Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Hingegen sah der ursprüngliche Entwurf der CDU überhaupt keinen Zuverdienst vor.Auch der Hessische Ministerpräsident hat mehrmals öffentlich und während der Vermittlungsgespräche unter Hinweis auf sein viel zitiertes Wisconsin-Modell gefordert, es dürfe eigentlich überhaupt keine Zuverdienstmöglichkeiten geben. Meine Damen und Herren, das, was Sie hier machen, ist unredlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist schon makaber, dass die Kollegen der CDU, die im Dezember 2003 im Vermittlungsausschuss für mehr Druck, mehr Schärfe und ganz harte Sanktionen gegenüber den Langzeitarbeitslosen plädiert haben, im August 2004 auf einmal ihr soziales Gewissen entdeckt haben und seitdem lockerere Regelungen fordern.

Herr Kollege, ich darf sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Meine Damen und Herren, hier kann von einer Verlässlichkeit Ihrer Politik überhaupt keine Rede sein.

Ich komme zum Schluss meiner Rede.Ich bin davon überzeugt, dass sowohl diejenigen, die optiert haben, als auch diejenigen, die sich für Arbeitsgemeinschaften entschieden haben, ihr Bestes geben werden, damit den Menschen ab dem 1. Januar 2005 eine bessere Perspektive eröffnet werden kann. Dabei sollten wir sie unterstützen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bedanke mich. – Das Wort hat Frau Kollegin SchulzAsche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, vielen Dank. – Meine Damen und Herren!

(Das Rednerpult quietscht bei der Veränderung der Höhe.)

Erst quietscht es, danach kann ich dann aber reden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Tröpfchen Öl können wir uns nicht mehr leisten, aber eine Staatskanzlei!)

Meine Damen und Herren! Hessen ist das einzige Bundesland, in dem die Kommunen in ungebührlicher Weise von der Landesregierung unter Druck gesetzt wurden, zu optieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen und Widerspruch bei Abgeordneten der CDU)

Dies geschah, nachdem der Ministerpräsident das Wisconsin-Modell als Instrument zum innerparteilichen Wahlkampf um die Kanzlerkandidatur auserkoren hatte. Inzwischen kann er es dafür nicht mehr benutzen, weil er bei der Kanzlerkandidatur weg vom Fenster ist.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Frau Kollegin, wovon träumen Sie eigentlich nachts?)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich aus pragmatischen und fachlichen Gründen für das Arbeitsgemeinschaftsmodell ausgesprochen. In fundierten Fällen haben einige Mitglieder aus unseren Kreistagsfraktionen dafür gestimmt, zu optieren. So viel wollte ich zur Klarstellung sagen.

Im Gegensatz zu Ihnen gestehen wir aber den Kommunen eine freie Entscheidung zu. Wir kämen überhaupt nicht auf die Idee, das zu tun, was Sie getan haben, nämlich den Kommunen anzudrohen, ihnen die Unterstützung zu entziehen, falls sie sich nicht so entscheiden, wie wir das für richtig halten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Das haben Sie in der Vergangenheit getan. Ich habe sehr genau gehört, dass Herr Boddenberg zu diesem Punkt gesagt hat,das werde nicht mehr passieren.Aber Sie können versichert sein, dass wir genau hingucken werden, wie die Gelder des Landes verteilt werden, wie viel die optierenden Kommunen erhalten und wie viel die Kommunen erhalten, die das Arbeitsgemeinschaftsmodell gewählt haben.

Gestern fiel auf der Pressekonferenz der Landesregierung das Wort „Siegerehrung“. Dabei entstand der Eindruck, dass die Tatsache, dass nur wenige Kommunen anderer Bundesländer die Option gewählt haben, als Erfolg auf die hessische CDU zurückzuführen sei. Das Wort „Siegerehrung“ ist im Zusammenhang mit der Frage, wie die Langzeitarbeitslosen in Hessen vernünftig betreut werden können – und zwar in ganz Hessen, das betone ich –, zynisch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Sie haben den Landtag, die Kommunen und letztendlich auch die Langzeitarbeitslosen in den letzten Wochen in das Chaos geführt. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Presseerklärung des Herrn Kollegen Jung vom Montag letzter Woche erinnern,in der die Opposition aufgefordert wird, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der noch nicht einmal vorlag und erst am nächsten Tag eingebracht werden sollte.

Am letzten Donnerstag konnte die Ministerin in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses nicht einmal sagen, welches Ranking bisher angedacht war. Am Tag darauf wird der Gesetzentwurf, der zuvor eingebracht worden war, wieder zurückgezogen. Am Dienstag wurde in einer südhessischen Kommune der Kreisbeigeordnete angerufen. Ihm wurde gesagt: Ihr könnt nicht optieren. – Am nächsten Tag hält die Landesregierung eine Pressekonferenz ab und sagt: Ihr könnt alle optieren. – Das alles geschah, obwohl das Bundeswirtschaftsministerium erst heute darüber entscheidet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, so gehen Sie mit den Langzeitarbeitslosen um. Ich sage Ihnen: Wir werden nicht zulassen, dass Sie auch in Zukunft die Langzeitarbeitslosen dieses Landes so benutzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben sowohl in Ihrer Presseerklärung als auch auf der Pressekonferenz, die Sie gestern abhielten, kein Wort zur Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, die optieren, und denen, die in Arbeitsgemeinschaften gehen, gesagt. Frau Ministerin – ich denke, das gilt auch für den Ministerpräsidenten –, dafür haben Sie aber das Optionsmodell mit dem eigenen politischen Schicksal verbunden. Da sage ich ganz deutlich: Ich wünsche Ihnen alles Glück der Erde,nicht,weil ich an Ihrer Karriere interessiert bin,sondern weil die Auswirkungen, sollte das Optionsmodell scheitern, für die Kommunen und für die langzeitarbeitslosen Menschen dieses Landes eine Katastrophe wären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, statt Lobhudelei über die Vergangenheit stünde an, dass Sie endlich ein Konzept vorlegen, aus dem hervorgeht, wie alle hessischen Kommunen – ich wiederhole: alle hessischen Kommunen – dabei unterstützt werden können, langzeitarbeitslose Menschen in bestmöglicher Weise auf ihrem Weg zurück in die Arbeit zu unterstützen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon spannend, wie Sie sich mit diesem Thema auseinander gesetzt haben. Hessen kommt mit Sicherheit bei dem Prozess der Umsetzung des Optionsmodells eine Spitzenstellung zu. Denn in Hessen haben sowohl die Landesregierung als auch der Landkreistag und viele Kommunen seit Jahren bei dieser Thematik an einem Strang gezogen. Das können Sie auch daran erkennen, wie groß das Interesse am Optionsmodell ist.

Frau Kollegin Schulz-Asche, es ist schon sehr spannend, dass Sie jetzt die grünen Abgeordneten in den Kreistagen beschimpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unsinn!)

Diese Abgeordneten haben sich in diesen Kreisen zum Teil, aber doch in großem Ausmaß, völlig frei und – davon gehe ich aus – ohne dass es Druck von der Hessischen Landesregierung gab, für das Optionsmodell ausgesprochen. Insofern ist es schon spannend, dass Sie behaupten, wir hätten irgendwelche Leute unter Druck gesetzt. Vielmehr haben sich in vielen Kreisen die Abgeordneten der GRÜNEN genauso wie die anderen Abgeordneten dafür entschieden, weil sie gesagt haben: Dort sind die Möglich

keiten vorhanden, die Vermittlung, die Beratung und das Case Managment in einer Hand durchzuführen.

(Beifall der Abg. Brigitte Kölsch und Holger Bel- lino (CDU))

Lassen Sie mich noch einmal auf die Inhalte des Modells zurückkommen. Es ist schon interessant, was Sie hier gesagt haben. Das gilt auch für die SPD-Fraktion.Wir haben schon immer gesagt, dass wir bereit sind, das in Hessen auszuprobieren. Das sagten wir schon im Jahre 2001 im Zusammenhang mit dem OFFENSIV-Gesetz und der Frage einer Experimentierklausel. Schon damals haben die Landkreise mitgemacht.

Dann haben wir den Entwurf des Existenzgrundlagengesetzes vorgelegt, in dem ein Verlauf aufgezeichnet ist, welche Zuverdienstmöglichkeiten es geben soll und wie Fördern und Fordern tatsächlich miteinander verbunden werden sollen. Fordern und Fördern gehören in diesem Bereich eindeutig zusammen. Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, angesichts dessen, was Sie hier vorgetragen haben, kann ich Ihnen nur raten: Sie sollten vielleicht doch einmal in den Unterlagen zu den Beratungen im Bundestag und Bundesrat nachlesen, wer es geschafft hat, die Grenzen für den Zuverdienst zu erhöhen.

Wir haben uns für das Fordern ausgesprochen. Wir wollten aber auch mehr fördern.Hätten Sie unseren Vorschlag übernommen, gäbe es wesentlich mehr Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose, viel schneller wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, als mit dem, was von Ihnen vorgelegt wurde.

Aber wir stehen zu dem Kompromiss,weil wir vernünftige Sachen in den Kompromiss hineinverhandelt haben. Deswegen ist er richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Kommunen in Hessen sind gut aufgestellt, weil wir über lange Jahre in diesem Bereich zusammen in der Arbeitsmarktpolitik tätig waren,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie?)

weil wir dort Möglichkeiten geschaffen haben, wie sie gerade mit dem Case Management aus einer Hand umgehen können. Deswegen haben sich in Hessen so viele darum beworben,um zu zeigen,dass es geht.Das heißt nicht,dass keine Kooperationen mit den Arbeitsämtern möglich sind, aber es heißt auch nicht, dass Arbeitsämter direkt in den Kreishaushalt hineinregieren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dadurch haben wir es gemeinsam mit der Landesregierung geschafft, dass die Mehrzahl der hessischen Kommunen sich um dieses Modell beworben hat,für dieses Modell ist und wir sie alle nach Berlin melden konnten.

Ich will Ihnen noch einen Satz dazu sagen. Seit gestern sind 69 Meldungen im Bundeswirtschaftsministerium angekommen. Das Interesse war bei vielen größer, aber einige Landesregierungen haben ihre Bewerber aus verschiedenen Gründen nicht weitergemeldet. Im Vorfeld sind Kommunen auch deshalb abgesprungen, weil sie gesehen haben, dass nur für 69 Kommunen in dem Kompromiss eine Möglichkeit eröffnet ist. Sie wissen, dass es unsere Vorstellung war, dass jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt völlig frei entscheiden kann, ohne Zutun irgendeiner Landesregierung, ob optiert wird oder nicht, wie das Modell ausgeführt werden soll.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Das konnten wir nicht durchsetzen.Aber es wäre nach unserer Ansicht der richtige Weg gewesen. Wir sind diesen Kompromiss mit den 69 Kommunen gegangen. Sie wissen vielleicht auch, dass jetzt vereinzelt Kommunen gegen ihre Landesregierungen klagen, weil sie sie nicht weitergemeldet haben. Das müssen wir jetzt alles abwarten.