Protokoll der Sitzung vom 15.07.2004

Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch einmal daran erinnern, dass das bundeseinheitliche Ladenschlussgesetz inzwischen 48 Jahre alt ist und aus der Blüte der Adenauer-Ära stammt. Frau Fuhrmann, es war von Anfang an umstritten.

In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde das Gesetz schließlich in Trippelschritten gelockert. Seit einem Jahr dürfen die Läden nun von Montag bis Samstag bis 20 Uhr geöffnet sein. Durch diese Erweiterung der Einkaufsmöglichkeiten scheint uns der Handlungsdruck in der Tat kleiner geworden zu sein. Ich sage das auch, um alle Aufgeregtheiten der Debatten in den letzten Monaten ein bisschen zu minimieren.

Trotzdem:Wahr ist,die Erfahrung mit den erweiterten Ladenöffnungszeiten haben uns gezeigt, dass viele Befürchtungen grundlos waren. Die Arbeitsbedingungen für die Verkäuferinnen und Verkäufer haben sich nicht so grundlegend verschlechtert, dass man tatsächlich von Ausbeutung reden kann. Denn wir wissen alle: Selbstverständlich gelten die Tarifverträge und z. B. das Arbeitszeitgesetz fort.

(Beifall bei der FDP)

Die Branchentarifverträge für den Einzelhandel sehen zurzeit 37,5 Wochenstunden im Westen und 38 Wochenstunden im Osten vor. Wir sollten auch berücksichtigen, dass es für viele Teilzeitbeschäftigte durchaus attraktiv ist, sich die Arbeitszeit individueller zu gestalten und einzurichten und die Arbeitszeit z. B. auf bestimmte Wochentage oder Abende zu legen. Gerade die großen Handelsunternehmen kommen hier ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Tat weit entgegen.

Meine Damen und Herren, die Union schlägt vor, in einem hessischen Ladenschlussgesetz differenziertere Regelungen zu treffen, um unter anderem regionale und örtliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Herr Kollege Dr. Jung, weil Sie mir so freundlich zulächeln: Auch diese Überlegungen sind nicht neu.

Wir haben es uns mit der Entscheidung über die Frage, ob differenzierte Öffnungszeiten für sehr unterschiedliche Typen von Einzelhandelsunternehmen angemessen wären, wahrlich nicht einfach gemacht. Dient es der Profilierung der kleinen und mittleren Betriebe, wenn wir die Öffnungszeiten für diese Unternehmen stärker liberalisieren als für die großen Filialisten, oder sind – ganz im Gegenteil zu dieser Auffassung – die Familienangehörigen und die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kleinen Läden durch eingeschränkte Öffnungszeiten besser zu schützen? Sollen die Innenstädte belebt werden, indem wir dort längere Öffnungszeiten befürworten als für die Läden auf der so genannten grünen Wiese? Sollen in den Großstädten längere Öffnungszeiten gelten als auf dem Land, um den unterschiedlichen Bedarf zu berücksichtigen? Nach meiner Erfahrung führen diese Debatten geradewegs in einen undurchdringlichen Regelungs

dschungel. Deshalb vertrete ich heute die dargestellten Positionen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wir sind derselben Meinung wie die FDP. Selbst differenzierteste gesetzliche Regelungen können den Bedürfnissen des Marktes heute nicht mehr entsprechen. Herr Rudolph, ich sage das, auch wenn es Sie ärgert. Aber ebenso wie die Union können wir uns auch nicht der Position der SPD anschließen. Sie behaupten in Ihrem Antrag, dass jede weitere Öffnung der Ladenschlusszeiten zu Wettbewerbsverzerrungen führe und mittelstandsfeindlich sei. Interessanterweise berufen Sie sich hierbei auf die Meinung von Mittelstandsverbänden und Einzelhandelskonzernen. Liebe Frau Kollegin Fuhrmann, das ist eine etwas seltsame Koalition, die Sie uns hier präsentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich habe ganz freimütig eingeräumt, über welche Fragen wir in den vergangenen Jahren diskutiert haben. Glauben Sie mir einfach, dass sich das Ladenschlussgesetz wirklich nicht als Bollwerk gegen die Umwälzungen auf den Märkten eignet, die häufig mit dem Begriff Globalisierung umschrieben werden.

(Beifall bei der FDP)

Statt die Verbraucher zu reglementieren, sollten wir gewährleisten, dass diese besser informiert werden. Ausführlichere Produktinformationen werden z. B. durch das Biosiegel oder durch regionale Herkunftsmarken transportiert. Die Marktforscher unterscheiden heute nach sehr vielen verschiedenen Konsumentengruppen, die unterschiedliche Wünsche und Vorlieben haben. Meine Damen und Herren von der SPD, hierin liegen doch auch Chancen für die kleinen und mittleren Handelsunternehmen, sich auf bestimmte Waren und Dienstleistungen zu spezialisieren. Schauen Sie sich die vielen Läden mit frischen Lebensmitteln an. Oder denken Sie an die Geschäfte, die sich auf Ökoprodukte spezialisiert haben.

Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Die Nachfrage der Konsumenten hängt nicht nur von den Ladenöffnungszeiten ab. Genauso wenig wird die Nachfrage der Konsumenten ausschließlich von der Höhe der Einkommen,von der Massenkaufkraft bestimmt.Wie die Konsumenten ihr Einkommen auf Konsum und Sparen aufteilen, hängt auch davon ab, wie ihre Zukunftserwartungen aussehen. Auch das Durchschnittsalter der Konsumenten und die Zahl der Kinder spielen dabei eine Rolle. Wenn man all das berücksichtigt, bleibt es gleichwohl bei der Binsenwahrheit des Marketings, dass wir in der Adenauer-Ära einen Verkäufermarkt hatten und uns heute auf einen Käufermarkt zubewegen.

(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet, heute haben die Konsumenten das Sagen. Die Konsumenten haben längst entdeckt, dass man Tag und Nacht an den Tankstellen oder z. B. über das Internet einkaufen kann.

Das Ladenschlussgesetz hat sich überlebt. Wir würden es begrüßen, wenn der Bund den Vorgaben des Verfassungsgerichts folgen und alsbald prüfen würde, ob eine bundesgesetzliche Regelung noch sachgerecht ist.

Wir schließen uns der Auffassung der FDP-Fraktion an, dass dieses Thema nicht in die Föderalismuskommission verschoben werden sollte. Der Bund sollte vielmehr die

Gelegenheit nutzen,das Ladenschlussgesetz als Ladenhüter jeder Bürokratiedebatte endlich aus dem Regal zu nehmen. Wir in Hessen könnten dann ein schlankes Gesetz formulieren, das die Entscheidung, wie lange die Läden von Montag bis Samstag offen sind, denen überlässt, die das am besten entscheiden können, nämlich den Konsumenten und dem Handel.

Last, but not least, meine Damen und Herren: Der Sonntag bleibt ein Ruhetag, und wir haben in Zukunft Ruhe vor Ladenschlussdebatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es gibt inzwischen nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch hier im Landtag einen sehr breiten Konsens darüber, dass sich das geltende Ladenschlussgesetz überlebt hat. Wir brauchen hier eine Deregulierung, und wir fordern in breitem Konsens – nur die SPD-Fraktion will das nicht – sowohl eine Freigabe der Öffnungszeiten an den Werktagen als auch eine Festschreibung der Sonntage als Ruhetage. Ich will jetzt gar nicht mehr auf die Einzelheiten der Debatte eingehen, denn ich glaube, wir haben die Argumente häufig genug ausgetauscht.

Wir wollen nicht, dass die Behandlung dieses Themas der Föderalismuskommission übertragen wird. Die Angelegenheit kann vielmehr sofort geregelt werden.

Das Einkaufverhalten hat sich verändert. Es gibt klar erkennbare gesellschaftliche Veränderungen, und es macht keinen Sinn, dem Einzelhandel eine Chance zu verwehren, denn die kleinen Läden hätten mehr Möglichkeiten, sich gegen die großen Anbieter zu behaupten, wenn die Ladenschlussbestimmungen, die derzeit gelten, fallen würden.

Ich möchte darauf eingehen, dass von uns gefordert worden ist, sofort einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich stimme mit Ihnen grundsätzlich überein, aber es kommt darauf an, ob und inwieweit die Regelung der Ladenschlusszeiten den Ländern übertragen wird. Das heißt, wir können zurzeit keinen Gesetzentwurf vorlegen.

Wir werden dem Antrag von Baden-Württemberg im Bundesrat folgen, wobei ich auch klar sage, in den Ausschussberatungen im Bundesrat könnte eine noch weiter gehende Regelung herauskommen, die durchaus so aussehen könnte, dass das Bundesgesetz tatsächlich aufgehoben wird, sodass die einzelnen Punkte in jedem Land zu regeln wären. Gemäß dem vorliegenden Antrag müsste dann in jedem Land ein eigenes Gesetz mit Detailregelungen erarbeitet werden. Ich halte es für den richtigen Weg, gemeinsam dafür zu sorgen, dass das Bundesgesetz möglichst schnell aufgehoben und die Regelungshoheit den Ländern übertragen wird.

Wir wollen die Sonntage und Feiertage schützen, weil das bei uns Tradition hat. Diese Tage wirken als Ruhepol für viele Familien, für viele Menschen, die ihr Leben darauf ausgerichtet haben. Es darf aber nicht so sein, dass wir die Regelungen nur übertragen und viele neue Detailrege

lungen für die Werktage schaffen.Ich denke,durch die Erfahrungen aus der Vergangenheit sind wir diesbezüglich eines Besseren belehrt worden.

Jeder Betrieb sucht sich seine Nische, und auch für den Einzelhandel eröffnen sich eher neue Chancen, als dass es zum „Untergang des Einzelhandels“ kommen wird, wie Sie, Frau Fuhrmann, hier wieder behauptet haben. Nein, es bedarf größerer Flexibilität, eine Forderung, der sich der Einzelhandel besonders gut stellen kann, und neuer Möglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Ich will nur noch einen Punkt ansprechen, nämlich den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es gibt das Arbeitszeitgesetz und tarifvertragliche Bestimmungen, die genau diesen Schutz gewährleisten. Wir wissen, dass es in diesem Bereich viele Frauenarbeitsplätze gibt, aber es wäre doch auch von Vorteil, wenn die Frauen ihre Arbeitszeiten wesentlich flexibler gestalten könnten, wenn sie ihre eigene Arbeitsorganisation einbringen könnten,indem sie z.B.die Arbeitszeit auf bestimmte Wochentage konzentrieren. Wir müssen zwar mehr Flexibilität fordern, aber der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist in vielen Gesetzen und Bestimmungen verankert, sodass die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts von uns entsprechend umgesetzt werden können.

Das Thema Ladenöffnungszeiten muss in das Ermessen der Länder gestellt werden. Dieses Thema darf nicht wieder vertagt werden. Der überwiegende Teil der Bevölkerung möchte es so. Die längeren Öffnungszeiten im Ausland werden genossen, wie Sie es dargestellt haben, Frau Wagner. Da es einen breiten Konsens gibt, hat es keinen Sinn,die Entscheidung immer wieder zu verschieben,sondern wir müssen dem Einzelhandel endlich die Möglichkeit geben, den Verbraucherbedürfnissen gerecht zu werden, wie es z. B. die Tankstellen tun.

Das Beispiel Internet-Shopping ist schon genannt worden. All das sind weitere Gründe, warum es möglichst schnell zu einer Liberalisierung kommen muss.Wir müssten uns dann nur noch über die Ausgestaltung eines Gesetzes hier im Land unterhalten, je nachdem, welche Kompetenzen uns übertragen werden. Wir wollen keine weitere zeitliche Verschiebung, sondern eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten.

Frau Ministerin, Frau Kollegin Fuhrmann möchte eine Zwischenfrage an Sie richten. – Einigt euch bilateral.

Damit sind wir am Ende der Aussprache.

Es wird vorgeschlagen, die drei Anträge unter den Tagesordnungspunkten 25, 50 und 89 dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und dem Sozialpolitischen Ausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen. – Es gibt keinen Widerspruch, dann ist dies so beschlossen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 87 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen FreiwilligenPolizeidienst-Gesetzes – Drucks. 16/2521 zu Drucks. 16/2489 und zu Drucks. 16/1857 –

Berichterstatter ist der Kollege Peter Beuth. Bitte sehr.

(Günther Rudolph (SPD): Der war doch erst gestern da!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Beschlussempfehlung und zweiter Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetzes, Drucks. 16/2489 zu Drucks. 16/1857:

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in dritter Lesung unverändert anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Innenausschuss in der 41. Plenarsitzung am 13. Juli 2004 nach der zweiten Lesung zur Vorbereitung der dritten Lesung überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 13. Juli 2004 beraten und mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP die genannte Beschlussempfehlung gefasst.

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. Sie haben auch gleich das Wort für die CDU. Die Aussprache beginnt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am vergangenen Dienstag haben wir die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hier im Plenarsaal bewertet.Wir befinden uns jetzt in der dritten Lesung.

Nachdem wir die Bewertung dieser Anhörung bereits vollzogen haben,lassen Sie mich das eine oder andere von dem aufgreifen, was wir am Dienstag miteinander diskutiert haben.

Herr Kollege Schaub, da bleibt mir nichts anderes übrig, als noch einmal daran zu erinnern, dass Sie hier von „großspurigem Mundwerk“ gesprochen haben und das „ordentliche Handwerk“ vermisst haben.

Meine Damen und Herren, das allerdings lassen wir uns von SPD und GRÜNEN bei der inneren Sicherheit wirklich nicht gefallen.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))