Meine Damen und Herren, das entscheidende Thema ist die Frage der Konnexität. Die SPD versucht schon längere Zeit immer wieder, den Menschen durch Worthülsen zu suggerieren, das sei eigentlich kein Problem. Frau Kollegin Fuhrmann hat gerade in ihrem Geschäftsordnungsbeitrag erwähnt, Rheinland-Pfalz habe eine verbindliche Regelung, auch Bayern habe eine Regelung im Gesetz, die die Kommunen verpflichte, Sachen umzusetzen. Warum hätten wir das in Hessen nicht gemacht? – Die Lösung ist relativ einfach und lässt sich mit einem Wort zitieren. Das ist das Konnexitätsprinzip. Es ist das Konnexitätsprinzip, das wir in die Hessische Verfassung eingeführt haben, das das Land verpflichtet, bei verbindlichen Regelungen, die die Kommunen beauftragen, Maßnahmen durchzuführen, den Kommunen die Kosten zu erstatten. Frau Fuhrmann,wenn Sie diesen wichtigen Teil in der Diskussion immer wieder verschweigen, dann hilft es Ihnen auch nicht, dass Sie jetzt genervt an die Decke schauen.
Das ist ein wichtiger Umstand, den wir als Landespolitik berücksichtigen müssen. Wir können diesen Umstand nicht negieren, was Sie die ganze Zeit versucht haben in der Diskussion darzustellen. Es ärgert mich auch ein wenig, weil wir nicht das erste Mal über das Thema Konnexitätsprinzip diskutieren. Wir haben im Ausschuss wirklich sehr ausführlich über diesen Punkt gesprochen. Sie haben dort angekündigt – ich will es heute nur unter Vorbehalt zitieren, weil ich sonst von Herrn Dr. Spies Kritik erfahren –, Sie wollten ein Gutachten vorlegen. Es steht so im Protokoll, deshalb kann ich Ihnen das gern zeigen.
Aber es ist heute nicht entscheidend.Sie haben gesagt,Sie wollen diesen Punkt klären, weil Sie der Meinung sind, dass das hessische Konnexitätsprinzip nicht dafür Sorge trägt, wenn wir im Hessischen Landtag eine verbindliche Regelung treffen, dass wir den Kommunen die Kosten erstatten müssen. Genau anderer Meinung sind wir. Genau anderer Meinung sind FDP und CDU in diesem Haus.
Wir haben eine klare Rechtsposition, und diese Rechtsposition führt auch zu einem Kompromiss. Sie führt nämlich dazu,dass wir keine verbindlichen Regelungen für die Kommunen getroffen haben. Das mögen Sie kritisieren; dafür ich habe ich auch Verständnis. Aber Sie mögen es bitte nicht unter dem Gesichtspunkt kritisieren, das Konnexitätsprinzip sei überhaupt kein Problem. Wenn wir in Hessen eine Regelung treffen, die einen verbindlichen Charakter für die Kommunen hat, so müssen wir für die Kosten einstehen. Das haben wir bei unserem Gesetzentwurf berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, deshalb sind die Beispiele Bayern und Rheinland-Pfalz, die Sie genannt haben, keine guten Beispiele.
Denn gerade Bayern, das Beispiel, das Sie immer wieder anführen, hat zwar die Regelung im Gesetz, aber es sieht einen Vorbehalt durch eine Rechtsverordnung vor. Wenn Sie mir den Tag nennen, wann das Land Bayern diese Rechtsverordnung erlässt, dann gehe ich gern gut mit Ih
nen essen, Frau Fuhrmann. Denn es wird nicht zu diesem Tag kommen, dass die Bayerische Staatsregierung eine Rechtsverordnung zu diesem Punkt erlassen wird, weil sie genau das gleiche Problem hat wie das Bundesland Hessen, dass sie, wenn sie eine verbindliche Regelung trifft, die Kosten dafür tragen muss.
Frau Fuhrmann, ich finde das auch ein Stück weit unehrlich, was Sie hier treiben. Das ist die typische Oppositionspolitik, wie wir sie vom alten Muster her gewöhnt sind: Rot-Grün stellt einen Katalog auf. Rot-Grün sagt, was sie sich alles wünschen. Wenn man es nicht bezahlen muss, kann man sich auch alles wünschen.Wir als FDP gehen einen anderen Weg.
(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP) – Petra Fuhrmann (SPD): Es ist Ihr Vorteil, nicht mehr an der Regierung zu sein!)
ich will das wiederholen, falls es einige Kollegen im Haus nicht verstanden haben: als konstruktive Oppositionspartei –
Gesetzentwürfen der Landesregierung dann zustimmen können und werden, wenn wir sie genauso gemacht hätten. Es ist wirklich keine sehr ehrliche Art und Weise von Politik, wie Sie sie hier betreiben, zu sagen:Wir hätten die Punkte A bis Z als Wunschforderung. Warum macht die Landesregierung das nicht? – Meine Damen und Herren, im Rahmen knapper Kassen müssen wir uns alle darüber Gedanken machen,was wir umsetzen können und was wir nicht umsetzen können. Wir haben genau diesen Weg zu gehen, im Zwiespalt zwischen dem Wunsch einerseits und den finanziellen Möglichkeiten andererseits.
Diesen Spagat hat die FDP versucht zu machen. Sie können uns dafür kritisieren, dass es Ihnen nicht weit genug geht; dafür habe ich ein Stück weit Verständnis. Auf der anderen Seite ist es ein Stück weit unehrlich, Frau Fuhrmann, den Menschen in diesem Land gegenüber das Bild zu stellen, alles wäre möglich, denn die Landesregierung muss es bezahlen.Das ist nicht unsere Auffassung von Oppositionspolitik.
Wir verstehen unter Oppositionspolitik, dass wir sagen, wir wollen das mittragen, was machbar ist, und wir kritisieren das,was wir nicht für richtig halten.Aber immer das Bild zu stellen, die Landesregierung mache alles falsch, es sei nur Humbug, was die Landesregierung mache, ist unehrlich.
Genau eine solche Oppositionspolitik sorgt auch für die Politikverdrossenheit in diesem Land. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da könnte ich stundenlang klatschen, so gut war das!)
Herr Rentsch, ich wollte die Gelegenheit nutzen, zu erwidern, weil Sie mich direkt angesprochen hatten. Sie hatten mich gefragt, ob ich das Bundesgleichstellungsgesetz in gleicher Weise kritisieren würde wie den Gleichstellungsgesetzentwurf der Landesregierung.
Es ist richtig, dass das Forum behinderter Juristinnen und Juristen, dem ich angehöre, damals Vorschläge für ein Bundesgleichstellungsgesetz und später auch für Landesgleichstellungsgesetze erarbeitet hat. Nun ist es aber so, dass sich der Bundesgesetzgeber dazu entschlossen hat, das, was wir damals vorgeschlagen haben, zu rund 90 % umzusetzen. Es ist immer schwierig, mit Zahlen zu operieren, weil es sehr komplexe Sachverhalte sind. Aber er ist an manchen Stellen sogar über das hinausgegangen, was wir vorgeschlagen haben. Deswegen haben wir das sehr begrüßt.
Der Landesgesetzgeber setzt jetzt von den Vorschlägen, die das gleiche Forum gemacht hat, maximal vielleicht 30 % um. Genau das ist die Diskrepanz, weshalb wir das eine stark kritisieren und das andere sehr wohl als wegweisend begrüßt haben.
Zu einem Punkt wollte ich noch etwas sagen. Sie haben gesagt, Sie gehen mit dem Prinzip der Freiwilligkeit der Kommunen einen anderen Weg als wir, hätten aber das gleiche Ziel. So habe ich das verstanden. Das Problem ist nur: Den Weg, den Sie beschreiten, gibt es schon seit Jahrzehnten. Keiner Kommune war verboten, freiwillig Barrierefreiheit herzustellen.
Es gibt in jeder Kommune behinderte Menschen, die seit 10,20,30 Jahren dafür kämpfen.Wir wollten gern,dass der Landesgesetzgeber sagt:Jawohl,wir stehen euch mit wirksamen Gleichstellungsregeln zur Seite. – Sie sagen: Geht weiter auf dem ausgelatschten Pfad, den ihr schon seit 10, 20, 30 Jahren beschreitet. Wir ebnen euch keinen neuen Weg. – Das ist der Unterschied. Wir wollten neue Wege, Sie gehen die alten weiter.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Dr. Jürgens, wenn Sie schon meine Worte aus dem Protokoll zitieren, bitte ich darum, dass Sie künftig sowohl das Wort, das vornedran steht, als auch den Rest eines Satzes verkünden.
Ich möchte hier noch einmal klar und deutlich sagen, und das habe ich in zwei Lesungen bereits getan: Der Gesetz
entwurf, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erarbeitet durch Herrn Dr. Jürgens, hier vorgelegt hat, ist allumfassend und beinhaltet all das, was sich Behinderte wünschen, um eine Teilhabe am normalen Leben zu finden. Das habe ich in zwei Lesungen zu dem Gesetzentwurf gesagt,und das wird auch heute von mir anerkannt.Aber ich kann auch heute wieder sagen: Es muss im Moment für uns trotzdem als Wunschkatalog gelten, den wir aus der gesamtwirtschaftlichen Lage unseres Landes und des gesamten Bundesgebietes heraus derzeit nicht erfüllen können.Wir werden weiterhin das tun, was wir in den letzten sechs Jahren getan haben, nämlich Schritt für Schritt Barrieren für unsere behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger abbauen.
Heute Nachmittag fand die Demonstration einiger Behinderter statt. Ich werde noch einmal kurz darauf eingehen. Nur so viel: Herr Paul, der für die Organisation der Demonstration verantwortlich zeichnete, sagte, er sei kein Mann der großen Worte, er handele lieber. Da kann ich Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sagen: Dem habe ich beigepflichtet. Auch ich mache nicht gerne große Worte um Dinge,die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Ich handele lieber – ich habe es hier schon einmal dargestellt –, und zwar durch Ableistung von Praktika usw. in Einrichtungen, in der Begleitung von behinderten Menschen das ganze Jahr über.
Ich komme auch auf das zurück, was die Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN hier schon mehrfach dargestellt haben, nämlich dass wir eine Verfassung haben, eine Grundordnung, die das Zusammenleben aller Menschen regelt und die auch festschreibt, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind. Ich muss Ihnen Recht geben: Das ist gut so. Wir haben uns eine gute Grundordnung gegeben. Wenn wir uns alle daran halten würden, sähe die Arbeit in den Parlamenten anders aus.Wir müssten nämlich nicht ständig Gesetze erlassen oder irgendwelche weiteren Spielregeln aufstellen und dann auch noch durch Rechtsverordnungen und Sonstiges darauf achten, dass sie auch entsprechend Beachtung finden. So müssten wir auch nicht, wie Herr Dr. Jürgens es dargestellt hat, den Kommunen ins Gewissen reden – und das auch noch bitte von oben nach unten, vom Bund auf das Land, auf die kommunale Seite –, dass es hier um Menschen geht, die durch ihre Behinderung eine besondere Benachteiligung haben, und dass wir alles tun müssen, dass diese Menschen im normalen Lebensablauf Erleichterung finden.
Die Kommune wäre durch die Grundlage in der Verfassung sogar berechtigt, sich selbst durch eine Satzung, oder wie auch immer,vor Ort in kommunaler Selbstverwaltung Richtlinien zu geben, um diese Aufgabe zu erfüllen. Dazu braucht sie nicht den Bund und das Land. Denn die Verfassung gilt für alle.
Wir wissen: Die Lebenswirklichkeit sieht leider Gottes etwas anders aus. Darum haben wir heute den Gesetzentwurf für ein Hessisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze zur Beschlussfassung vorliegen.
Herr Kollege Rentsch, Sie haben die einzelnen Punkte sehr ausführlich dargestellt. Ich werde, da ich mit dem konform gehe, was Sie gesagt haben, dies also nicht mehr wiederholen.
Als ich die Pressemeldungen der letzten Tage vernommen habe, bin ich schon etwas stutzig geworden, denn die Behindertenverbände wollen dieses Gesetz nicht. Ich habe heute Nachmittag die Teilnehmer der Demonstration gefragt, ob sie mit dem zufrieden sind, was für Behinderte getan wird, ob wir auf dem richtigen Weg sind, ob ihre Wünsche erfüllt werden, ob wir gar kein Gesetz mehr brauchen. Herr Dr. Jürgens, bei diesen Gesprächen ist mir der Verdacht gekommen, hier wurde wohl ein Stück weit nachgeholfen, dass es zu der Entscheidung einer Demonstration gekommen ist.