Wie kann sich eine autonome Hochschule entwickeln, wenn Sie den Kopf komplett vom Körper trennen? Dies ist der entscheidende Mangel des vorliegenden Gesetz
Obwohl die hessischen Hochschulen schon heute ihre Balance gefunden haben, obwohl die Hochschulentwicklung eine insgesamt positive Richtung nimmt, obwohl die Hochschulen Eigendynamik und Innovationsbereitschaft beweisen, planen Sie jetzt den Rückschritt zur Ordinarienuniversität. Das musste doch nach hinten losgehen, meine Damen und Herren.
Indem Sie den Hochschulangehörigen ihre Stimme rauben, treiben Sie sie in die innere Emigration und fördern so Lethargie. Eine moderne zukunftsfähige Hochschule wird es nicht geben, wenn man die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere auch die Studierenden auf dem Weg zurücklässt. Das sagen nicht nur wir GRÜNEN, sondern das haben auch alle angehörten Expertinnen und Experten deutlich gemacht. Es bleibt dabei: Ihr Angriff auf die demokratischen Strukturen gefährdet die Zukunftsfähigkeit der hessischen Hochschulen und das Ziel der Autonomie.
Viele dieser Knackpunkte, meine Damen und Herren von der CDU, sind Ihnen schon aus der Regierungsanhörung bekannt. Umso mehr verwundert es, dass Sie es nicht geschafft haben, die Knackpunkte im vorliegenden Gesetzentwurf zu beheben. Ein Beispiel ist die Regelung zu den Beiträgen der Studierendenschaft, mit der Sie die ASten mundtot machen bzw. abschaffen wollten, ohne es direkt auszusprechen. Sowohl Ihre wissenschaftspolitische Sprecherin als auch Ihr Minister haben öffentlich eingeräumt, dass diese Regelung verfehlt ist, und Änderungen angekündigt. Geändert hat sich an dem Entwurf aber rein gar nichts. Das ist peinlich für Sie und für Herrn Corts. Wir alle gehen davon aus, dass Sie diese Regelung bis zur dritten Lesung fallen lassen.
Denn alle Angehörten waren sich einig: Die jetzige Regelung ist demokratietheoretisch höchst bedenklich. Herr Wörner hat in der Anhörung das anschauliche Beispiel gebracht, das die Unsinnigkeit der geplanten Regelung verdeutlicht. Zu der Regelung, die vorgibt, mehr Wahlbeteiligung erreichen zu wollen, in Wahrheit aber ein Anreizsystem schafft, das zu einer niedrigen Wahlbeteiligung führen muss, sagte Wörner: „Auch wenn Sie sagen würden, wir ermäßigen die Steuern, wenn weniger zur Wahl gehen, würden Sie vermutlich sehr schnell einen entsprechenden“ – und zwar negativen – „Effekt erzielen.“
An dieser Stelle hätten Sie sich entscheiden müssen. Entweder sind Sie ehrlich und schaffen die ASten ab, oder Sie sind für einen Beibehalt der ASten. Dann ist diese Regelung aber vollkommen kontraproduktiv.
Ich betone es hier noch einmal:Wir warten auf die von Ihnen zu diesem Punkt angekündigten Nachbesserungen.
Weitere Unstimmigkeiten finden sich z.B.beim Premiumstudium, beim Tenure Track, bei der Juniorprofessur, bei der Dekanwahl und beim Senatsvorsitz. Anstatt die
Hochschulen zu unterstützen, kommt eine reine CDUIdeologie zum Tragen.Sie haben keinerlei Anstrengungen unternommen, den Gesetzentwurf den Realitäten anzupassen. Im Gegenteil, Sie haben den Entwurf nach der Regierungsanhörung flickwerkartig verschlimmert, ohne auf die Stellungnahmen einzugehen. Sie haben z. B. das Quorum für den Beschluss der Grundordnung gegen den ausdrücklichen Willen der Hochschulen von einer Zweidrittelmehrheit auf eine einfache Mehrheit gesenkt.
Ein anderer Punkt: Der Senat muss nach Ihren Vorstellungen die Abwahl des Präsidenten beim Hochschulrat beantragen. Das ist doch einfach absurd, wenn man bedenkt, dass die Mitglieder des Hochschulrats vom Präsidenten vorgeschlagen werden. Das ist so, als wenn wir die Abwahl eines Ministerpräsidenten von der Zustimmung eines politischen Beirats der Staatskanzlei abhängig machen würden.
Das alles zeigt uns, dass Sie kein Interesse an einem Gesetz haben, das den Realitäten und Bedürfnissen einer modernen Hochschule gerecht wird. Nach Aussage von Frau Kühne-Hörmann wird sich die CDU in den zentralen Punkten des Entwurfs nicht mehr bewegen. Das finde ich nicht nur schade, sondern auch unverantwortlich.
Derartige Erfahrungen haben wir bereits beim Studienguthabengesetz gemacht. Die Anhörung hat einhellig aufgezeigt, wie untauglich dieses Gesetz ist, und Sie haben die Argumente in den Wind geschlagen und das StuGuG einfach durchgewunken.
Ein knappes Jahr nach dem In-Kraft-Treten des StuGuG hält selbst Präsident Steinberg, ein ausgemachter Befürworter von Studiengebühren, die Gebührenregelungen für Studierende für absolut misslungen.Er hat nachdrücklich an den Gesetzgeber appelliert, diese Regelung fallen zu lassen, da es seiner Meinung nach keinen überzeugenden Grund gebe, eine solche Regelung zu treffen.
Meine Fraktion hat andere Vorstellungen von einer modernen Hochschule. Wir stehen für ein Gesetz, das die Hochschulen unterstützt, ihnen ein Mehr an Autonomie einräumt und im Gegenzug evaluationsfähige Standards setzt sowie die Demokratie in den Hochschulen stärkt.
Natürlich haben wir unstrittige Punkte – beispielsweise Bachelor und Master oder die Juniorprofessur – aus dem CDU-Entwurf übernommen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hochschule, wie wir sie wollen, vollkommen anders aussieht
Der von uns eingebrachte Gesetzentwurf zum Hessischen Hochschulgesetz ist als eine Globalalternative zum Entwurf der Landesregierung zu verstehen. Unsere Prioritätensetzung umfasst fünf Themenkomplexe, mit denen sich die CDU in ihrem Entwurf schwer tut. Diese sind die Folgenden.
Erstens die Stärkung der Autonomie und der öffentlichen Rechenschaft.Wir treten für den Rückzug des Landes aus der bisherigen Detailsteuerung an den Hochschulen ein.
Das Land sollte sich darauf beschränken, verbindliche Ziele und Standards festzusetzen, die von den Hochschulen eigenverantwortlich ausgestaltet werden können. Unser Entwurf sieht daher die Übertragung zentraler Kompetenzen auf die Hochschulleitung vor, beispielsweise die Hoheit in Bauangelegenheiten, bei der Vermögensverwaltung und bei der Personalentscheidung. All das verwirklicht unser Entwurf viel konsequenter, als es sich die CDU je trauen würde.
Zweiter Punkt: die Studienreform. In unserem Entwurf wird die Evaluation Bestandteil der Studienreform, um Nutzen aus den Erfahrungen des Studienalltags ziehen zu können. Außerdem treten wir für eine konsequente Umsetzung von Modularisierung sowie Bachelor und Master ein, da dies zu Qualitätsverbesserungen der Lehre führen wird.
Anders als die CDU halten wir an präzisen Anforderungen für eine beständige Verbesserung der Studieninhalte und -bedingungen fest, da in diesen Bereichen noch viel zu tun ist.
Meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrer Gesetzesbegründung mussten wir zum Thema Studienreform lesen, der Aufgabenkatalog sei „abgearbeitet“. Wann haben Sie sich denn zuletzt an den Hochschulen umgeschaut? Meine Damen und Herren,bei der Studienreform liegt wirklich noch mehr als genug im Argen.
Dritter Punkt: die Nachwuchsförderung. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist unserer Ansicht nach eine der zentralen Aufgaben der Hochschulentwicklung. Im Gegensatz zur CDU, die lediglich Anpassungen an höherrangiges Recht plant, setzen wir auf die Präzisierung der Rechte und Pflichten des wissenschaftlichen Nachwuchses. Darüber hinaus sieht unser Gesetzentwurf die Einführung der Juniorprofessur vor, die dem Wettbewerb mit anderen Qualifikationswegen ausgesetzt werden soll. Zusätzlich regeln wir die Möglichkeit des Tenure Track.
Vierter Punkt: demokratische Verfassung. Anders als die CDU sind wir der Ansicht,dass eine eigenverantwortliche Hochschule nur nach demokratischen und somit transparenten Grundsätzen gestaltet werden kann. Für die produktive Entwicklung und das Controlling der Entscheidungen werden Senate und Fachbereichsräte mit zusätzlichen und effektiveren Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen ausgestattet, unter anderem dem Budgetrecht. Im Gegensatz zur CDU sind wir der Meinung, dass Studierende das Recht haben, ihre Hochschule aktiv mitzugestalten.
Daher werden die Aufgaben der Studierendenschaft erweitert. Die Fachschaften werden gestärkt, und zusätzlich halten wir die Schaffung einer Personalvertretung für studentische Hilfskräfte für unabdingbar.
Fünfter Punkt: Gender Mainstreaming und Diversity. Meine Damen und Herren, Gleichberechtigung in der Wissenschaft muss an vielen Stellen noch immer gefördert und gefordert werden. Im Sinne des Gender Mainstreaming sollen auch Hochschulen sicherstellen, dass bei allen Entscheidungen die Gleichstellung von Frauen und
Männern zu berücksichtigen ist. Insbesondere bei der Vereinbarkeit von Familie und Studium bzw. von Familie und Beruf sehen wir eine große Herausforderung. Nach unserem Vorschlag wird sie – genau wie auch die Sicherstellung der Kinderbetreuung – Aufgabe der Hochschule.
Zudem sieht unser Entwurf vor, das Studienguthabengesetz aufzuheben. Die jüngste Exmatrikulationswelle hat gezeigt, welchen Schaden dieses Gesetz angerichtet hat.
Einem möglichen Missbrauch des Studierendenstatus beugt unser Entwurf über die Exmatrikulationsmöglichkeit bei überwiegender Berufstätigkeit vor.Meine Damen und Herren, es muss doch aber möglich sein, neben dem Studium zu arbeiten oder Kinder zu erziehen.
Zukunftsfähige Hochschulen und berufsbegleitenden Hochschulzugang gibt es – aber offenbar nicht mit der CDU. In der Summe muss ich feststellen: Die von Ihnen gewollte Hochschule ist nicht unsere Hochschule.
Das wäre vielleicht noch hinnehmbar. Aber das ist auch nicht die Hochschule, die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich die Studierenden wünschen. Meine Damen und Herren, das aber ist nun wirklich unerträglich.
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Sorge, mich erstaunt schon, dass die GRÜNEN bei der zweiten Lesung des Hochschulgesetzes in dieser Debatte zunächst 15 Minuten reden wollten. Frau Kollegin Beer hatte schon darauf hingewiesen, dass sich die Obleute aller Fraktionen auf ein Verfahren verständigt haben, wonach wir Zeit für die Anhörung hatten – –