Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Mittelstandsunternehmen aus dem Raum Fulda/Hünfeld haben sich zu einer Bietergemeinschaft zusammengeschlossen,

(Horst Klee (CDU): Darum geht es heute doch gar nicht!)

um wenigstens ansatzweise konkurrenzfähig zu sein.Nach Auskunft eines am Verfahren beteiligten ortsansässigen Bauunternehmers hatte diese Bietergemeinschaft aber von Anfang an nicht den Hauch einer Chance.

(Alfons Gerling (CDU): Schnee von gestern!)

Es war eine reine Generalunternehmerausschreibung.Allein das Bearbeitungsverfahren dieser Ausschreibung war so anspruchsvoll, dass die Bietergemeinschaft 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Kalkulation beschäftigt hat.

(Zurufe von der CDU)

Im Übrigen ist bereits jetzt bekannt, dass einer der beiden Generalunternehmer Mitarbeiter aus seiner Tochtergesellschaft in Portugal beschäftigen wird. Da kann die heimische Bauwirtschaft in Osthessen beim besten Willen nicht mehr mithalten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als örtliche Kreistagsabgeordnete bedauere ich zutiefst, dass die Bietergemeinschaft der heimischen Mittelstandsunternehmen bei der Vergabe der JVA Hünfeld nicht berücksichtigt worden ist.

Frau Kollegin Waschke, Sie müssten zum Ende kommen.

Ich komme zum Schluss. – Ich bin fest davon überzeugt, dass auch die Förderung der kleinen und mittelständischen Unternehmen eine wichtige Aufgabe der Hessischen Landesregierung ist. Meine Damen und Herren, hier ist es mit plakativen Ankündigungen nicht getan. Hier hätten Taten folgen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt ist sehr deutlich geworden, dass die GRÜNEN mit ihrem Thema für die Aktuelle Stunde eigentlich nur ein Vehikel gesucht haben, um wieder olle Kamellen aufzuwärmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man nämlich die Beiträge der Redner Revue passieren lässt, dann sieht man, es ging gar nicht um eventuelle Verzögerungen aufgrund eines jetzt klagenden unterlegenen Ausschreibungsteilnehmers. Ich glaube, dieses Haus ist sich,über alle Fraktionsgrenzen hinweg,einig, dass es Ausfluss unserer rechtsstaatlichen Ordnung ist, dass gegen die Ergebnisse von Ausschreibungsverfahren geklagt werden kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst bei den GRÜNEN oder der SPD-Fraktion auch nur einer dagegen wäre, einem Bewerber Rechtsmittel gegen die Entscheidung in einem solchen Ausschreibungsver

fahren zu gewähren. Diese Verzögerung werden wir also, gerade weil wir den Rechtsstaat unterstützen, hinnehmen müssen.

Wenn hier aber wieder die olle Kamelle ausgepackt wird, es sei schon in der letzten Legislaturperiode zu monatelangen Verzögerungen gekommen, da diese Anstalt privat gebaut und in Teilen privat betrieben werden soll – das hat die Kollegin Hofmann für die SPD-Fraktion so geschildert –, dann ist diese Aussage schlichtweg falsch.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie können schon im Koalitionsvertrag zur 15. Legislaturperiode nachlesen, dass

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):... eine neue Haftanstalt eröffnet werden sollte!)

beim Abschluss des Koalitionsvertrages klar war, dass der hoheitliche Bereich in der neuen Anstalt nicht privatisiert wird. Von daher hat es in diesem Zusammenhang keinerlei Verzögerung gegeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielmehr ist richtig, dass in Hessen zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren, in denen Sie Verantwortung für den Justizvollzug getragen haben, mit Nachdruck und in größter Geschwindigkeit Haftplätze geplant und mittlerweile auch gebaut werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wo wird gebaut?)

Es sind bereits Haftplätze geschaffen worden. Herr Kollege Kaufmann, das wissen auch Sie. Die Haftplätze sind durch Umbaumaßnahmen in den bestehenden Haftanstalten erstellt worden. Es war gerade Ihre Fehlplanung, im offenen Vollzug Haftplätze leer stehen zu lassen und die Menschen im geschlossenen Männervollzug wie Vieh zusammenzupferchen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Kaufmann, das fördert weder die Sicherheit der Insassen noch die des Personals, das Sie mit diesen Maßnahmen in Ihrer Regierungszeit ganz erheblich belastet haben.

Das nächste Märchen ist hier im Hinblick auf Fragen aufgetaucht, die gar nichts mit dem Ausschreibungsverfahren zu tun haben. In der letzten Legislaturperiode ist ein konsequenterer Justizvollzug betrieben worden. Ich erinnere an die Einführung der Checkliste und daran, dass überprüft wurde, welche Insassen Ausgang gewährt bekommen und welche nicht. All das hat zur Erhöhung der Sicherheit beigetragen.

Frau Kollegin Hofmann, wenn Sie das hier aufwärmen und mit einem zugestandenermaßen ärgerlichen,unserem Rechtsstaat aber angemessenen Klageverfahren eines unterlegenen Ausschreibungsteilnehmers verbinden, dann ist das pure Polemik. Ich finde es vor dem Hintergrund schade, dass Sie an diesem Punkt Ihre Vorwürfe aus der letzten Legislaturperiode wieder aufgreifen. Wir haben uns in der konstituierenden Sitzung eigentlich auf einen anderen Stil und auf mehr Sachlichkeit verpflichtet. Es ist schade, dass in der ersten Arbeitssitzung dieses Parlaments dieser Grundsatz von Ihnen schon wieder über Bord geworfen wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank Frau Kollegin Beer. – Ich möchte noch nachtragen,dass Frau Kollegin Waschke von der SPD-Fraktion ihre erste Rede in diesem Hause gehalten hat. Herzlichen Glückwunsch dazu.

(Allgemeiner Beifall)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist diese Aktuelle Stunde behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Reformstau in Deutschland: Handeln statt re- den) – Drucks. 16/90 –

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Dr. Jung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer heute die Tageszeitungen liest und die Nachrichten von gestern zur Kenntnis genommen hat, dem ist klar, wie wichtig und notwendig diese Aktuelle Stunde ist.

Der italienische Schriftsteller Tomasi di Lampedusa hat einmal formuliert: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, dann müssen wir alles verändern.“ Wir sind in einer Situation, in der sich die ganz konkrete Frage stellt, ob das, was in 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland gemeinsam aufgebaut worden ist, aufs Spiel gesetzt wird, der Wohlstand für alle nicht mehr zu halten ist. Deshalb ist eine Veränderung der Politik und der Rahmenbedingungen dringend geboten.

(Beifall bei der CDU)

Rot-Grün hat uns in den letzten Jahren bereits genug auf die schiefe Bahn geführt. Wir stellen fest, dass es in den letzten drei Jahren kein wirtschaftliches Wachstum, sondern im Grunde genommen eine Stagnation gegeben hat. Wir haben im April die höchste Zahl an Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung. Genauer gesagt: Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Zahl der Insolvenzen wird mit 40.000 prognostiziert. Die Stabilitätskriterien, die wir in Europa einzuhalten haben, können wahrscheinlich nicht eingehalten werden, da ein Defizit von 4 % vorhergesagt wird.

Nach den neuesten Steuerschätzungen haben wir ein Defizit von 15 Milliarden c. Die Lohnnebenkosten erhöhen sich trotz der Zuschüsse aus der Ökosteuer, die Sie eingeführt haben, auf fast 43 %. Altbundeskanzler Schmidt hatte aus meiner Sicht Recht, als er gesagt hat, dass wir uns in einer hausgemachten Konjunkturkrise befinden. Deshalb stellt sich die Anforderung an uns und an die amtierende Bundesregierung, endlich zu handeln, nicht über eine Agenda 2010 zu reden, sondern 2003 zu entscheiden. Das ist die Frage, die sich uns politisch stellt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Den ersten Sündenfall haben Sie aus meiner Sicht begangen, als Sie unsere Petersberger Beschlüsse schnöde abgelehnt haben. Ihre Steuerreform hat bisher nur dazu ge

führt, dass unsere Kassen leer geworden sind. In Hessen haben wir konkret 4,4 Milliarden c weniger.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Der Direktor des Internationalen Währungsfonds, Köhler, hat vor kurzem gesagt, selbstverständlich sei ein Wachstum von 3 % in Deutschland möglich,aber es müssten endlich die Rahmenbedingungen verändert werden. Es müsse endlich politisch gehandelt werden. Diskussionen über Regionalkonferenzen und auf Parteitagen nutzen nichts. Die Bundesregierung ist gewählt, und sie muss handeln und Gesetze im Bundestag einbringen. Das ist die Situation.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke,wir können uns über die konkreten Fragen sehr klar verständigen, wenn es um die Frage der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes geht,wenn es darum geht,Anreize für Frühverrentungen konsequent zu beseitigen. Da sind aus meiner Sicht in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Diese Fehler müssen jetzt korrigiert werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Meisterbrief, Positivliste!)

Wir können uns sehr klar verständigen, wenn es um Änderungen beim Kündigungsschutz geht. Es geht doch darum, dass die Hürden für Einstellungen heruntergesetzt werden. Wenn Sie die aktuellen Berichte aus dem Handwerk lesen: Selbst der „Stern“ schreibt heute über einen Malermeister, der im Grunde genommen bereit wäre, Leute einzustellen, wenn nicht die Hürde des Kündigungsschutzes und die arbeitsrechtlichen Hürden vorhanden wären und er deshalb keine Chance für sich sähe.