Diese fortschreitende Marginalisierung des Parlaments, die mit Bedacht betrieben wird, hat jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht.Herr Kollege Lortz,mit demokratischen Entscheidungsprozessen hat das wirklich nicht mehr viel zu tun.
Ihre Regierung versäumt es, die richtige Weichenstellung vorzunehmen, und wir müssen es angesichts der stets abnickenden, geradezu willenlosen Mehrheitsfraktion ertragen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! – Frank Lortz (CDU): Unverschämtheit!)
Meine Damen und Herren von der CDU und Herr Kollege Lortz, man sieht es Ihnen doch an, so deutlich ist es in Ihre Gesichter geschrieben, dass es selbst in Ihren Reihen den meisten ziemlich peinlich ist, angesichts des permanenten Haushaltsdesasters die Claqueure abgeben zu müssen – nicht wahr, Herr Kollege Dr. Jung?
Aber Sie haben es sich selbst zuzuschreiben. Wer nicht aufpasst, fällt in die Schuldenfalle.Auch Ihre Mühe, durch aufgeregtes arrogantes Verhalten die trostlose Perspektive Ihrer Politik zu überspielen, verfängt nicht mehr.
Herr Kollege Lortz, es spricht sich herum, dass die Schwarzen vielleicht mit Schwarzgeld, aber gewiss nicht mit dem Staatshaushalt umgehen können.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister, die gesamte Landesregierung und die sie tragende Fraktion weigern sich seit Jahren gleichermaßen vorsätzlich wie hartnäckig, rechtzeitig steuernd einzugreifen, um die explodierende Verschuldung des Landes zu verhindern. Die Abgeordneten der Regierungsmehrheit – entweder geben sie lobhudelnd Textbausteine aus der metzschen Propagandafabrik, gespickt mit gespreiztem Stolz, zum Besten, oder sie schweigen dazu.
Jetzt sitzen Sie da wie die sprichwörtlich begossenen Pudel. Die meisten sind schon von der Bühne geflüchtet. Sie wollen es nicht mehr hören. Die Wahrheit zu ertragen, das ist sowieso schon lange nicht mehr Ihr Ding.
Meine Damen und Herren von der CDU, wer die Regierung Koch unterstützt, der darf halt vor keiner noch so dreisten Lüge Angst haben. Da verschließt man lieber die Augen und Ohren – nicht wahr, Herr Kollege Lortz?
Meine Damen und Herren, zur heutigen zweiten Lesung müsste ich eigentlich die Ausführungen meines Kollegen Wagner von vor drei Wochen wiederholen. Sie waren damals richtig, und sie sind es heute. Sie sind genauso richtig wie meine eigenen Ausführungen im letzten Jahr und im vorvergangenen Jahr.
Herr Kollege Hahn, das liegt daran, dass der Nachtragshaushalt jedes Jahr so grottenschlecht ist, wie er ist. Schreien Sie nicht so laut. Vor zwei Jahren waren Sie selber mit in der Verantwortung.
Weil kaum zu erwarten ist, dass Sie den Argumenten zuhören, geschweige denn dafür zugänglich sind, will ich darauf verzichten.
Eigentlich sollte ich, wie es in der zweiten Lesung angebracht ist, etwas in die Tiefe des Nachtragshaushaltsentwurfs gehen. Herr Kollege Lortz, das wird aber schwierig. Wie soll man bei etwas in die Tiefe gehen, was keine hat? Die Begründung des Nachtragshaushaltsgesetzentwurfs ist ebenso unbefriedigend wie ihr Inhalt. Da wird geradezu teilnahmslos aufgelistet, was in diesem Jahr alles falsch gemacht wurde. Logischerweise bleibt all das unerwähnt, was versäumt wurde.
Eine Reihe von Veranschlagungen wurde falsch angesetzt. Dies betrifft insbesondere die Einnahmen aus den Gebühren.Während der Haushaltsdebatte, die vor einem Jahr stattgefunden hat, haben wir Ihnen das sehr klar vorausgesagt. Aber die die Regierung tragende Fraktion wollte das, wie üblich, nicht hören. Bei den Gerichtsgebühren ist es fast schon üblich, sie überhöht zu veranschlagen. Das wird für den Ausgleich des virtuellen Haushalts benötigt. Das ist übrigens das gleiche Verfahren, wie wir es bei der vorsätzlich zu niedrigen Veranschlagung der gesetzlichen Leistungen kennen. Das alles merkt man natürlich erst, wenn das Haushaltsjahr fast vorüber ist. Dann lässt sich der Fehlbetrag exakt feststellen. Dann ist das aber Schnee von gestern und nicht mehr zu ändern. So kalkulieren Bankrotteure. So kalkuliert leider auch unser Finanzminister.
Bei der Haushaltsdebatte, die letztes Jahr geführt wurde, haben alle Experten davor gewarnt, bei der Studiengebühr für Langzeitstudierende so hohe Einnahmen zu veranschlagen,wie Sie es getan haben.Mittlerweile geben Sie zu, dass Ihnen das Herausdrängen der Studierenden aus den Hochschulen auch ein wichtiges Ziel war. Wahrscheinlich war es Ihnen sogar eine Herzensangelegenheit.
Herr Kollege Lortz, Sie haben mit Ihrer Politik zwei einander widersprechende Ziele verfolgt. Einerseits haben Sie hohe Einnahmen für den Fiskus in den Haushaltsplan eingestellt. Andererseits wollten Sie möglichst viele Studierende vergraulen. Wenn man so handelt, verhält man sich genauso, wie es ein Betrüger tut. Der Nachtragshaushaltsgesetzentwurf hat es an den Tag gebracht: Das ist der betrügerische Bankrott.
Ich möchte jetzt auf das zu sprechen kommen, was versäumt wurde. Das ist das Sparen. Im abgelaufenen Jahr wurde wenig gespart.Missliebige Einrichtungen bekamen die Zuschüsse gestrichen. Den Bediensteten wurde ins Portemonnaie gegriffen. Der Rest des so genannten „Sparens“ ergab sich durch Verkäufe. Das heißt, das sind einmalige Erlöse. Auf jeden Fall wurde während des gesamten Haushaltsjahres nicht in dem Sinne gespart, dass man bei den hinter den Erwartungen zurückbleibenden Einnahmen auch eine Verringerung der Ausgaben sichergestellt hätte.Das Gegenteil war der Fall:Hier und da wurde noch etwas mehr Geld ausgegeben. – Von den politisch motivierten Minderveranschlagungen sprach ich bereits.
Das wird jetzt im Nachtragshaushaltsgesetzentwurf mit der den Konservativen eigenen Tonart schöngeredet und glatt gebügelt. Herr Kollege Lortz, diese Tonart greift immer dann Platz, wenn man die eigene Schuld auf andere ablenken will.
Trotz all dieser Formulierungskünste steht eines fest: Die Verschuldung des Landes Hessen hat in diesem Tagen die Summe von 30 Milliarden c überschritten.Wenn man die bereinigten Ausgaben des Landes Hessen betrachtet und dabei auch noch die Verpflichtung zur Einzahlung in den Länderfinanzausgleich berücksichtigt, kann man feststellen, dass dies nichts anderes bedeutet, als dass Sie es geschafft haben, dass wir nunmehr Schulden in einer Höhe haben, dass man sie mit den gesamten Einnahmen des Landes aus zwei Jahren nicht mehr abdecken kann.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD) – Frank Lortz (CDU): Das sind grüne Altlasten!)
Weil das so ist, nimmt es nicht wunder, dass die Redner der CDU in ihrer Hilflosigkeit zu lächerlichen Argumenten gegriffen haben. Sie haben versucht, die Verschuldung gegen den Länderfinanzausgleich aufzurechnen. Ich habe es Ihnen schon mehrfach gesagt: Die Abführung in den Länderfinanzausgleich ist kein Raub an unserem schönen hessischen Vermögen,
sondern durch das Grundgesetz normierter konkreter Ausdruck, dass wir Teil der Bundesrepublik Deutschland sind. Herr Kollege Lortz, ich glaube, angesichts der bundespolitischen Ambitionen des Herrn Ministerpräsidenten wollen doch auch Sie nicht, dass Hessen den Bund verlässt.Wo denn sonst sollte Herr Koch den Helden spielen?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein tragischer Held!)
„Same procedure as every year“ folgt als Rechtfertigung auf dem Fuß. Das Ganze wird dann als Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bezeichnet. Gestört ist bei dieser Regierung aber etwas ganz anderes, nämlich ihr Verhältnis zur Wahrheit und ihre Fähigkeit, das eigene Handeln einer auch nur etwas kritischen Betrachtung zu unterziehen.Dabei ist auch füglich zu bezweifeln,ob diese Fähigkeit überhaupt je existiert hat.
Jetzt zumindest ist davon nichts zu erkennen. Stattdessen hören wir in den Reden der Vertreter aus dem Regierungslager immer wieder das Wort „stolz“. Alle wundern
Bereits im vergangenen Jahr mussten wir erleben,wie hier von der Regierung eine hilflose Argumentation angesichts des Überschreitens der verfassungskonformen Kreditobergrenze zum Besten gegeben wurde. Damals wurde die „Operation düstere Zukunft“, die es in diesem Jahr gab, noch besonders dramatisch dargestellt. Auch in diesem Jahr ist es wieder genauso. Meine Damen und Herren der CDU, wenn man sich auf eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beruft, dann müssen die zusätzlich aufgenommenen Kredite für Maßnahmen zur Zurückgewinnung des Gleichgewichts verwendet werden. Selbst Sie aber werden zugeben müssen, dass davon weit und breit nichts zu sehen ist. Der Nachtragshaushalt wird auf dem Papier die zügellose Haushaltspolitik der Regierung finanzieren, indem der Schuldenberg immer weiter erhöht wird. Finanzpolitisch hat diese Regierung auf der ganzen Linie versagt. Da steht sie leider in der Tradition ihrer Vorgängerin aus der 15. Legislaturperiode.
Diese Beurteilung stammt nicht nur von der Opposition. Sie ist auch Ergebnis des Ratings und der Bewertung unabhängiger Beobachter.
Angesichts der sich immer weiter verdüsternden Lage des hessischen Haushalts bleibt nur die gleichermaßen freundliche wie zutreffende Beurteilung – Sie kennen sie schon, Sie hören sie immer wieder von mir –:
Solide und transparent, klar und wahr, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.
Eingangs meiner Rede nahm ich auf die Zeit vor Weihnachten Bezug. Das ist die Zeit, in der man sich bekanntlich etwas wünschen kann.