Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit unserem familienpolitischen Konzept unterstützen wir Familien nicht nur dabei, Kindererziehung und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Wir leisten damit auch einen Beitrag zu einer möglichen demographischen Trendwende. Aber ich warne davor, die Ursache für den Geburtenrückgang nur in mangelnden Betreuungsangeboten für Kinder zu suchen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das macht ja keiner!)

Dies lässt sich am Verhältnis von Betreuungssituation zur Geburtenhäufigkeit in den neuen Bundesländern sehr gut erkennen. Die niedrige Geburtenrate hat vielfältige Gründe. Wir brauchen in Deutschland einen Bewusstseinswandel. Kinder müssen wieder als Bereicherung unseres Lebens und nicht mehr als Karriere- und Armutsrisiko erkannt werden.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Sie aufzuziehen und ihnen einen möglichst guten Start ins Leben zu geben kostet Zeit und Mühe. Dies ist aber auch eine erfüllende Aufgabe. Dies muss von unserer Gesellschaft wieder mehr anerkannt werden. Es geht darum, das gerechte Maß aus Eigenverantwortung und gesellschaftlicher Hilfe bei der Kinderbetreuung zu finden. Selbstverständlich gehört auch dazu, dass sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen um die Weiterentwicklung des familienfreundlichen Klimas bemühen. Ich meine vor allem auch die Wirtschaft, die ihren Teil dazu beitragen muss, dass Väter und Mütter Kindererziehung und Erwerbsleben miteinander vereinbaren können. Als Stichworte seien mehr flexible Arbeitszeiten, Betriebskindergärten sowie die Erleichterung von beruflichem Wiedereinstieg genannt.

Wer wie die rot-grüne Opposition in diesem Hause immer mehr nach dem Staat ruft, ist auf dem falschen Weg. Bundespräsident Köhler hat es am vergangenen Sonntag in seiner Rede zur deutschen Einheit klar auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt:

Der Staat soll nicht alles Mögliche tun, sondern alles Nötige.

Und weiter:

Zurzeit haben wir... mehr Staat, als wir uns leisten können. Und wir haben auch mehr Staat, als für die Eigenverantwortung und die Eigeninitiative der Menschen gut ist.

Recht hat er.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Meinung der GRÜNEN, der Grund für die niedrige Geburtenrate sei einzig am Mangel an Betreuungsangeboten zu suchen,

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sagt überhaupt keiner!)

ist durch die ideologische Brille betrachtet und geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso falsch ist die Behauptung, das Land Hessen investiere nicht genug in die Kinderbetreuung. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass in den vergangenen Jahren alle Anträge von Trägern von Kinderkrippen in voller Höhe berücksichtigt wurden.

Meine Damen und Herren, ich begrüße an dieser Stelle ausdrücklich das Bemühen der Bundesfamilienministerin Schmidt, sich um die Verbesserung der Kinderbetreuung zu bemühen.Aber es ist nicht akzeptabel, dass sie mit der Initiative in die Gesetzeshoheit der Länder eingreift,

(Beifall bei der CDU)

zumal ihr geplantes Gesetz gravierende Auswirkungen auch auf die Kommunen hat. Außerdem ärgert es mich sehr, dass die Bundesregierung wieder einmal nicht in der Lage ist, eine solide Finanzierung zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU)

So sind sowohl für die Bruttobetriebskosten als auch für die Investitionskosten pro Platz viel zu geringe Beträge eingesetzt worden.Vor allem ist die Entlastung der Kommunen durch Hartz IV in Höhe von 2,5 Milliarden c alles andere als gesichert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das haben Sie doch mit beschlossen! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin, Geld muss man erst haben, um es ausgeben zu können.

Mit Wunschdenken und Luftbuchungen lässt sich keine seriöse Familienpolitik betreiben. In Hessen gehen wir den seriösen Weg. Daher wird die CDU-Fraktion die Sozialministerin auch künftig in der Weiterentwicklung der Kinderbetreuung unterstützen. Deshalb bitte ich Sie, unserem CDU-Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für eine Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen AlWazir das Wort.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das war das Ende! Das war herum!)

Herr Kollege Reißer, Sie werden gemerkt haben, dass wir im Gegensatz zu den Mitgliedern der CDU-Fraktion nicht dauernd dazwischengerufen haben. Wir haben uns aber schon überlegt, dass man ein paar Sachen klarstellen muss. Herr Kollege Reißer, ich möchte dabei auf zwei Punkte zu sprechen kommen.

Wenn die Geburtenrate nur mit der wirtschaftlichen Sicherheit der Paare zusammenhängen würde, dann müssten Sie erklären,warum die Geburtenrate in den Entwicklungsländern im Vergleich zu den Industrieländern so hoch ist. Es scheint da wohl auch noch andere Gründe zu geben.

Zweiter Punkt. Vor 15 Jahren betrug das Kindergeld für das erste Kind 70 DM. Inzwischen beträgt es 154 c. Das heißt, die staatliche Transferleistung wurde deutlich erhöht. Trotzdem hat sich die Zahl der Kinder nicht erhöht.

Ich sage Ihnen deshalb: Es ist wichtig und auch richtig, dass die meisten Frauen der Meinung sind, sie würden lieber selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, anstatt Geld vom Staat zu erhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann brauchen sie aber Betreuung. Dazu möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Sie regieren seit 1999, also inzwischen seit fünfeinhalb Jahren. Aber Sie begrüßen immer noch nur Absichten.Außer Familientischen und Familientagen haben Sie nichts hinbekommen. Es hat keine Verbesserung bei der Quote der Betreuung gegeben. Sie sollten deshalb nicht die anderen beschimpfen, sondern sich eher überlegen, wie es besser wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU: Wer hat eigentlich die betreuende Grund- schule eingeführt? Das waren doch wir!)

Das Wort hat Frau Abg. Eckhardt für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich eigentlich an Marcus Porcius Cato den Älteren?

(Zurufe: Nein!)

Sie sagten „Nein“. Dieser römische Senator hatte in der Tat nichts mit Kinderbetreuung am Hut. Er ging in die Geschichte ein, weil er während jeder Sitzung des Senates hartnäckig die gleiche politische Forderung stellte.

Wenn politische Hartnäckigkeit in diesem Parlament Indikator für politischen Erfolg sein sollte

(Michael Boddenberg (CDU): War er in der SPD? – Weitere Zurufe)

nein, er war Konservativer, das wissen wir doch –,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

dann hat auch der Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren in diesem Land noch eine Chance. Denn wir beraten dieses Thema mittlerweile ei

gentlich in jeder Plenarsitzungswoche. Darauf hat auch Frau Schulz-Asche eben hingewiesen.

Ein Blick auf die Ausgangslage und die Begründung, warum dies notwendig ist, ist auch heute wieder nötig. Denn es sitzt immer nur eine gewisse Schnittmenge der Abgeordneten der CDU-Fraktion hier im Raum, die dieses Thema ganz oben auf ihre Agenda geschrieben haben.

Die Zahl der Hessen sinkt.Das haben wir festgestellt.Von 1990 bis heute ist die Zahl der Lebendgeburten in unserem Bundesland von 62.000 auf 54.000 im letzten Jahr zurückgegangen. Keine ausreichende Kinderbetreuung und die damit verbundene Unvereinbarkeit von Familie und Beruf werden von den meisten jungen Menschen als Gründe angeführt, warum sie ihren Kinderwunsch nicht realisieren können. Herr Reißer, die Abhängigkeit von der Sozialhilfe resultiert bei sehr vielen Alleinerziehenden – vorwiegend sind dies Frauen –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

in der Tat aus dem Fehlen der Kinderbetreuung.

Bei den gut ausgebildeten Akademikerinnen befinden wir uns mittlerweile in einer demographisch-volkswirtschaftlichen Zwickmühle. Diese jungen Frauen geraten oft in die Situation, sich zwischen Kinderwunsch und Karriere entscheiden zu müssen. Dabei ist der Blick immer auf den Karriereknick oder die nicht gegebene Anschlussfähigkeit bei einem Wiedereinstieg in den Beruf gerichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)