Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Nationalpark im Naturpark – das ist die Diskussion, die die Region Nordhessen im Augenblick in Bewegung hält. Das, was wir hier wollen, ist wichtig für den Naturschutz und die Entwicklung in dieser Region und für die in ihr lebenden Menschen.
Ich denke, dass wir hier durchaus das tun, was wir auch in den letzten vier Jahren in Nordhessen getan haben. Wir betreiben Kooperation statt Konfrontation.Wir reden mit den Menschen,ob sie diese Einrichtung haben wollen und ob sie eine Chance dafür sehen, dass dieser Nationalpark
die Region nach vorne bringen wird. Ich denke, dass wir hier die richtigen Schritte vorbereitet haben.
Fraglich ist aber immer wieder, wie in der Region über dieses Thema diskutiert wird. Im Jahre 1997 gab es ein Bürgerbegehren. Es herrschte Aufruhr. Herr Bökel, Sie kennen diese Diskussion wesentlich besser als ich,weil Sie damals als zuständiger Minister in der Schusslinie waren.
Der erste Schritt im Jahre 2001, einen Naturpark auszuweisen, war nach meiner Auffassung richtig. Wir haben auf diese Weise einen zukunftsweisenden Weg vorgegeben. Sie wissen, dass wir aus der Zukunftsoffensive Mittel für dieses Vorhaben zur Verfügung gestellt haben. Früher 10 Millionen DM, jetzt gut 5 Millionen c standen und stehen in meinem Hause ohne Zeitbegrenzung für diese Aufgabe zur Verfügung, um die Sache weiterentwickeln zu können.
Die Einrichtung des Naturparks war eine kluge Entscheidung.Vor allen Dingen: Sie befriedete eine ganze Region. Zweitens hat sie dazu geführt, dass man sich darüber unterhalten hat, wie man diesem ländlichen Raum eine Entwicklungsperspektive geben kann. Drittens hat sie den Boden dafür bereitet, dass wir uns heute im Bereich der Kernzone von etwa 5.700 ha über einen Nationalpark unterhalten, und zwar über den ersten Nationalpark in Hessen.
Wenn hier von einem „fundamentalen Meinungswandel“ oder überhaupt von „Meinungswandel“ gesprochen wird, Herr Heidel, möchte ich mich zwar nicht in diese Aussage einklinken, aber ich bin von Bürgermeister Grieneisen darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Region die Angelegenheit Nationalpark heute anders sieht als 1998. In Frankenau ist damals die Einrichtung eines Nationalparks mit 70 % der Stimmen abgelehnt worden. Anfang April 2003 hat die Stadtverordnetenversammlung in Frankenau eine Entscheidung getroffen, die in etwa so formuliert ist:Wissend um den Bürgerentscheid von 1998 sind wir für die Ausweisung eines Nationalparks. – Dieser Beschluss wurde übrigens bei nur zwei Stimmenthaltungen getroffen. Deshalb kann man schon von einem Meinungswandel in dieser Region reden.
Wir haben aber vor allen Dingen eines anders gemacht als Sie: Wir haben nicht versucht, der Region etwas überzustülpen, sondern diese Entwicklung kam aus der Region. Wir werden sie in Wiesbaden entsprechend aufnehmen und begleiten. Im Augenblick warten wir ab. Ich glaube, dass der Vorschlag von Landrat Eichenlaub gut war, dass sich die Kommunen bis Mai dieses Jahres äußern sollen. Der Kreistag hat sich in seiner Sitzung in dieser Woche mit dem Thema zwar beschäftigt, aber noch keinen Beschluss gefasst. Er will erst das Votum der Kommunen abwarten und dann im Juni eine Entscheidung herbeiführen. Meines Wissens haben – außer den Republikanern – alle Parteien ein positives Votum erkennen lassen.
Ich denke, dass wir dieses Thema auch vonseiten der Landesregierung aufnehmen und die notwendigen Leistungen erbringen werden.Wir müssen vor allen Dingen eines machen: Auch in den nächsten Monaten müssen wir den örtlich betroffenen Menschen die Möglichkeit geben, sich in diese Diskussion einzubringen.
Naturschutz mit Augenmaß und in Partnerschaft mit den dort lebenden Menschen mit dem Ziel, einen National
park ausweisen zu können: Darum geht es. Es geht gar nicht darum, dass sich einzelne Interessengruppen gestalterisch betätigen können, sondern wir müssen uns fragen, was machbar ist und was von den Menschen und der dortigen Landschaft geleistet werden kann.
Meine Damen und Herren, der Kellerwald ist bereits in den letzten Jahren anders bewirtschaftet worden, nicht erst, seit wir dort einen Naturpark ausgewiesen haben. Er unterscheidet sich in vielem von anderen Naturparks in Deutschland. Das Forstamt Edertal hat umsichtig gehandelt – auch auf der Grundlage von Vorgaben der Hessischen Landesregierung –, indem z. B. das Waldschutzgebiet „Gatter Edersee“ von meiner Vorgängerin, Frau Reichhardt, ausgewiesen wurde. Es sind Naturschutzgebiete geschaffen worden, und es ist ein Naturwaldreservat eingerichtet worden. Das waren Entscheidungen von besonderer Bedeutung.Ich möchte aus Ihrer Regierungszeit die Anmeldung dieses Gebietes als FFH-Gebiet nennen.
Wir haben 5,1 Millionen c aus der Zukunftsoffensive eingebracht, um die Region nach vorne zu bringen. Ich glaube, dass hier gute Voraussetzungen für eine Entwicklung gegeben sind.
Mit dem Naturpark verfolgen wir zum einen den Wunsch nach Verbesserungen der Infrastruktur und zum anderen die Entwicklung von Fremdenverkehrseinrichtungen und großräumigen Erholungsflächen. Mit dem Nationalpark verfolgen wir das Ziel einer großflächigen ungestörten Naturentwicklung sowie der Förderung von Waldforschung, Umweltbildung und einer naturverträglichen Erholung. Wir binden die Menschen mit ein, indem wir die Info-Zentren, die wir haben, weiterentwickeln und mit Sicherheit über das eine oder andere noch sprechen werden.
Dieses Gebiet ist unserer Meinung nach deshalb besonders für die Einrichtung eines Nationalparks geeignet, weil über 95 % der Fläche im Landeseigentum stehen. Die Fläche von 5.700 ha wird von öffentlichen Straßen nicht durchschnitten, und 70 % der Fläche werden von Laubbäumen bestanden, die ein überdurchschnittlich hohes Alter aufweisen.
Gerade auch die Topographie dieses Gebiets hat in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten dazu geführt, dass wir dort eine große Artenvielfalt haben. Was unsere weiteren Schritte betrifft: Nur gemeinsam mit der Region werden wir dies nach vorne bringen. Deswegen erwarten wir von den Kommunen und Kreistagen Signale. Diese sind uns bis Juni zugesagt worden.
Dann werden wir uns an eine Nationalparkverordnung machen. Dazu ist durchaus Vorarbeit geleistet worden; das werden wir uns sicher anschauen.
Aber wir werden vor allen Dingen eines tun: Wir werden den Betroffenen ausreichend Gelegenheit geben, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Dabei geht Qualität vor Schnelligkeit. Auch das sollten wir hier einmal deutlich herausstellen.
Deshalb fordere ich jetzt von den Verbänden und Institutionen der betroffenen Region, die dort einen Nationalpark haben wollen, eine konstruktive Mitarbeit ein. Ich denke, dass es auch wichtig ist, hier schon einmal darauf hinzuweisen, dass das Forstamt Edertal die Funktion ei
nes Nationalparkamts ausüben kann, denn es hat dort schon in den letzten Jahren in hervorragender Weise gearbeitet.
Die Finanzen sind eine Frage des Parlaments. Ich bin mir auch sicher, dass das Land Hessen entsprechende Mittel zur Entwicklung dieses Raumes zur Verfügung stellt. Wir werden das in den Gesprächen über den Haushalt 2004 mit dem Finanzminister sicher diskutieren. Letztendlich wird aber das Parlament im Herbst dieses Jahres darüber entscheiden, wie die Mittelausstattung in den Bereichen aussehen wird.
Lassen Sie mich noch etwas zu dem „Schlaraffenland“ Brüssel oder Berlin sagen, von wo die Gelder in Millionenhöhe in diese Region fließen sollen. Ich denke, dass wir unsere Hausaufgaben bisher schon gemacht haben,indem wir 5,1 Millionen c für den Naturpark zur Verfügung gestellt haben.
Zur Frage,ob die Mittel von der EU oder vom Bund kommen: Ich glaube, dass man hier nicht sagen kann, wir wollen keine EU-Mittel haben.Vielmehr müsste man sich mit dem Thema beschäftigen, ob wir denn welche bekommen.
Schauen Sie sich einmal in anderen Nationalparks um. Von den Waldnationalparks ist es nur der Bayerische Wald, der aufgrund von Grenzlandzuschüssen erhebliche Mittel aus der Europäischen Union bekommt. Die anderen Waldnationalparks bekommen diese Mittel nicht.
(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Man kann es wenigstens probieren! – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))
Dann müssen wir uns damit beschäftigen, welche Möglichkeiten wir darüber hinaus haben. Die Mittel kommen dann eben vom Bund. Ich bin Anfang dieses Jahres von dem Präsidenten des Bundesamtes für Naturschutz daraufhin angesprochen worden, dass wir uns über dieses Thema unterhalten. Ich glaube auch, dass wir mit dem Bund auf einem guten Wege zu der Finanzierung eines solchen Nationalparks sind und dass wir dann, wenn sich die Bevölkerung dafür entscheidet, das Projekt in Gang bringen können.
Meine Damen und Herren, wir wollen das Kombimodell Nationalpark im Naturpark. Wir wollen das Ziel mit der Region erreichen, und wir wollen eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums und vor allem eine Akzeptanz des Naturschutzes. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Frömmrich das Wort. Fünf Minuten Redezeit stehen Ihnen zur Verfügung.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, ich habe Ihren Ausführungen mit relativ großer Aufmerksamkeit gelauscht, aber ich bin nicht so richtig schlau daraus geworden. Ich weiß nicht, was und wie Sie es eigentlich machen wollen.
Ich hätte mir in der Debatte vonseiten der Regierungsfraktionen – dazu zähle ich auch die ehemalige Regierungsfraktion FDP – gewünscht, dass sie in der Sache etwas mehr Demut an den Tag gelegt und: „Wir haben uns geirrt, dass wir diesen Nationalpark nicht schon früher eingerichtet haben“, oder wenigstens: „Wir haben dazugelernt, und deswegen sagen wir jetzt, auch wenn es spät ist, dass wir einen Nationalpark wollen“, gesagt hätten. – Nein, das tun Sie nicht. Sie stellen sich hierhin und sagen: Jetzt hat sich alles geändert, die Region denkt anders, und jetzt machen wir einen Nationalpark.
Das ist genau die verkehrte Voraussetzung, auf deren Grundlage Sie hier argumentieren. Ich will Sie einmal darüber aufklären, wie das mit der Verunsicherung in der Region, über die Sie hier geredet haben, war. Da ich aus diesem Landkreis komme, weiß ich sehr wohl, wer in Edertal,in Vöhl und in Frankenau die Verunsicherung bewirkt hat. Es waren in erster Linie die CDU-Ortsverbände, die massiv gegen diesen Nationalpark gewettert und die Bürgerinnen und Bürger in Stellung dagegen gebracht haben.
Ich erinnere Sie an Ihren ehemaligen Abgeordneten Michel. Er stand in Edertal in der ersten Reihe, als es darum ging, die Bevölkerung sozusagen zu desinformieren, statt sie zu informieren.
Dann haben wir von dem Minister – das haben wir auch heute wieder gehört – erzählt bekommen: Dann richten wir einen Naturpark Kellerwald-Edersee ein. – Wir haben damals als Fraktion gesagt: Wir wollen zwar wesentlich mehr, wir würden gerne sofort einen Nationalpark haben, aber wir machen bei dem Konzept Naturpark Kellerwald mit, um nachher – oder möglichst bald – einen Nationalpark in der Region zu bekommen.
Sie haben dann gesagt – ich weiß nicht, ob Ihnen das in den Mund gelegt worden ist; ich zitiere jetzt einmal aus der Zeitung –:Wir bekommen in der Region einen Naturpark de luxe. – Ich weiß zwar nicht, was Sie darunter verstehen, weil bis heute noch kein Konzept für diesen Naturpark de luxe vorliegt.Aber so wurde uns das angekündigt.
Ich weiß auch, dass Sie angekündigt haben, wir bekämen für den Naturpark de luxe 10 Millionen DM bzw. 5 Millionen c zur Verfügung gestellt, die dann in der Region – Sie haben das sogar als „Zukunftsoffensive“ deklariert – ausgegeben würden. Ich weiß, dass von diesen 5 Millionen c bisher noch kein einziger Cent in der Region angekommen ist.Das ist die Tatsache,und das ist die Zukunftsoffensive dieser Landesregierung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Da müssen Sie sich einig werden! Der Kollege hat gemeint, 500.000 c seien angekommen!)
Dann, mit Verlaub, stellen Sie sich hierhin und sagen:Wir wissen nicht, ob wir von den EU-Mitteln etwas bekommen. Das LIFE-Programm beantragen wir nicht. – Ich weiß aber ganz genau, dass Sie diesen LIFE-Antrag nicht stellen können,weil Sie nicht in der Lage sind,ihn fachlich so zu begründen, dass Sie diese Gelder aus Brüssel bekommen würden. Das ist die Tatsache.
Selbst wenn man sagt, die Mittel seien nicht reichlich, kann man wenigstens den Versuch unternehmen, diesen Antrag zu stellen.Aber Sie gehen hier mutwillig gegen die Region vor, indem Sie der Region ungefähr 15 Millionen c an Mitteln aus dem LIFE-Programm verweigern. Das ist die Tatsache.
Zum Schluss möchte ich den Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg zitieren. Wir haben am Montag in der Kreistagssitzung ziemlich ausführlich darüber diskutiert.