Zu dieser Frage steht er Ihnen genauso Rede und Antwort wie ich über die politische Einschätzung. Herr Kollege Walter, wenn wir bei politischen Einschätzungen sind, müssen Sie schon verstehen, dass bei Leuten, die jetzt seit einigen Jahren in der Regierungsverantwortung stehen und beobachten, zwischen Humor und Verärgerung hin- und herschwanken, wenn ein SPD-Fraktionsvorsitzender hierher geht, sich über die Frage der zeitlichen Verzögerungen auslässt – die auch ich für nicht wünschenswert und bedauerlich halte – und hier mit Krokodilstränen auftritt.
Der sozialdemokratische Bürgermeister, den Sie in einem anderen Zusammenhang freundlich zitiert haben, hat ein halbes Jahr lang Hilfspolizisten und Mitarbeiter des Senckenberg-Instituts daran gehindert, seinen Wald zu betreten, um zu verhindern, eine ökologische Untersuchung des Gebiets vorzunehmen.
Verehrter Herr Kollege Walter, ich mache Ihnen dies nicht im Einzelnen zum Vorwurf unter dem Motto „Jeder ist für alle Bürgermeister verantwortlich“. Das kann auch nicht sein. Man muss jedoch einmal ganz vorsichtig sein, mit welchem Tremolo in der Stimme man hierher kommt.
Die zweite Frage hat Herr Kollege Posch angesprochen, da sind Sie dann schon ein bisschen mehr gefordert. Dass der SPD-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag keinerlei Einfluss auf die Planungsversammlung der Region Südhessen hat, die immerhin zwei Drittel der politischen Repräsentanten der Sozialdemokratischen Partei seines Landes repräsentiert – das ist in etwa die Geographie der Bevölkerungszahl und der Mitgliederzahl –, dass in diesem Gremium die Sozialdemokraten aller Gemeinden – nicht nur der Anliegergemeinden, sondern bis ins letzte Dorf des Odenwalds und bis hoch in die Wetterau – einstimmig gegen jeden Ausbau des Flughafens stimmen, das ist schon eine Sache,die Sie hier leiser machen müsste. Herr Kollege Walter, das ist Ihre Verantwortung.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD) – Gegenruf der Abg. Nicola Beer (FDP))
Wir wollen doch an dieser Stelle nicht drum herum reden: Am Ende hat Regionalplanung der Landesplanung zu unterliegen. Dafür gibt es nach unserem Raumordnungsrecht Gesetze. Es kostet jedoch Zeit, sorgfältige Begründungen zu formulieren. Wenn die Fraktionen von CDU und SPD mit gleichen Ausgangspositionen hineingehen würden, wie Sie mit Ihren Reden im Vergleich zur CDU hineingehen, hätte man sich vielleicht auch auf ein Verfahren verständigen können. Es liegt schon ein bisschen der Verdacht nahe, dass die Sozialdemokraten mit dieser doppelten Identität durch die Landschaft laufen wollen, auf der einen Seite jedem vor Ort zu sagen: „Wir sind eigentlich so besorgt, dass wir hoffen, dass der Flughafen nicht kommt“, und auf der anderen Seite mit Sand im Ge
triebe im Hessischen Landtag zu sagen, wie blöd diejenigen sind, die den Flughafen nicht bauen. Meine Damen und Herren, dass werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler nicht abnehmen,in Deutschland nicht und auch in dieser Region nicht.
(Ministerpräsident Roland Koch:Ja,er war so lange nicht mehr dran! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So eine Arroganz!)
Herr Ministerpräsident, teilen Sie meine Auffassung, dass die Einwirkungsmöglichkeiten des Fraktionsvorsitzenden der SPD auf die Sozialdemokraten in der Regionalversammlung etwa so groß sind wie die Einflussmöglichkeiten des CDU-Ministerpräsidenten auf seine CDU-Fraktion im Main-Taunus-Kreis und den Bürgermeister von Neu-Isenburg?
Nein, das teile ich ausdrücklich nicht. Ich möchte dann schon gerne vergleichen lassen, dass wir es der CDUFraktion in der Regionalversammlung Südhessen, also allen, nicht nur den unmittelbar örtlich Betroffenen, immer freigestellt haben.
Herr Kollege Bökel, auch wir beide in Person haben vor einigen Jahren immer darüber gesprochen, dass man regional tätige Bürgermeister und Abgeordnete mit einer gewissen Freiheit der Interessenwahrung gewähren lassen muss. Bei der politischen Abwägung muss man sie möglicherweise unterliegen lassen, aber sie müssen ihre Interessen vortragen können.
Das müssen auch CDU- und SPD-Leute können, sonst müssten wir in allen Anliegergemeinden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einer Partei haben, die wir beide an der Stelle nicht wollen. Insofern ist das immer klar gewesen.
Nur, wenn das die Planungsversammlung Südhessen entscheidet – ich bin Ihnen dankbar,dass Sie mir Gelegenheit geben, das noch einmal auszuführen –, dann entscheidet eine Mehrheit von Menschen, die nicht unmittelbar betroffen ist, so ähnlich wie wir. Das ist eine Frage, in der es eine Gesamtabwägung für die Region Südhessen geben muss. Wie diese Abwägung ausgeht, muss sich die politische Führung eines Landes aus meiner Sicht ein Stück weit zurechnen lassen können.
Was würden Sie denn mit mir machen, wenn die CDUFraktion in der Planungsversammlung Südhessen mit ihren 40 oder 45 % einstimmig gegen den Flughafen ge
stimmt hätte, nur weil es im Main-Taunus-Kreis oder in Neu-Isenburg solche Leute gäbe? Dann könnte ich hier doch überhaupt nicht mehr antreten. Ich sage Ihnen: In meiner Partei haben ich und andere es geschafft, dass wir, mit Respekt vor den Anliegergemeinden, geschlossen für den Ausbau des Flughafens sind.
Ich frage Sie: Was haben Sie geschafft? – Herr Walter ist lange genug dabei.Sie sind in Ihrer Partei so tolerant,dass Sie noch nicht einmal mehr in dem Wahlkreis kandidieren konnten, in dem Sie ursprünglich waren, und in die Wetterau ins Asyl gehen mussten.
So gehen Sie mit den Leuten um, die für den Ausbau des Flughafens sind. Anschließend ist die ganze südhessische Region dagegen. Lassen wir bitte schön die Kirche im Dorf.
Zweiter Punkt. Wenn man Abstand von der unmittelbaren politischen Auseinandersetzung mit dem Abg.Walter, Groß-Gerau,Wetterau, nimmt, dann – –
(Heiterkeit – Petra Fuhrmann (SPD): Das zeigt Ihr Niveau! Billig! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Darauf haben wir lange gewartet!)
Ach, wissen Sie, Frau Kollegin, ich mache das nicht mit Ihrem Niveau, aber ich mache das schon so, dass wir die Debatten, die sehr politisch gemeint sind, auch sehr politisch führen können. Danach reden wir auch wieder über die Sache.
Aber ich werde es den Sozialdemokraten hier nicht durchgehen lassen, dass sie vor Ort an jeder Stelle, an der sie können, das Verfahren behindern und dann hierher kommen und sich zu den Gurus der Verfahrensbeschleunigung erklären. Das läuft mit mir nicht.
Zur Diskussion über die Trassenfestlegung. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass die Politik – in der Unabhängigkeit zu der Genehmigungsbehörde, die getrennt davon stehen muss – die Menschen, die einen bestimmten Stand von Erkenntnissen haben, nicht ständig im Unklaren darüber lässt, wie sich die Politik einlassen wird. Ich glaube, dass es ein Gebot der Fairness im Umgang mit der Region ist, die Erkenntnisse, die man nach den Untersuchungen gewonnen hat, auch mitzuteilen. Wir haben das Ergebnis, dass die Nordwesttrasse die geeignetste Trasse ist, zum damaligen Zeitpunkt nicht irgendwie innerhalb meiner politischen Freunde gefunden, sondern wir haben eine Mediation, eine Verfeinerung der Mediation und sehr konkrete raumordnerische Untersuchungen und Planungen hinter uns gehabt.
In dieser Frage haben wir Kriterien aufgestellt, verehrter Herr Kollege Walter, zu denen Sie bis heute noch keine Stellung genommen haben. Erstes Kriterium. In unserer politischen Beurteilung ist es von großer Bedeutung, dass wir eine Trasse finden, die, relativ gesehen, bei den hohen Belastungen, die wir den Menschen zumuten, die wenigsten Menschen trifft. Das zweite Kriterium ist, dass eine Lösung für die Region gefunden wird – die ökologisch in der Tat nicht unbelastet ist,weil sie ein Ballungsraum ist –, die den niedrigsten Flächen- und Waldverbrauch und Ähnliches hat.Wir haben gesagt:Im Übrigen darf es keine unüberwindlichen Kriterien geben.
Nach diesem Ergebnis habe ich den Bürgerinnen und Bürgern damals gesagt: Aus meiner Sicht kann man bei den vorhandenen drei Trassen, über die man ernsthaft reden kann – niemand spricht von einer weiteren Trasse; ich habe jedenfalls auch von der SPD noch von keiner gehört –, unter diesem Gesichtspunkt eine klare Priorität festsetzen.
Die SPD hat dies immer billigend hingenommen, weil sie weiß, dass die Ergebnisse so sind. Sie hat sich nie dazu bekannt. Ich bleibe dabei:Wer über diese drei Varianten redet,kommt zu dem Ergebnis,dass die Nordwesttrasse diejenige ist,die die Menschen am wenigsten belastet und die den geringsten ökologischen Verbrauch hat.
Entschuldigung, über alle Themen kann man streiten, aber das ist das Ergebnis vieler Gutachten und Bilanzen. Da können die GRÜNEN anderer Meinung sein,aber die Zahlen sprechen dafür.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Zahlen im Raumordnungsverfahren sind genau anders!)
Wenn man zu diesen beiden Ergebnissen kommt, dann ist es richtig,zu sagen,dass das nach unserer Auffassung auch die entscheidenden Kriterien vor dem Bundesverwaltungsgericht sein werden. Auch daran habe ich nach wie vor keinen Zweifel. Das ändert nichts daran, dass die Genehmigungsbehörde alles das, was ich meine, in einem unabhängigen Verfahren abzuwägen hat. Aber ich sage Ihnen meine Auffassung auch weiterhin.Herr Kollege Kaufmann, deshalb gibt es keinen Anlass, daran etwas zu ändern.
Wir haben sehr viele große Infrastrukturverfahren, bei denen die erste Frage ist: Besteht für diese Maßnahme ein öffentliches Interesse? – Wenn eine Maßnahme im öffentlichen Interesse liegt, dann ist sie mit den Mitteln des öffentlichen Rechts durchsetzbar. Dazu gehört am Ende eines Prozesses sogar die Enteignung. Denn Herr Engisch wird uns wahrscheinlich keinen Quadratmeter Wald verkaufen, oder? Das heißt, die Fragen nach dem öffentlichen Interesse und nach der Enteignung stehen automatisch im Raum. Am Ende wird die Genehmigungsbehörde, im Respekt vor der Fraport AG – es ist auch unser Unternehmen; das ist, wie Sie sagen, auch Geld, das wir zahlen müssen –, abwägen müssen, ob es überhaupt richtig ist, dass das Ticona-Werk verlagert werden muss. Das kann man nicht politisch machen, sondern das muss man abwägen. Da ist die Störfallkommission ein interessanter Hinweis, aber entscheiden muss es die Genehmigungsbe
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass es mit irgendwelchen Schutzmaßnahmen vertretbar ist, dann darf man nur das absolut Notwendige tun. Man darf dann dem Eigentümer Fraport nicht mehr Auflagen aufbürden als unbedingt notwendig, und man darf der Ticona nicht mehr abnehmen als unbedingt notwendig. Das ist Banaljuristerei; das hat mit der Genehmigungsbehörde nichts zu tun. Aber wenn feststeht, dass diese Trasse die Menschen und die Ökologie am wenigsten belastet – man kann über alles streiten,das muss die Genehmigungsbehörde abwägen – und es nicht möglich ist, das Problem mit milderen Eingriffen als der Enteignung zu beseitigen, dann ist das am Ende eines der eher geübten rechtlichen Verfahren.Viele Betriebe in Deutschland haben in der Vergangenheit Schienentrassen und Autobahntrassen weichen müssen.