Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

Nicht zuletzt soll § 18, der die Funktion des Behindertenbeauftragten darstellt, ergänzt werden, um der Forderung nachzukommen, dass der Bericht Aussagen über die Wirksamkeit und Umsetzung dieses Gesetzes enthalten muss.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja, ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir sind in den weiteren Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, dass behindertenrelevante Probleme in die Ausbildungsordnung des Architektenberufes aufgenommen werden sollten. Hierzu haben wir heute einen gemeinsamen Dringlichen Antrag vorgelegt. Herr Kollege Rentsch wird diesen noch im Einzelnen vorstellen.

Die Hessische Landesregierung ist mit den eingebrachten Änderungen der beiden Fraktionen zum Gesetzentwurf einverstanden. Ich darf noch einmal betonen: Mit dem Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen gehen wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Stärkung von Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung dieser Menschen. Ich bitte Sie zu dem vorliegenden Gesetzentwurf um Folgendes. Wir beantragen ebenfalls die dritte Lesung, um die eingebrachten Änderungen einarbeiten zu können. Eigentlich habe ich einer Vorankündigung von Herrn Dr. Jürgens folgend damit gerechnet,

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.

dass auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung vorlegt. Dies ist nicht geschehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abg. Rentsch für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Spies, Menschen mit einem durchschnittlichen Frustrationspotenzial haben teilweise wirklich Probleme, das, was Sie hier vorgetragen haben, zu ertragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist wirklich wahr.Was Sie hier teilweise für Geschichten erzählen – leider ist es den Kolleginnen und Kollegen nicht mehr ganz präsent, weil Ihre Rede die erste Rede war und etwas Zeit ins Land gegangen ist –, ist wirklich hanebüchen und geht auf keine Kuhhaut.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich hatte eigentlich gar nicht vor, darauf länger einzugehen.Aber das ärgert mich wirklich. Denn das, was Sie hier gerade erzählt haben, ist die typische Mär, die wir von der SPD in den letzten Monaten immer wieder im Ausschuss bei der Diskussion um das Konnexitätsprinzip gehört haben. Wir haben in der Anhörung zum Gleichstellungsgesetz natürlich den Wunsch der Verbände vernommen, die verbindliche Regelungen für die Menschen mit Behinderungen fordern, sodass auch die Kommunen Regelungen durchsetzen müssen. Das haben wir vernommen. Dafür habe ich auch Verständnis.

Aber, Herr Dr. Spies, wir gehen davon aus, dass die Konnexität ausgelöst wird, wenn das Land eine verbindliche Regelung trifft. Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas ganz Konkretes. Sie haben im Ausschuss immer wieder erwähnt – jetzt kommt Frau Fuhrmann und gibt ihre Wortmeldung ab, das passt mir sehr gut –, das sei kein Problem, und das, was wir machen, sei rechtlich unsinnig. Sie haben das Thema „Gutachten“ ins Spiel gebracht. Legen Sie doch einmal das Gutachten vor, das diesen gesamten Themenkomplex beweist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir warten darauf, dass Sie endlich einmal Fakten zu diesem Thema bringen und nicht dauernd von etwas erzählen, was rechtlich überhaupt nicht zutrifft. Meines Erachtens ist es auch möglich, dass Ärzte eine andere Einschätzung haben als Juristen. Das mag sein.Aber nach unserer und der Meinung der Landesregierung ist dieses Thema abgefrühstückt.Wir haben da eine ganz klare Rechtsposition, die wir umsetzen und an die wir uns halten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zweitens. Sie bringen immer wieder das Argument, dass andere Bundesländer hier verbindliche Regelungen getroffen hätten. Ich habe Ihnen das Beispiel Bayern schon im Ausschuss genannt.Das Beispiel Bayern ist richtig.Die Bayern habe eine verbindliche Regelung im Gesetz getroffen. Sie haben aber einen Vorbehalt für eine Rechtsverordnung,die sie noch nicht erlassen haben.Die Bayern werden das auch nicht erlassen, weil sie nämlich das gleiche Problem haben wie wir. Sie können sich verbindliche Regelungen nicht leisten. Deshalb ist das, was der Kollege Dr. Spies hier vorgetragen hat, wirklich unsinnig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es war reiner Populismus. Herr Dr. Spies, es ärgert mich, dass Sie diesen Populismus immer wieder nutzen, um Stimmung im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes zu machen.

Ich möchte jetzt konkret auf den Antrag eingehen, den die Fraktionen von CDU und FDP gemeinsam vorgelegt haben. Ich habe gerade schon erwähnt, dass es für uns keine einfache Diskussion gewesen ist. Die Frage, ob wir als Politiker verbindliche Regelungen treffen können, die wünschenswert sind – Herr Dr. Jürgens hat das ausgeführt –, sodass man auch auf kommunaler Ebene Regelungen hat, die Barrierefreiheit ermöglichen, um Menschen mit Behinderungen einfachere Möglichkeiten zum Zugang zu den verschiedensten Bereichen zu gewähren, ist keine einfache.Aber wir haben aufgrund der Tatsache, dass wir der Meinung sind, dass Konnexität hier eine

Rolle spielt, gesagt, dass wir uns das nicht leisten können. Wir haben zwischen der Frage, was wünschenswert ist, auf der einen Seite und der Frage, wofür der Staat noch Geld ausgeben kann, auf der anderen Seite abgewogen. Ich möchte nicht die Diskussionen der Haushaltsberatungen der letzten Tage wieder hervorholen. Aber es ist nun einmal so, dass wir als Land uns in den Finanzen wirklich deutlich einschränken müssen.

(Beifall bei der FDP)

Diesen Kompromiss sind wir als FDP gemeinsam mit der CDU eingegangen. Das können Sie kritisieren, wenn Sie sagen, das gehe Ihnen nicht weit genug. Dafür habe ich aus Ihrer Sicht Verständnis. Aber Sie müssen uns dann auch einmal erklären, wie Sie das Ganze finanzieren wollen. Denn immer nur zu erklären, das Ganze sei gar kein Problem, bringt uns an dieser Stelle auch keine Finanzierung und hilft uns nicht weiter.

Wir haben gemeinsam mit der CDU einige Änderungen vorgenommen. Wir haben, wie Frau Kollegin Dörr zu Recht gesagt hat, den Rahmen der Zielvereinbarung in das Gesetz eingeführt. Wir haben ein Zielvereinbarungskataster in das Gesetz eingeführt.Wir haben die Berichtspflichten des Landesbeauftragten der Behinderten erweitert. Wir haben sie auch hier im Landtag konkret erweitert. Das waren alles Forderungen, die von den Behindertenverbänden aufgestellt wurden. Wir haben uns gemeinsam entschieden, diese Forderungen zu übernehmen, weil sie sinnvoll sind und zu Recht gestellt werden.

Des Weiteren haben wir – Herr Dr. Jürgens hat es gerade erwähnt – einen Antrag eingebracht, mit dem wir erreichen wollen, dass an Universitäten das Thema Barrierefreiheit diskutiert und zum Prüfungsinhalt gemacht wird. Herr Schlitt hat das für den VdK am letzten Montag sehr konkret gefordert.Wir haben das schon vorher diskutiert. Es war für uns keine neue Forderung. Wir sind auch der Meinung, dass im Rahmen des Bauens zwar viele Regelungen bestehen, beispielsweise in der Hessischen Bauordnung, dass es aber bei vielen Architekten nicht im Gedankengut vorhanden ist, dass man Möglichkeiten zur Barrierefreiheit nutzen muss. Wir sind nicht nur der Meinung, dass das für Menschen mit Behinderungen notwendig ist, sondern wir sind auch der Meinung, dass im Rahmen der demographischen Entwicklung dieses Landes diese Barrierefreiheit dringend erforderlich ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist nun einmal auffällig, dass in vielen Gebäuden Barrierefreiheit, obwohl sie angezeigt ist, nicht realisiert wird. Das halten wir für ein Problem. Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht. Sie haben gesagt, das sei für Sie vom Wortlaut her nicht ausreichend. Aber, Herr Dr. Jürgens, Sie müssen bei dieser Diskussion natürlich die Hochschulautonomie einbeziehen. Wir können in diesem Rahmen keine verbindlichen Regelungen treffen. Wir werden das gemeinsam mit den Hochschulen machen. Ich bin mir sicher, dass wir mit den Hochschulen dort zu einem Ergebnis kommen werden. Denn die Hochschulen erkennen auch die Problematik, dass das bei Architekten nun einmal keine prüfungsbezogene Ausbildung ist.

Deshalb bin ich dankbar, dass wir uns mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU hier einigen konnten. Ich halte diesen Schritt für sehr notwendig, auch wenn es für die Hochschulpolitiker sicher keine einfache Entscheidung war. Aber ich denke, wir haben uns da zu einer guten Formulierung durchgerungen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur weiteren Beratung sagen. Ich glaube, das, was die Landesregierung hier vorgelegt hat und was das Parlament mit den Änderungen voraussichtlich auch verabschieden wird, ist ein Kompromiss, der einen guten Schritt in die richtige Richtung darstellt. Er trifft Regelungen, die die Menschen mit Behinderungen in unserem Bundesland weiterbringen. Aber er wird sicherlich nicht das Paradies auf Erden bringen. Das wissen wir auch. Wir sind diesen Kompromiss eingegangen, weil das unserer Meinung nach realisierbar ist und weil wir keine Forderungen aufstellen wollen, die dann kein Mensch in diesem Bundesland bezahlen kann.

Diesen Kompromiss, diesen Realitätsbezug, gehen CDU und FDP hier gemeinsam ein. Ich habe Verständnis für weitere Forderungen. Ich habe Verständnis dafür, dass Menschen, die betroffen sind, dass Verbände, die sich für Menschen mit Behinderungen engagieren, weiter gehende Forderungen haben. Aber haben Sie bitte auch Verständnis dafür, dass wir nur das machen können, was auch realisierbar ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abg. Fuhrmann das Wort.

Herr Kollege Rentsch, ich muss Ihnen sagen, dass ich die Art und Weise, in der Sie hier den Kollegen Dr. Spies diffamiert haben, unpassend fand.

(Zurufe von der CDU und der FDP:Ah!)

Das war unangebracht. Es geht hier um eine inhaltliche Auseinandersetzung.

(Volker Hoff (CDU): Soll ich eine Vase für Ihre Tränen reichen?)

Sie haben gesagt, es sei unerträglich, ihm zuzuhören.

Zur Sache. Sie haben wieder verteidigt, was zum Thema Konnexität im Gesetzentwurf der Landesregierung steht bzw. was deshalb nicht im Gesetzentwurf der Landesregierung steht. Dazu möchte ich Ihnen noch einmal erklären, welche Rechtsposition die SPD-Fraktion vertritt. Ich denke, das ist auch nachvollziehbar. Das Grundgesetz gilt für alle.

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

In diesem Grundgesetz steht nicht: Kein Mensch darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden, es sei denn, er ist in einer Kommune oder die Konnexität ist berührt. – Denn wenn die Konnexität berührt wäre, dann wäre sie eben berührt.

(Unruhe)

Das Grundgesetz ist jedenfalls allumfassend in seinem Geltungsbereich und gilt für alle Teile der Gesellschaft und für alle Gliederungen dieses Staates. Das ist auch gut so. Wenn barrierefreies Bauen zur Erfüllung dieses Anspruchs aus dem Grundgesetz verordnet wird, dann gilt das allumfassend. Das muss auch nicht unbedingt teurer sein.Wer heute nicht barrierefrei baut, ist selber schuld.

(Zuruf der Abg.Anne Oppermann (CDU))

Zweiter Punkt.Wer heute noch – da sind die behinderten Menschen besonders betroffen – nicht barrierefreie Busse und Bahnen kauft, ist selber schuld. Wenn es dann etwas kostet, kann ich nur sagen: Das ist wie bei dem Kasseler Großkino, das teuer nachgerüstet werden muss.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, vielen Dank. – Letzter Satz. Wir sind der Auffassung, dass der Gesetzentwurf, der vermutlich mit der Mehrheit verabschiedet werden wird, nicht ausreichend ist. Ich kündige für die SPD-Fraktion ebenfalls einen Änderungsantrag zur dritten Lesung an.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Ich glaube nicht, dass ich den Kollegen Dr. Spies mit dieser Äußerung diffamiert habe. Ich glaube, dass das, was Herr Dr. Spies hier vorgetragen hat, sachlich falsch war. Deswegen habe ich das so ausgedrückt. Wenn Sie nicht der Meinung sind, dann müssen Sie diese nicht teilen.Aber es ist sicherlich keine Diffamierung gewesen.

Zweitens. Frau Fuhrmann, wir haben das im Ausschuss schon ausgiebig diskutiert. Sie sind an der Stelle immer noch nicht schlauer geworden. Im Grundgesetz sind viele Gebote formuliert, nicht nur das Gebot der Gleichstellung, sondern auch andere Gebote. Nichtsdestotrotz, wenn Länder verbindliche Regelungen auf rechtlicher Basis treffen und diese Kosten für die Länder produzieren – vor allem im Rahmen des sehr strengen hessischen Konnexitätsprinzips –, dann müssen die Länder diese Kosten tragen. Da reicht die Regelung im Grundgesetz nun mal nicht aus, um die Konnexität auszuschalten.