Auffassung der falsche Ansatz. Eine Privatisierung um jeden Preis bedeutet auch einen Verlust an gesellschaftlicher Gestaltungsfähigkeit, aber auch an demokratischer Legitimation. Da sagen wir als SPD-Fraktion: Das ist für uns an dieser Stelle der falsche Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Bereits im vergangenen Jahr – ich glaube, es war sogar im Mai 2003 – hat die FDP einen Gesetzentwurf mit der fast gleichen Zielsetzung eingebracht. Sie hat damals ebenso falsch wie heute der Innenminister behauptet, dass durch die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen der Mittelstand, das Handwerk in ihrer Existenz bedroht würden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Behauptung war und ist eindeutig falsch und geht schlicht und einfach an der Lebenswirklichkeit in Hessen vorbei.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Sie haben keine Ahnung!)

Herr Boddenberg, Sie haben jetzt auch die Funktion des wirtschaftspolitischen Sprechers übernommen. Aber deswegen haben Sie bei manchen Fragen trotzdem noch nicht mehr Sachverstand. Deswegen sollten Sie an dieser Stelle sehr vorsichtig sein.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Die unterstellte Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit gibt es vor Ort überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, in Kommunalparlamenten gibt es eine Sperrklausel. Da dürfen Anträge, die schon einmal abgelehnt wurden, erst nach einer bestimmten Zeit wieder eingebracht werden. Das ist ein typischer Fall dafür.Wir haben zu diesem Antrag eine unfangreiche An

hörung mit kompetenten Fachleuten durchgeführt. Das Ergebnis war: Es gibt überhaupt nicht die Situation, wie Sie sie hier darzustellen versuchen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist nicht zu fassen!)

Wo werden denn private Interessen durch kommunale Aktivitäten behindert? Das gibt es gar nicht. Es ist eine vonseiten der CDU rein ideologisch geführte Debatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine rein ideologische Debatte. Es gibt überhaupt keine Belege für Missbrauch. Wo gibt es denn konkrete Fälle?

(Michael Boddenberg (CDU): Dann gucken Sie sich doch bitte in Frankfurt die Abfallentsorgung an!)

Meine Damen und Herren, das sind die üblichen Argumente.Wenn es konkret wird, kommt nichts.Warum?

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Der Innenminister kann bisher im Rahmen des Erlasses Missbräuche unterbinden. Nun hat der Steuerzahlerbund, ein Hort kommunaler Interessen, auch im Rahmen der Anhörung behauptet, in Hessen würden durch die Kommunen Nagellackstudios betrieben. Es ist völlig korrekt, ein Nagellackstudio muss nicht von einer Kommune betrieben werden. Aber leider war der Fall nicht in Hessen, sondern in irgendeinem anderen Bundesland.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Steuerzahlerbund hat kritisiert, ein städtisches Gartenamt würde Blumen verkaufen. Darüber kann man auch trefflich streiten. Für uns ist klar:Auch das muss eine Kommune nicht machen. Aber, meine Damen und Herren, wenn es solche Fälle gibt, kann der Innenminister im Rahmen der Kommunalaufsicht einschreiten und das unterbinden.

Aber darum geht es nicht. Vielmehr haben wir den Eindruck, Sie wollen aus ideologischen Gründen die wirtschaftliche Tätigkeit hessischer Kommunen einschränken und berühren damit fundamental das Element der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Grundgesetz. Das ist der zentrale Ansatz bei der Auseinandersetzung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach unserer Auffassung ist die bisherige gesetzliche Regelung völlig ausreichend. Wie sieht denn die Praxis vor Ort aus? Vielfältig gibt es eine enge Kooperation zwischen Unternehmen, zwischen dem Mittelstand auf der einen Seite und den kommunalen Vertretungskörperschaften bzw. Magistraten/Gemeindevorständen auf der anderen Seite. Kommunale Unternehmen müssen auch im Rahmen der Daseinsvorsorge wirtschaftlich im Interesse der Bürger tätig sein können.

Meine Damen und Herren,geradezu absurd wird es,wenn die ohnehin schon durch die Kürzungen des Landes finanziell stark gebeutelten Kommunen nun von der Landesregierung gezwungen werden, dringend benötigte Finanzierungsquellen aufzugeben, damit private Dritte zusätzliche Finanzquellen erhalten. Das ist der falsche Ansatz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er wird dazu führen, dass Gewinne zugunsten Einzelner privatisiert werden und die übrig bleibenden kostenträchtigen Strukturmaßnahmen im Rahmen der Daseinsvorsorge bei den Kommunen und damit bei allen Steuerzahlern landen. Denn die Aufgaben, deren Erledigung für Private nicht interessant ist, nimmt dann auch keiner mehr. Genau das ist der falsche Weg. Das ist Rosinenpickerei.Auch diese Art von kommunaler Selbstverwaltung lehnen wir sehr deutlich ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen stellt eine wesentliche Säule der kommunalen Selbstverwaltung dar, in die das Land nicht einseitig zugunsten einzelner Begehrlichkeiten der Wirtschaft und zulasten des kommunalen Gemeinwesens eingreifen darf. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass die kommunalen Vertretungskörperschaften ausreichend und angemessen und in transparenter Weise über die wirtschaftliche Betätigung informiert werden. Das ist keine Frage. Die Stadtverordneten müssen wissen, wo es Beteiligungsrechte gibt. Der Fall der Stadt Darmstadt, dass man dort als Stadtverordneter nichts über Auslandsbeteiligungen weiß, ist geradezu absurd. Das muss geändert werden.

(Michael Boddenberg (CDU):Aha, also doch!)

Aber, Herr Boddenberg, das ist überhaupt kein Argument,deswegen eine solche gesetzliche Regelung im Rahmen von § 121 HGO durchzuführen, sondern das ist eine Sache der Information, der Aufklärung, der selbstverständlichen Rechte von Kommunalparlamentariern.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wenn Sie sagen, das sei der einzige Grund, § 121 zu ändern, dann könnten wir darüber reden, ob wir mitmachen. Aber das ist für Sie nur ein Randeffekt. Sie wollen das Kind mit dem Bade ausschütten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht es in der Praxis aus? In den letzten Wochen und Monaten gab es Stellungnahmen führender CDU-Leute. Der Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Herr Lewandowski von der CDU, derzeit amtierender Vorsitzender des Städtetages, hat klar gesagt, es gibt überhaupt keinen Grund, die Dinge zu ändern. Der CDU-Oberbürgermeister von Marburg, Herr Möller – Frau Oppermann ist Fraktionsvorsitzende in der Stadt Marburg – hat ebenfalls klar zum Ausdruck gebracht, es gebe keine sachliche Notwendigkeit, etwas zu verändern, es gebe keinen Missbrauch. Der Direktor des Städtetages, Herr Schlempp, auch von der CDU, hat auch schon ausgeführt, dass es keinen sachlichen Grund gebe, die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Seite einzuschränken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie auf unseren Sachverstand schon nicht hören, dann hören Sie wenigstens auf den Sachverstand Ihrer eigenen Leute.Die sagen: Es ist nicht nötig, irgendetwas an dieser Stelle zu ändern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wirklich eine absurde Diskussion

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Herr Kollege Dr. Jung –, die wir in diesem einen Jahr schon führen. Es ist eine Mondscheindiskussion über eine Gefahr.Wo entstehen denn Aufträge für den Mittelstand? Vor ein paar Tagen habe ich mit Kollegen meiner Fraktion in Nordhessen mit Vertretern des Handwerks diskutiert. Wie sieht es denn derzeit aus? – Die Vergabe öffentlicher Aufträge auch an örtliche Handwerksbetriebe erfolgt z.B. durch kommunale Wohnungsbauunternehmen.Wenn das europaweit ausgeschrieben wird, verliert der örtliche Mittelstand Aufträge.Das ist der falsche Ansatz.Wir brauchen auch die örtliche Verankerung, und deswegen ist der richtige Ansatz, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu erhalten, damit das örtliche Handwerk auch weiterhin dringend benötigte Aufgaben bekommt.

(Zuruf des Abg. Klaus Peter Möller (CDU) – JörgUwe Hahn (FDP): Das hat er nicht verstanden! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Unterhalten Sie sich mit den örtlichen Handwerkern. Sie sehen diese Initiative als eine ideologische Diskussion an, die völlig falsch ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Ihnen ist es leider immer der Fall, dass Sie meinen, mit Ihrer ideologischen Debatte in diesem Land etwas verändern zu müssen.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Sie haben die Kommunen schon in vielfältiger Art und Weise gegängelt. Sie meinen auch jetzt noch, die letzten Daumenschrauben andrehen und die kommunale Selbstverwaltung aushöhlen zu müssen.

Was bleibt? – Nach den bisher vorliegenden Bewertungen des Gesetzentwurfs müssen wir Folgendes feststellen: Die geplante Novellierung stellt einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar, die im Übrigen grundgesetzlich garantiert ist. Die Entscheidungsfreiheit der kommunalen Parlamente und Ebene wird stark eingeschränkt. Die Kommunen werden aus Gründen einer von Wirtschaftsinteressen behaupteten, aber bisher nie ernsthaft belegten Konkurrenzsituation in ihren Möglichkeiten zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge eingeschränkt. Der faire Wettbewerb, den Sie propagieren und der gleiche Wettbewerbsbedingungen voraussetzt, wird einseitig zulasten der kommunalen Ebene eingeschränkt.

(Zuruf des Abg. Klaus Peter Möller (CDU))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie uns schon nicht glauben, wenn Sie den kommunalen CDUVertretern schon nicht glauben, wenn Sie schon dem Sachverstand vieler Leute nicht glauben, dann müssten Sie eigentlich die Maßstäbe, die Sie von anderen verlangen, auch für sich gelten lassen.Warum betreibt eigentlich dann das Land Hessen noch eine Hessische Staatsweingüter GmbH?

(Gerhard Bökel (SPD): Höchster Porzellan!)