Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Den Bundesländern stehen Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr in Rekordhöhe zur Verfügung. Ich frage die Landesregierung: Wohin sind eigentlich die 40 Millionen c, die Hessen jährlich mehr erhält, geflossen? Welche Verbesserungen hat das für den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen gebracht?

Diese Frage müssen Sie in Ihrer Verantwortung für Hessen beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der LKW-Maut bringen wir wieder mehr Brummis von der Straße auf die Schiene. Die CDU hat Deutschlands Straßen zum größten Warenlager Europas werden lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU:Auf welche Schiene werden sie denn gebracht?)

Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer umweltverträglichen und dauerhaften Mobilität.

Meine Damen und Herren von der CDU,wenn ich mir die Texte Ihrer Kampagne – es ist ja nichts anderes als eine Kampagne – zum Bundesverkehrswegeplan anschaue, stelle ich fest,dass es aus jeder Zeile tropft:Für Sie ist Mobilität immer noch gleichbedeutend mit Straßenbau.

(Zuruf von der CDU: Mit Innovation!)

Mobilität ist aber mehr. Mobilität ist die intelligente Verbindung der verschiedenen Verkehrsmittel: zu Fuß gehen, Rad fahren, öffentliche Verkehrsmittel, Caresharing und Individualverkehr – das alles gehört zusammen.Mobilität bedeutet eine bequeme, preiswerte und schnelle Verbindung von A nach B. Das kann mit dem Auto erfolgen, es sollte aber viel öfter mit Bussen und Bahnen möglich sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine dauerhafte Mobilität ist ohne die Verlagerung von der Straße auf die Schiene nun wirklich nicht denkbar.

(Zuruf von der CDU: Sind Sie eigentlich schon ein- mal mit dem Bus gefahren?)

Sicher,öfter als Sie,glaube ich.– Manchmal habe ich den Eindruck, die Antwort der CDU auf 60 % mehr Güterverkehr heißt: 60 % mehr Straßen. Eine dann zehn- oder zwölfspurige A 5, eine dann achtspurige A 66, möglichst mitten durch Frankfurt bis zum Riederwaldtunnel, oder eine dann am Frankfurter Flughafen zehnspurige A 3, bei der der Übergang zwischen dem Standstreifen und der neuen Landebahn fließend ist – das ist nicht unsere Vorstellung von einer modernen Verkehrspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung geht mit dem Bundesverkehrswegeplan einen anderen Weg. Zum ersten Mal seit langem haben alle Projekte im vordringlichen Bedarf tatsächlich die Chance, finanzierbar und somit auch realisierbar zu sein.

(Zuruf der Abg. Brigitte Kölsch (CDU))

Unter Schwarz-Gelb galt bislang das Prinzip: Wir schreiben alles hinein, der örtliche CDU-Abgeordnete – Frau Kölsch – macht eine Pressemitteilung, und die meisten Projekte kommen dann trotzdem nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere auf Druck von uns GRÜNEN hat die Umweltverträglichkeit einen neuen Stellenwert bekommen.

(Zuruf von der CDU)

Viele Projekte konnten – übrigens im Einvernehmen mit den Landesregierungen; deswegen verstehe ich Ihre Aufregung an diesem Punkt nicht ganz – entschärft werden.

Bei den anderen Projekten bleiben wir dran.Noch nie waren die Mittel für Straße und Schiene über einen so langen Zeitraum hinweg so dicht beieinander. Die vollständige Angleichung auch der beiden Hauptbautitel bleibt das Ziel von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung macht Schluss mit der Politik des populistischen Spatenstichs. Zuerst investieren wir in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur, und erst dann investieren wir in Aus- und Neubau.

Wohin der umgekehrte Weg geführt hat, davon können Bahnkundinnen und -kunden jeden Tag ein Lied singen: Langsamfahrstrecken, Verspätungen oder gar Zugausfälle aufgrund einer maroden Gleissubstanz.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben von der CDU viel darüber gehört, welche angeblich dringend notwendigen Straßen nicht im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans stehen.Von den vielen für Hessen wichtigen Schienenprojekten war wenig die Rede. Ich möchte nur drei herausgreifen.

Mit dem Ausbau der Verbindung Hagen – Gießen auf Neigezugtechnik erreichen wir einen besseren Komfort und steigern die Reisegeschwindigkeit auf bis zu 160 km/h. Mit dem Ausbau und den Neubaumaßnahmen zwischen Hanau und Fulda und dem Anschluss an die Hochgeschwindigkeitsstrecke Würzburg – Fulda wird die Verbindung zwischen Nord- und Südhessen wesentlich verbessert. Die ICE-Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim schließt eine wichtige Lücke im Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Bahn.Wir fordern die Landesregierung auf, sich für eine gute Anbindung Darmstadts an diese Strecke einzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das haben wir schon einmal beschlossen!)

Frau Kollegin Wagner, was Sie gegen die Anbindung Darmstadts an das ICE-Netz haben, das verstehe ich jetzt wirklich nicht.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Meine Damen und Herren von der CDU, ich verstehe ja aus Ihrer Sicht, dass Sie kein gutes Haar an dem vorliegenden Entwurf lassen können.

(Clemens Reif (CDU): Der versteht gar nichts!)

Sie bauen auch lieber eine Straße zu viel als eine Straße zu wenig.

Darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wagner zulassen?

Ich möchte gern bei meiner ersten Rede im Zusammenhang sprechen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Dann sollten Sie aber auch die Wahrheit sagen, mein Lieber!)

Na ja, Frau Wagner, die Wahrheit unterstelle ich Ihnen, die sollten Sie mir auch unterstellen. – Meine Damen und Herren von der CDU, ich glaube, bei Ihrem Antrag und Ihrer gesamten Kampagne haben Sie so manche rote Ampel überfahren. Lassen Sie mich Ihre Taktik mit einem Beispiel aus dem ÖPNV beschreiben: Ihre Argumentation ist ein bisschen wie das Verhalten eines Schwarzfahrers in der S-Bahn. Sie wissen, dass das, was Sie tun, nicht zulässig ist, aber Sie hoffen, nicht erwischt zu werden. – Meine Damen und Herren, das wird mit uns nicht klappen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Schauen wir uns Ihre Schwarzfahrt Nummer eins an. Die CDU schreibt in ihrem Antrag: „Eine weitere Ökobewertung“ – ich glaube, Sie meinen die Umweltrisikoeinschätzung – „von Straßenbaumaßnahmen verkompliziert nur das bis dato schon sehr umfangreiche deutsche Planungsrecht...“

(Dr.Walter Lübcke (CDU): So ist es!)

Gegen Ihr eigenes Zitat sind Sie nicht? Okay. – Dass die Landesregierung so ihre Probleme mit dem Planungsrecht hat, ist ja bekannt. Aber die Konsequenz aus Ihrem Debakel bei der A 44

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

muss doch ein Mehr und nicht ein Weniger an Sorgfalt in der Planung sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist ganz leicht zu merken: erst denken, dann baggern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Schwarzfahrt Nummer zwei. Auch beim Thema Abstufungskriterium „autobahnparallele Bundesstraße“ wissen Sie es doch eigentlich besser. Ich zitiere sinngemäß aus der Antwort der Bundesregierung auf die Frage einer hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten zu diesem Thema. Da die CDU in Hessen gut organisiert ist, werden Sie die Antwort sicher kennen.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung bereits 1986 – also vor 17 Jahren – aufgefordert, Bundesstraßen parallel zu Bundesautobahnen zu Landesstraßen abzustufen. In den Jahren 1987 und 1995 wurden die Bundesländer aufgefordert, diese Abstufungen zu vollziehen.

Was Sie hier als aktuellen Skandal geißeln, sind in Wirklichkeit olle Kamellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)