Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

(Zurufe des Ministerpräsidenten Roland Koch und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das sind momentan die öffentlichen Angebote, 3,5 bis 3,8 % Hypothekenzinsen. Ihnen wird ein Zinssatz von 3 bis 3,5 % für einen normalen Kredit angeboten.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies aber weckt den Ehrgeiz des Finanzministers. Er sagt, 3,2 bis 3,5 % Zinsen – so einfach ist das mit mir nicht zu machen. Und wieder wird so lange und so hart weiterverhandelt, bis der Fonds endlich resigniert, nachgibt und sagt: Okay, wir geben dir dieses Geld für 5,86 % Zinsen. – Der Finanzminister sagt dazu, als letzten Verhandlungsgag: Dafür übertrage ich dir das Eigentum am Behördenzentrum und an dessen wertvollem Grundstück in Frankfurt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer einen solchen Finanzminister hat, der braucht sich nicht zu wundern, wenn dieses Land Bankrott geht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Clemens Reif (CDU): Ist das ein Zinssatz für D-Mark oder für Euro?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um bei diesem Thema zu bleiben: Der Herr Finanzminister hat angekündigt, er habe im nächsten Jahr weitere solche Großtaten im Umfang von 850 Millionen c vor.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, bleiben wir einmal dabei. Möglicherweise gibt es auf Ihrer Seite doch noch ein Nachdenken. Denn der Herr Finanzminister sagt mittlerweile – das ist sozusagen der Benefit dieses Geschäfts –, der große Vorteil des Verkaufens und Rückmietens sei die größere Flexibilität für das Land.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Größere Flexibilität, wenn man verkauft und zurückmietet? Ich habe hier ein Interview, in dem der Finanzminister – der hier eben über seine eigene Aussage lacht – genau das sagt: Dies schafft uns größere Flexibilität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für diese Aussage müsste man den Herrn Finanzminister zu einer medizinischen Untersuchung schicken. Denn es ist völlig klar: Wenn ich Eigentümer einer Immobilie bin, die ich nicht mehr brauche,dann räume ich sie und veräußere sie. Herr Finanzminister, wenn ich aber einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren abschließe, dann habe ich keine Chance, innerhalb dieser 30 Jahre etwas anderes zu machen als das, woran ich mich vertraglich gebunden habe.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch diese Anmietung haben Sie keine Flexibilität, sondern Sie binden dieses Land in einer weitaus größeren Art und Weise.

(Clemens Reif (CDU): Herr Walter, haben Sie jemals eine Immobilie besessen?)

Herr Finanzminister, Herr Reif, wir wissen alle, worüber wir reden.

(Lachen bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Er weiß es nicht! – Clemens Reif (CDU):Sie offenbar nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube schon, die wissen, was sie tun. Natürlich weiß der hessische Finanzminister, dass sein System, landeseigene Immobilien zu veräußern,um sie anschließend wieder anzumieten,ein System ist, das das Land Hessen teuer zu stehen kommt, und dass es ein System ist,das mehr Geld kostet als die ansonsten notwendige Schuldenaufnahme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich weiß auch der Herr Finanzminister, dass langjährige mietvertragliche Bindungen alles andere bieten als eine größere Flexibilität.

Warum macht der Herr Finanzminister denn dies trotzdem? Die Antwort liegt auf der Hand. Herr Finanzminister, würden Sie diese Geschäfte nicht tätigen, müssten Sie weitere Schulden in Höhe von 850 Millionen c aufnehmen. Damit würde die komplette Haushaltskatastrophe in Hessen offensichtlich.

(Beifall bei der SPD)

All diese Geschäfte, die das Land Hessen Geld kosten, werden aus dem einzigen Grund getätigt: zu verschleiern, wie tief die Katastrophe ist, in die Sie, Herr Finanzminis

ter und Herr Ministerpräsident, uns hineingeführt haben, zulasten unseres Landes Hessen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bieten Ihnen Alternativen an, um die Verfassung einzuhalten.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Da muss man nur nach Berlin gucken!)

Ich schaue ja nach Berlin. Herr Kollege, ich sage: Im Unterschied zur Union im Bund sehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Lande Hessen uns in der Pflicht,

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

der Konzeptionslosigkeit der Landesregierung eigene nachhaltige Konzepte für das Land Hessen entgegenzuhalten. Dabei geht es zunächst darum, die neue Schuldenaufnahme zu begrenzen. Wir wollen versuchen, diesen völlig verkorksten Landeshaushalt wenigstens verfassungsgemäß zu machen.

Durch unseren finanzpolitischen Sprecher Norbert Schmitt haben wir Ihnen unsere Sofortmaßnahme im Einzelnen vorgestellt und erläutert. Ich möchte das hier kurz zusammenfassen: Durch die Wiedereinführung der Grundwasserabgabe und durch die Angleichung der immobilen mit den mobilen Werten bei der Erbschaftsteuer generieren wir Mehreinnahmen in Höhe von 306 Millionen c. Durch Einsparungen im Landeshaushalt – etwa den Verzicht auf den Ankauf des Erbacher Schlosses; ein Thema, das sich eigentlich für eine eigene Rede eignet – und eine Reduzierung bei den Kosten für die Einführung des völlig überdimensionierten Computersystems SAP R/3 – wenn man es richtig liest, empfiehlt das übrigens 0auch der Landesrechnungshof –

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

sowie durch eine Reduzierung der aufgeblähten Verfügungsmittel des Kabinetts verringern wir das Defizit um weitere 135 Millionen c. Von diesen insgesamt 441 Millionen c wollen wir 280 Millionen c für die Verminderung der Neuverschuldung einsetzen und so dem Verfassungsgebot Genüge tun, nicht mehr neue Schulden aufzunehmen, als wir an Investitionen tätigen. Die restlichen 159 Millionen c wollen wir dafür einsetzen, die größten Missstände in unserem Lande wenigstens etwas zu beheben. Der wichtigste Bereich ist das Sozialbudget.Wir wollen die Einschnitte, die Sie durch Ihre „Operation sichere Zukunft“ bei der hessischen sozialen Infrastruktur vorgenommen haben, wieder rückgängig machen.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens zum Vergleich: Im Sozialetat haben Sie 30 Millionen c eingespart, für das Erbacher Schloss stellen Sie 13,5 Millionen c bereit, weitere 2,5 Millionen c an zusätzlichen Verfügungsmittel für Essen und Trinken für die Landesregierung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur Sozialdemokraten in diesem Hause sagen, dies sei eine ordinäre Politik zulasten der Schwächsten in unserem Lande.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich Ihnen eben vorgestellt habe, ist kurzfristig notwendig, aber auch unerlässlich, um der Verfassung Genüge zu tun und die schlimmsten Missstände zu beheben. Mittel- und langfristig aber reicht dies natürlich bei weitem nicht aus, um Hessen wieder nach vorne zu bringen. Genau dies aber ist das Ziel der hessischen Sozialdemokraten: Hessen langfristig wieder nach vorne zu bringen. Dies sehen wir als unsere Pflicht an, wenn wir im Jahr 2008 wieder die Regierung in diesem Land übernehmen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich möchte mit den Finanzen beginnen, langfristige Konzepte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, von langfristigen Konzepten haben Sie lange nichts mehr gesagt.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Erstens. Es reicht nicht aus, die Schulden zu begrenzen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen den Landeshaushalt ausgleichen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen die von Ihnen aufgetürmten Schulden mit Überschüssen zurückführen.

(Lachen bei der CDU – Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU): Siehe Eichel!)

Mittlerweile lachen Sie bei einem solchen Ziel der Haushaltssanierung.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Wie wir das gerade in Berlin erleben!)

Herr Jung, früher haben Sie dieses Ziel selbst einmal ins Auge gefasst. Ich sage Ihnen offen: Es wäre heuchlerisch, wenn die Opposition hier behaupten würde,

(Clemens Reif (CDU): Es ist heuchlerisch!)

dieses Ziel könnte ohne andere bundesrechtliche Vorgaben erreicht werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Ich glaube, dem stimmen auch Sie zu. Nur, Sie verfolgen dieses Ziel nicht mehr. Dafür müssen wir den Haushalt konsolidieren und die Schulden abbauen. Aber dazu benötigen wir andere bundesrechtliche Vorgaben.

Ich gebe der Landesregierung Recht, wenn sie sagt, dass wir bei den bundesrechtlichen Steuervorschriften Veränderungen brauchen. Allerdings werfe ich der Landesregierung vor, dass sie im Bundesrat Abstimmung für Abstimmung all das blockiert, was notwendig ist, um die Neuverschuldung abzubauen und die Haushalte zu konsolidieren.

(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU):Die Bundesregierung kann doch zurücktreten!)

Herr Kollege Gotthardt, das, was Sie vorlegen, als „Konzept“ zu bezeichnen, ist etwas übertrieben. Aber Ihr Finanzminister hat uns seine Strategie in einem Interview mit der „FAZ“ vom 6. November mitgeteilt.