Silke Tesch
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Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem vorliegenden Antrag der CDU komme, möchte ich meine Freude über vier Punkte zum Ausdruck bringen. Erstens haben wir einen Aufschwung zu verzeichnen. Zweitens unternehmen die Unternehmen wieder. Drittens hat zum ersten Mal seit etwa 15 Jahren auch das Stiefkind der Wirtschaft, die Baubranche, wieder steigende Auftragseingänge verzeichnet. Viertens – das macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar – haben wir über 900.000 Arbeitslose weniger als im Vorjahr. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen.
Ich kenne kein Land, das binnen eines Jahres ähnliche Ergebnisse erreicht hätte. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion,zu Zeiten der Schröder-Regierung haben Sie keine Woche ausgelassen, um über den Standort Deutschland zu lamentieren. Sie und jede Ihnen nahestehende Stiftung haben viel Zeit und Geld investiert, um unseren Wirtschaftsstandort schlechtzureden.
Sie haben mit dazu beigetragen, dass die Unternehmen nicht investierten.Sie haben die Verbraucher verunsichert und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert. Gerade die überfälligen Reformen und Initiativen der rot-grünen Bundesregierung sowie die Anstrengungen der Arbeitnehmerschaft tragen einen wesentlichen Anteil daran, dass wir im letzten Jahr und zu Beginn dieses Jahres erlebt haben, dass die Konjunktur angesprungen ist.
Kommen wir zum Antrag der CDU. Dieser Antrag ist, wie auch alle anderen vorher, völlig ohne Substanz. Er ist selbstbeweihräuchernd und ohne neue Ideen. Eigentlich fordert er nicht zu einer angemessenen Debatte über dieses Thema heraus.
Dieser lapidare Antrag beweist einmal mehr, dass Sie außer Jubelanträgen in dieser Legislaturperiode nichts, aber auch gar nichts auf die Beine gestellt haben.
Nach achtjähriger Regierungszeit fehlt noch immer eine Konzeption für eine regionale Wirtschaftspolitik. Nach wie vor fehlen schlüssige und zukunftsweisende Verkehrsprojekte. Den Straßenbau – das hat meine Kollegin Frau Hölldobler-Heumüller sehr anschaulich dargelegt – als einziges Infrastrukturprogramm zu bemühen, ist schon sehr gewagt. Das Ruhrgebiet und Hessen haben das dichteste Straßennetz in der Bundesrepublik. Aber die Wirtschaftszahlen sind im Bundesvergleich mit die schlechtes
ten. Wenn ich diesen Vergleich auf Bayern und BadenWürttemberg übertrage, müssten deren Zahlen eigentlich schlechter sein. Das Gegenteil ist der Fall.
Ich hätte von einer Fraktion, die sich die Wirtschaftspolitik auf die Fahnen schreibt, viel mehr zum Thema Standortpolitik erwartet. In den vergangenen Jahren und gerade in den letzten Monaten höre ich von allen Unternehmerverbänden, dass sie von der Hessischen Landesregierung tief enttäuscht sind und dass sich die Erwartungen an sie nicht erfüllt haben. Herr Rhiel, sie sagen das natürlich nicht, wenn Sie sie einladen. Aber gehen Sie doch einmal heraus, und fragen Sie sie. Ich weiß das.
Herr Rhiel, wollen Sie persönlich werden, oder wollen wir uns dem Thema widmen? – Eine Umfrage zu bemühen, die sich im Wesentlichen auf den Dienstleistungssektor beschränkt und aus der man sich, vergleichbar einem kranken Huhn, mühsam einige wenige gute Körner herauspicken kann, zeigt, wie erbärmlich, diesem Land und dem Parlament unwürdig und in aller Eile verfasst dieser Antrag ist.
Frau Präsidentin, als Grundlage meiner Recherchen zum Wirtschaftsstandort Hessen erlaube ich mir, aus der Studie des Marburger Mittelstandsbarometers zu zitieren. Es ist die zurzeit umfangreichste und eine wissenschaftlich sehr gut fundierte Studie zur Situation des Mittelstandes und vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen, die ein anderes Bild von Hessen zeichnen.
Erstens. Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen: Hessen letzter Platz, Niedersachsen Platz 1.
Zweitens. Bei der Frage, wie die Unternehmen ihre Geschäftslage einschätzen ist: Hessen im Mittelfeld, Niedersachsen auf Platz 1.
Drittens. Die Freude am Unternehmertum: Hessen drittletzter Platz, Niedersachsen Platz 1.
Bei Bürokratie und Regulierung: Hessen im Mittelfeld, Niedersachsen Platz 1.
Ich möchte noch eines hinzufügen: Bei Bürokratie und Regulierung liegt Hessen wiederum im Mittelfeld, Niedersachsen wieder auf Platz 1.
Als Letztes möchte ich etwas anführen, was ich an dieser Stelle ganz wichtig finde. Ich komme jetzt auf die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland zu sprechen. Die Unternehmen wurden gefragt:Planen Sie die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland? – Hier ist Hessen spitze.
Ich belasse es bei diesen Beispielen. Das war beeindruckend genug. Sie sollten sich diese Studie einmal zu Gemüte führen.
Vielleicht sollten wir auch Herrn Koch anheimstellen, die Studie einmal zu lesen. Sie zeigt, wie es Herr Wulff und Herr Müller vom Andenpakt besser machen.
In regelmäßigen Zeitabständen haben wir Anträge eingebracht, die das enthalten, was die Unternehmerverbände, die Kammer und auch die Unternehmen selbst seit Langem fordern. In unserem ausführlichen Dringlichen Antrag, der Ihnen vorliegt, können Sie das noch einmal schwarz auf weiß nachlesen. Ich möchte das nicht alles wiederholen. Denn das tue ich schon seit ungefähr vier
Jahren. Von Ihnen kam überhaupt keine Resonanz. Es gab sogar Ignoranz. In jeder Ausschusssitzung konnte man Ignoranz feststellen.
Wir haben ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt, mit dem man der Wirtschaft unter die Arme greifen könnte. Das ist ein Programm, mit dem man das Klima für Firmengründungen verbessern könnte und das Existenzgründungen erleichtern würde. Das Programm sieht die bessere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft vor. Für den ländlichen Raum lehnen Sie dies kategorisch ab.
Nach wie vor ist bei Ihnen die Ausrichtung auf das RheinMain-Gebiet beschränkt. Wir wissen, dass das RheinMain-Gebiet mit dem Flughafen eine herausragende Rolle einnimmt. Ein Wirtschaftskonzept für alle Regionen Hessens fehlt aber noch immer.
Herr Rhiel, Sie waren vor Kurzem in meiner Heimat und besuchten eine Firma, die optische Maschinen herstellt.
Nein,das ist 14 Tage her.– Es handelt sich um einen kleinen Global Player, der mit seinem Produkt in seiner Sparte die Weltmarktführerschaft übernommen hat. Ich kenne die Entwicklung der Firma seit vielen Jahren. Edelgard Bulmahn hat dort als Bundeswissenschaftsministerin mit ihrer Förderpolitik geholfen. Diese Firma hat Unterstützung bekommen. Sie konnte von einem Forschungsprojekt profitieren. Das ist einer der Gründe, weshalb die Firma so gut dasteht.
Ich möchte klar sagen, dass wir keine Fördergelder nach dem Gießkannenprinzip über das Land ausschütten sollten. Aber Sie müssen doch erkennen, wann eine Anschubfinanzierung oder eine effektive Unterstützung angebracht ist.Wir haben uns in der SPD-Fraktion die Mühe gemacht, eine Synopse zu erstellen, mit der man erkennen kann, zu welchen Mechanismen andere Bundesländer greifen, die der Wirtschaft und gerade den kleinen und mittleren Unternehmen dienen. Da geht es auch darum, wie Innovationen und neue Technologien breit gefördert werden können.
Außer dem Ausloben von Preisen fällt Ihnen und der Hessen-Agentur reichlich wenig ein. Fragen Sie doch einmal die Unternehmer, was sie von der Hessen-Agentur als Instrument zur Förderung der Wirtschaft halten. Sie halten nichts davon. Es gab große Ankündigungen, aber keine Resultate.
Ich möchte Ihnen wiederum ein aktuelles Beispiel nennen. Hören Sie gut zu. Mit diesem Beispiel ist eine Aufforderung verknüpft.
Die Hessen-Agentur hat Betrieben aus der Touristikbranche die Möglichkeit eingeräumt, sich auf ihrer Website zu präsentieren. Vor 14 Tagen kam ein Unternehmer auf mich zu. Er ist übrigens ein Mitglied der CDU. Das macht die Sache besonders interessant. Er betreibt ein kleines Wellnesshotel im ländlichen Raum. Er kam völlig außer sich auf mich zu. Er wollte dieses Angebot der HessenAgentur nutzen, da er seinen Hotelbetrieb ausgebaut und damit auf neue Beine gestellt hat.
Er traute seinen Augen nicht, als er den Vertrag, der auf seinem Schreibtisch lag, las. Dieser kleine Interneteintrag sollte monatlich – ich wiederhole: monatlich, nicht einma
lig – 95 c kosten. Das wären für diesen kleinen Unternehmer mehr als 1.000 c pro Jahr.
Das muss man sich einmal vorstellen. Dieser kleine Familienbetrieb hat von diesem Angebot natürlich Abstand genommen. Denn die Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem Nutzen.
Ich finde es, gelinde gesagt, unerhört, dass man kleinen Unternehmen, die eh schon Schwierigkeiten haben, sich im Wettbewerb zu behaupten,solche Angebote unterbreitet.
Ich fordere Sie von dieser Stelle aus auf:Stoppen Sie diese Aktion, und überdenken Sie die Geschäftspraktiken der Hessen-Agentur.
Wir werden Ihren Entschließungsantrag in Gänze ablehnen. Denn er beinhaltet nur Eigenlob, aber keine konkreten Maßnahmen. Das Lob des Mittelstandes können Sie sich ebenfalls sparen. Das glaubt Ihnen sowieso niemand mehr.Als Hinterländlerin sage ich Ihnen:Vom Streicheln allein wird die Sau nicht fett.
Guten Morgen, Herr Präsident, guten Morgen, meine Damen und Herren! Seit 2003 hat die SPD-Fraktion in kontinuierlichen Abständen Anträge und Initiativen eingebracht, um die kleinen, mittleren und mittelständischen Betriebe zu fördern und zu entlasten.
Wir kennen die Bedeutung des Mittelstandes. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen und Sie aufgefordert, der Bedeutung endlich auch Taten folgen zu lassen. Nach wie vor ist Hessen ein starker Wirtschaftsstandort.
Danke, Herr Boddenberg. – Wir wissen, das RheinMain-Gebiet ist der Jobmotor und das Herzstück der wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen. Drei Viertel der hessischen Wertschöpfung werden im Rhein-Main-Gebiet erwirtschaftet. Das ökonomische Potenzial der Region um Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden wird nur noch von dem des Großraums München übertroffen. Frankfurt mit knapp 640.000 Einwohnern erreicht das dritthöchste Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt Deutschlands. Etwa 70.000 Menschen arbeiten am Bankenstandort. Der Flughafen Frankfurt – das wichtigste Luftkreuz Kontinentaleuropas – ist mit mehr als 60.000 Arbeitsplätzen einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Aber nicht nur Südhessen hat hervorragende Potenziale und Voraussetzungen, sondern auch der Norden und die Mitte.Nur,was macht die Landesregierung daraus? Nordund Mittelhessen werden links liegen gelassen.
Der Bankenstandort Frankfurt droht durch die Entwicklung, jüngst wieder bei der Diskussion um die Deutsche Börse und den Stellenabbau bei der Allianz, weiter geschwächt zu werden. Negative Wirtschaftsdynamik und die schlechte Arbeitsmarktentwicklung zeigen erheblichen Handlungsbedarf. Im Bestandsranking: Platz vier, im Dynamikranking: Platz 12.
Da laufen uns Rheinland-Pfalz und einige der neuen Bundesländer den Rang ab.
Wir können doch nicht hinnehmen, dass der Wirtschaftsstandort Hessen gegenüber allen anderen Bundesländern immer weiter abfällt.
Wann wacht diese Landesregierung endlich auf und zeigt wenigstens Ansätze einer aktiven Wirtschaftspolitik?
Wir schauen mit großer Sorge auf die immer schlechter werdenden Zahlen. Die Landesregierung tut nichts, aber auch gar nichts.
Die entscheidende Frage ist, warum uns andere Bundesländer den Rang ablaufen: weil sie erkannt haben, dass man mit gezielten Maßnahmen das Rückgrat der Wirtschaft unterstützen und ausbauen kann, die KMU und den Mittelstand, weil sie es unterstützen, dass sich regionale Cluster bilden und somit in den Regionen ein Ausgleich und wirtschaftliche Dynamik stattfinden können, weil sie monetäre und nicht monetäre Förderung in einem Hause anbieten, weil sie Forschung, Entwicklung und Anwendung unter einen Hut bringen.
Dies wären auch die originären Aufgaben der HessenAgentur GmbH. Ein Kompetenzzentrum will sie sein. Bei einem Besuch der Hessen-Agentur konnten wir das nicht feststellen.Die Hessen-Agentur unternimmt Auslandsreisen. Das ist gut. Sie besucht viele Messen im In- und Ausland. Auch das ist gut. Aber was tut sie noch? Sie vergibt Preise,um den Ministern ein Selbstdarstellungspodium zu bieten.
Ist das eine ureigenste Aufgabe eines Kompetenzzentrums? Ach ja, ich hätte es fast vergessen: Die HessenAgentur kreierte ein Hessen-Parfum. – Vielleicht sollte man es über der Hessen-Agentur zwecks Inspiration ausschütten.
Die Unternehmen,die sich hinsichtlich Existenzgründung oder Erweiterung eines Betriebes an diese Agentur wenden, empfinden sie aber vor allem als zäh und hemmend, weil sie Förderinstrumente nicht bündelt. Hier sollte noch einmal nachgedacht werden,dass es nur Sinn macht,wenn man die monetären und nicht monetären Elemente wieder zusammenfügt.
Meine Damen und Herren, unser Antrag enthält ein Zehn-Punkte-Programm zur sofortigen Umsetzung, um auch kurzfristig ein besseres Klima in der Wirtschaftspolitik zu schaffen. Gerade jetzt, wo sich der Geschäftsklimaindex verbessert, müssen wir diesen Wind aufnehmen und endlich die Segel setzen. Das bestehende Mittelstandsförderungsgesetz ist in den vergangenen 30 Jahren nicht novelliert worden und findet in der derzeitigen Form noch nicht einmal Anwendung. In § 1 heißt es dort: „Aufgrund dieses Gesetzes hat die Landesregierung Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu entwickeln und durchzuführen, soweit sie dafür zuständig ist.“ Meine Damen und Herren der Landesregierung, dieser Paragraph scheint Ihnen aus dem Gedächtnis gefallen zu sein. Das Gesetz ist noch gültig,aber Sie fühlen sich nicht zuständig.
Landauf, landab kennt niemand den hessischen Wirtschaftsminister.
Hören Sie zu,Herr Wagner.– Aber man kennt seit einem halben Jahr Herrn Dr. Rhiel – das ist ein Unterschied –,
seit er mit seiner Kampagne wie ein Marktschreier durchs Land reist und verkündet, alle Haushalte werden ab kommendem Jahr ca. 70 c beim Strom sparen. Ich freue mich über jede Entlastung,
die Familien zugute kommen.Aber, Herr Dr. Rhiel, seien Sie doch einmal ehrlich: Reicht es als Wirtschaftsminister, die vermeintliche Mutter Teresa der Stromverbraucher zu sein?
Die vier großen Konzerne schmunzeln über Ihr schweißtreibendes Handeln, und die kleinen Stromanbieter gehen in die Knie. Damit bauen Sie in Hessen ohne große Not weitere Arbeitsplätze ab.
Unterm Strich werden sich am Ende zwei Stromkonzerne den Markt teilen. Was Monopolisten tun, wissen wir, seit es sie gibt: Preise rauf, Mitarbeiterzahlen runter. Herr Dr. Rhiel, Sie sind seit über drei Jahren im Amt. Sie haben Netzwerke geknüpft, Broschüren gedruckt, Lippenbekenntnisse abgegeben, feine Reden gehalten – viel Input, no Output.
Macht diese Arbeit eigentlich Freude, wenn man sich abrackert und nichts dabei herauskommt, wenn man sieht, dass Hessen nicht mehr einen der Spitzenplätze einnimmt und sich in der Dynamik im letzten Drittel befindet? Beunruhigt es Sie überhaupt nicht, dass unsere Arbeitslosenzahlen bundesweit am geringsten sinken?
Warum wollen Sie eine Task-Force nicht unterstützen, um Not leidende Betriebe vor der Insolvenz zu retten? Eine Art Schuldnerberatung für kleine und mittlere Unternehmen könnte in der Region Arbeitsplätze sichern und Betriebe erhalten.Wenn der Insolvenzverwalter vor der Tür steht,dann ist es oft zu spät.Viele Unternehmen suchen in dieser Situation Unternehmens- und Betriebsberater auf – wo oft noch gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen wird.
Lassen Sie es zu, dass Unternehmen, wenn es um ihre Belange geht, unabhängig von Verbänden ein Mitspracherecht bekommen. Herr Boddenberg, wenn Sie von längst bekannten Positionen reden, dann frage ich Sie: Warum beteiligen Sie sich nicht an der Stärkung des Mittelstandes und lehnen gute Vorschläge ab? Ich habe von Ihnen im letzten Jahr nicht eine Initiative oder einen Antrag gesehen.
Herr Koch, es scheint, als hätten Sie das Land längst aufgegeben.Ich kann auch von Ihrer Seite keinerlei Initiative erkennen, die unser Land wieder an die Spitze bringt, den Mittelstand stärkt und Kleinbetrieben eine Perspektive gibt;
ganz zu schweigen von Ihrem Aussitzen der Probleme in Bezug auf den Bankenstandort und den Ausbau des Frankfurter Flughafens.
Ihre Bühne scheint Berlin zu sein. Hessen spielt bei Ihnen die zweite Geige. Zum wiederholten Male legen wir Vorschläge vor, die ein Anfang sein könnten, um Hessen auf den Spitzenplatz in Deutschland zu hieven. Ein Großteil unserer Forderungen ist kurzfristig umsetzbar und könnte eine Initialzündung hervorrufen. Wer so oft wie Sie in Berlin tingelt, der muss auch mitbekommen haben, was gerade zur Chefinnensache erklärt worden ist: Die Ideen von Gerhard Schröder und seinem Team sind von Frau Merkel übernommen worden und letzte Woche an den Start gegangen.
Die Entlastung und Förderung des Mittelstandes und der kleinen und mittleren Unternehmen stehen dort im Fokus. Es ist ein Mittelstandsentlastungsgesetz: die Entlastung von bürokratischen Vorschriften und Hürden, die Einsetzung eines Normenkontrollrates und die Einführung eines Standardkostenmodells, um Bürokratie messbar machen zu können und sie hinsichtlich Hemmnissen für diese Unternehmen zu untersuchen. Das Ziel der Bundesregierung ist die Stärkung des Mittelstandes, der Ausbau von Forschungs- und Entwicklungspolitik und der weitere Abbau von Bürokratie und Überregulierung. Für mehr Wachstum und Beschäftigung steht daher dort die Stärkung des Mittelstands im Mittelpunkt; denn kleinen und mittleren Unternehmen kommt eine zentrale Bedeutung zu,wenn es darum geht,Wachstumsmärkte im Inund Ausland zu erschließen,die Beschäftigungschancen in unserem Land zu erhöhen, Innovationen schnell und erfolgreich in neue Produkte umzusetzen sowie eine rationale Energieverwendung und -einsparung zu nutzen. Zeitgleich ergeht an die Länder die Aufforderung, Gleiches zu tun.Warum tun Sie das nicht?
Es ist für Hessen und unsere Wirtschaft eine große Chance, wenn wir nun an einem Strang ziehen. Herr Dr. Rhiel, die Aufforderung zur Unterstützung des Mittelstandes zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der SPD-Fraktion, und wir hören auch nicht auf, Sie daran zu erinnern.
Bekanntlich lernen Menschen durch ständige Wiederholung – bei der Landesregierung kann ich überhaupt keinen Lernprozess feststellen. Erst im Januar dieses Jahres haben wir zum Bürokratieabbau und zur Überregulierung einen Berichtsantrag gestellt und Sie unter anderem gefragt, ob Sie eine Mittelstandsauswirkungsklausel einführen würden. Der wesentliche Kern Ihrer Antwort war, der bürokratische Aufwand sei zu groß, um die Unternehmen zu entlasten.
Ihre Antwort ist ein Armutszeugnis und, wenn man es genau nimmt, eine Frechheit.
Herr Boddenberg, Sie sprechen, wenn es um Bürokratieabbau geht,weiterhin von einem bürokratischen Monster. Sie haben es leider nicht verstanden. In den Niederlanden hat es dazu geführt, dass Tausende Arbeitsplätze entstanden sind. SAP und E-Government wurden in Hessen eingeführt, und die Verwaltung wurde mit großem Aufwand auf Produkthaushalte umgestellt. Das alles sind Grundlagen für die Einführung von Standardkostenmodellen. Sie schaffen die Möglichkeit, Bürokratie messbar zu machen und hinsichtlich Sinn oder Unsinn zu überprüfen.
Herr Dr. Rhiel, ich hoffe, dass wir von Ihnen anschließend nicht nur nette Lippenbekenntnisse hören.Die Unternehmen sind es leid, Ihre Broschüren und Schriften zu lesen. Wir wollen von Ihnen auch nicht immer wieder hören,wie wichtig der Mittelstand sei. Das wissen wir schon seit langem.Wir wollen auch nicht hören,wie sich der Mittelstand hinsichtlich der Ausbildungsplätze anstrengt.Auch das ist uns bekannt.Einen Stromminister brauchen wir nicht und einen Berliner Abgeordneten in diesem Hause ebenso nicht.
Lesen Sie unsere Forderungen aufmerksam, stimmen Sie zu, und packen Sie es vor allen Dingen an.
Ich gehe auf Ihren Antrag nicht ein, da Sie sich mit fremden Federn schmücken. Die schlechten Zahlen belegen: Es reicht einfach nicht, was Sie tun. – Danke schön.
Ich frage die Landesregierung:
Trifft es zu, dass sie Kommunen – so auch den Lahn-DillKreis – aufgefordert hat, weitere Dezentralisierungen der Zulassung von Kraftfahrzeugen zurückzustellen oder ganz zu unterlassen?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion versucht heute Morgen in der Aktuellen Stunde zum wiederholten Male zu dokumentieren,dass die Hessische Landesregierung Wirtschaftspolitik macht.Meine Damen und Herren,leider haben wir in dieser Landesregierung keine Macher.
Ich habe in meiner letzten Rede ausführlich dargestellt, dass die einzigen Fortschritte bezüglich Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen allein aufgrund von Initiativen der SPD erzielt wurden. Wir lassen an dieser Stelle auch nicht nach. Wir werden weiter für die kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Lande kämpfen.
Wir haben Ihnen den Vorschlag gemacht, das Mittelstandsförderungsgesetz zu modernisieren. Sie haben genau dies in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses abgelehnt. Der Mittelstand in Hessen hat Zukunft – da haben Sie vollkommen Recht, Herr Williges –, aber nicht wegen dieser Landesregierung, sondern weil die Mittelständler innovativ sind und sich allen Herausforderungen stellen.
Es ist nicht Ihr Verdienst. Die Umfrage von Ernst & Young, auf die Sie sich beziehen, besagt, dass die Unternehmen die Infrastruktur loben. Das ist ein Verdienst der Bundesregierung, weil diese die wichtigen Verkehrsmaßnahmen in Angriff genommen hat und bezahlt.
Dort, wo die Landesregierung verantwortlich ist, stockt und stottert es an allen Ecken und Enden – siehe Frankfurter Flughafen.
Herr Williges, ich weiß nicht, warum Sie das an dieser Stelle loben. Beim Landesstraßenbau fehlt das Personal. Ich merke das gerade im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Wir kommen nicht voran, weil die Kürzungen beim ASV zu Buche schlagen.
All das ist doch eine Folge Ihres Sparprogramms. Die Umfrage zeigt uns aber auch, dass die Unternehmen die Bildungspolitik stark kritisieren. Ich glaube, Sie haben die Umfrage nicht ordentlich gelesen. Die Bildungspolitik ist nun einmal Ländersache. Auch hier setzen Sie die Forderungen der Unternehmen nicht um. Nein, Sie ignorieren jegliche Fachkompetenz auf diesem Gebiet.
Eine Umfrage, die den Begriff Mittelstand völlig neu definiert, führt nicht dazu, dass wir uns in der Diskussion auf einer Ebene befinden. Von daher gesehen zeichnet die Umfrage überhaupt kein detailliertes Bild von der Situation der Unternehmen in Hessen. Man hätte die EU-Definition oder zumindest die vom Mittelstandsinstitut verwendete Definition wählen müssen. Dort geht man beim Begriff Mittelstand von maximal 500 Beschäftigten pro Unternehmen aus. Bei der von Ihnen genannten Umfrage sind Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 30 und 2.000 Mitarbeitern befragt worden. Das finde ich ein bisschen fragwürdig.
Das ist keine Statistik, sondern eine Umfrage.
Es ist auch ein wesentlicher Unterschied, ob ich Firmen befrage – Herr Boddenberg, hören Sie kurz zu –, die im Wesentlichen im Außenhandel tätig sind, wie es Ernst & Young getan hat, oder Unternehmen befragen, die sich auf dem Binnenmarkt behaupten müssen. Laut der Umfrage ist das wesentliche Merkmal der Standortpolitik, dass unter den Unternehmen Pessimismus vorherrscht. Ökonomie hat viel mit Psychologie zu tun. Ich habe das in meiner letzten Rede ausführlich dargestellt. Genau dies ist auch die Aussage der Umfrage.
Ich habe in meiner letzten Rede das „Marburger Mittelstandsbarometer“ zitiert. Diese Studie hat im November 2004 auch Lösungen präsentiert. Sie können das nachlesen. In der Studie „Marburger Mittelstandsbarometer“, die keine Umfrage ist, wird die Psychologie des Mittelstandes analysiert, und man zieht auch Schlüsse daraus.
Ernst & Young hätte sich das Geld für die Umfrage sparen können.Ich frage mich nur:Was sollte damit bezweckt werden? Deswegen zitiere ich ganz kurz aus dieser Umfrage.
Die Neuwahlen im Bund bringen die Chance auf einen grundlegenden Stimmungsumschwung und auf Verbesserung der Konjunkturaussichten.
Da frage ich:Wer hat die Umfrage überhaupt bezahlt?
Ich freue mich, wenn es den Unternehmen in Hessen gut geht. Wir von der SPD beteiligen uns aktiv daran. Es gibt aber eine Vielzahl von Betrieben, die um ihre Existenz kämpfen und die Antworten auch aus Hessen erwarten.In der Umfrage steht Hessen nicht schlecht da. Aber die Zahlen aus Rheinland-Pfalz sind ebenfalls positiv, in vielen Fällen sogar wesentlich besser als die hessischen Zahlen.
Ich kann Sie leider nicht verstehen, Herr Boddenberg. Das können wir nachher klären.
Dies zeigt doch eindeutig, dass es nicht der Bund sein kann,der an dieser Misere schuld ist,und Rheinland-Pfalz hat bekanntlich einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.
Ich sage es zum wiederholten Male: Unterlassen Sie Ihr unsägliches Gerede landauf, landab – Herr Weimar hat es uns gestern wieder gepredigt –, dass wir in Deutschland schlecht aufgestellt seien, dass wir international den Anschluss verpasst hätten. Herr Weimar sollte ab und zu einmal über den Rand seiner Brille schauen. Die TsunamiKatastrophe hat z. B. gezeigt, wer das weltbeste Frühwarnsystem hat. Das sind wir. In der vergangenen Woche, um zwei Beispiele zu nennen – –
Ich bin gleich fertig. – In der vergangenen Woche haben wir erfahren, dass im Bereich der Brennstoffzellenforschung ein Institut in Dresden einen weltweit anerkannten Durchbruch erreicht hat. Frau Merkel und Herr Koch wollen aber wieder Atomkraftwerke haben. Ich würde sagen, am besten stellen wir sie in ihren eigenen Gärten auf. Ich würde mich bei meinem Haus für eine Brennstoffzelle entscheiden.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Herr Williges, wenn Sie es auch hundertmal wiederholen, „mit dem Meisterbrief an die Hochschulen“ ist einzig und allein das Verdienst der SPD.
Aber ganz allein. Sie wissen ganz genau, dass Sie es vor zweieinhalb Jahren noch abgelehnt haben. Wir haben es aufgegriffen und gefordert. Der Landtag hat es dann umgesetzt. Ich habe darüber mit einzelnen Menschen aller Fraktionen Gespräche geführt.
Das Zweite ist: Wir mussten Sie ebenfalls treiben bei der freihändigen Vergabe. Wir mussten Sie treiben bei den ÖPP-Modellen.
Wenn wir Sie nicht treiben, wachsen Sie doch fest.
Die Kolleginnen und Kollegen von der FDP haben uns einen Antrag zur Stärkung des Mittelstands vorgelegt. Ich halte mich bei der Begriffsbestimmung des Mittelstands, ähnlich wie Herr Denzin, an die EU-Definition. Ihr Antrag beweist einmal mehr, dass die Landesregierung und der Wirtschaftsminister für kleine und mittlere Unternehmen bis heute noch kein Konzept vorgelegt haben. Wir und die KMU-Betriebe wissen nicht, wohin die Landesregierung will. Allerdings, meine Damen und Herren von der FDP, geht uns Ihr Antrag nicht weit genug. Er ist an verschiedenen Stellen undifferenziert und für uns inakzeptabel. Den privaten Leistungserbringern Vorrang vor denen der öffentlichen Hand einzuräumen konterkariert z. B. die Bemühungen für ÖPP-Modelle. Die FDP will naturgemäß so viel wie möglich privatisieren. Wir sind der Meinung, dass wir der Privatisierungswut der Landesregierung entgegenwirken sollten.
Das Mittelstandsförderungsgesetz abzuschaffen ist das völlig falsche Signal. Andere Bundesländer haben es vor kurzem erst eingeführt oder sind dabei, es zu überarbeiten. Wir dürfen es nicht abschaffen, sondern müssen es modernisieren und permanent den Prozessen und Erfordernissen anpassen.
Die CDU schiebt, wie immer, wenn es um Mittelstandspolitik geht, einen Dringlichen Antrag hinterher. Ihr Antrag beinhaltet, wie gewohnt, Lippenbekenntnisse und schmückt sich mit Ergebnissen, die die SPD vorangetrieben hat.
Herr Boddenberg, ich hätte Sie gern als Sparringspartner gehabt, aber Sie haben sich ja verweigert. Von Regierungsseite viel Aktionismus, wenig sichtbare Erfolge. Die Zahlen in Hessen werden schlechter. Andere Länder haben ihren Spitzenplatz halten können. Sie rühmen die Hessen-Agentur als großen Wurf.
Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Person, die sich selbstständig machen will. Sie geben im Internet z. B. bei Google ein: Hessen, Förderprogramme, Existenzgründung. Was glauben Sie denn, wo Sie da landen? Bei der Um
weltallianz, bei der IHK Frankfurt und beim ImmobilienScout 24.
Bis Sie im Internet die Hessen-Agentur gefunden haben, ist es ein mühsamer Weg. Wenn Sie dann irgendwann bei der Hessen-Agentur gelandet sind, die Beratung anbietet,
stellen wir fest:Wenn es ums Geld geht, muss man sich an die IBH wenden. Hier erkennen wir doch den Unsinn der Trennung von Beratung von der monetären Hilfe. Hier wurde wieder einmal an der Realität vorbeigearbeitet.
So viel zu Ihren wohlfeilen Angeboten und der Unterstützung von Existenzgründern.
Nun zum Kern Ihrer Anträge, der Stärkung des Mittelstands. – Herr Bouffier, Sie müssen ein bisschen leiser sein.
Da kann man sich ja selbst nicht verstehen. – Ich möchte zum Kern, zur Stärkung des Mittelstands kommen. Die Bundesregierung hat die Stärkung des Mittelstands in den Vordergrund ihrer Politik gestellt. Alle Fördermaßnahmen und Unterstützungen aufzuzählen würde den heutigen Rahmen sprengen. Ich möchte Ihnen aber ein Beispiel nennen. Direkt vor meiner Haustüre sitzt ein kleines Unternehmen, ein kleiner Global Player, der die weltbesten Optikmaschinen herstellt. Mitarbeiter des Bundesforschungsministeriums sind darauf aufmerksam geworden,sind nach Steffenberg-Quotshausen gefahren – sicher kennt kaum einer hier den Ort in Mittelhessen – –
Herr Gotthardt,Ihnen will ich es noch zugestehen.– Das BMBF hat sich die Arbeiten angeschaut und fördert dieses Unternehmen seit drei Jahren, und zwar mit dem Erfolg, dass dieser Unternehmer mit seinem Produkt erster auf dem Weltmarkt ist und permanent neue Leute einstellt. So kann es gehen, meine Damen und Herren.
Wir müssen Instrumente in die Hand nehmen, die den Mittelstand unterstützen und aktivieren und nicht belasten. Was die mittelständischen Betriebe ausweist, ist doch, dass sie an sich wandelnde Märkte anpassungsfähig sind, Verantwortung und eine hohe Bereitschaft für die Ausbildung junger Menschen zeigen.Sie sind mit Abstand am innovativsten.Sie machen Marktnischen ausfindig.Sie fühlen sich der Region und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was mittelständische Unternehmen derzeit am Erfolg hindert. Es hat sich gezeigt, dass hinter der Misere des Mittelstands weit mehr steckt als die objektiven Lasten durch Steuern und Abgaben. Zu 50 % ist es die Psychologie des Mittelstands.Vor allem anderen stört die Unternehmen die Bürokratie und Überregulierung – das kennen wir ja –, aber auch das derzeitige Konjunkturklima, die Finanzierungsproblematik und das Ausbildungsniveau der Nachwuchskräfte. Die Steuer- und Abgabenlast rangiert auf Platz drei. Das Gründungsklima muss dringend verbessert wer
den. Nach wie vor entscheidet sich nur eine sehr geringe Anzahl deutscher Studienabgänger für die Gründung eines Unternehmens. Dies hat mit der Anerkennung des Berufs zu tun. Die Angst vor dem vermeintlichen Versagen ist in Deutschland weit höher als in anderen Ländern. Wer einmal Insolvenz angemeldet hat, ist bei uns in Deutschland unten durch. Andere Länder machen den Menschen Mut, in die Selbstständigkeit zu gehen und es eventuell erneut zu versuchen.
Eine Vertrauenskampagne zur Verbesserung des Unternehmerbildes in der Öffentlichkeit muss angestoßen werden. Dies ist zwar die ureigentlichste Aufgabe der Verbände, aber die Landesregierung kann hier Impulsgeber sein. Ökonomie hat viel mit Psychologie zu tun – das wissen wir seit Ludwig Erhard –, nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch bei den Unternehmen. Die oberste Leitlinie eines Konzepts muss sein, kleine und mittlere Unternehmen gezielt, schnell und entschlossen zu unterstützen.
Wir müssen eine neue Aufbruch- und Gründerstimmung erzeugen, die Menschen ermutigt, in die Selbstständigkeit zu gehen. Mit Ihrem selbstzerstörerischen Gerede, meine Damen und Herren, dass Deutschland am Ende sei, fördern Sie die Missstimmung in unserem Land.
Am 22. September 2004 hat Herr Dr. Rhiel in Rotenburg einen Vortrag über Regionalpolitik gehalten. Darin sind einige gute, von uns vorgeschlagene Themen aufgegriffen worden.Was ist daraus geworden? Wieder ein Papierchen ohne Folgen, Herr Rhiel.
Zurzeit werden wir mit Ihren teuren Broschüren überhäuft, die dokumentieren sollen, die Landesregierung tue etwas für die Wirtschaft.
Hören Sie mir doch einmal kurz zu.– Können Sie sich eigentlich vorstellen, wie diese Broschüren auf die Unternehmen wirken? Die meisten werden nicht einmal die Zeit haben, sie zu lesen. Für wen sind sie eigentlich gedacht? Sind Sie der Meinung, dass die Unternehmen das ernst nehmen? Politik für kleine und mittlere Unternehmen setzt eine effiziente regionale Wirtschaftspolitik voraus. Meine Damen und Herren, wer Regionen nicht definiert, der schwächt das wirtschaftliche Potenzial.
Regionale Wirtschaftsförderung benötigt Kompetenznetzwerke mit dem Ziel, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen und zu erhalten. In diesen Netzwerken müssen alle arbeitsmarktpolitischen Institutionen und Verbände zu einer Koordinierungsstelle zusammengeschlossen werden. Ziel des Wirtschaftsministers muss sein, die gleichwertige Entwicklung aller Regionen zu gewährleisten. Wir vermissen von der Landesregierung – und im Besonderen vom Wirtschaftsminister – ein Konzept, wie sie sich wirtschaftlich in den Regionen für die kommenden Jahre aufstellt.
Wir wollen wieder Nummer eins in Deutschland und in Europa werden. Herr Riebel leuchtet in Berlin nicht als Leuchtturm, sondern als Windlicht. Wo ist er denn heute wieder?
Was tun Sie denn dafür, Hessen die Leuchtkraft wieder zu geben? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, wir hören tagtäglich von Ihnen, dass Deutschland im weltweiten Wettbewerb nicht standhalten könne, dass unsere Löhne zu hoch seien, dass wir zu wenig arbeiteten, dass wir zu viele Urlaubstage hätten und dass die Steuerlast zu hoch sei. Schlicht: Wir seien zu faul und zu teuer. Ich finde das unverschämt.
Geschürt werden diese Meldungen von Verbänden, von Parteien mit dem großen C davor, von CDU-nahen Stiftungen, die uns in ihren Studien ständig sagen, wie schlecht wir seien. Sie machen uns demütig, sie nehmen uns unser Selbstwertgefühl, sie machen uns Angst. Nicht nur uns Bürgerinnen und Bürgern nehmen sie den Mut, sondern den kleinen und mittleren Unternehmen ebenfalls. Dies führt auch zu Konsumverzicht und hemmt Investitionen.
Mit Ihrem selbstzerstörerischen Gerede, dass Deutschland am Ende sei, fördern Sie die Missstimmung und schaden dem Standort. Schauen wir es uns doch einmal von außen an. Europäische Studien und sogar das DIW sprechen eine ganz andere Sprache, deren Analysen sind nicht schwarz gefärbt.
Dort lesen wir, dass die Deutschen im Durchschnitt in Vollzeit 42,4 Stunden die Woche arbeiten, dass jede dritte Überstunde nicht bezahlt wird, dass die Deutschen weniger Urlaub nehmen, als im Tarifvertrag steht, und dass der Krankenstand so tief ist wie seit 1970 nicht mehr. Das muss man sich doch einmal vorstellen. Die großen Konzerne verdienen unverschämt gut, aber sie investieren zu wenig, und wenn, im Ausland.
Wir hören vonseiten der CDU und der FDP immer wieder, dass die Lohnnebenkosten zu hoch seien. Ich möchte Ihnen ein praktisches Beispiel nennen, was die Unternehmen vonseiten des Herrn Kohl auszuhalten hatten. Hören Sie zu, Herr Boddenberg, Herr Reif. Zu der Zeit waren auch Sie selbstständig. Die Krankenversicherung lag teilweise über 15 %. Zu Zeiten des guten Mannes aus Oggersheim stiegen die Rentenversicherungsbeiträge auf 20,3 %.
Hinzu kamen die Pflegeversicherung und der Solidaritätszuschlag. Zum guten Schluss hatten wir noch die deutsche Einheit zu verkraften, die ein Handeln der Sozialversicherungsträger fast unmöglich machte.In dieser verfehlten Politik liegt doch das ganze Übel.
Aber wenn wir über Lohnnebenkosten reden – –
Herr Gotthardt, ich glaube, Sie waren noch nicht selbstständig. Sie können da überhaupt nicht mitreden.
Herr Gotthardt, hören Sie mir doch einmal zu. Nicht Sie haben das Wort, ich habe das Wort.
Wenn wir über Lohnnebenkosten reden, darf man die Produktivität nicht verschweigen. Unsere Produktivität ist gut, sogar sehr gut. In England beispielsweise liegt die Wochenarbeitszeit bei 43 Stunden. Bei der Produktivität finden wir England am unteren Ende der Skala.Viele Studien belegen, dass in Deutschland die Arbeiterinnen und Arbeiter besser ausgebildet sind und anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben können als ihre Kollegen in England oder den USA. Das zeigt, was unsere Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leisten. Seit 15 Jahren sind die Lohnnebenkosten nicht gestiegen, aber die Produktivität hat doch zugenommen.
Aber die Beschäftigten in den Konzernen haben nicht davon profitiert. Die Klagen der DAX-Unternehmen und der Arbeitgeberlobby haben doch Früchte getragen. Deutschland ist besser als sein Ruf, sagt ein Schweizer Wissenschaftler. Wir haben 4,9 Millionen Arbeitslose, davon 1,7 Millionen in den neuen Bundesländern.Trotz dieser Hypothek liegt die Beschäftigungsquote bei gut 64 %. Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft auf der Welt.Wir schultern enorme Lasten durch die Wiedervereinigung und die europäische Integration, und wir tun das auch gern. Kein anderes Land der EU hätte diese Herkulesaufgabe gemeistert.
Diese Leistung muss doch anerkannt werden. Sicher wurden weltweit 22 Millionen Industriejobs vernichtet, davon allein 11 Millionen in den USA. Die Frage lautet doch nicht: „Wie lässt sich das verhindern?“, weil jeder, der real denken kann, weiß, das lässt sich nicht verhindern, sondern: „Wie lässt sich dieser Verlust ausgleichen?“ – Einmal dadurch, dass wir mehr in Bildung und Forschung investieren, und zum anderen dadurch, dass wir nicht überall sparen und den Menschen wieder Hoffnung und Selbstbewusstsein geben. Die Jobs fallen bei uns im Wesentlichen da weg, wo der heimische Markt zusammengebrochen ist: im Einzelhandel, im Handwerk und in der Bauwirtschaft. Dies zu ändern liegt auch in unserer Macht.
Die Menschen lassen sich verunsichern, und die, die konsumieren könnten, tun es nicht. Meine Damen und Herren von der CDU, erzählen Sie nicht permanent die Unwahrheit, verunsichern Sie nicht die Menschen, sondern machen Sie ihnen Mut für die Zukunft.Wir brauchen keinen Papieraktionismus, sondern konkrete Unterstützung. Hierfür möchte ich Ihnen einige wenige Beispiele nennen.
Wir brauchen ein regionales Management, Unterstützung bei Kreditfinanzierung, weil vielerorts ansässige Banken einfach die Fördermittel nicht weitergeben.Wir brauchen den Einsatz von mezzaninem Kapital – ein neues Förderinstrument zur Stärkung der Eigenkapitaldecke, eine direkte Nachrangfinanzierung –, eine Spezialeinheit für Unternehmen, die in schweres Fahrwasser geraten sind. Andere Bundesländer haben diese Task-Force schon lange. Wir brauchen mehr technologische und kommunale Kompetenzzentren, die Kräfte vor Ort bündeln und Gründungen erleichtern.
Meine Damen und Herren, ich werde jetzt meinen Schlusssatz sagen. Ich erkenne bei den Willensbekundungen der Landesregierung und ihren konkreten Vorschlägen doch einige Schnittmengen. Lassen Sie uns im Ausschuss darum ringen,wie wir unseren Betrieben und somit allen Bürgerinnen und Bürgern das Leben und Arbeiten erleichtern können. Herr Rhiel, packen Sie es an, lassen Sie sich nicht ständig aus der Staatskanzlei dirigieren.
Werden Sie endlich aktiv, und fangen Sie an zu regieren. Sie haben nur noch knapp drei Jahre. – Vielen Dank.
Herr Boddenberg, Sie haben von der Verunsicherung gesprochen, die die Unternehmen schwächt. Sie haben an dieser Stelle zwei Minuten verunsichert. Sie haben wieder keine konkreten Vorschläge gebracht,
wie dieses Land wieder auf die Füße kommt. Wo stehen wir denn mittlerweile? Aber wahrscheinlich sollen wir es so machen, wie es Herr Williges gesagt hat: Hilfe zur Selbsthilfe, und das Land zieht sich zurück und macht überhaupt nichts.
Ich frage die Landesregierung:
Welchen Sachstand haben ihre Bemühungen zur Stärkung des Standorts Mittelhessen bezüglich der Nanotechnologie?
Gibt oder gab es einen Investor, der ein Kompetenzzentrum für Nanotechnologie unterstützen will oder wollte?
Ein Geschäfts- bzw. Businessplan, überreicht durch das Gießener Regierungspräsidium, liegt vor. Ich habe an dieser Stelle die Bitte, ob Sie diesen Geschäftsplan den Mitgliedern des Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überreichen können.
Verehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! – Entschuldigung, sehr geehrte Präsidentin.
Ich denke, das ist das deutsche Wort für Präsidentin. – Wir haben zur Novellierung der Handwerksordnung ei
nen Antrag eingereicht, Sie von der CDU schieben einen hinterher. So war es bisher jedes Mal, wenn es um die Stärkung des Handwerks ging.Wir brachten einen Antrag ein, und Sie haben einen Dringlichen Antrag hinterhergeschoben.
Die Novellierung der Handwerksordnung zeigt Wirkung, und die CDU fürchtet sich. Sie befürchtet ein Absinken der Qualität im Handwerk sowie einen Imageschaden. Weiterhin beklagt die CDU, dass sich Existenzgründer ohne Qualifikationen selbstständig machen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Berufe, die keine qualitativen Anforderungen stellen. Wie können Sie behaupten, dass die Qualität sinkt? Sie schlagen mit Ihren Äußerungen doch denjenigen ins Gesicht, die nun endlich die Chance haben, sich selbstständig zu machen und ihre Leistung unter Beweis zu stellen.
Sicher wird es auch Existenzgründer geben, die ihr Handwerk nicht verstehen. Es wird sich einiges auf dem Markt tummeln. Das will ich nicht abstreiten. Aber ich zähle dazu drei wesentliche Kriterien auf, die Ihre Furcht und Ihre Sorge etwas abmildern sollen:
Erstens haben wir die Verdingungsordnungen, zahlreiche Fachregeln, den Verbraucherschutz und das BGB.
Zweitens gibt es jede Menge Dienstleistungen, die nicht der Handwerksordnung unterliegen. Ich stelle hier die Frage:Liefern alle diese Betriebe eine schlechte Qualität? Ich will hier nur am Rande den IT-Bereich oder den Verkauf nennen.
Drittens hat es immer schon Titel ohne Mittel gegeben. Ich sage das extra provokativ. Sie wissen, ich komme aus dem Handwerk. Ich weiß, wovon ich rede. Das Wort Flachdach treibt allen Bürgermeistern und Landräten Sorgenfalten ins Gesicht. Für mich persönlich sind es, wenn sie ordentlich ausgeführt werden – ob vom Meister oder nicht von einem Meister –, die besten Dachabdichtungen, die es gibt.
Das Preisgefüge könnte sich hier und da in einzelnen Gewerken kurzfristig leicht nach unten bewegen. Sicher, das kann passieren. Wenn wir uns aber überlegen, wie Handwerker ihre Kunden akquirieren, so wissen wir, dass es im privaten Bereich über Mundpropaganda, Zuverlässigkeit, Service und Termintreue funktioniert und im gewerblichen Bereich weitgehend über Referenzen.
Dass das Handwerk trotz Meisterbriefs ein Imageproblem hat, ist seit Jahren bekannt. Die Kammern starten eine Kampagne nach der anderen – ich finde das sehr positiv –, aber nicht erst seit der Novellierung. Ihrerseits fehlt die Beweislage, dass sich das Problem verschärfen wird. Vergessen Sie an dieser Stelle auch nicht, dass viele Handwerker ihr Gewerk nicht auf dem schwarzen Markt, sondern legal betreiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihre Sorge liegt allein darin begründet,dass Sie Angst haben,dass wir mit der Novellierung der Handwerksordnung erfolgreich sein werden.
Ich persönlich hege ein großes Vertrauen in die Arbeit der Handwerker, und Sie tun dies anscheinend nicht. Was
mich sehr verwundert, das ist der vierte Absatz Ihres Antrages. In diesem Absatz stellen Sie fest, dass die Zulassung der Meister und Meisterinnen zu den Hochschulen ein Zeichen der Wertschätzung ist.Wessen Wertschätzung war es zu Anfang? Wer hat dafür gekämpft?
Ich möchte Ihnen das Frühjahr 2004 in Erinnerung rufen. Die zuständigen Minister, Herr Corts und Herr Rhiel, wollten von dem Vorschlag des uneingeschränkten Zugangs an die Hochschulen Abstand nehmen.
Einige Kolleginnen und Kollegen haben heute noch Bauchschmerzen, dass sie dem zugestimmt haben. Unsere Initiative über alle Parteigrenzen hinweg hat dazu geführt, dass es gegen den Willen der Minister ein einstimmiges Votum der Abgeordneten für diese Zulassung gab. Der Druck der Handwerker hat dazu geführt, dass die Verordnung zeitnah umgesetzt wurde. Wir wollen die Sache hier also nicht verkehren.
Wir finden wöchentlich Meldungen in den Printmedien und auf den Homepages Ihrer Fraktion und des Ministerpräsidenten, in denen sie es als ihren Verdienst verkaufen. Das geschieht auch bei den Neujahrsreden der CDU-Kollegen.Wenn ich auf die Homepage des Ministerpräsidenten gehe und bei Wirtschaft und Handwerk nachgucke, dann sehe ich, dass er es lobt, dass Meisterinnen und Meister einen uneingeschränkten Hochschulzugang haben.
Lassen Sie mir bitte noch einen Satz. – Sie schmücken sich hier schamlos mit fremden Federn.Vor drei Jahren hat die SPD diesen Antrag auf die Agenda gesetzt, und Sie haben ihn abgelehnt. Es stimmt uns hoffnungsfroh, dass Sie belehrbar sind und in der Wirklichkeit angekommen sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Beer, Sie sprechen mir aus der Seele. Danke.
Die Nanotechnologie erweist sich als eines der wichtigsten wissenschaftlichen Forschungsgebiete für die Lösung vieler Zukunftsfragen. Sie beinhaltet die Erforschung und Entwicklung technologischer Anwendungen in den Bereichen Chemie, Physik, Biologie, Pharmazie und Medizin. Es ist ein Markt ungeahnter Möglichkeiten, eine Chance für Deutschland, für unsere Unternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze für unsere Bürgerinnen und Bürger.
Durch neue medizinische Therapiemöglichkeiten wird es revolutionäre Veränderungen geben, die unser Gesundheitssystem massiv in positivem Sinne beeinflussen und extrem kostensenkend wirken werden, ganz zu schweigen davon, welche Chancen sich im Umweltbereich ergeben, wenn wir zur Reinigung verschiedenster Materialien und Oberflächen weniger oder gar keine Chemikalien mehr benötigen. Diese Beispiele sind selbst ein Nanoteilchen der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten dieser Technologie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung behauptet von sich, sie sei innovativ, zukunftsorientiert und denke in wirtschaftlichen Dimensionen.
Die Wahrheit ist: Im Hinblick auf die Nanotechnologie entsprechen die oben genannten Attribute nicht der Wirklichkeit.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern geben wir in Hessen diesbezüglich ein mehr als bescheidenes Bild ab. Ein Beispiel – Frau Beer hat es auch genannt –: In BadenWürttemberg gibt es 18 Kompetenzzentren,in Hessen nur neun.Wenn wir den rollenden Zug noch erreichen wollen,
dann müssen wir dringend aufspringen, sonst schauen wir ihm in Hessen sehnsüchtig hinterher.
Einer Technologie, die das 21. Jahrhundert beherrschen wird, muss auch in Hessen eine größere Priorität eingeräumt werden. Hier wird eine einmalige Chance verschlafen, eine Chance für Neugründungen, für Forschung, Lehre, Ausbildung und für ein herausragendes Potenzial an Arbeitsplätzen.
Hier in Mittelhessen haben wir Wissenschaftler, die weltweit anerkannt sind, die weltweit forschen, sich austauschen, die Netzwerke von Südafrika über Australien, Israel bis zu den USA betreiben.Auch in anderen Regionen unseres Landes weist die Forschung in dieser Technologie hervorragende Leistungen auf. In Darmstadt sind es die Materialwissenschaften, in Kassel ist es z. B. die Nanostrukturtechnik. In Marburg fließen alle fünf genannten Nanobereiche zusammen: Biologie, Pharmazie, Physik, Chemie, und im Bereich der Medizin ist die Krebsforschung auf dem Vormarsch.
Das Einzige, was der Regierung dazu einfällt, ist ein Netzwerk. Netzwerke sind fein, sie sind auch nötig. Aber sie haben an dieser Stelle eine Alibifunktion. Wenn sonst nichts passiert, kann man mit den 30.000 c, die die Landesregierung zur Verfügung stellt,noch nicht einmal einen leistungsfähigen Server erwerben, Herr Corts.
Für viele Tätigkeiten benötigen Menschen räumliche Nähe.Wir müssen Zentren schaffen, die eine Zusammenarbeit der Forschung und der Anwender ermöglichen. Dies ist für Erfolge unabdingbar, und da reicht es nicht, wenn sich Forscher und Unternehmer per E-Mail austauschen. Sie benötigen eine leistungsfähige Ausstattung zur gemeinsamen Nutzung. Der alleinige Austausch von Gedanken und Ideen führt nicht zwangsläufig dazu, dass marktfähige Produkte entstehen.
Kleine Unternehmer und Neugründer können sich keine technische Ausstattung leisten. Die Anschaffungskosten sind zu hoch, ganz abgesehen von der Tatsache, dass an dieser Stelle die Banken ohnehin nicht mitspielen würden. Sie würden eine Kreditaufnahme in Millionenhöhe nicht ermöglichen. Wir kennen eine Vielzahl von Forschungen, in die sehr viel Geld gesteckt wird, aber aus denen am Ende wenig volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht, sprich: bei denen am Ende keine marktfähigen Produkte zu sehen sind.
Wir haben in Mittelhessen zielgerichtete strategische Geschäftsfelder, in denen die Region mit mehr als 300 Patenten, 100 Projekten und 50 marktfähigen Produkten internationale Alleinstellungsmerkmale aufweist. Wollen wir warten, bis unsere Wissenschaftler Hessen oder Deutschland verlassen, weil sie in anderen Ländern bessere Bedingungen vorfinden? Jeder siebte Wissenschaftler sucht seinen Erfolg nicht mehr in Deutschland. Wir brauchen keine Zuwanderung von Intelligenz in diesem Bereich, sondern eine Rückwanderung qualifizierter deutscher Wissenschaftler und vor allem das Halten vorhandener Kompetenzen.
Dass man hier in Hessen einen Investor, der Millionenbeträge zur Verfügung stellen will, hinhält und die Gelegenheit nicht beim Schopfe packt, ist der Gipfel des Desinteresses und der Unkenntnis der Landesregierung bei Innovation und Forschung.
Herr Dr. Rhiel, Sie wissen, dass man Investoren nicht in der Öffentlichkeit nennt.
Gerne, unter vier Augen, ich erinnere Sie dran. – Ich begreife Ihre Zögerlichkeit nicht, Herr Wirtschaftsminister. Ich hätte dem Investor, der Sie vor Monaten angesprochen hat, den roten Teppich ausgerollt.
Die Bundesregierung hat in Sachen Nanotechnologie ihre Aufgaben gemacht. Beteiligen Sie sich daran. Schieben Sie diese wichtigen Entscheidungen nicht zwischen den Ministerien für Wissenschaft und für Wirtschaft hin und her, sondern zeigen Sie endlich Initiative. Kompetenzgerangel schadet der Sache.
Mein Eindruck ist, Wirtschaftspolitik findet in Hessen nicht statt. Die Region Mittelhessen ist weder in Ihrem alltäglichen Sprachgebrauch noch in Ihren Köpfen. Eine Hessenagentur GmbH, die der Ministerpräsident ersonnen hat und die Sie in der Presse als Wirtschaftskonzept verkaufen durften, Herr Rhiel, ist mehr als dürftig, ich behaupte: armselig.
Weshalb Sie sich die Sache aus der Hand nehmen lassen, ist mir nach wie vor unverständlich. Ist Herr Corts nun für Wirtschaftsinvestoren zuständig, da ihm dieses Ressort besser liegt? – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu später Stunde ein wichtiges Thema. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist die neue Handwerksordnung in Kraft. Die Bundesregierung hat mit der Modernisierung, Zukunftssicherung und EU-Festigkeit dafür gesorgt, dass das Handwerk den Stellenwert erhält, der ihm zusteht, und die Möglichkeit geschaffen, dass Meisterinnen und Meister einen Zugang zur Hochschule bekommen.
Selbst die Handwerkskammern haben die Chance erkannt und schaffen neue Marketinginstrumente zur Aufwertung des Meisterbriefs.
Meine verehrten Herren von der CDU, Ihnen war das Thema einmal sehr wichtig.Ich bitte doch,dass Sie mir zuhören.
Nun ist die Landesregierung am Zug, eine alte Forderung der Meisterinnen und Meister umzusetzen und den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung für ein Hochschulstudium zu ermöglichen.
Wir haben 2002 erstmals diese Forderung aufgestellt. Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, haben gestern erst um 17 Uhr einen handschriftlich geänderten Dringlichen Antrag eingebracht, was wieder einmal beweist, dass Sie überall aus der Hüfte schießen – und, wie so oft, zu spät und mit alten Waffen.
Ich hätte mir eine Initiative des Wirtschaftsministers gewünscht. Der ist leider auch nicht zugegen. Aber er hätte sich mit Herrn Corts abstimmen müssen. Mein Eindruck ist, dass zwischen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium die Themen gern hin- und hergeschoben werden und somit keine Entscheidungen möglich sind, siehe Nanotechnologie.
Dieser neue Bildungsweg eröffnet Menschen neue Möglichkeiten und erweitert die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems.Wer die Praxis kennt, weiß, dass viele Meisterinnen und Meister in dem Betrieb, in dem sie arbeiten, oft jahrelang, meist vergeblich, auf eine frei werdende Meisterstelle warten. Ein Studium kann ihnen neue Möglichkeiten eröffnen und auch den Weg in eine qualifizierte Selbstständigkeit erleichtern.
Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Attraktivität erhöht wird, einen Handwerksberuf zu erlernen. Wenn ich weiß, dass ich in späteren Jahren die Qualifikation für ein Studium erlangen kann,muss ich mich nicht so früh festlegen, auch ein Durchhänger wird mir verziehen, ich verbaue mir durch einen mittleren Bildungsabschluss nicht meine Zukunft, wie es heute ist. Dies wäre gerade eine weitere Wertschätzung und Anerkennung unserer Jugendlichen. Wir erwarten, dass junge Menschen flexibel sind. Dann sollten wir auch unnötige Stolpersteine aus dem Weg räumen.
Ich selbst habe Meisterkurse besucht. Wer die hohe Hürde der Meisterprüfung erklommen und viel Zeit und Geld investiert hat, wird keine Schwierigkeiten mit einem Hochschulstudium haben. Die Erfahrungen zeigen, dass die Studienzeiten kürzer und die Abschlüsse durchweg besser sind. Das Handwerk in die Hochschulen zu holen wird eine Erweiterung des Horizonts für diese sein.
Ich muss schon sagen, meine Herren, dass es sehr schwierig ist, hier zu reden, wenn ständig am rechten Rand dieses Plenarsaals Dialoge geführt werden.
Junge Menschen, die ihr Handwerk seit Jahren ausüben, leisten mit ihrem fundierten Wissen einen qualifizierten Beitrag und bereichern die Hochschulen. Diese Erkennt
nis, Herr Jung, finden wir bei all denjenigen, die den zweiten Bildungsweg beschreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Landesregierung, hier können Sie erstmals in diesem Jahr zeigen, dass Sie es ernst meinen mit Ihrem Slogan „Bildungsland Hessen“.
Das Niedersächsische Hochschulgesetz berechtigt Meisterinnen und Meister zur Aufnahme eines Studiums an Fachhochschulen und an allen wissenschaftlichen und künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschulen. Einer besonderen Bescheinigung hierfür bedarf es nicht. Ich persönlich bin für die Übernahme des niedersächsischen Gesetzes,um bundesweit eine möglichst hohe Einheitlichkeit herzustellen.Auch ist es wichtig, dass hessische Meisterinnen und Meister in Niedersachsen studieren können und umgekehrt.
Wer eine Einschränkung will, der eröffnet die Debatte einer Wertung. Dies ist an dieser Stelle nicht angebracht und disqualifiziert Menschen, die den zweiten Bildungsweg gegangen sind, von der Werkbank bis zum Hörsaal, vom Hauptschüler zum Professor. Warum eigentlich nicht?
Wir wissen, dass Bildung noch immer vom Einkommen der Eltern abhängig ist. Die Annahme unseres Antrags wäre ein großer Beitrag zur Chancengleichheit im Bildungssystem. Zeigen Sie in Ihrer Praxis, wie wichtig Ihnen das Handwerk wirklich ist, und handeln Sie schnell. Dann können zum Wintersemester die ersten Meisterinnen und Meister die Hochschulen bereichern. – Für die Aufmerksamkeit danke ich heute nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion,ich bin erstaunt, dass Sie diesen Antrag als Oppositionsfraktion gestellt haben. Er hätte früher kommen können, als Sie noch an der Regierung beteiligt waren.
Es stimmt uns aber hoffnungsvoll, dass Sie Ihre Rolle gefunden haben.
Wir gehen mit Ihnen in fast allen Details konform,den Erlass der Niedersächsischen Landesregierung, der die Quelle Ihres Antrags ist, zu übernehmen. Entbürokratisierung, Unterstützung innovativer Betriebe und ein SichAnpassen an aktuelles Verbraucherverhalten sind nicht nur Schlagworte, sondern auch uns ein besonderes Anliegen. Unsere Unterstützung gilt dem Bemühen, Lebensmittelbetrieben, die sich seit einigen Jahren einen neuen Markt erobert und ihre Chancen ergriffen haben, die Existenz zu sichern und Möglichkeiten der Erweiterung zu eröffnen. Eine kurzfristige Umsetzung in Form eines Erlasses oder eine Anordnung als Ergänzung eines bestehenden Gesetzes ist bürgerfreundlich und kommt den Wünschen der Kunden und Betriebe entgegen. Gesetze, die dem Bürger vorschreiben, in welcher Körperhaltung er eine heiße Fleischwurst oder einen warmen Kräppel zu verspeisen hat, sind antiquiert und niemandem mehr zu vermitteln.
Die „Heiße Theke“ in Metzgereien, der „Kleine Imbiss“ in Bäckereien werden oft von LKW-Fahrern genutzt, die – da im Just-in-time-Stress steckend – eine Möglichkeit finden,eine schnelle und günstige Mahlzeit zu sich zu nehmen. Diese Angebote sind gerade für Menschen, deren Arbeitsplatz auf der Straße liegt, eine kostengünstige und Zeit sparende Alternative.
Die SPD-Fraktion schließt sich Ihrem Antrag an, unter folgender Maßgabe – hören Sie zu, Herr Denzin? –:
dass diese Änderung nicht für mehr Bürokratie sorgt. Denn wir haben hier eine andere Gesetzesregelung als in Niedersachsen. Wenn sich die Metzgereien und Bäckereien erst eine Gaststättenerlaubnis holen müssen und den entsprechenden Verordnungen unterliegen,
dann hätten wir überhaupt nichts bezweckt. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Meine sehr verehrten Damen und Herren der CDUFraktion, die Novellierung ist kein Schlag ins Gesicht für den Beschäftigungs- und Ausbildungsmotor, sondern ein Ganzkörperlifting einer alten Dame namens Handwerksordnung.
Es ist auch kein Herumdoktern an einem Gesunden – wie Sie es nennen –, sondern eine längst überfällige Verjüngungskur.
Es stimmt uns hoffnungsvoll, dass Sie sich zumindest mit Teilen der Änderungen der Handwerksordnung anfreunden können.
Der Vorschlag der Bundesregierung zur Novellierung der Handwerksordnung ist sehr zu begrüßen. Die Novellierung unterteilt die Handwerksberufe nicht mehr nach Berufsgruppen, sondern in Anlage A in gefahrengeneigte und in Anlage B in nicht gefahrengeneigte Berufe.
Bei den nicht gefahrengeneigten Berufen ist der Meisterzwang ein unzeitgemäßes Berufsverbot. Die Aufhebung des Meisterzwangs ist hier ein wirksames Instrument zum Abbau der Schwarzarbeit, fördert den Wettbewerb und kommt dem Verbraucher zugute.