Gerne, unter vier Augen, ich erinnere Sie dran. – Ich begreife Ihre Zögerlichkeit nicht, Herr Wirtschaftsminister. Ich hätte dem Investor, der Sie vor Monaten angesprochen hat, den roten Teppich ausgerollt.
Die Bundesregierung hat in Sachen Nanotechnologie ihre Aufgaben gemacht. Beteiligen Sie sich daran. Schieben Sie diese wichtigen Entscheidungen nicht zwischen den Ministerien für Wissenschaft und für Wirtschaft hin und her, sondern zeigen Sie endlich Initiative. Kompetenzgerangel schadet der Sache.
Mein Eindruck ist, Wirtschaftspolitik findet in Hessen nicht statt. Die Region Mittelhessen ist weder in Ihrem alltäglichen Sprachgebrauch noch in Ihren Köpfen. Eine Hessenagentur GmbH, die der Ministerpräsident ersonnen hat und die Sie in der Presse als Wirtschaftskonzept verkaufen durften, Herr Rhiel, ist mehr als dürftig, ich behaupte: armselig.
Weshalb Sie sich die Sache aus der Hand nehmen lassen, ist mir nach wie vor unverständlich. Ist Herr Corts nun für Wirtschaftsinvestoren zuständig, da ihm dieses Ressort besser liegt? – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle vier Fraktionen dieses Hauses haben sich für den heutigen Tag antragsmäßig mit dem Thema Nanotechnologie beschäftigt. Das zeigt dessen Bedeutung. Allerdings warne ich ein bisschen davor, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass operative Hektik geistige Windstille ersetzen könne.
Ich will darauf hinweisen, dass es sich bei der Nanotechnologie in der Tat um eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts handelt, dass aber der Finanzbedarf für die Erforschung und Entwicklung gigantisch ist. Es gibt diesen schönen Satz: je nano die Technologie, desto giga der Investitionsbedarf. Deshalb sollen wir an dieser Stelle nicht so tun, als sei die Einrichtung eines E-Mail-Servers oder eines Kompetenzzentrums an irgendeiner Hochschule die notwendige Antwort auf die Fragen, die hier anstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Nanotechnologie ist eine Revolution, die tiefgreifender und weitreichender sein wird als die Mikroelektronik, der PC und
das Internet. Die Vorsilbe „Nano“ – das kommt aus dem Griechischen und heißt „Zwerg“ – zeigt, in welcher Dimension dort gearbeitet wird. Ich könnte jetzt bösartig sein und sagen, die Wirtschaftskonzepte, die teilweise von der SPD und den GRÜNEN in Berlin verwirklicht werden, sind täglich angewandte Nanotechnologie, weil sie wirklich zwergenhaft sind und uns keinen Millimeter weiterbringen.
Mit der Nanotechnologie ist es möglich, Atome und Moleküle kontrolliert zu manipulieren. Neue Anwendungsgebiete erschließen sich in den Bereichen der Elektronik, der optischen Datenübertragung, der Prozesstechnik, der Biotechnologie – ich bin gespannt darauf, was die GRÜNEN dazu sagen –, der Umwelttechnik und der Medizin. Praktische Anwendungen sind beispielsweise wirksamere Sonnenschutzmittel, Schmutz abweisende Oberflächenbeschichtungen, Filter von bisher unerreichter Wirksamkeit oder Schädlingsschutzfolien, die mit den Pflanzen wachsen und pünktlich zum Zeitpunkt der Ernte zerfallen.Das sind einige der möglichen Anwendungen,die hier angedacht sind. Auch in der Chiptechnik bahnt sich dank der Nanotechnologie eine Revolution an.
Meine Damen und Herren, ich will hier ausdrücklich sagen: Die Hessische Landesregierung hat diese großen Chancen auch für unser Bundesland Hessen rechtzeitig erkannt und wird diese Zukunftstechnologie in Hessen etablieren. Alle hessischen Universitäten haben bereits heute eine hohe Kompetenz in Forschung und Lehre in den Nanowissenschaften. Das Wissenschafts- und das Wirtschaftsministerium haben all die bestehenden Aktivitäten an hessischen Universitäten einmal zusammengetragen und katalogisiert, und daraus wird ein Netzwerk für diese Zukunftstechnologie von der Forschung bis hin zur wirtschaftlichen Entwicklung entstehen.
Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung hat das von den hessischen Hochschulen vorgelegte Konzept des Nanonetzwerks Hessen nachhaltig unterstützt und mit verwirklicht. Frau Kollegin Beer, an dieses Stelle will ich schon einmal versuchen, das, was Sie gerade in Ihrer Rede – aus meiner Sicht völlig unerklärlich – auf den Kopf gestellt haben, wieder auf die Füße zu stellen. Frau Kollegin Beer, wenn Sie davon reden, dass es Kompetenzzentren in der Bundesrepublik Deutschland, aber keines in Hessen gibt, dann sollten Sie einmal dazusagen, dass diese Kompetenzzentren, vom Bund gefördert, unter einer CDU/FDP-Regierung in Berlin errichtet wurden.
Es ist kein Zufall, dass in Hessen zum damaligen Zeitpunkt kein Kompetenzzentrum errichtet wurde, weil damals in Hessen Rot-Grün regiert hat und genau diese Technologie, wie auch andere Technologien, abgelehnt hat.
(Gerhard Bökel (SPD): Das ist doch nicht wahr! – Nicola Beer (FDP): Es ist noch eine Menge zu tun! – Gernot Grumbach (SPD): Nehmen Sie das Brett vom Kopf!)
Frau Kollegin Beer, Sie verraten doch Ihre eigene Politik der letzten Jahre, insbesondere auch Ihre Politik im Hessischen Landtag. Die Frau Präsidentin war in den letzten vier Jahren Wissenschaftsministerin. Sie haben doch genau das,was wir heute in der Nanotechnologie weiter vollziehen, in Ihrer praktischen Regierungspolitik als FDP
mitverantwortet. Frau Kollegin Beer, Sie stellen sich heute hin und tun so, als seien Sie plötzlich vom Himmel gefallen und hätten mit all dem, was in den letzten Jahren an dieser Stelle passiert ist, überhaupt nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, wenn Sie schon diesen bundesweiten Vergleich anstellen, muss ich sagen, es ist eben kein Zufall, dass eine CDU/FDP-Regierung in Berlin solche Kompetenzzentren errichtet hat und das Bundesland Hessen, das zu diesem Zeitpunkt rot-grün regiert war, von diesen Möglichkeiten, die der Bund eröffnet hat, keinen Gebrauch gemacht hat.
Frau Kollegin Beer, das muss ich an dieser Stelle richtig stellen, weil Sie die Diskussion aus meiner Sicht völlig schräg eröffnet haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bewusst wurde dabei auf die Errichtung eines lokalen Nanozentrums verzichtet. Wir haben ein Netzwerk installiert, das die bestehenden Strukturen erhält und wissenschaftliche Aktivitäten und Kompetenzen aus ganz Hessen miteinander verknüpft. Die an den hessischen Hochschulen bereits vorhandenen Schwerpunkte werden danach weiter gestärkt, indem Aktivitäten in Forschung und Lehre inhaltlich aufeinander abgestimmt und Geräte und Infrastruktur gemeinsam genutzt werden.Ich habe eben schon darauf hingewiesen, mit welchem gigantischen Investitionsbedarf Forschung, Lehre, Entwicklung und Umsetzung von Nanotechnologie verbunden sind.
Die Hochschulen haben dieses Netzwerk mit erarbeitet und auf den Weg gebracht.Von daher entspricht der Weg, den wir in Hessen gehen, genau den Wünschen und Bedürfnissen, die von den Hochschulen artikuliert werden. Er ist auch mit den Bedürfnissen der Wirtschaft abgestimmt.Wir haben in Hessen allein 200 Unternehmen, die sich auf den Feldern Nanotechnologie, Materialtechnologie, optische Technologie und Mikrosystemtechnologie tummeln. Davon sind 33 Nanotechnologieanbieter. Zumeist sind diese Unternehmen aufgrund des hohen praktischen Nutzens der Nanotechnologie direkte Spin-offs aus den Hochschulen und direkt aus den Hochschulen entstanden. Aufgrund dieser vielfältigen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Unternehmungen liegen große Chancen für viele Wirtschaftsbranchen in der Weiterentwicklung dieser Technologie.
Meine Damen und Herren, zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit können diese Unternehmen in Zukunft auf die Anwendung und Beherrschung der Nanotechnologie nicht verzichten, und sie sollen es auch nicht, sondern umgekehrt, sie sollen sich auf diesem Feld tummeln. Für die Wirtschaft ist es daher besonders wichtig, dass die Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in den Hochschulen verbleiben, sondern schnellstmöglich dorthin gelangen, wo sie praktisch umgesetzt und kommerziell genutzt werden können.
Dies erfordert ein reibungsloses Zusammenspiel von Wirtschaft und Wissenschaft,um fach- und branchenübergreifend Unternehmer und Wissenschaftler zusammenzuführen. Nur so kann es gelingen, Erfahrungen und Ideen mit den entsprechenden Konzepten zur Entwicklung neuartiger Verfahren und Produkte zu versehen. Am besten ist es dort, wo Wissenschaftler sich aufmachen, selbst zu
Unternehmern zu werden, in den Hochschulen neue Gebiete erschließen, entsprechende Forschungen betreiben, sich dann aus der Hochschule in den wirtschaftlichen Bereich hinausbewegen, um dann das, was sie erforscht und erfunden haben, selbst in praktische Anwendung zu bringen.
Meine Damen und Herren,nur wenn die drängenden Fragestellungen an dieser Stelle gemeinsam gelöst werden, können Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam einen Innovationsvorsprung erzielen, der unseren Wirtschaftsstandort voranbringt. Denn Innovationen stärken nicht nur die bestehenden Märkte, sondern erschließen auch neue Marktsegmente. Daraus entstehen neue Betriebe und, was für uns wichtig und unverzichtbar ist, neue Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, wir werden diese innovative Wirtschaftsförderung, die wir in den letzten Jahren gemeinsam mit der FDP betrieben haben, unverändert fortführen und weiter ausbauen.
Aber selbstverständlich.Vielleicht kann ich noch den Satz zu Ende führen, dann kann Herr Kollege Siebel seine Frage stellen.
Die CDU-Fraktion fordert daher die Landesregierung auf,dieses Nanotechnologienetzwerk weiterhin mit vollen Kräften zu unterstützen. – Herr Kollege Siebel.
Herr Hoff, Sie haben in weiten Teilen dargelegt, wie wichtig die Nanostrukturtechnik ist. Vorausgesetzt, dass man das unterschreiben wollte, was die Landesregierung getan hat:Wie stellen Sie sich eine Fortentwicklung dessen, was die Landesregierung jetzt eingeleitet hat, substanziell vor? Können Sie ein paar Aussagen dazu machen, außer zu sagen, dass die Nanostrukturtechnik wichtig ist? Das fehlt mir bei Ihren Darlegungen.
(Nicola Beer (FDP): Uns fehlt der zweite Schritt! Ihr Schritt ist nicht falsch,aber er geht nicht weit genug!)
Verehrter Herr Kollege Siebel, es enttäuscht mich sehr, dass Ihnen bei mir etwas fehlt. Ich bin trotzdem noch vollständig, von daher ist es kein Problem.
Ich habe versucht, darauf hinzuweisen – weil Sie so tun, als sei Hessen nanotechnologisch eine Wüste –, dass es in Hessen eine Vielzahl von hochinteressanten Entwicklungen gibt, die wir vernetzen. Nur das kann Aufgabe der Landesregierung sein. Wir versuchen, den Informationsfluss, der einerseits zwischen den verschiedenen For
schungseinrichtungen, andererseits zwischen Wirtschaft und Forschungseinrichtungen notwendig ist, zu unterstützen, wo es nur geht. Dafür wird dieses Netzwerk errichtet. Dann müssen diese Unternehmen entsprechende Produkte entwickeln und zur Marktreife führen.Das kann ihnen der Staat nicht abnehmen. Das ist möglicherweise Philosophie der SPD; aber damit haben wir oft genug Bauchlandungen erzielt. Das wird keine Politik können, sondern das muss in den Unternehmen erledigt werden.
Herr Kollege Siebel, wenn Sie das als Unterschied definieren wollen zwischen dem, was Sie an dieser Stelle vorhaben und denken, und dem, was wir an dieser Stelle praktisch tun, dann gebe ich Ihnen Recht, dann ist das ein erheblicher Unterschied. Denn der Staat wird am Ende diese Aufgabe nicht erfüllen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich zum Ende kommen. Ein gesondertes Zentrum für Nanotechnologie wird weder von der Wirtschaft noch von der Wissenschaft gefordert, noch ist es für eine umfassende Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft notwendig.Vielmehr ist es sinnvoll,und das habe ich versucht auszuführen, die bestehenden Strukturen miteinander zu verknüpfen. Wir sind hier, wie ich meine, auf einem hervorragendem Weg. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.