Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Wir können uns sehr klar verständigen, wenn es um Änderungen beim Kündigungsschutz geht. Es geht doch darum, dass die Hürden für Einstellungen heruntergesetzt werden. Wenn Sie die aktuellen Berichte aus dem Handwerk lesen: Selbst der „Stern“ schreibt heute über einen Malermeister, der im Grunde genommen bereit wäre, Leute einzustellen, wenn nicht die Hürde des Kündigungsschutzes und die arbeitsrechtlichen Hürden vorhanden wären und er deshalb keine Chance für sich sähe.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Warum sollen Abweichungen von Tarifvertragsvereinbarungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen nicht möglich sein? Warum sind Sie der Meinung, dass betriebliche Vereinbarungen, die vor Ort getroffen werden, nicht die richtige Entscheidung sind? Die Fremdbestimmung durch die Gewerkschaften ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann die Aufzählung mit der Frage der Zusammenführung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe fortsetzen. Wir sind der Auffassung: Im Sozialrecht muss der Grundsatz „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ gelten. Entweder ist man im ersten Arbeitsmarkt bzw. im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt, oder man übt eine gemeinnützige Tätigkeit aus. Wer in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, der muss meines Erachtens diese auch erbringen, sonst muss er mit entsprechenden Kürzungen bei der Sozialhilfe rechnen.

(Beifall bei der CDU)

In der Gesundheitspolitik brauchen wir in Zukunft eine Eigenbeteiligung der Versicherten in einem vernünftigen Umfang. Im Zuge der Rentenreform müssen wir einen demographischen Faktor einführen.Wir brauchen eine lineare Kürzung beim Subventionsabbau. Diesen Punkt geht der Herr Ministerpräsident zurzeit beim Bund zu Recht an.

Wir müssen uns alle diese Maßnahmen vornehmen, um hier Veränderungen einzuleiten, damit es in Deutschland wieder zu mehr Impulsen für Wachstum und Beschäfti

gung kommt. Das ist gefragt, damit Deutschland die Krise überwindet.

(Beifall bei der CDU)

Aber lassen Sie mich auch das sagen: Zum Teil wird erklärt, die Stimmung sei schlechter als die Lage. Ich glaube allen Ernstes, dass die Lage problematischer ist als die Stimmung. Ich glaube, nicht jedermann ist sich darüber im Klaren, was an politischem Handeln jetzt angesagt ist. Es ist wahr, und ich wiederhole das hier: Das beste Konjunkturprogramm wäre natürlich eine neue Regierung in Berlin unter der Führung der CDU.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Dr. Jung, darf ich Sie bitten, langsam zum Schluss zu kommen?

Aber es ist auch dringend notwendig, dass die SPD – dabei appelliere ich an die hessische SPD – diese unnötigen Diskussionen einstellt. Weder Nachbesserungsbedarf noch entsprechendes Reden sind angesagt, sondern es muss gehandelt werden. Handeln Sie endlich in Berlin, damit in Deutschland eine Wende hin zu mehr Wachstum und Beschäftigung eintritt, sodass Deutschland aus der Krise herauskommt und wieder eine Perspektive erhält. Diesen Appell richten wir insbesondere an Sie, damit dieses Gerede ein Ende hat und stattdessen im Interesse der Menschen in Deutschland ein konkretes Handeln erfolgt. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Jung. – Das Wort hat der Kollege Frankenberger für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Hahn von der FDP hat vorhin, offenbar aus eigener Erfahrung,beschrieben,wie montags in den Fraktionsetagen manchmal überlegt wird, welche Anträge am Donnerstag in der Aktuellen Stunde eingebracht werden sollen.Er hat darauf hingewiesen, dass diese Anträge oftmals nicht die Qualität haben und vor allen Dingen nicht so aktuell sind, wie man sich das eigentlich wünscht. Herr Kollege Dr. Jung, ich kann Ihnen bestätigen, dass das, was Sie heute hier eingebracht haben, von der Qualität ist, die der Kollege Hahn beschrieben hat.

(Beifall bei der SPD – Volker Hoff (CDU): Das hat mit dem Thema nichts zu tun!)

Es kommt mir so vor, als würde Dr. Jung, ein CDU-Mitglied, seine eigene Partei auffordern, doch endlich einmal das in Angriff zu nehmen, was sie in 16 Jahren Regierungsverantwortung unter Helmut Kohl nicht in Angriff genommen hat.

(Volker Hoff (CDU): Erklären Sie das einmal den Handwerksmeistern!)

Sie tragen die Verantwortung dafür, dass in den 16 Jahren unter Ihrer Regierung die sozialen Sicherungssysteme ausgeblutet sind

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist wie Plottnitz!)

und dass in der Wirtschaftspolitik, speziell in der Arbeitsmarktpolitik, umfassende Strukturreformen notwendig sind. Die rot-grüne Bundesregierung in Berlin hat seit über vier Jahren die Kraft, die notwendigen Strukturentscheidungen endlich zu treffen.

(Beifall bei der SPD – Volker Hoff (CDU): Haben Sie einmal geguckt, wie viele Unternehmen Sie in die Pleite getrieben haben? Selektive Wahrnehmung!)

Wer hat denn die Kosten der Einheit zum größten Teil über die sozialen Sicherungssysteme finanziert? Es sind die Beitragszahler und die Leistungsempfänger der sozialen Sicherungssysteme, die die Hauptlast der deutschen Einheit zu tragen hatten.

Herr Kollege Dr. Jung, eine Wachstumsschwäche haben wir nicht erst seit drei Jahren.Vielmehr haben wir sie seit 1993. Damals – noch in Bonn – bestand die Regierung aus CDU, CSU und FDP. Die Wachstumsschwäche hat etwas damit zu tun, dass wir die Kosten und die Verantwortung für die deutsche Einheit zu tragen hatten.

(Zuruf von der CDU: Sie haben eine Wahrneh- mungsschwäche!)

Das ist belegbar. Blenden Sie bitte nicht andauernd Ihre eigene Vergangenheit und Ihre eigene Verantwortung aus.

(Zurufe von der CDU)

Das Aussitzen und die eklatanten Fehlentscheidungen in Bezug auf die sozialen Sicherungssysteme haben dazu geführt, dass Ihnen die Wählerinnen und Wähler 1998 das Vertrauen entzogen haben. Das war gut für Deutschland und die Menschen in unserem Land.

(Volker Hoff (CDU): Gelaber!)

Die rot-grüne Bundesregierung ist seit über vier Jahren dabei, die eklatanten Fehlentscheidungen zu korrigieren und die nachhaltigen Strukturprobleme, die Sie zu verantworten haben, in Angriff zu nehmen. Seit 1998 wird auf Bundesebene endlich wieder gehandelt.

(Beifall bei der SPD – Lachen und demonstrativer Beifall bei der CDU – Dr. Franz Josef Jung (Rhein- gau) (CDU): Gucken Sie sich einmal die Arbeitslosenzahlen an!)

Insbesondere hat es sich die rot-grüne Bundesregierung zur Aufgabe gemacht, die soziale Schieflage, die durch die Politik in den 16 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung auf der Bundesebene entstanden ist, Punkt für Punkt abzubauen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin Ihnen dankbar für diesen Antrag, gibt er uns doch die Gelegenheit, einmal darauf hinzuweisen, was seitdem alles geschehen ist.

(Volker Hoff (CDU): Was denn? – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): 4 Millionen Arbeitslose!)

Das fällt in Helmut Kohls Verantwortung: Von 1994 bis 1998 sind die Nettoeinkommen um 920 c gesunken. Unter der Verantwortung einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung: Von 1998 bis 2001 sind die Netto

einkommen um 530 c gestiegen. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU – Birgit Zeimetz-Lorz (CDU):Wo denn?)

Eine soziale Grundsicherung für Rentnerinnen und Rentner wurde eingeführt.Wir leisten damit einen erheblichen Beitrag, um der Altersarmut entgegenzuwirken. 70 Ausnahmeregelungen, die insbesondere Spitzenverdienern zugute gekommen sind, wurden von uns beseitigt.Wir haben damit etwas zur Steuergerechtigkeit in diesem Land beigetragen. Wir stellen uns auch weiterhin diesen Herausforderungen.

(Volker Hoff (CDU): Das sieht man!)

Dafür erntet man nicht immer nur Lob.Das ist nun einmal so. Aber wir sind bereit, uns diesen Herausforderungen und Aufgaben zu stellen.

(Volker Hoff (CDU): Sie nehmen die Realität nicht zur Kenntnis! Sie haben keine Ahnung!)

Meine Damen und Herren,das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen bestätigt, dass Sie in der Familienpolitik vollkommen versagt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin stolz darauf, dass die rot-grüne Bundesregierung dem entgegenwirkt, indem sie das Kindergeld bereits zweimal erhöht hat.

(Volker Hoff (CDU): Indem sie den Staat herunterwirtschaftet, das glaube ich!)

Wir sorgen für Wachstum und Beschäftigung, indem wir den Arbeitsmarkt flexibler gestalten.

(Lachen bei der CDU)

Wir stehen für den Abbau bürokratischer Rahmenbedingungen. Das ist der Unterschied zu Ihnen. Wenn es um Bürokratie und den Abbau bürokratischer Rahmenbedingungen geht, knicken Sie schon bei dem ersten Gegenwind – siehe das Beispiel Handwerksbrief – ein. Das ist die Realität in diesem Land.