Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Beifall bei der SPD)

Fast alle Fachleute waren sich einig, dass mit diesem Gesetz weder Verwaltungsvereinfachung noch Abbau von Bürokratie, noch Kosteneinsparung erreicht werden können. Diese Reform – obwohl seit zwölf Monaten in Arbeit – scheint auf der letzten Strecke wieder ein Schnellschuss zu werden: eine Anhörung, die nicht vernünftig ausgewertet werden konnte, Anregungen und Hinweise von Fachleuten, die nicht ausgewertet wurden, und Fragen nach Einsparungen, die bis heute unbeantwortet sind.

(Günter Rudolph (SPD): Unglaublich!)

Synergieeffekte lassen sich eben nicht durch ein von oben verordnetes Stilllegen von mehreren Behördenstandorten erreichen. Die Lösung kann auch nicht sein, vermehrt Landesbetriebe oder Sonderbehörden einzusetzen. Das haben Sie auch anhand des Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz selbst eindrucksvoll unter Beweis gestellt, indem Sie diese Behörde heute wieder auflösen wollen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Viele landeseigene Immobilien werden nach dieser Reform leer stehen, und andernorts müssen durch Zentralisierungsmaßnahmen Neu- oder Anbauten erfolgen.Diese vermeidbaren Mehrkosten in Millionenhöhe haben letztendlich Sie zu verantworten, aber berappen müssen es natürlich die Steuerzahler.

In Ihrem Gesetzentwurf gibt es genügend Beispiele. Ich greife nur zwei heraus. Die Konzentration der hessischen Laborbetriebe in Gießen hat mit zusätzlichen 10 Millionen c zu Buche geschlagen;gleichzeitig muss ein für mehr als 20 Millionen c umgebautes Labor in Kassel schließen.

Durch die geplante Bodenmanagementbehörde – Kollege Frömmrich hat es angesprochen – werden in Korbach etwa 15 Millionen c Mehrkosten hervorgerufen, und in Wolfhagen, das zentraler gelegen ist, stehen Liegenschaften leer.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Was machen Sie mit Hofgeismar?)

Herr Dr. Lübcke, diese Unausgewogenheit kennen Sie – deswegen auch die unqualifizierten Zwischenrufe –

(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So ist er!)

im Zusammenhang mit mehreren Behördenschließungen in Wolfhagen. Kollege Frömmrich hat es bereits detailliert ausgeführt. Fehlentscheidungen bei den Amtsgerichten gibt es reichlich, auch in Wolfhagen. Auf diese wird aber gleich meine Kollegin Heike Hofmann noch genauer eingehen.

Fazit: Leerstand auf der einen Seite, teure Neu- und Anbauten auf der anderen Seite und, nicht zu vergessen, eine weitere Verschlechterung für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen. Ein solches Vorgehen kann sich das Land Hessen weder strukturpolitisch noch finanziell leisten. Insgesamt sind die Behördenschließungen auch ein Schlag in den ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Möglichkeit nicht genutzt, eine Konzentration von Aufgaben auch in die Fläche zu verlagern, um hier Arbeitsplätze zu sichern. Die von Ihnen eingeforderte Mobilität der Bürgerinnen und Bürger gilt für Sie nur in eine Richtung, nämlich vom Land in die Großstadt, aber nicht umgekehrt.

Sie sind Ihrer Verantwortung für eine ausgewogene Regionalpolitik mit diesem Gesetzentwurf nicht gerecht geworden. Das konzeptionslose Zerschlagen, die Schließung von über 130 Behörden und die damit verbundenen 10.000 Meldungen in die PVS sind nicht nur eine Zumutung für die Beschäftigten, denen Sie durch die Hintertür gleich noch einmal Mitbestimmungsrechte streichen und

ein weiteres Mal Einschränkungen im Hessischen Personalvertretungsgesetz vorsetzen.

Diese Reform ist zugleich die Verabschiedung von einer bürgernahen und effizienten Verwaltung. Die Fachverbände waren sich in der Anhörung einig darüber, dass durch immer größere Entfernung von Bürgern und Verwaltung hohe Mehrkosten entstehen werden. Ob Richter oder Vermessungsingenieure, sie alle müssen künftig wesentlich mehr Reisekosten abrechnen und einen größeren Zeitbedarf für ihre Tätigkeit aufwenden. Auch diese Mehrkosten werden letztendlich wieder bei den Bürgern hängen bleiben.

(Günter Rudolph (SPD): Genau!)

Einzelne Außenstellen und Anlaufstellen haben Sie in diesem Gesetz nicht benannt, dafür sind noch extra Rechtsverordnungen erforderlich. Auch hier geben Sie sich die Möglichkeit, auf kurzem Weg, ohne parlamentarische Beratung, weitere Standorte zu verändern bzw. zu schließen. Landesweit 58 Katasterämter auf sieben Bodenmanagementbehörden mit fünf Außenstellen zu reduzieren, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus.

(Beifall bei der SPD)

So wenige Standorte können weder kundenorientiert noch bürgerfreundlich arbeiten. Diese Konzeption beruht einzig und allein auf politischen Zielsetzungen und widerspricht allen fachlichen Erfordernissen.

(Beifall bei der SPD)

Gerade die Vermessungsingenieure sind vor Ort gefragt. Sie können doch nur bürgerfreundlich arbeiten und Service leisten, wenn sie nicht 30 km und mehr entfernt liegen. So, wie Sie dies vorhaben, ist dies nicht leistbar.

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Aktives Bodenmanagement, auch im Sinne von Standorten und Wirtschaftsförderung, Herr Haselbach, ist nur dezentral kundenorientiert und mit regionalen Kenntnissen möglich. Allein im Katasterbereich schieben Sie mit dieser Reform 900 Beschäftigte hin und her und werden damit einzig und allein ein bürokratisches Chaos ernten.

(Beifall bei der SPD)

Ebenso wenig durchdacht sind Ihre Standortentscheidungen. Dies ist auch nur ein Beispiel von vielen, wenn es auch eben schon genannt wurde. Wenn eine zentrale Bodenmanagementbehörde zuständig sein soll für den Landkreis Waldeck-Frankenberg, den Landkreis Kassel und die Stadt Kassel,

(Günter Rudolph (SPD): Halb Nordhessen! – Gegenruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

dann kann man eine solche Behörde nicht an die Peripherie legen, sie muss zentral liegen.Auch das wäre noch eine Begründung, wenn man Kosten sparen würde. Aber den Neubau für 15 Millionen c habe ich schon erwähnt.

Was hat das mit Bürgernähe und Effizienz zu tun? – Diese Antwort sind Sie bis heute schuldig geblieben. Dafür gibt es keine Begründung. Mit dem Abzug der Bundeswehr aus vielen Regionen werden Liegenschaften in baulich einwandfreiem Zustand frei, die z. B. auch als Behördenzentrum genutzt werden könnten. Es versteht niemand – wir haben es im Ausschuss angesprochen –, dass die Landesregierung noch nicht einmal die Möglichkeit prüfen will, ob diese Liegenschaften genutzt werden können.

Stattdessen wird dieses Gesetz im Schweinsgalopp durchgesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie noch einmal: Wo bleiben die viel zitierten Einsparungen? – Die „Operation sichere Zukunft“ ist auf allen Ebenen gescheitert. Sie geben viel, viel mehr Geld aus, als Sie jemals durch die Zusammenlegung erbringen können. Die Reform ist weder bürgerfreundlich noch regional ausgewogen.

Die Länder sind nach der Verfassung auch für Strukturpolitik zuständig. Meine Damen und Herren von der CDU, das haben Sie bei dieser Reform völlig außer Acht gelassen. Das Land Hessen hätte die einmalige Chance, auch im Rahmen der geplanten Behördenreform,

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

kurzfristig auf die Konversionsfolgen in Hessen zu reagieren. Dazu bedarf es aber Neuüberlegungen, der Einbindung von Fachleuten und der Betroffenen, aber keiner Entscheidung wie dieser, nämlich nach Gutsherrenart über alle Köpfe hinweg.

(Zuruf des Abg. Reinhard Otto (CDU))

Wir werden daher diesem Artikelgesetz mit über 50 Gesetzesänderungen nicht zustimmen, dessen Folgen massenweise Standortschließungen sind, dessen Einsparfolgen nicht zu erkennen sind und dessen Folgen vor allen Dingen große Verschlechterungen für die Bürgerinnen und Bürger bedeuten. Wir fordern Sie daher auf, dieses Gesetz zurückzuziehen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Danke, Frau Hofmeyer. – Zu einer Kurzintervention hat Herr Dr. Lübcke das Wort.

(Reinhard Kahl (SPD): Jetzt zu Wolfhagen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hier wurde angesprochen, dass in Wolfhagen eine zentrale Bodenmanagementbehörde angesiedelt werden soll. Frau Hofmeyer,wenn Sie sich in Ihrem Wahlkreis nicht auskennen, dann sollte man vorsichtig mit solchen Aussagen sein.

(Günter Rudolph (SPD): Wieso? – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine Schärfe in die Debatte bringen! – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Die Landesregierung hat ganz bewusst entschieden, dass die Hauptstelle der Bodenmanagementstelle in Korbach und eine Außenstelle in Hofgeismar angesiedelt wird. Wenn Sie hier die regionale Dissoziierung ansprechen, so wird der Bereich Hofgeismar durch die Bodenmanagementbehörde in Hofgeismar abgedeckt. Sie wissen, dass ein neues Gebäude von der Bundeswehr im Rahmen des Konversionsprogramms übernommen worden ist. Ich bitte Sie auch,die falschen Zahlenspiele zu unterlassen.In Wolfhagen werden nicht drei Ämter von vieren geschlossen, es werden von sechs zwei geschlossen.

(Brigitte Hofmeyer (SPD): Das habe ich gar nicht gesagt!)

Es ist auch von Herrn Frömmrich angesprochen worden. – Ich bin der Meinung, dass hier die Wahrheit zählt. Sie und der Landrat sollten dazu beitragen, hier diese falschen Aussagen mit der Standortentscheidung Korbach/ Wolfhagen zu unterlassen.

Ich weiß gar nicht, wer Sie auf das Pferd gesetzt hat, dass die Landesregierung in Korbach neu bauen will. Nach meinen Informationen will die Landesregierung in Korbach selbst nicht neu bauen. Es gibt in Korbach verschiedene Immobilien, wo die Bodenmanagementbehörde angesiedelt werden kann. Es gibt auch Interessenten, in Public-Private-Partnership etwas anzubieten. Aber das Land Hessen als solches wird keine 10 oder 15 Millionen c in die Hand nehmen, um dort neu zu bauen.

Wir haben hier zwei schwerwiegende Maßnahmen. Das Land Hessen führt eine Reform in der Behördenstruktur durch, aber auch der Bund. Der Bund ist für die Konversion verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn ich 800 Arbeitsplätze bei der Bundeswehr verliere, im Vergleich zu 19 Arbeitsplätzen in Wolfhagen durch die Verwaltungsstrukturreform, die wir durchführen, dann messen Sie mit falschen Maßstäben. Es ist nicht angebracht, wie Sie auftreten. Der Bund steht in der Verpflichtung, Konversionsmittel zur Verfügung zu stellen, damit sich der Standort weiter entwickeln kann. Weil Sie die Entscheidung bei der Bundeswehr angesprochen haben: Es ist auch zu prüfen, ob Wolfhagen nicht als Logistikstandort für die Bundeswehr infrage kommt. Das wurde in keinster Weise abgeprüft.