Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

(Gerhard Bökel (SPD): Höchster Porzellan!)

Die müssten Sie doch ganz konsequent privatisieren. Aber auch ist das ist ein Beleg für die Heuchelei und Doppelbödigkeit Ihrer Politik. Sie wenden noch nicht einmal Ihre eigenen Grundsätze an.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eigentlich schade, dass zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres der Hessische Landtag mit einem völlig überflüssigen Gesetzentwurf belästigt wird.

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Es wird den Kolleginnen und Kollegen viel Zeit genommen. Wir müssen wieder Anhörungen durchführen. Das Ergebnis der Anhörung vom letzten Jahr war ein verheerender Verriss. Es gab nicht einen einzigen sachlich nachvollziehbaren Beleg,warum Sie die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Seite einschränken müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Thema, das nicht so sehr die kleine Kommune betrifft. Es ist ein Thema, das Städte wie Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Kassel, Offenbach und Hanau betrifft. Unterhalten Sie sich einmal dort mit Verantwortlichen in der Kommunalpolitik. Ich habe mit Interesse gelesen, in Frankfurt wollten CDU-Leute deswegen den Aufstand proben. Na, so weit wird es mit der CDU-Räson schon kommen, dass man die eigene Meinung in Frankfurt verbieten wird. Da gilt immer noch Parteiräson vor Sachverstand.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Boris Rhein (CDU) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist der Wahlspruch der SPD!)

Wissen Sie,Herr Hahn,die Gesetzesinitiative findet Ihre breite Unterstützung, weil Sie kommunal nicht so verankert sind und dort keine Verantwortung tragen.

(Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung gehört zurückgezogen. Das ist unsere Forderung. Herr Innenminister, am besten geben Sie ihn in den Papierkorb.Sie sollten aufhören,uns jetzt mit solchen Dingen zu belästigen. Nehmen Sie doch stattdessen die Belastungen der hessischen Kommunen vom letzten Jahr zurück, wie z. B. die Kürzungen des Finanzausgleichs und die Kürzungen der Betriebskostenzuschüsse für die Kindergärten. Geben Sie doch den Kommunen das Geld, das ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zusteht. Das ist eine Aufgabe, die sich lohnt. An dieser Stelle haben wir dringenden Änderungs- und Handlungsbedarf, damit die Kommunen überleben können.

Aber führen Sie doch nicht beim Gemeindewirtschaftsrecht eine ideologische Debatte, die völlig unnütz ist. Die sachlichen Argumente liegen auf unserer Seite. Schließen Sie sich dem an, ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück, und lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir die Kommunen wieder handlungsfähig machen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Florian Rentsch (FDP): Ein Skandal ist das! – Michael Boddenberg (CDU):Das war die Rede der SPD zur Staatswirtschaft!)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg. Kühne-Hörmann für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD hat den Gesetzentwurf der Landesregierung über die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zum Hintergrund. Wir haben in den letzten Monaten und auch schon vorher hier im Plenum und in den Ausschüssen oft über dieses Thema diskutiert. Der jüngste Anlass war der FDP-Entwurf zu diesem Thema. Wir haben eine umfassende Anhörung dazu durchgeführt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Den haben Sie abgelehnt!)

Den haben wir aus strategischen Gründen abgelehnt, weil wir gesagt haben, die Novelle kommt in der HGO. Ja, es ist so.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Wir haben damals gesagt, dass wir mit den Grundsätzen der FDP einverstanden sind, aber möchten, dass es in einem Gesamtkonzept der Novelle der HGO geändert wird.

(Beifall bei der CDU – Michael Siebel (SPD): Welch strategischen Gründe! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Toller Umgang!)

Das habe ich vorher gesagt, und das sage ich auch heute. Ich weiß überhaupt nicht, was es da zu lachen gibt.

Der Zeitplan ist eingehalten.An erster Stelle ist mir wichtig, aufzuarbeiten, dass Herr Rudolph den Kommunen Angst macht, es würde sich sehr viel in ihren Bereichen ändern.

(Zurufe und Lachen bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

An erster Stelle ist zu sagen, dass es einen Bestandsschutz gibt. Bestandsschutz bedeutet, dass bestehende Unternehmen von der neuen gesetzlichen Regelung nicht betroffen sind.

(Norbert Schmitt (SPD): Das wäre auch noch schöner!)

Alle bisher von den Kommunen oder in ihren Gesellschaften ausgeübten Tätigkeiten werden von der neuen Regelung nicht berührt.

(Michael Siebel (SPD): Reden Sie doch nicht darüber, was nicht passiert, sondern reden Sie darüber, was passiert!)

Herr Kollege Siebel, der zweite Punkt ist die Neuerung. Das ist die Einführung der echten Subsidiaritätsklausel für künftige Unternehmen. Herr Rudolph, es ist doch erstaunlich, dass wir das letzte Bundesland von allen sind, das eine solche Subsidiaritätsklausel einführt. Alle anderen SPD-geführten Bundesländer haben das bereits eingeführt, sodass Sie auch innerhalb der SPD mit Ihrer Meinung allein auf weiter Flur stehen. Das ist doch wirklich erstaunlich.

Das bedeutet, dass der Privatwirtschaft Vorrang gegenüber der Gemeinde eingeräumt wird,wenn sie den Zweck mindestens ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen kann. Herr Rudolph, auch Sie von der SPD haben gesagt, es könne nicht sein, dass die Kommune z. B. eine Tankstelle oder ein Busunternehmen betreibe. Selbst Sie haben gesagt, dass es in diesem Bereich Missbrauchsfälle gebe.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nennen Sie die hessischen Missbrauchsfälle!)

Die hessischen Missbrauchsfälle, das hat der Minister auch schon einmal dargestellt, sind immer wieder mit den Kommunen diskutiert worden. Es ist darauf hingewirkt worden, dass die Kommunen dann aufgrund der Kommunalaufsicht, die mit ihnen geredet hat, diese Fälle eben nicht angegangen haben.

Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der darauf bedacht ist, die widerstreitenden Interessen

der Kommunen und der privaten Wirtschaft in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Die öffentliche Regierungsanhörung läuft derzeit. Danach wird es eine Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen geben, und seitens der Regierung wird zu prüfen sein, welche Vorschläge aus dieser Anhörung noch aufgenommen werden können.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Dritter Punkt. Der Gesetzentwurf sieht eine Lockerung der örtlichen Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen vor. Das ist eine sehr kommunalfreundliche Lösung.Sie dient der Erhaltung der Chancengleichheit der kommunalen Unternehmen. Die kommunalen Unternehmen waren nämlich durch dieses Örtlichkeitsprinzip in ihrem Geschäftsbereich beschränkt und in einzelnen Bereichen nicht mehr konkurrenzfähig. In diesem Punkt sieht der Gesetzentwurf eine Lockerung vor und hilft den Kommunen, mit den privaten Unternehmen eine Chancengleichheit herzustellen.

Vierter Punkt. Für ein wirtschaftliches Tätigwerden der Gemeinde muss eine Marktanalyse vorgelegt werden. Das ist eine absolute Neuerung innerhalb der Entwürfe, die es in der Bundesrepublik gibt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Die Gemeindevertretung muss sich vor ihrer Entscheidung mit den Chancen und Risiken der neuen Betätigung und auch mit den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die private Wirtschaft auseinander setzen.

Der fünfte Punkt im Gesetzentwurf ist die überörtliche Prüfung. Darin sind sich in diesem Haus fast alle einig. Es war die Forderung des Rechnungshofs, eine überörtliche Prüfung einzuführen.

Der sechste Punkt betrifft die Beteiligungsberichte als Information für die Träger politischer Mandate. Ein jährlicher Bericht ist vorgesehen. In der Vergangenheit – Herr Rudolph hat das Beispiel Darmstadt genannt – war sogar den Stadtverordneten nicht bekannt, welche Beteiligungen eine Kommune hatte. Wir sind der Auffassung, dass diese Information dringend erforderlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Mitglieder der kommunalen Gebietskörperschaften sollen dadurch in transparenter und ausreichender Weise über die wirtschaftliche Betätigung der jeweiligen Kommune informiert werden.

Zum Schluss gilt mein Dank Innenminister Volker Bouffier, der das schwierige, seit langem virulente Thema aufgegriffen und in einen Gesetzentwurf gegossen hat.

(Beifall bei der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur aus strategischen Gründen!)

Sonst hat das noch niemand hinbekommen. Volker Bouffier hat das auf den Weg gebracht.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die FDP auch!)

Die FDP mit Jörg-Uwe Hahn auch, selbstverständlich.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Danke! Volker, wir beide!)

Die Vorbereitungen laufen seit langem. Mit den Kommunen an diesem Punkt eine Konfrontation zu wagen und den Gesetzentwurf einzubringen ist ein mutiger Schritt.

Die von der SPD geäußerte Kritik an diesem Gesetzentwurf – auch mit Blick auf andere SPD-geführte Bundesländer – halte ich für maßlos überzogen. – Vielen Dank.