Aber zuvor noch zwei Bemerkungen zu dem, was meine Vorredner hier sagten. Herr Walter, Sie haben natürlich Recht, wenn Sie sagen, es sollte nicht sein, dass gleich am ersten Schultag etwas passiert.Ein Schulleiter hat mir dieser Tage erzählt, am ersten Tag des neuen Schuljahres hat ihm eine Kollegin ihr Pensionierungsgesuch vorgelegt. Das war aber auch früher schon so. Ich war etliche Jahrzehnte im Schuldienst und habe das erlebt. Da können Sie gar nichts machen. Da haben Sie ein Problem. Das hat mit der Unterrichtsgarantie gar nichts zu tun.Es ist einfach so. Das Problem muss dann schulintern gelöst werden.
Wenn wir schon bei den Untersuchungen sind,die hier angesprochen worden sind: Eine Untersuchung ist gar nicht genannt worden. Zwei Redner haben gesagt, das Sitzenbleiben solle man am besten abschaffen. Es gibt eine neue Studie des RWI,deren Ergebnis lautet:In der Schule bringen es Sitzenbleiber viel weiter als ihre Klassenkameraden, die stets versetzt wurden. – Man höre und staune: Nach der am Montag in Essen veröffentlichten Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, RWI, haben Sitzenbleiber eine um 50 % höhere Chance, einen höheren Schulabschluss zu erreichen. Das heißt, jeder zweite Sitzenbleiber schafft einen besseren Schulabschluss als ein vergleichbarer Nichtsitzenbleiber. Immerhin sind die Lebenswege von 2.500 Schülern im Nachhinein untersucht worden.Man könnte es spaßeshalber so formulieren, dass wir Chancen wegnehmen würden, wenn wir das Sitzenbleiben abschaffen würden.
Es ist auf die Skandinavier verwiesen worden. Meine Damen und Herren, wir haben uns das finnische System einmal angeschaut. Sie haben nicht gesagt, nach welcher Zeit man in Skandinavien zum Schlulabschluss kommt. Auch in Skandinavien kommen nicht alle Schülerinnen und Schüler nach der gleichen Schulzeit zum Abschluss. Das heißt, es gibt ein verstecktes Sitzenbleiben, das eben nicht Sitzenbleiben genannt wird. Es gibt aber sehr wohl Schü
Ich komme jetzt zu den Anträgen. Die FDP-Fraktion fordert eine Änderung des Lehrerzuweisungsverfahrens. Frau Kollegin Henzler, Ihr Ansinnen, das Zuweisungsverfahren zu beschleunigen, teile ich.
Man kann ein gewisses Verständnis dafür aufbringen. Es ist unser aller Ziel, frühzeitig eine Zuweisung zu erreichen. Es liegt aber leider nicht immer in der Hand des Kultusministeriums, das auch umzusetzen. Das hat verschiedene Gründe, die jedes Jahr zu einer unliebsamen Diskussion führen. Von Frau Ministerin Wolff ist gesagt worden, dass sich die Staatlichen Schulämter sehr bemüht und hart gearbeitet haben, das Ziel zu erreichen. Das ist auch gelungen.
Ich will aber einmal die Gründe nennen, worin die Schwierigkeiten liegen können. Die Zahl der benötigten Lehrer hängt nicht nur von der Stundentafel ab, die definiert ist. Sie hängt auch von der Zahl der Schülerinnen und Schüler ab. Sie werden jetzt sagen, die Zahl der Schülerinnen und Schüler stehe doch fest. Das ist aber unklarer, als ein Laie glaubt. Es gibt, nur ein Beispiel, regelmäßig Doppelmeldungen für weiterführende Schulen. Das Lehrstellenangebot hat massive Rückwirkungen, nicht nur für die Berufsschulen – das ist ziemlich klar –, denn wenn man keine Lehrstelle hat,dann parkt man in der Berufsschule. Häufig wird aber die Entscheidung getroffen, an einer allgemein bildenden Schule zu verbleiben. Das heißt,man kann über einen längeren Zeitraum hinweg gar nicht sagen, wie viele Klassen gebildet werden.
Der zweite Punkt ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrerinnen und Lehrer. Auch das ist nicht so einfach.Das hängt zum einen von dem Umfang der Mittel ab. Der Einsatz von Lehrern kostet ja Geld. Der Einsatz hängt wiederum mit dem Bedarf zusammen und hängt außerdem davon ab, wie viele Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand gehen. Es gibt ja keinen Stichtag, an dem Anträge auf Versetzung in den Ruhestand eingereicht werden müssen. Deshalb kommt das Beispiel, das ich vorher genannt habe, häufiger vor.
Der andere Faktor ist die Schülerzahl, die sich ändern kann. Häufig ist es so, dass das Schuljahr begonnen hat und die Stundenpläne nochmals geändert werden müssen. Da kommt bei den Betroffenen natürlich Freude auf. Das war aber auch in der Vergangenheit so. Es vergehen also immer einige Wochen, bis man verlässliche Daten hat. Es ist eben wie so oft im Leben:Wir streben etwas an, und die reine Lehre unterscheidet sich von der Wirklichkeit erheblich.
Was den Faktor Lehrerzuweisung betrifft, halte ich eine Messzahl – bezogen auf die Zahl der zu bildenden Klassen – für realistischer als eine abstrakte Schüler-Lehrer-Relation. Wir haben eigentlich eine Mischform. Das führt zu passgenaueren Ergebnissen. Es ist ein ziemlich kompliziertes Verfahren, das ich nicht näher erläutern will. Frau Kollegin Henzler, wir haben den Antrag Ihrer Fraktion ohnehin im Ausschuss zu beraten. Ich schlage vor, wir lassen uns das im Ausschuss erklären, dann brauchen wir diese langweilige Sache nicht hier im Plenum abzuhandeln.
Personalentwicklungskonzept für nicht beamtete Lehrer – auch hier ist viel Vernünftiges zu erkennen. Eine Konsequenz ist daraus gezogen worden. Ich habe das vorhin
schon einmal in einem Zwischenruf deutlich machen wollen. Zum ersten Mal haben wir BAT-Verträge mit einer Option zur Einstellung. Das ist für die neuen Kolleginnen und Kollegen fast wie eine Einstellung.Ich kann jedem raten, er soll das annehmen – obwohl mir ein Fall bekannt geworden ist, in dem einer aus Unsicherheit oder Unkenntnis so etwas abgelehnt hat.
Ich hätte nichts dagegen,wenn man diese jungen Kollegen beurteilt. Ich habe eben gehört, das geschieht auch. Aber die Frage, wie man Lehrer überhaupt beurteilt, hat etwas mit dem Beamtenrecht zu tun. Dass diese mit BAT-Vertrag versehenen Kolleginnen und Kollegen Fortbildungsangebote annehmen und an Ausschreibungsverfahren teilnehmen können, das ist schon so. Ich verweise auf den Artikel von Frau Kollegin Osterburg. Dort ist das sehr deutlich gemacht worden.Auch in der Stellungnahme der Pestalozzi-Schule Raunheim im „Rüsselsheimer Echo“ sind genau diese Dinge angesprochen worden.Das ist also nichts Neues, es geschieht.
Natürlich kann man mit solchen Fortbildungen Punkte sammeln, kommt auf der Rangliste weiter nach vorn und kann später eher eine Einstellung bekommen.
Für die Dauer eines ganzen Schuljahres einen solchen Vertrag abzuschließen hat einmal etwas mit Geld zu tun, aber auch etwas mit dem, was Kollege Irmer gesagt hat: Der Sinn eines solchen Vertrages ist es, eine Vertretung abzudecken – sei es ein Krankheitsfall, eine Mutterschaft oder was auch immer. Deshalb ist eine solche Maßnahme beendet, wenn der Kasus beendet ist. Das muss man wissen.
Jetzt zu den leidigen Kettenarbeitsverträgen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das war schon seit Jahren so. Einmal hat sich einer eingeklagt.Seitdem ist die Regelung folgendermaßen: Wenn ein Lehrer dreimal hintereinander ohne eine Ferienpause beschäftigt ist – darauf kommt es an –, dann kann er vor dem Arbeitsgericht seine Festanstellung einklagen. Das ist einmal gemacht worden.
Der Kollege, der das getan hat, hat allen nachfolgenden Generationen einen Bärendienst erwiesen. Das muss man heute einmal feststellen. Das war lange vor unserer Regierungszeit, aber es hat sich seitdem nichts geändert. Das muss man wissen, wenn man darüber spricht.
Das Beamtenrecht wird auch in einem weiteren Antrag angesprochen, nämlich bei der Stellenbesetzung im Bereich der Lehrerfortbildung. Es gibt Stelleninhaber am bisherigen HeLP, die solchen Regelungen unterworfen sind. Das bedeutet, sie müssen adäquat untergebracht werden. Sie können zwar versetzt werden, aber nicht überallhin. Wer etwas vom Beamtenrecht versteht, weiß, was ich meine. Das Erfordernis der Gleichwertigkeit der Tätigkeit ermöglicht nämlich ein Klagerecht. Deswegen ist die Verwendungsmöglichkeit solcher Personen eingeschränkt.
Natürlich gibt es bei dem neu zu errichtenden Institut für Qualitätsentwicklung ein „ordentliches Verfahren“. Das gilt auch für die Versetzung.Wer möchte denn bestreiten, dass eine Versetzung ein „ordentliches Verfahren“ sei?
Ein anderer Antrag ist noch überhaupt nicht angesprochen worden. Das hat mich ein bisschen gewundert. Die
Kolleginnen und Kollegen der SPD haben eine Experimentierklausel im Lehrerbildungsgesetz gefordert. – Das ist ein anderer Tagesordnungspunkt, der aber hier mit behandelt werden soll.
Die Forderung, die Lehrerbildung mit einer Experimentierklausel zu versehen, ist mir relativ unklar. Ich habe diesen Antrag mehrfach durchgelesen. Darin werden Formulierungen gebraucht wie „starre Regelungen des Lehrerbildungsgesetzes“ und „Experimentierklausel“.Inhaltlich aber ist dazu nichts gesagt. Meine Damen und Herren, wenn „Experimentierklausel“ besagen soll, dass der Schlendrian so weitergeht und die Dinge so belassen werden wie bisher, dann sind wir ganz klar dagegen – um das hier ganz deutlich zu sagen.
Es ist doch gerade der Sinn eines neuen Gesetzes, Änderungen herbeizuführen. Da muss man ein bisschen Druck ausüben. Jahrelang haben wir einen solchen Schlendrian erlebt.
Ich weiß auch, dass das an den Universitäten unterschiedlich ist. In Kassel läuft es sehr gut.Aber Studien haben erwiesen, dass es anderswo Mängel gibt. Die müssen abgestellt werden.
Nun haben die Universitäten die Möglichkeit, Zielvereinbarungen mit den Zentren für Lehrerbildung, die einzurichten sind, abzuschließen. Im Grunde ist das nichts anderes als Experimentieren. Solche Zielvereinbarungen können in Kassel anders aussehen als in Darmstadt, in Frankfurt wieder anders als in Marburg oder in Gießen. Wenn das nun aber schon ein Experimentieren beinhaltet, warum sollten wir dann Regelungen erfinden? Das hieße, das Experimentieren zu reglementieren, und das ist in sich widersprüchlich.
Im Übrigen wird die Lehrerausbildung an den Universitäten jetzt neu geregelt, und nach einer bestimmten Zeit wird sie überprüft. Dann wissen wir, ob sie sich bewährt hat oder nicht. Dann kann man gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Mein Vorschlag ist: Warten wir einfach ab, was die Praxis ergibt.
Im Übrigen werden sämtliche Anträge in den zuständigen Ausschüssen – dem Kulturpolitischen Ausschuss und dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst – behandelt werden, und dort können wir noch Näheres besprechen.
Noch ein Punkt zur Lehrerbildung: Entscheidend bei den Zentren für Lehrerbildung ist natürlich auch, wie die Fachleute berufen werden. Dabei werden die Zentren mitsprechen. Bisher war das nicht der Fall. Wenn es also darum geht, einen Professor zu berufen, der mit der Lehrerausbildung zu tun hat, dann muss das nicht unbedingt ein Fachwissenschaftler sein, sondern er muss etwas von Lehrerausbildung verstehen. Bisher hat man das zur wunderbaren Mittelvermehrung benutzt und hat, wenn man so will,eigentlich Mittel zweckentfremdet.Das wird durch das jetzt neu geregelte Berufungsverfahren und die Budgethoheit künftig nicht mehr möglich sein. Das sind wesentliche Eckpunkte. Wir wollen sehen, wie sich das bewährt. Das ist der Inhalt unseres eingebrachten Dringlichen Antrags.
Im Interesse des Verfahrens habe ich meine Redezeit nicht voll ausgeschöpft, sondern abgekürzt. Das ist etwas ganz Seltenes. Ich bedanke mich bei Ihnen und schließe hiermit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Herr, ich beziehe mich mit meiner Intervention auf den ersten Teil Ihrer Ausführungen.
Völlig zutreffend haben Sie geschildert, dass es sehr schwierig ist, Schule zu organisieren. Diese Schwierigkeiten werden bei Ihnen dadurch verschärft, dass Sie behauptet haben, Sie könnten aus Wiesbaden garantieren, dass Sie diese Schwierigkeiten in den Griff bekommen. Das ist Ihnen nicht gelungen.
Deswegen könnte ich Ihnen einen Rat geben: Sehen Sie sich bei den PISA-Siegern um, wie dort Schule organisiert wird. Dann werden Sie ganz schnell darauf kommen, dass Sie alle diese Schwierigkeiten aus der Welt schaffen, indem Sie den Schulen mehr Selbstständigkeit geben. Wer das ignoriert, ist in meinen Augen ein Ideologe. Alle Tatsachen sprechen dafür, dass Sie die organisatorischen Schwierigkeiten – die Sie richtig geschildert haben – nur in den Griff bekommen, wenn Sie den Schulen mehr Selbstständigkeit geben. Solange Sie das verweigern, werden Sie sich immer wieder selbst in diesen Widersprüchen verstricken. Ich rate Ihnen dringend, wenigstens einmal darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll ist, bei den Ländern zu schauen, die im Bildungswesen mehr Erfolg haben als wir. Wenn Sie schon neue Gesetze machen, dann sollten Sie diesen Umstand auch berücksichtigen.
Herr Kollege Riege, ganz kurz. Das ist zwischen uns gar kein Streitpunkt.Wir sind doch gerade dabei, im Schulgesetz – das noch gar nicht verabschiedet ist – mehr Autonomie einzuführen.
Zur PISA-Studie.Wir haben uns darüber heute Nachmittag furchtbar erregt. Aber man muss doch wissen, nachdem die PISA-Studie mit ihren ersten Ergebnissen noch sehr jung ist, dass wir im vorigen und in diesem Jahr darüber diskutiert und angefangen haben, Konsequenzen zu ziehen. Jeder hat in der Diskussion gesagt, es wird Jahre dauern, bis die ersten Ergebnisse kommen, bis eine neue Schülergeneration durchgeschleust ist. Also kann uns das heutige Ergebnis, das durch den Nachrichtenticker gelaufen ist, überhaupt nicht erschrecken. Denn es kann bei dieser OECD-Studie gar nichts anderes herauskommen als das, was wir bei der PISA-Studie bisher über Deutschland erfahren haben. Das Ganze ist also eine künstliche Aufregung, die heute veranstaltet wird. Das muss man dazu auch einmal sagen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende dieser Aussprache. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.
Ich darf feststellen, dass die Regierungserklärung der Hessischen Kultusministerin betreffend „Unterrichtsgarantie steht – Bildung ist Zukunftsfaktor Nummer eins in Hessen“ gegeben wurde. Die Aussprache erkläre ich für beendet.
Wir hatten eine verbundene Debatte mit dem Tagesordnungspunkt 8, einem Entschließungsantrag der SPDFraktion, und den Anträgen unter den Tagesordnungspunkten 13, 15, 22, 46, 47 und 64.
Und 42, vielen Dank. – Ich darf nach Rücksprache davon ausgehen, dass alle Anträge an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen werden sollen.