Wir haben bei dem ersten Verwaltungsreformgesetz bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen durchführen können. Ich darf darauf verweisen: Wir haben die Sonderbehörden aufgelöst und in die allgemeine Verwaltung überführt. Wir haben Widerspruchsverfahren abgeschafft. Wir haben die Rechtsgrundlagen für Privatisierungen und die Beauftragung von Privaten dort geschaffen,wo sie es nach unserer Auffassung genauso gut und genauso verantwortungsvoll tun können wie die öffentliche Hand.Wir haben Rechtsgrundlagen für die Delegation geschaffen. Wir haben Genehmigungs- und Zustimmungsvorbehalte abgebaut, und wir haben eine Vielzahl von Vorschriften gestrichen oder kürzer gefasst.
Das jetzt vorliegende zweite Gesetz gliedert sich ein in eine Folge – es werden insgesamt vier sein –,in der wir uns damit beschäftigen, die innere Struktur der Verwaltung weiter zu modernisieren,und uns im Sinne der von mir beschriebenen Zielprojektion um die Frage kümmern: Sind die Standorte der Verwaltungen und die Zuständigkeiten so, wie sie bisher geregelt waren, wirklich sinnvoll? Ist es notwendig? Beides führte im Ergebnis dazu, dass wir sowohl die Behörden- wie auch die Gerichtsstrukturen untersucht haben.
Ich will, weil das viele Bereiche quer durch die Verwaltung betrifft, hier nur beispielhaft einiges zur Einbringung erwähnen. Wir haben die Gerichtsstruktur in Hessen gestrafft. Wir sind dort insbesondere einer Empfehlung des Landesrechnungshofs nachgekommen.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist nicht ganz richtig! Der Rechnungshof schlägt etwas anderes vor!)
Ich darf daran erinnern, die Gerichtsstruktur stammt in weiten Teilen aus dem Jahre 1961. Wir haben im Jahre 1968 eine Verminderung der Amtsgerichtsstandorte gehabt. Seit über 35 Jahren ist es unverändert bei 58 Amtsgerichten geblieben. Wir hatten eine ganze Reihe von Amtsgerichten mit zwei bis maximal fünf Richtern. Das ist für eine moderne Rechtspflege nicht sinnvoll. Deshalb umfasst dieser Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Veränderungen gerade in Bezug auf die Gerichtsstandorte. Das führt auf der einen Seite natürlich dazu, dass Gerichtsstandorte aufgelöst werden. Es führt auf der anderen Seite aber auch dazu, dass Gerichtsstandorte gestärkt werden. Das liegt in der Natur der Dinge. Das passiert dort, wo man Gerichte und Leistungen zusammenführt.
Wir haben – ich hatte das erwähnt – natürlich die Verpflichtung, darauf zu achten, dass wir kostengünstig und bürgernah arbeiten und dass wir die Aufgaben, die insbesondere die Zukunft für uns bringt, möglichst sinnvoll erledigen können. Dies bündelt sich z. B. in der Einrichtung von so genannten Bodenmanagementbehörden. Auch dies ist Gegenstand des Gesetzentwurfes.
Was wollen wir dort tun? Wir wollen versuchen – das ist das Ziel –, institutionell, funktionell, aber auch datentechnisch die Kataster- und die Flurneuordnungsbehörden zusammenzuführen.In meinem eigentlichen Leben habe ich als Notar damit sehr viel zu tun gehabt. Ich kann nur sagen, es ist vernünftig, wenn derjenige, der sich mit Grundstücken auseinander zu setzen hat, jetzt von einer Behörde über modernste Technik und in e i n e r Antwort die notwendigen Informationen erhält, die er braucht.
Sie wissen – Herr Kollege Frömmrich, Sie haben das Stichwort schon genannt –, wir möchten auch die Grundbuchämter mit hineinnehmen. Dann hätten wir alles rund um Grundstücke – Flurverfahren, Flurneuordnungsverfahren, Katasterverfahren, Verfahren durch die Grundbuchämter – in einer Behörde, die mit modernster Technik, satellitengestützt, Kartenmaterial und Informationen dem Bürger und denjenigen, die damit arbeiten müssen, zur Verfügung stellt. Das ist das Ziel.
Die Eingliederung der Grundbuchämter ist derzeit nicht möglich, weil es dazu einer Änderung des Bundesgesetzes bedarf.Wir haben im Bundesrat darum gebeten:Wenn ihr das nicht für richtig haltet, dann gebt uns doch wenigstens die Freiheit, das zu probieren, also eine Art Experimentierklausel, wie wir sie auch in vielen anderen Gesetzen haben. – Ich habe die Hoffnung, dass wir die Mehrheiten dort noch überzeugen können. Ich bitte Sie, insbesondere von SPD und GRÜNEN, auf Ihre Kollegen im Bundestag Einfluss zu nehmen.
Ein weiterer Bereich ist die Landwirtschaftsverwaltung. In der Landwirtschaftsverwaltung hatten wir seinerzeit eine wirklich beeindruckende Vielfalt vorgefunden. Als wir die Regierung übernahmen, hatten wir eine Sonderverwaltung, bestehend aus einem Landesamt als Mittelbehörde, den selbstständigen Ämtern für Landwirtschaft und Regionalentwicklung auf der unteren Ebene und acht landwirtschaftlichen Sonderbehörden, von der Milchwirtschaft in Gelnhausen über die Tierzucht in Neu-Ulrichstein bis zum Gestüt in Dillenburg. Dass das nicht mehr zeitgemäß war, wird niemand bestreiten. Deshalb haben wir 2000 in einer ersten Reform z. B. von acht Sonderbehörden sieben im HDLGN zusammengeführt. Die Synergieeffekte sind dort bereits erkennbar.
Was wollen wir jetzt tun? Wir möchten eine Konzentration in der Landwirtschaftsverwaltung vornehmen.
Durch die Veränderung des Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz und die Übertragung der Aufgaben auf den Landesbetrieb führen wir eine weitere Bündelung herbei.Durch die Errichtung des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen stellen wir fachbezogene Informations- und Beratungsstellen für die Landwirtschaft und den Gartenbau in Hes
sen zur Verfügung. Der Sinn des Ganzen ist, in dieser Fachverwaltung Landwirtschaft den Landwirten als denjenigen, um die es eigentlich geht, kundennah und gebündelt die Verwaltung zur Information und Weiterbildung zur Verfügung zu stellen, möglichst ohne unnötige Bürokratie und letztlich auch ohne unnötige Kostenbelastung des Steuerzahlers.
Wir schlagen in diesem Gesetzentwurf vor, die Außenstellen der Ämter für Straßen- und Verkehrswesen zu reduzieren.Wir verlagern und schließen zwei Abteilungen der Verwaltungsfachhochschule in Wiesbaden – alles letztlich aus den gleichen Gründen. Ich will besonders darauf hinweisen, dass wir in diesem Gesetzentwurf eine wesentliche Verbesserung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes vorgesehen haben. Was soll passieren? Wir wollen einen Landesbetrieb Hessisches Landeslabor einrichten, wo wir die Laborkapazitäten des Staatlichen Untersuchungsamtes, des Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz, des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie und die Aufgaben der tierärztlichen Grenzkontrollstelle bündeln. Das sind vier verschiedene Behörden, die möchten wir sozusagen unter ein Dach bringen, weil wir glauben, dass die Aufgaben sehr nah beieinander liegen und dass wir auf diese Weise Laborkapazitäten nicht viermal, sondern nach Möglichkeit nur einmal vorhalten. In Ergänzung zu der Schaffung des Landesbetriebs Hessisches Landeslabor haben wir auch die Möglichkeit in das Gesetz aufgenommen, Untersuchungsaufgaben auf Private zu übertragen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf umfasst eine Vielzahl einzelner Punkte. Ich will auf zwei noch eingehen, darunter einen, der eine Besonderheit darstellt. Sie wissen, wir haben den Nationalpark Kellerwald-Edersee eingerichtet. Wir wollen dort eine besondere Maßnahme schaffen, nämlich die Bündelung, dass das Nationalparkamt gleichzeitig als untere Forst-, Jagd-, Naturschutz- und Fischereibehörde zuständig wird. Das heißt, wir haben dort alles unter einem Dach, und das ist sinnvoll.
Wir regeln dort auch eine Vielzahl anderer Punkte. Weil der jetzt nicht im Saal befindliche Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN gestern in einem anderen Redebeitrag auf eine Position hingewiesen hat, die sich ebenfalls in diesem Gesetzentwurf findet: In Hessen wird ein Inspekteur der hessischen Polizei eingeführt, nach B 4 besoldet. Dafür kommen der Direktor der hessischen Schutzpolizei nach B 3 und der Direktor der hessischen Kriminalpolizei nach B 3 in Wegfall. Das macht nach Adam Riese einen geringeren Aufwand und eine klarere Struktur.Hessen schließt sich damit einer Lösung an, die wir nahezu überall im Bundesgebiet haben.
Meine Damen und Herren, das Ganze ist in vier Verwaltungsreformgesetze eingebettet. Ich werde Ihnen in absehbarer Zeit ein drittes vorlegen. Darin geht es insbesondere um die Regierungspräsidien und Ähnliches
mehr.In einem vierten Gesetz werden wir Ihnen die Kommunalisierung der unteren staatlichen Behörden vorschlagen. Im Ergebnis kommen wir unserer Verpflichtung nach: leistungsfähige Verwaltung, bürgernahe Verwaltung, aber auch kostengünstige Verwaltung. – Ich bitte das Haus um Zustimmung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf zur Verwaltungsstrukturreform wird die ganze Konzeptionslosigkeit dieser Landesregierung deutlich.
In der Überschrift und in der Vorlage als „Zweites Gesetz“ tituliert, entstammt es dem Entwurf aus der Regierungsanhörung zum dritten Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform. Wie überhastet und, man könnte sagen, wie wenig sorgfältig hier gearbeitet worden ist, beweist die Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs, in der noch von der „dritten Verwaltungsstrukturreform“ gesprochen wird. Eigentlich hatten Sie doch fast ein Jahr Zeit, um die Ankündigungen aus der „Operation düstere Zukunft“ in Gesetzesform zu bringen.
Die Hoffnung, dass diese zehn Monate von Ihnen genutzt worden seien, um mit Fachleuten und durch die Regierungsanhörung eine kritische Wertung der damals verkündeten Absichten zu vollziehen, ist leider völlig enttäuscht worden.
Es wird allerdings richtig von Ihnen ausgeführt, dass eine umfassende Verwaltungsreform nicht nur Maßnahmen zum Aufgabenabbau und zur Straffung des inneren Behördenaufbaus umfassen darf. Doch wo bleibt die Konsequenz aus dieser Erkenntnis?
Die Opposition in diesem Haus hat Sie mehrfach darauf hingewiesen, dass vor jeder Entscheidung zur Strukturänderung der Verwaltung zwingend eine umfassende Aufgabenkritik stehen muss. Diese Aufgabenkritik hat alle Verwaltungsebenen und Teilbereiche zu umfassen. Da genügt es nicht, nur einzelne Verwaltungen zu untersuchen und für andere nichts zu tun. Diese einschränkende Teilbetrachtung trifft auch auf die gutachterliche Aussage des Rechnungshofs für den Bereich der Amtsgerichte zu. Das kann man allerdings nicht den Autoren zum Vorwurf machen, wenn vom Auftraggeber die Rahmenbedingungen für ein Gesamtkonzept nicht vorgelegt werden.
Es fehlt nach wie vor die konzeptionelle Aussage, wie es mit den Verwaltungen in Hessen in Gänze weitergehen soll.
Solange sich die Landesregierung um eine klare Festlegung drückt, wer auf welcher Verwaltungsebene – unter Einschluss der kommunalen Ebene – was zu machen hat, so lange wird es kein Gesamtkonzept geben, und alle Aktivitäten bleiben Stückwerk.
Wir in Hessen wollen endlich wissen, wie die regionale Neugliederung in welcher Verfasstheit aussehen soll. Die Zukunft des Landes wird verspielt, wenn hier nicht endlich klare Rahmenbedingungen für alle Beteiligten geschaffen werden. Das Ballungsraumgesetz hat sich nachweislich als untauglich erwiesen.
Welche Bereiche der Verwaltung sollen einer Bündelung unterliegen? Wie soll die mittlere Verwaltungsebene gestaltet werden? Welche Verwaltungsebene soll entfallen? Wie soll die regionale Zuordnung der Kommunen aussehen? Welche Aufgaben sollen an die Gemeinden delegiert werden? Mit welchen Schritten sollen diese in die Lage versetzt werden, die neuen Aufgaben zu meistern? – Dies ist nur ein kleiner Auszug des Fragenkatalogs, der einer Beantwortung seitens der Landesregierung harrt.
Meine Damen und Herren,glauben Sie wirklich,dass eine umfassende Verwaltungsreform durch die vermehrte Bildung von Landesbetrieben gestaltet werden kann? Wie kurzsichtig und kurzfristig diese Entscheidungen der Landesregierung sind, wird aus der Auflösung des erst vor kurzer Zeit mit großen Vorschusslorbeeren bedachten Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz deutlich. Hieran kann exemplarisch belegt werden, dass fachspezifische Entscheidungen ohne eine Einbindung in das Gesamtkonzept letztendlich falsch sind. Der Anspruch des vorgelegten Gesetzentwurfs, einen Gesamtüberblick über die beabsichtigte Strukturreform zu verschaffen, kann nicht eingelöst werden.
Ohne den Einzelberatungen zum Gesetzentwurf vorgreifen zu wollen, möchte ich – da es doch auffällt – darauf hinweisen, dass bestehende regionale Grenzen nicht beachtet werden. Zu den einzelnen Standortentscheidungen wird meine Kollegin Heike Hofmann nähere Ausführungen machen, sodass ich mir diese jetzt sparen kann.
Inhaltliche Fachdiskussionen sollten wir in den Ausschussberatungen führen. Die grundsätzlichen Bedenken der SPD-Landtagsfraktion gegen die Einrichtung neuer Sonderbehörden habe ich Ihnen bereits im Dezember 2003 vorgetragen. Auch wenn wir hier nicht bestreiten wollen, dass die Form der Landesbetriebe mehr Flexibilität bei ihrer Leitung ermöglicht, kann nicht in jedem Fall unterstellt werden, dass auch effektiver gearbeitet wird. Landesbetriebe sind aufgrund ihrer besonderen Verfasstheit von der politischen Verantwortlichkeit weiter entfernt als Regieverwaltungen. Es wird allerdings nicht gelingen, die politische Verantwortlichkeit der Landesregierung an die Leiter der Landesbetriebe weiterzugeben, auch wenn deren Stellen – trotz leerer Haushaltskassen – höher dotiert werden.
Der Eindruck, dass die CDU-Landesregierung wenig von der Mitbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hält, wird durch die weitere Einschränkung des HPVG im Rahmen dieses Gesetzentwurfs erneut bestätigt.
Wenn Personalräte bei der Regelung lokaler Angelegenheiten in den Außenstellen nicht mehr für nötig gehalten werden, ist dies ein deutlicher Beweis dafür, dass die Be
teiligung der unmittelbar Betroffenen für lästig gehalten wird. Die Begründung, dass die Verfahren länger dauern würden, kann nicht akzeptiert werden, wenn man an einer Verwaltungsmodernisierung zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern interessiert ist. Jede Modernisierung wird scheitern, wenn gegen die Betroffenen gehandelt wird und keine qualifizierte Mitbestimmung vorgesehen ist. Die Stimmung in den Verwaltungen ist so schlecht, dass auf eine Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt Wert gelegt werden müsste. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.